Die zunehmende Literaturflut sowohl bei den Printmedien als auch im digitalen Bereich erfordern eine neue und intensivere Beschäftigung mit Problemen der inhaltlichen Erschließung, einem Gebiet der Bibliotheks- und Informationswissenschaft, das über viele Jahre nur sporadisch weiterentwickelt wurde. Dies zeigt sich nicht nur im Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationsbereich hinsichtlich der zum Teil unterschiedlichen Aufgabenfelder – der Mangel an einheitlichen Methoden macht sich vorrangig bei der Nutzung des Internet als Informationsquelle bemerkbar.
Das vorliegende Buch verfolgt das Anliegen, die Vielfalt der Entwicklungstendenzen unter einem einheitlichen Gesichtspunkt zu betrachten, zusammenzuführen, zu analysieren und methodisch einzuordnen. „Licht in das terminologische Dunkel zu bringen“, ist seit langem überfällig.
Jutta Bertrams Einführung in die
inhaltliche Erschließung in Berlin Mitte
Zum Vergrößern anklickeln, ca. 96 kB
Das Ergebnis ist eine gelungene Grundlage, nicht nur für die einführende Lehre an wissenschaftlichen Hochschulen, sondern auch als gemeinsame Verständigungsbasis fachwissenschaftlicher Diskussionen.
Beginnend mit der Beschreibung der Funktion und den Zielen der Inhaltserschließung werden die Problemfelder von Informationsanalyse und Informationsdarstellung im Einzelnen betrachtet. Dabei geht Jutta Bertram anhand von Beispielen auf verschiedene Anwendungsgebiete ein.
Ausgangspunkt für die weiteren Ausführungen ist die Notwendigkeit der Eineindeutigkeit der Beziehung zwischen Begriff und Bezeichnung, dem Grundproblem der inhaltlichen Erschließung. Die Verfasserin stützt sich hier in ihren Aussagen auf nationale und internationale Normen, was als eine wesentliche Voraussetzung für die fachwissenschaftliche Verständigung besonders zu begrüßen ist. Das Buch unterscheidet sich dadurch positiv von anderen bereits vorliegenden Titeln, die durch ihre Fachbezogenheit nicht immer zu verallgemeinerbaren Erkenntnissen beitragen.
Die Beschreibung der Methoden des Referierens und Indexierens orientiert sich ebenfalls im Wesentlichen an den DIN-Normen, geht jedoch nur wenig darüber hinaus. Beispielsweise wird zwar auf die Notwendigkeit der Erarbeitung von Strukturschemata eingegangen, es fehlen jedoch methodische Ansatzpunkte zu deren Erarbeitung.
Das Kapitel zur automatischen Inhaltserschließung beginnt mit einer Typologie und beschreibt im Anschluss die Ansätze der einzelnen Verfahren. Ein gesondertes Kapitel widmet Bertram den Registern und betont deren durchaus wesentliche Rolle als Methode der inhaltlichen Erschließung. Ein sehr detaillierter Überblick über die Grundprinzipien und Arten von Dokumentationssprachen schließt sich an, immer wieder versehen mit Beispielen. Klassifikationen werden nicht nur aus der Sicht des Bibliothekswesens betrachtet. Deren Aufgabe, Dokumente bzw. Informationen zu ordnen, einerseits und die Aufgabe, geordnetes Wissen darzustellen, andererseits, erstrecken sich ebenso auf die Bereiche des Dokumentations- und Archivwesens.
Im Zusammenhang mit den Ausführungen zum Thesaurus wird u.a. auf die Rolle von Definitionen eingegangen. Die Darstellung der Arten von Definitionen als Mittel zur Klärung unterschiedlicher Begriffsbeziehungen hätte die Funktion von Definitionen bei der Erarbeitung von Begriffssystemen sicher noch unterstreichen können. Dass im Vorfeld einer Revision eine Reihe von Tests zum Beispiel zu Fragen der Konsistenz, der Benutzungsfrequenz usw. wünschenswert ist, wird zwar erwähnt, leider fehlen jedoch konkrete Methoden des Vorgehens.
Einer Auswahl aktueller Vertreter von Klassifikation und Thesaurus wird ein gesondertes Kapitel gewidmet, was dem Charakter als Lehrbuch besonders entgegenkommt, ebenso wie der sich anschließende Vergleich von Dokumentationssprachen, der mit den verwendeten Unterscheidungsmerkmalen der beiden Typen Klassifikation und Thesaurus gleichzeitig auch allgemeine Anforderungskriterien formuliert.
Entsprechend der noch geringen spezifischen Erkenntnisse des Fachgebiets fallen die Kapitel zur inhaltlichen Erschließung von Internetquellen und Fachinformationsdiensten im Internet relativ mager aus. Dennoch spiegeln sie die wesentlichen Entwicklungslinien wider. Eine Gegenüberstellung von Suchmaschinen und Web-Verzeichnissen unter dem Aspekt ihrer Voraussetzungen, ihrer Leistungsfähigkeit hinsichtlich des Grades der inhaltlichen Erschließung und ihrer Retrievalqualität ist Ausgangspunkt für die Darstellung der Funktion von Metadaten. Als Instrument für den Zugriff auf Internetquellen steht der Dublin Core als am weitesten verbreitetes Metadatenformat im Mittelpunkt der Betrachtungen. Auf Fachinformationsdienste im Internet geht die Autorin mit der Vorstellung der Typen der Subject Gateways, der virtuellen Fachbibliotheken und der Fachportale wiederum unter dem Aspekt ihrer Leistungsfähigkeit ein.
Das Buch, strukturiert in 15 Kapiteln, deren Abfolge besonders in den unteren Gliederungsebenen zunächst irritiert, spiegelt bei näherer Betrachtung jedoch genau den Entwicklungsstand der Methoden der inhaltlichen Erschließung mit seinen vielfältigen Facetten und Anwendungsbezügen wider. Die Ausführungen folgen einem durchaus logisch nachvollziehbaren Konzept, das durch die Demonstration von Beispielen zu den theoretischen Aussagen an Anschaulichkeit gewinnt. Die Zusammenfassungen am Ende jedes Kapitels unterstreichen aus methodisch-didaktischer Sicht seine Eignung als Lehrbuch der Grundlagen auf dem Gebiet der inhaltlichen Erschließung.
Es wäre wünschenswert, dass dieses
Buch Anstoß für neue weiterführende wissenschaftliche
Untersuchungen gäbe, die nicht nur vereinzelte Anwendungen
im Blickfeld haben, sondern zu fach- und institutionsübergreifenden
wissenschaftlichen Erkenntnissen führen.
Inge Lindtner ist akademische Mitarbeiterin, u.a. für das Fachgebiet Inhaltserschließung, am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin.