> > > LIBREAS. Library Ideas # 7

Wenn Maschinen lächeln könnten. Vom Charme des französischen Bibliothekswesens


Zitiervorschlag
Elke Greifeneder, "Wenn Maschinen lächeln könnten. Vom Charme des französischen Bibliothekswesens. ". LIBREAS. Library Ideas, 7 ().


RFID, Automatische Verbuchung, Chat mit der Bibliothek und OPAC-Systeme, die am besten bereits die Suchanfrage antizipieren: Das moderne Bibliothekswesen definiert sich vor allem durch seinen Einsatz moderner Technik. Deshalb war ich überrascht, als ich bei einem Studienaufenthalt in Paris das französische Bibliothekssystem kennenlernte. Die Einführung aktueller Technik vollzieht sich in unserem Nachbarland nur schleppend. Sieht man einmal von der Nationalbibliothek Frankreichs ab, trifft man häufig auf Anwendungen, die in Deutschland bereits seit Jahren nicht mehr verwendet werden.

Ein Beispiel: Die Bibliothek der Universität Paris VIII in Saint Denis verwendet einen OPAC der Firma Absys. Dieser ist jedoch nur von 60 Personen gleichzeitig nutzbar, weil die Anzahl der Zugriffe limitiert ist. Da in der Bibliothek ständig mindestens zehn Mitarbeiter den OPAC benützen, verbleiben für die interne und externe Nutzung 50 gleichzeitige Zugriffe. In Stoßzeiten wie den Kurspausen kommt es daher regelmäßig zu einer völligen Auslastung des Kontingents und damit zu überflüssigen Wartezeiten. Magazinbestellungen müssen selbstverständlich noch in Papierform eingereicht werden.

Während meines Aufenthaltes durfte ich auch ein Highlight in der Arbeit der vier Stadtteilbibliotheken von Saint Denis und La Plaine de Saint Denis miterleben. Als längst bestehender Bibliotheksverband fertigte man erst im Jahr 2006 einen gemeinsamen OPAC der vier Standorte an, der auch extern abrufbar ist. Bis dato konnte man sich nur vor Ort informieren, welche Medien die Bibliothek besitzt und welche gerade verfügbar waren. Vorbestellungen und Verlängerungen waren ebenso nur direkt an der Theke zu erledigen.

Das PC-Regal: Die Mediatheque Issy ist in Hinsicht Multimedialität rundum ausgestattet, wenigstens auf dem Papier.

In Spezialbibliotheken wie der Bibliothek der Gesellschaft der Geschichte des Protestantismus in Frankreich sind zwar Teile des Bestandes bereits in einem OPAC aufgenommen, der aber nur vor Ort einsehbar ist. Nicht einmal die Historische Bibliothek der Stadt Paris hat ihre gesamten Bestände in einem extern zugänglichen OPAC verfügbar gemacht. Die Zustände der Bibliotheken außerhalb von Paris sind im Allgemeinen noch schlechter.

Trotz der technischen Rückständigkeiten gibt es etwas, das mich fasziniert hat: Die französischen Bibliothekare selbst. Den Mangel an Technik gleichen sie mit einem freundlichen Lächeln, stets zuvorkommender Hilfe und dem Gefühl, bei ihnen willkommen zu sein, schnell wieder aus. Betrete ich besagte Stadtbibliothek in Saint Denis, werde ich mit einem freundlichen „Bonjour“ begrüßt und mit einem ebenso freundlichen „Au revoir“ wieder verabschiedet. Dies gehört sicher in gewissem Maße zur französischen Mentalität, denn man fordert auch von mir als Benutzer, zu grüßen und mich zu verabschieden. Wünsche ich einem deutschen Bibliothekar ein schönes Wochenende, ernte ich dagegen oft nur irritierte Blicke.

Bei meinem Aufenthalt in Paris ist mir aufgefallen, wie „gastfreundlich“ französische Bibliotheken generell sind. Selbst wenn ich unangekündigt eine Spezialbibliothek besuchte, nahm man sich die Zeit, der „deutschen Fachkollegin“ möglichst viel zu zeigen und zu erzählen. Ich musste mein bibliothekarisches Fachinteresse nicht erst durch einen akademischen Titel nachweisen. Mein Interesse an der jeweiligen Bibliothek genügte den Bibliothekaren.

Das deutsche Bibliothekssystem preist seinen Einsatz modernster Technik, und das sicher auch zu Recht. Aber Maschinen können auch im 21. Jahrhundert noch nicht lächeln. Ein Rückgabeautomat bleibt eine Maschine, die weder freundlich grüßt noch mich böse anschaut, wenn ich meine Medien beschädigt habe. Eine Maschine führt die Aktionen aus, die ein Techniker programmiert hat. Und nicht mehr. Die französischen Zustände haben mich oft verzweifeln lassen, da ich von zu Hause weder Medien verlängern noch vorbestellen konnte. Sie ließen mich ungeduldig werden, wenn ich mal wieder in der Universitätsbibliothek keinen Zugriff hatte. Doch es gab immer einen Bibliothekar, der mit freundlicher Hilfe die größte Wut verschwinden ließ. Schade eigentlich, dass Maschinen nicht lächeln können.


Elke Greifeneder studiert Französisch und Bibliothekswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin.