Die Haare im Nacken zu einem Knoten gesteckt, die Brille auf der Nase, unauffällige, eher graue Kleidung und ein leicht weltfremder bis verwirrter Eindruck, als Beigabe ein Bücherwagen oder ein Sitzplatz hinter dem Auskunftstresen und als typische Handbewegung ein Zeigefinger vor dem Mund, aus dem ein lautes „Psst!“ ertönt. Sind das Bibliothekarinnen? Sind das Bibliothekare?
Dass sich Menschen oft eine vereinfachte Vorstellung über andere Personen, Gruppen oder Dinge machen, hilft ihnen dabei, sich die Umwelt weniger komplex und damit übersichtlicher zu gestalten. Dabei werden bei der Wahrnehmung Differenzierungen verwischt, die Gegebenheiten nur in Teilen aufgenommen oder aus dem Zusammenhang gerissen. Die Vereinfachung der Darstellung von Gruppen, in diesem Fall Berufsgruppen, führt oft zu einem klischeehaften Bild und dazu, dass Vorannahmen oder Vorurteile existieren, ohne sich durch persönliche Erfahrungen ein eigenes Bild gemacht zu haben.
Viele Bibliothekare mag die Darstellung von Bibliotheken und Bibliothekaren in manchen Filmen oder Fernsehsendungen ärgern.[Fn1] Dass sich Bibliothekare mit diesem Thema befassen, scheint in keinem Zusammenhang damit zu stehen, wie die Bibliothek oder die Berufsgruppe der Bibliothekare im betreffenden Land angesehen ist. Obwohl beispielsweise Bibliotheken in den USA integraler Bestandteil des Bildungssystems sind und viel besser angenommen werden, werden auch hier Bibliothekare im Film oft stereotyp als die „Psst-Typen“ dargestellt.
Es gibt zahlreiche Publikationen zum Thema Bibliothekare und Bibliotheken im Film von amerikanischen Bibliothekaren. Auf betreffenden Internetseiten wird akribisch zusammengetragen, in welchem Film welche „Bibliotheksszene“ lief. Die Eifrigen unter den Sammlern listen sogar auf, in welchen Filmen auch nur das Wort „Bibliothek“ bzw. Library genannt wird.
Die derzeit umfangreichste Sammlung „Librarians in the Movies: an annotated filmography”[Fn2] wird von Martin Raish gepflegt. Die komplett annotierte Liste von überwiegend englischsprachigen Kinofilmen nennt 550 Filme mit Bibliotheksbezug.
Die Sammlung wurde bereits 1993 mit dem Artikel “The Image of the Librarian in Commercial Motion Pictures“ begonnen.[Fn3] In der Einführung des Artikels stellen O’Brien und Raish fest, dass, von Ausnahmen abgesehen, das Bild des bücherzurückstellenden, stempelnden „Shushing“- Bibliothekars im Vordergrund der Darstellungen steht. Bei älteren Hollywood-Filmen sieht man oft die lokale Public Library und ihren weisen, aber meist autoritären Bibliothekar. Mit dem Berufswandel im „wirklichen Leben“ wurde die Darstellung im Kinofilm ein wenig neutraler, dennoch ist sie noch weit entfernt vom Beruf des modernen Bibliothekars. Mit der stets wachsenden Filmografie im Internet will Raish das „kollektive Gedächtnis” ausweiten und eine breitere Basis schaffen für weitere Aussagen über den „typischen“ Bibliothekar im Kinofilm.
Raish teilt seine Funde in vier Gruppen auf:
Derzeit gibt es
- 175 Filme, in denen eine Rolle einen Bibliothekar darstellt,
- 150 Filme, in denen eine Bibliothek genutzt wird,
- 50 Filme in denen die Wörter „Bibliothek“ oder „Bibliothekar“ genannt werden und
- 175 Filme, die noch nicht per Autopsie eingeordnet werden konnten.
Raish beschreibt kurz den Inhalt der jeweiligen Kinofilme, geht dabei jedoch nicht sehr in die Tiefe.
Auch Steven J. Schmidt ist ein Sammler und listet derzeit 400 Filme mit Bibliotheksbezug auf. Dazu stellt Schmidt eine Top-Ten-Liste mit den berühmtesten oder signifikantesten Filmen auf, in denen Bibliotheken oder Bibliothekare eine Rolle spielen.[Fn4]
Das Bild im Film
In der Monographie von Ray und Brenda Tevis[Fn5]
analysieren die Autoren das stereotype Image von Bibliothekarinnen
und Bibliothekaren amerikanischer und britischer Kinofilme von der
Stummfilmzeit bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts.
Der Inhalt jedes Films wird kurz beschrieben, mit kritischem Kommentar
versehen und die Darstellungsweise des „Bibliothekars“
untersucht – vom Aussehen der Kleidung bis hin zum Verhalten
und Rollendialogen. Für die Kinofilme mit Erscheinungsjahren
von 1980 bis 1999 stellen die Autoren fest, dass sich die stereotypen
Eigenschaften des Bibliothekars und der Bibliotheken im Film wenig
geändert haben.
Als in den realen Bibliotheken die Kartenkataloge nach und nach durch Online-Kataloge ersetzt wurden, haben nur wenige Kinofilme diese Änderung im Berufsalltag auch auf die Leinwand gebracht.
„The observable, staple occupational tasks of working librarians, such as shelving books and pushing booktrucks, undoubtedly will continue to be used frequently by filmmakers.”[Fn6]
Am Schluss ihrer Untersuchungen stellen die Autoren fest, dass das Image von Bibliothekaren in Kinofilmen während des 20. Jahrhunderts relativ stabil bleibt, die wenigen Ausnahmen, die es gibt, sind nicht signifikant. Jeder Kinogänger, egal welchen Alters, würde sofort einen Bibliothekar im Film erkennen.
„The visual characteristics associated with the stereotypical image – age, eyeglasses, hairstyle (bun or baldness), and clothes [...] were displayed unabatedly in films released throughout the remainder of the century.”[Fn7]
Ray und Brenda Tevis haben in ihrer Schlussbetrachtung die Filme auch statistisch ausgewertet und herausgefunden: Der Bibliothekar ist weiblich! Was im realen Berufsleben Fakt ist, wird auch im Kino reflektiert, von den 326 Film-Bibliothekaren waren 72 % Frauen und 28 % Männer. Zum Erscheinungsbild schreiben sie, dass 34 % der Film-Bibliothekarinnen und 40 % der Film-Bibliothekare Brillen tragen, 28 % der Frauen einen Dutt.
Derzeit in Produktion ist ein knapp 100 Minuten langer Dokumentarfilm „Hollywood Librarian“[Fn8] von Ann Seidl. Der Film will die Realität von Bibliotheken und Bibliothekaren im 21. Jahrhundert zeigen und mit dem unterhaltsamen und ansprechenden Kontext der amerikanischen Kinofilme verbinden.
Gezeigt werden sollen der Wert und die Bedeutung der Bibliothekare in unserer westlichen Kultur und der Gesellschaft. Indem das Image, das auf der Leinwand gezeigt wird, verglichen wird mit Aussagen realer Bibliothekare in Interviews, will Seidl die Vielfältigkeit der Frauen und Männer in ihrem Beruf zeigen und welche faszinierenden Orte Bibliotheken heute sind. So gibt es Ausschnitte mit eher negativen und „bösen“ Bibliothekaren, mit typischen „Psst“-Bibliothekaren, oder auch Flirtszenen in der Bibliothek bis hin zur „holy trinity“, wie Seidl die drei bei amerikanischen Kollegen beliebtesten Filme bezeichnet: Storm Center (1956), Desk Set (1958) und Party Girl (1995).
„These are films were the librarian is the lead role, where she is portrayed as competent, and she is actually a full human being, not a cartoon. All these movies have multiple speaking parts for librarians, and the three leading actresses are recognizable names: Bette Davis, Katharine Hepburn and Parker Posey.” [Fn9]
Einen Trend bei den Filmen der letzten Jahre kann Seidl nicht ausmachen. Auch die aktuelleren Kinofilme zeigen dieselben stereotypen Bilder mit Dutt. Als einzige Regel stellt Seidl fest, dass die Figur weniger stereotyp dargestellt wird, je größer die Rolle der Bibliothekarin im Kinofilm ist. Diese Feststellung passt zur Eigenschaft der Stereotype, sind diese doch auf wenige Eigenschaften reduziert und daher extrem in ihrer Darstellung. Ist die Rolle im Film entsprechend groß, wird man sie nicht nur mit wenigen Eigenschaften darstellen können und es wird geringfügig „(stereo)typisch“. Seidl ist erstaunt über die Hartnäckigkeit, mit der sich das Klischeebild hält. Dabei fällt ihr auf, dass es keine durchgängige stereotype Darstellung gibt, sondern verschiedene, manchmal positiv, manchmal negativ, oft mit unterschiedlichen Schemata und Kategorien.
Auch Bibliothekare in Europa machen sich ein
Bild über die mediale Darstellungsweise ihres Berufsstandes.
Ingo Tornow konnte für seine Beiträge 1994 und 1996 in
BuB[Fn10]
noch nicht auf Filmografien im Internet zugreifen, seine Quellenhinweise
erhielt er aus Filmlexika und von Kollegen.
Tornow listet in einem Artikel 20, im anderen über 100 Filme
auf und bemüht sich, einschlägige Folgen der gewichtigeren
(auch deutschen) Fernsehserien, in denen es um Bibliotheken geht,
nachzuweisen. Tornow zieht aus seinen Untersuchungen den Rückschluss,
dass das Bild der trockenen und humorlosen Bibliothekarin zeitlos
sei: „Alte Jungfern zu werden droht Bibliothekarinnen im Film
generell – wenn sie es nicht schon sind.“[Fn11]
Monika Bargmann[Fn12] stellt auf ihren Internetseiten „Bibliographie Berufsbild BibliothekarIn“ eine sehr umfangreiche Sammlung mit Links und Publikationen zusammen zu den Themen Berufsbild, Image und Klischees der Bibliothekare.
In der Rubrik „BibliothekarInnen in Literatur und Film“ werden vor allem Bücher und Filme, in denen tatsächlich BibliothekarInnen, nicht nur Bibliotheken oder BücherfreundInnen vorkommen, gesammelt. Angegeben werden Kurzbesprechungen oder Links auf die offiziellen Internetseiten der Kinofilme oder auf die entsprechende Seite der Internet Movie Database (IMBD).[Fn13]
Die Datenbank „Die graue Maus“[Fn14]
ist 1999 aus einem Projekt an der Fachhochschule Hamburg, Fachbereich
Bibliothek und Information, entstanden. Hier werden sowohl Bücher
als auch Filme nachgewiesen, deren Protagonisten Bibliothekare sind.
Grundlage der Datenbank war die Sammlung von Ingo Tornow sowie die
Zusammenstellung von Juliane Hagenström[Fn15].
Im Laufe der Jahre wurden die Daten ergänzt.
Die Autoren weisen darauf hin, dass alle Daten ohne Autopsie eingestellt
wurden. Zugriff auf die Daten besteht durch verschiedene Zuordnung
zu Genren (Abenteuer, Comics, Drama, Kinderbuch, Thriller u.a.).
Bei jedem Titel steht eine kurze Inhaltsangabe und es wird eine
Anzahl von Brillen (Grafiken) vergeben für den Grad der Klischee-Erfüllung.
Insgesamt 29 Bücher und Filme werden in die Kategorie „fünf Brillen“ eingestuft, was den höchsten Grad der stereotypen Darstellung bezeichnen soll. „Die graue Maus“ bietet ebenso ein Titelregister der bislang 54 Bücher und 97 Filme, sowie einen Länder- und Städteindex der Handlungsorte.
Auf einer Autopsie der Filme beruht die Monographie
von Dario D'Alessandro[Fn16].
Über 460 Filme hat der italienische Bibliothekar aufgespürt,
die entweder in einer Bibliothek spielen, eine Rollenbezeichnung
Bibliothekar beinhalten oder in denen auch nur das Wort „Bibliothek“
enthalten ist.
Als Quellenmaterial standen D’Alessandro dabei die bisher
genannten Internetseiten zur Verfügung.[Fn17]
Alle Titel wurden mit einer kurzen Inhaltsangabe versehen und interpretiert.
Im ersten Teil des Werkes teilt D’Alessandro die Filme akribisch in die verschiedenen Bibliotheksarten auf (Nationalbibliotheken, Öffentliche Bibliotheken, Universitätsbibliotheken, Gefängnis-, Spezial-, Kirchen- und Schloßbibliotheken).
Danach beschreibt der Autor, welche bibliothekarischen Tätigkeiten und Charakteristika in den Filmwerken auftauchen. D’Alessando versucht bei seiner Betrachtung der Filme eine Filmkritik im klassischen Sinn auszuschließen, seine persönliche Meinung fließt jedoch häufig in die Beschreibungen ein. Manches Mal sind die Szenenbeschreibungen etwas zu sehr aus dem Kontext herausgerissen, so dass nicht erkennbar ist, welche Bedeutung die Szene im jeweiligen Film hat.
D’Alessandro gewinnt aus seinen Betrachtungen folgende Grundeinsichten:
1. Als Schauplatz kommt die Bibliothek und als Nebenrolle die Bibliothekarin häufiger vor, als man annimmt.
2. Bibliothekare werden unterschiedlich dargestellt.
Dabei ist am häufigsten die „säuerliche, ältliche, altjüngferliche, fast häßliche Frau mit Brille und Haarknoten auf der Leinwand zu sehen“[Fn18].
Allerdings betont D’Alessando auch, dass die Liste der schönen und verführerischen Bibliothekarinnen sehr lang ist. Männliche Bibliothekare werden meist negativ dargestellt, als frustrierte, unterdrückte Personen, die den Beruf als Ausweg oder als Fluchtmöglichkeit gewählt haben.
D’Alessandro stellt fest, dass bei der Darstellung der Bibliothekare oft von der Normalität abgewichen wird und die männlichen Rollen oft als Kriminelle, sexuell Abartige, Depressive oder Alkoholiker auftreten.[Fn19] Typisierte Rollen herrschen vor allem in älteren Filmen vor, in neuen Filmen fällt die Darstellung des/der Bibliothekars/in dagegen meist positiver aus.
Die Allgemeinheit macht sich weder ein positives noch negatives Bild von der Person des Bibliothekars, schließt D’Alessandro.[Fn20]
Das meistgenutzte stereotypische Attribut von Bibliothekaren ist das „Schscht“ und dient dazu, den Bibliothekar im Film sofort erkennbar zu machen. „Doch dieses ’zur Ruhe mahnen’ bleibt nicht nur den Bibliothekaren vorbehalten. Andere Benützer, die für ihre Studien und Forschungen absolute Ruhe benötigen, lassen sich auch zu solchen Ordnungsrufen hinreißen.“[Fn21]
Der häufigste Bibliothekstypus im Film ist die Public Library. Den Grund sieht D’Alessandro in weiten Verbreitung dieser Bibliotheksform im englischsprachigen Raum sowie ihrer kulturellen Rolle im realen Leben. Moderne Recherche- und Informationstechniken werden noch nicht dargestellt. Insbesondere in amerikanischen Kinofilmen kommt jedoch dem Bibliotheksausweis eine besondere Rolle zu, dadurch dass er oft als Symbol für Wissen verwendet wird.
Das Bild im Fernsehen
Der Schwerpunkt der bisherigen Untersuchungen und Veröffentlichungen rund um das Thema Bibliothekare und Bibliotheken im Film liegt auf Kinofilmen.
Mit der Internet Movie Database (IMBD) steht ein probates Suchmittel zur Verfügung, um die Quellen nachzuweisen. Eine Stichwortsuche in der IMBD nach der Rollenbezeichnung[Fn22] „librarian“ ergab im März 2006 insgesamt 171 Rollen für männliche Bibliothekare und 219 für Bibliothekarinnen. Die meisten Kinofilme erscheinen knapp ein Jahr nach der Kinopremiere auf VHS-Kassetten bzw. mittlerweile vorrangig auf DVD, so dass man das Quellenmaterial zur Verfügung hat.
Doch wie sieht es im Fernsehen aus? Das Massenmedium Fernsehen ist ein wichtiger imageprägender Faktor für das Bild, das sich die Bevölkerung von Bibliotheken macht. 98 % der Deutschen haben ein Fernsehgerät, 80 % schauen täglich fern, der Durchschnitt liegt bei ca. 3 ½ Stunden am Tag. Es handelt sich hier natürlich um Durchschnittswerte, dennoch gilt für alle gleichermaßen, dass der Fernsehkonsum in den letzten zehn Jahren gestiegen ist.[Fn23] Vergleicht man die Daten des Fernsehkonsums mit den Statistiken über Bibliotheksnutzung[Fn24], kann man den Eindruck gewinnen, dass sich die Bevölkerung eher durch das Fernsehen ein Bild von Bibliotheken macht, als durch den Besuch derselben.
Will man das Bild der Bibliotheken und Bibliothekare im flüchtigen Medium Fernsehen untersuchen, wird es schwieriger, an Quellenmaterial zu gelangen. Über gängige gedruckte Fernsehzeitschriften steht zwar oft eine Kurzbeschreibung der jeweiligen Sendungen zur Verfügung, manches Mal bei Filmen sogar mit Rollenbezeichnungen, aber die Angaben sind nicht ausreichend, um darauf eine Quellensammlung aufzubauen. Über Online-Programmzeitschriften[Fn25] oder die jeweiligen Internetseiten der Fernsehsender ist der Zugriff komfortabler. Dabei bleibt das generelle Problem, dass das endgültige Programm oft erst zwei Wochen vor Sendedatum feststeht.
Recherchiert man über einen längeren Zeitraum von zwei Jahren (2003-2005), so erhält man insgesamt 480 Hinweise (ohne Wiederholungen) auf Fernsehsendungen, in denen in der Kurzbeschreibung oder in den Rollenbeschreibungen die Wörter Bibliothek/Bibliothekar oder Library/Librarian vorkommen. Ohne Wiederholungen kommt man damit auf durchschnittlich vier bis fünf Sendungen pro Woche, die eine „Bibliotheksszene“ haben. Bei knapp 30 Fernsehsendern in Deutschland mit jeweils 24 Stunden Programm am Tag sind diese Zahlen natürlich relativ zu sehen.
Knapp 420 der 480 Sendungen spielen in Bibliotheken, 200 der Sendungen haben die Rolle eines Bibliothekars. In 22 Fällen kommt der Bibliothekar auch ohne seinen Berufsort Bibliothek im Fernsehen vor. Etwa 100 Sendungen wurden dabei in Deutschland produziert.
Bibliotheksszenen im Fernsehen sind dabei in allen Genres zu finden. Es gibt Szenen in Spielfilmen (Kinofilme oder Fernsehfilme)[Fn26], Comedy-Sendungen, Krimis, Trickfilmen, Kinderserien, Nachrichten, Dokumentationen bis hin zur Werbung. Alle möglichen Rubriken sind vertreten, ausgenommen Verkaufssendungen und Sport. Art und Umfang der Szenen unterscheiden sich ebenso. Es gibt Fernsehfilme, in denen die Hauptrolle einer Bibliothekarin zukommt oder eben nur kurze Sequenzen, in denen im Hintergrund ein Bibliothekar mit Bücherwagen vorbei geht. Es gibt lange Kamerafahrten durch ehrwürdige alte Lesesäle bis hin zur kurzen Außenansicht eines Bibliotheksgebäudes von der Dauer einer Sekunde.
Die Nutzung einer Bibliothek stellt in manchen Filmen eine Wende dar: In der Bibliothek erhält der Protagonist die wertvolle Information, die es ihm erlaubt, sein Problem zu lösen. Interessant sind auch die Vorstellungen, die sich die Produzenten und Regisseure von Science-Fiction-Serien machen. In diesen Sendungen sind meist keine Bücher zu entdecken, sondern vielmehr virtuelle Bibliotheken bis hin zum virtuellen Bibliothekar. Auch die verschiedenen Fernsehsendungen unterscheiden nicht zwischen den bibliothekarischen Ausbildungsberufen, jeder, der in einer Bibliothek arbeitet, ist Bibliothekar, wenn es denn überhaupt benannt wird. An Tätigkeiten wird das gezeigt, was auch Nutzer realer Bibliotheken üblicherweise vor Ort sehen: die Ausleihe, die Rückgabe oder das Zurückstellen von Büchern in die Regale, das Erteilen von Auskünften oder die Recherche am Bildschirm. Bibliothekarische Hintergrundarbeiten werden den Zuschauern meist nicht gezeigt.
Regalreihen mit Büchern, auf denen auch noch Signaturschilder kleben, sind eher mit einer Bibliothek zu identifizieren, als lange Reihen von Computern, denen man nicht ansehen kann, was in ihnen steckt. Das könnte auch ein Internetcafé oder ein Schulungsraum in der Volkshochschule oder an der Universität sein. Der Zuschauer soll aber möglichst schnell die Situation erfassen und nicht erst raten müssen, in welcher Lokalität sich der Protagonist aufhält. Die Verbindung „Buch und Bibliothek“ ist für die mediale Darstellung der „Wirklichkeit“ also eindeutiger in der Welt des Zuschauers einzuordnen, vielleicht ist es deshalb verständlich, dass die aktuellen Informations- und Kommunikationsmedien den Weg noch nicht in die Bibliotheken im Film gefunden haben.
Konnte man bisher annehmen, dass die Darstellung der Bibliotheken in Filmen oder Fernsehsendungen, die überwiegend zur Unterhaltung produziert wurden, eher unterschwellig ein Bild vermitteln, steht mit der Form der Nachrichten und den Dokumentationssendungen im Fernsehen eine Berichtsform zur Verfügung, die bei den Zuschauern eher dazu dienen, bewusster Informationen wahrzunehmen. Die Darstellung der Bibliotheken in diesen Formaten unterscheidet sich von den überwiegenden Szenen aus Filmen und Serien. Hier werden „tatsächliche“ Bibliothekare gezeigt, die zu Wort kommen und bei ihrer Arbeit gefilmt werden.
Auf den ersten Blick scheint es auch bei den Bibliotheksszenen aus Fernsehsendungen so zu sein wie bei den Kinofilmen. Es gibt so vielfältige Aspekte bei der Darstellung von Bibliotheken und Bibliothekare, dass man nicht von eindeutig nur positiven oder nur negativen stereotypen Darstellungen sprechen kann. Alle bisher genannten Beiträge haben für ihre Analysen und Annahmen meist hunderte von Quellen als Basis gelegt. Was allen gemein ist: das Bild scheint insgesamt genauso vielschichtig zu sein, wie es Bibliotheken und Bibliothekare selbst sind. Und – man muss es zugeben – viele Dinge, die in Filmen und Fernsehsendungen transportiert werden, sind wahr. Es gibt Bücher in Bibliotheken, viele der Bibliothekare und Bibliothekarinnen tragen Brillen und es passiert auch, dass Bibliothekare Nutzer zur Ruhe gemahnen, wie höflich und in welcher Art, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Dass eine Bibliothek auch ein Ort der Ruhe ist, kann für den einen oder anderen vielleicht den Rückschluss nahe legen, dass die Menschen, die dort arbeiten, ebenfalls eher zur „ruhigen Sorte“ gehören.
Stereotype zusammengefasst
Während Stereotype als vereinfachte Darstellung der Umwelt fungieren, ist ihre Untersuchung komplex. Die Analyse von Vorurteilen und Stereotypen als Beurteilungsmuster für andere Personen oder Gruppen erfolgt nicht nur anhand eines einzelnen Merkmals („Dutt“), sondern anhand mehrerer Eigenschaften („grau“, höflich“, „Brille“, „weise“, „streng“). Die Verwendung stereotyper Merkmale in einem Film in einer bestimmten Dimension ist verschieden ausgeprägt. Dass die jeweiligen stereotypen Darstellungen im Film aus verschiedenen unterschiedlichen Merkmalen bestehen, haben die bisherigen Untersuchungen gezeigt. Die Anzahl der Dimensionen und deren Ausprägung ließen sich vermutlich nur dann genauer bestimmen, wenn man die stereotypen Merkmale auch quantitativ erfassen würde.
Die bisherigen Untersuchungen hatten ihren Schwerpunkt auf der medialen Ebene des Films, eine weitergehende Analyse der Rezeption und Wirkung wurde nicht verfolgt. Ruft man sich eigene Kinobesuche in Erinnerung, insbesondere die, die man zusammen mit anderen gesehen hat, stellt man fest, dass einige Aspekte des Films von jedem anders interpretiert werden können. Alle saßen im selben Kinosaal, aber jeder hat etwas anderes gesehen. Die Zuschauer des Kinofilms oder einer Fernsehsendung haben oft genug Möglichkeiten, ihre eigenen Vorstellungen in die Geschichte einzubringen, daher ist das Sehen eines Films oder einer Fernsehsendung immer auch das Ergebnis einer Interaktion mit dem Zuschauer. Der Zuschauer setzt die verschiedenen „Elemente“ des Films zu (s)einer Geschichte um. Das „Bild“ des Zuschauers entsteht in seinem Kopf. Was er behält, was er aufnimmt, welches Bild er sich aus dem reichhaltigen Medienangebot annimmt, kann man nicht wissen – jedoch hoffen, dass sich die Konsumenten des Films und Fernsehens ihre Vorannahmen oder Vorurteile durch den Besuch und die Nutzung realer Bibliotheken korrigieren oder – im positiven Fall – festigen.
Können Bibliothekare das von ihnen in den Medien dargestellte Bild beeinflussen? Werden sich, wenn alle Bibliothekare zusammen an ihrem Image arbeiten, die Servicequalität und das Verhalten gegenüber Bibliotheksnutzern weiterhin verbessern, die öffentliche Meinung und die Medienmeinung ändern?
Die australische Bibliothekarin Jennifer Cram beklagt in ihrem Artikel[Fn27], dass die Bibliothekare, das negative Image selbst kolportieren. Bibliothekare scheinen nach Cram zusätzlich auch mehr „die anderen“ für ihr Imageproblem verantwortlich zu machen, anstatt hier eine Herausforderung zu sehen und zu versuchen, das Image zu verbessern.
Die Ursache dafür sieht Cram im (vermeintlich) niedrigen Selbstwertgefühl der Bibliothekare. Sie weist darauf hin, dass bei der Darstellung des Stereotyps von Bibliothekaren nicht wahrgenommen wird, dass es dieses Klischeebild durchaus auch Positives enthält. Bibliothekare werden zwar einerseits oft als „graue Maus“ dargestellt, aber andererseits als zuverlässig, glaubwürdig und (alles)wissend – und wer hätte gegen diese Beschreibung schon etwas einzuwenden?
Auch Pauline Wilson gibt als mögliche Ursache ein niedriges Selbstwertgefühl an: "It results from seeing one's group and oneself through the eyes of the majority, through the eyes of the "other," in this case through the eyes of the nonlibrarians who stereotype librarians. One becomes ashamed of one's group and ashamed to share its characteristics. Whether the alleged characteristics actually are true does not matter..."[Fn28]
Ray und Brenda Tevis sehen das stereotype Image des Bibliothekars tief in der amerikanischen Kultur verankert. Die Autoren sind der Meinung, dass Bibliothekare Einfluss auf ihr Medienimage nehmen können. Bibliothekare sollten ihr Image so annehmen, wie es auch der Kinogänger oder die Öffentlichkeit tut.
Erst, wenn man den Wert dieses Jahrzehnte alten stereotypen Images kennt, könne man auch das Image revolutionieren.
Wenn Bibliothekare im Einklang und mit Ausdauer zusammenwirkten, hätten sie die Möglichkeit, ihr Image im 21. Jahrhundert zu modernisieren – wenn sie denn den Wunsch dazu haben.[Fn29]
Ann Seidl sieht es positiver. Bibliothekare müssen sich nicht
über Stereotype definieren. Sie müssen ihr positives Selbstimage
einfach mit der Öffentlichkeit teilen.[Fn30]
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28] [Fn
29] [Fn
30] Ute Engelkenmeier ist
im Bereich Öffentlichkeitsarbeit für die Universitätsbibliothek
Dortmund tätig.Fußnoten
Bibliothekare sind nicht die einzige Berufsgruppe, die darauf achtet,
wie der eigene Beruf dargestellt wird. Es gibt u.a. Publikationen
über die Darstellung von Lehrern, Ärzten, Polizisten oder
Journalisten in den Medien. (zurück)
http://emp.byui.edu/RAISHM/films/introduction.html
(letzter Zugriff am 13.03.06) (zurück)
O’Brien, Ann and Raish, Martin: The Image of the Librarian
in Commercial Motion Pictures: an annotated filmography. In: Collection
Management 17 (1993) 3, S. 671-684.(zurück)
Online-Database of films featuring
Libraries, Librarians and the Book Arts, http://www.filmlibrarian.info/,
update: 2004. (letzter Zugriff am 7.3.06). (zurück)
Tevis, Ray und Tevis, Brenda: The Image of Librarians in Cinema.
1917-1999. McFarland 2005. (zurück)
Ebd., S. 188. (zurück)
Ebd., S. 189. (zurück)
Siehe www.hollywoodlibrarian.com
(zurück)
Hughes, Kathleen: The Hollywood Librarian: An interview with Ann
M. Seidl. In: Public Libraries March/April 2003. S. 83. (zurück)
Tornow, Ingo: Library goes Hollywood
oder Wie kommt die Münchner Juristische Bibliothek nach Berlin?
Was Filmemacher mit Bibliotheken und BibliothekarInnen so alles
anstellen. In: BuB 46 (1994) 1. S. 22-32.
Tornow, Ingo: 100 Jahre Kino, 83 Jahre Bibliotheken im Film: 'Library
goes Hollywood' zum zweiten oder Aufforderung zur Selbstkasteiung.
In: BuB 48 (1996) 12. S. 938-952. (zurück)
Tornow, Ingo: Library goes Hollywood
oder wie kommt die Münchner Juristische Bibliothek nach Berlin?“
In: BuB 46 (1994) 1. S. 22. (zurück)
Siehe: http://www.8ung.at/library_mistress/berufsbild/berufsbild-belletristik.html,
update: 6. März 2006. (letzter Zugriff am 7.3.06) (zurück)
Siehe: www.imbd.com
(zurück)
Siehe:http://www.bui.haw-hamburg.de/grauemaus
(zurück)
Hagenström, Juliane:
Altjüngferlich - mit Brille und Dutt: die Bibliothekarin in
der Belletristik und im Kinder- und Jugendbuch. In: BuB 44 (1992)
10/11. S. 918-929. und "Genügt es nicht, wenn sie welche
abstäubt? Die Bibliothekarin in der Literatur. In: BuB 52 (2000)
1. S. 62-69. (zurück)
D’Alessandro, Dario:
“Silenzio in sala!: la biblioteca nel cinema”.Associazione
italiana biblioteche. Rom 2001. Dt. Ausgabe unter dem Titel D’Alessandro,
Dario: Hauptrolle: Bibliothek: eine Filmographie. Innsbruck 2002.
(zurück)
Raish; Schmidt; Die graue
Maus und zusätzlich die Liste der “Associazione italiana
biblioteche” (Siehe: www.aib.it/aib/clm/cine2.htm)
sowie die “Filmography on Libraries and Librarians”
von Shoji Ichimura, Mittlerweile unter “Libcinema Database”
(Siehe: www02.so-net.ne.jp/~ichi/index-e.html)
(zurück)
D’Alessandro, S. 24.
(zurück)
Ebd., S. 17. (zurück)
Ebd., S. 67. (zurück)
sowohl Kinofilme, sowie einige Fernsehfilme und TV-Serien (zurück)
Mühl, Melanie: Fernsehkonsum.
Siebzig Tag im Jahr vor dem Schirm. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung,
20.1.2005, Nr. 16. S. 38. Vgl. auch: http://www.faz.net (Aktuell
– Feuilleton – Kino und Medien, letzter Zugriff am 7.3.06).
(zurück)
„Jeder fünfte
Deutsche kennt seine Stadtbibliothek nicht, und nur knapp dreißig
Prozent der Bevölkerung sind aktuelle Kunden. [...] Fast jeder
Dritte, der seine Bibliothek am Ort kennt, hat sie noch nie besucht.“
Aus Pressemittelung, Gütersloh, 12.07.2004, zur Infas-Umfrage
im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, Siehe: http://idw-online.de/pages/de/news83278
(zurück)
z.B. www.tvtv.de
(zurück)
Der Anteil von Spielfilmen
und Kinofilmen im Fernsehen, die in den USA produziert wurden, ist
dabei relativ hoch. Im Jahr 2000 wurden von den öffentlich-rechtlichen
Sendeanstalten ca. 4.600 Filme ausgestrahlt, davon die Hälfte
aus den USA, die privaten TV-Sender zeigten ca. 5.800 Filme, davon
¾ aus den USA. Quelle: www.destatis.de/basis/d/biwiku/kulttab7.php,
Statistisches Bundesamt Deutschland: „Ausgestrahlte abendfüllende
Filme im Fernsehen in der Bundesrepublik Deutschland 2000 nach ausgewählten
Herstellungsländern“, update: 24.11.2003. (letzter Zugriff
am 7.3.06) (zurück)
Cram, Jennifer: Self love
and joy and satisfaction in librarianship. In: Australasian Public
Libraries and Information Services, June 1991 and in Issues 17,
August 1991. S. 4 -7. Siehe: www.alia.org.au/~jcram/self_love.html.
update: 26.02.2005. (Letzter Zugriff am 7.3.06) (zurück)
Wilson, Pauline: Stereotype
and Status: Librarians in the United States. Westport, CT: Greenwood
Press (1982). S. 36. Siehe:
http://home.earthlink.net/~cyberresearcher/stereotypes.htm
(zurück)
Tevis, S. 191. (zurück)
American Libraries, Juni/Juli
2005. (zurück)