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doi:10.18452/23803 (edoc HU Berlin)

kolonial geordnet: die historische Bestandsanalyse als Methode zum Aufspüren von Othering in Bibliotheksbeständen


Zitiervorschlag
Sandra Sparber, "kolonial geordnet: die historische Bestandsanalyse als Methode zum Aufspüren von Othering in Bibliotheksbeständen". LIBREAS. Library Ideas, 40 ().


Einleitung

Vor mehr als zehn Jahren katalogisierte ich die Missio-Sondersammlung, eine etwa 6.500 Werke umfassende Dauerleihgabe, die von MISSIO Österreich1 – dem österreichischen Zweig der Päpstlichen Missionswerke – an die Bibliothek der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) gegangen war. Es stellte sich schnell heraus, dass der Bestand von rassistischen Inhalten durchzogen war. 2019, ich hatte noch Kontakt zu einigen Kolleg:innen,2 ergab sich die Möglichkeit, mich näher mit diesem Bestand, der mittlerweile der Bibliothek geschenkt worden war, auseinanderzusetzen. Zwischenzeitlich hatten sich Studierende über rassistische Werke in diesem Teilbestand beschwert. Mein Ziel war es, exemplarisch an dieser Sammlung eine Methode zu entwickeln, die dazu beitragen sollte, koloniale Repräsentationen in Beständen aufzuspüren, ohne dabei jedes einzelne Buch analysieren zu müssen. Es sollte sich um eine im ressourcenknappen Bibliotheksalltag praxistaugliche Anwendungsmöglichkeit handeln.

Ausgangspunkt dieser historischen Bestandsanalyse ist die Annahme, dass sich koloniale Repräsentationen auf drei Ebenen in die Sammlung eingeschrieben haben, nämlich dass wir sie in der Disziplin selbst, innerhalb der verwendeten Wissensordnung und auf Ebene der Texte finden. Rassistische Denkmuster, die an verschiedenen Stellen der Missionswissenschaft (re)produziert werden, würden sich demnach als sozial konstruierte Auf- und Abwertungen in Form von Othering3 in den entsprechenden Gruppen der internen Klassifikation finden. Dort wiederum wäre eine Häufung an rassistischen Büchern auszumachen, so meine Vermutung.

Um dies zu überprüfen wird der Missio-Bestand und sein Sammelgebiet historisch und wissenschaftsgeschichtlich zu kontextualisieren sein. Danach erfolgt die Analyse der Klassifikation. Um abschließend feststellen zu können, ob sich in den als problematisch beschriebenen Gruppen tatsächlich mehr rassistische Titel finden als in anderen, werden Stichproben aus dem Gesamtbestand gezogen und die Werke inhaltsanalytisch auf Rassismen untersucht. Das vorgestellte Instrument ist ausschließlich auf einen abgeschlossenen, klassifikatorisch geordneten Bestand abgestimmt.

Ordnung und Wissen

Theoretisch fußt meine Herangehensweise auf den Prämissen von Michel Foucault, wonach Wissen im Kontext von Machtgefügen entsteht und als konstruierte Bedeutung gesellschaftlich anerkannte Wahrheit generiert.4 Wissen ist demnach keine Aussage über eine objektive Wahrheit, sondern erkämpfte Bedeutung. Der Austragungsort um diese Deutungshoheit ist der Diskurs. Er ist dasjenige, worum und womit man kämpft; er ist die Macht, derer man sich zu bemächtigen versucht.5 Machtkonstellationen, die sich institutionalisieren und innerhalb eines Diskurses als strategische und reproduktive Mechanismen in Erscheinung treten, bezeichnet Foucault als Dispositive.6 Explizit führt er Bibliotheken als Dispositiv an, aufgrund der Art und Weise, wie […] Wissen in einer Gesellschaft eingesetzt […], gewertet und sortiert, verteilt und zugewiesen wird.7

In Die Ordnung der Dinge geht Foucault der Frage nach der Entstehung von wissenschaftlichem Wissen nach und stellt fest, dass es im 17. Jahrhundert zu einer Verschiebung kommt, weg von den Ähnlichkeiten als maßgebendes Wesensmerkmal ordnender Elemente hin zu den Unterschieden.8 Es folgen Wissensordnungen wie etwa Carl von Linnés systemae naturae von 1758, wo Identität und Unterschied mit sozialen Auf- und Abwertungen verknüpft werden. Linnés Ordnungssystem zementiert das Bild des fleißigen Europäers und des trägen Afrikaners.9 Stark vereinfacht entspricht dieser Prozess der Abwertung jenem Phänomen, das Gayatri Chakravorty Spivak als Othering bezeichnet.10

Wenn nun also eine Gruppe von Menschen mittels Othering, sei es aufgrund von Geschlecht, Klasse, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, sexueller Präferenz, Nation oder anderen Unterscheidungsmerkmalen, zum vermeintlich unterlegenen Fremden und das vermeintlich überlegene Eigene zum selbstreferentiellen Bezugspunkt wird, führt dies zu sozial konstruierten Ungleichverhältnissen. Folglich können sich diese als Differenzen manifestieren, welche diskursiv reproduziert werden. Das Abbilden in Wissensordnungen ist gleichsam Konsequenz und Ausgangslage von Wissensgenerierung. Durch ihre Anwendung reproduzieren wir eine Geisteshaltung.11 Diese müsste sich eingeschrieben haben in:

a) die verschiedene Bereiche der Disziplin bzw. des Sammelgebiets

b) die Klassifikation und

c) die Werke

Nach einer kurzen Beschreibung der ethnozentrischen Dimensionen des Sammelgebiets wird die Analyse auf Ebene der Klassifikation und der Werke erfolgen, um Reproduktionen kolonialer Geisteshaltungen aufzuspüren.

Die Missio-Sammlung

Die Gründungsgeschichte der Sammlung lässt sich nicht im Detail nachzeichnen, obwohl Gespräche mit Mitarbeiterinnen von MISSIO geführt wurden. Es kann aber angenommen werden, dass frühe Bestände lange Zeit als Handbibliothek der Päpstlichen Missionswerke dienten und zum Schutz vor der Zerschlagung durch die Nationalsozialisten 1938 dem Missiologischen Institut zugeführt wurden.12 Stempelvermerke deuten auch auf zahlreiche Schenkungen anderer Einrichtungen wie etwa der Marianischen Frauen- und Jungfrauen-Congregation oder dem Katechetischen Museum Wien hin. Als sich die Päpstlichen Missionswerke in Österreich in den 1990er Jahren in MISSIO umbenannten, konnten sie auf eine bereits 150-Jährige, äußerst erfolgreiche Geschichte zurückblicken. Institutionell versteht sich MISSIO als Nachfolgeorganisation des 1822 gegründeten Lyoner Missionsvereins. 1922 erfolgte die innerkirchliche Zentralisierung durch die Eingliederung in die Päpstlichen Missionswerke, die der Kongregation der Evangelisierung der Völker unterstellt sind.13 In den 1820er Jahren verzeichneten einzelne Missionsvereine bereits bis zu 100.000 Mitglieder.14 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren sie oft zu enormen Unternehmen mit eigenen Druckereien, Verlagen und Bildungseinrichtungen angewachsen. Ihr Ziel war und blieb die finanzielle Unterstützung der verschiedenen Missionen. 2018 zählte der nationale Ableger von MISSIO mit einem Spendenaufkommen von etwa zehn Millionen Euro zu einer der größten Fundraising-Organisationen in Österreich.15 Die Bibliothek erfuhr in den 1980er Jahren eine Professionalisierung. Bestände wurden zusammengeführt, katalogisiert und anhand einer eigenen Klassifikation inhaltlich geordnet. Der Medienzuwachs erfolgte über Schenkungen, Nachlässe und projektbezogenen Ankauf. Bis in die 1990er Jahre galt die gesamte Einrichtung kirchenintern als linker Flügel, da in den Jahrzehnten zuvor befreiungstheologischen Inhalten eine hohe Bedeutung zugekommen war. 2008 wurde die MISSIO-Bibliothek aufgelassen.16 Neben jenen Medien, die 2009 an die ÖFSE gegangen waren, wurde ein weiterer Teilbestand der Missionsbibliothek und katholischen Dokumentationsstelle von missio Aachen (MIKDAO) übergeben; darunter eine Sammlung sehr seltener Katechismen in außereuropäischen Sprachen.17

Im kolonialen Wissen, also in den gesellschaftlich anerkannten Wahrheiten, deren Bedeutungen im Kontext der europäischen Expansion generiert wurden, war die Annahme einer weißen Überlegenheit bereits angelegt. Lokale Gesellschaftsformen wurden als unterentwickelt bezeichnet. Fremde spirituelle Überzeugungen erfuhren als Aberglauben eine Abwertung in Abgrenzung zum eigenen Glauben, der christlichen Religion.18 Systematisierungsansprüche führten dazu, dass zahlreiche Laien und Amateurforscher durch das Erfassen, Vermessen, Ein- und Zuordnen von Gebieten, Fauna, Flora und Menschen verwissenschaftlichtes Wissen schufen.19 Am regen Informationsaustausch zwischen den Kolonien und ihren Mutterländern waren neben Kolonialbeamten, Forschenden, Reisenden und Siedlern auch Missionare beteiligt. In Berichten, Vorträgen und Zeitschriftenartikeln vermittelten sie nicht nur Wissen, das für die Ausbeutung der Gebiete von Bedeutung war, wie etwa Hinweise zu Rohstoffvorkommen, Witterungsbedingungen et cetera. Sie transportierten dabei auch imaginierte Vorstellungen von Gesellschaft, Kultur und Natur der unterworfenen Länder. Missionszeitschriften und -ausstellungen trugen das ihrige dazu bei. Umgekehrt produzierten Missionsverlage hohe Auflagen an gedruckten Werken für die Missionen wie etwa Katechismen oder Gebetsbücher.20 Mit der Glaubenserziehung einher gingen meist auch soziale und kulturelle Disziplinierungsansprüche wie das Annehmen von Bekleidungstraditionen, Sprach-, Rechts- und Körperpraktiken aber auch von bestimmten Arbeitsweisen.21 Nicht selten übernahmen Missionare koloniale Aufgaben, wenn sie sich etwa als Kartografen betätigten, Schätzungen zur Größe lokaler Bevölkerungsgruppen abgaben oder sich als Dolmetsch zur Verfügung stellten.22

Die Herausforderung, einen missionswissenschaftlichen Bestand in Hinblick auf Othering zu untersuchen, besteht darin, nicht den inhaltlichen Sammelschwerpunkt als Ganzes den Praktiken der VerAnderung zuzuordnen. Dies ist insofern schwierig als der Ausgangspunkt von Missionierung ebenfalls das Eigene dem Fremden gegenüberstellt und die kirchliche Lehre eine Abwertung von Ungläubigen (bis hin zu Verfolgungs- und Vernichtungspolitiken) kennt. Diesen Aspekt versuche ich zu entschärfen, indem ich bei der Analyse dem missionierenden Subjekt in bester Absicht unterstelle, sein Gegenüber als autonomes und gleichwertiges Wesen zu begreifen. Religionsimmanente Zuschreibungen bleiben unberücksichtigt, während explizite Selbsterhöhung und/oder Fremdabwertung in den unterschiedlichen Facetten als Othering begriffen wird.

Die Missio-Klassifikation

Der Missio-Bestand folgt einer klassifikatorischen Ordnung, bestehend aus 19 Hauptgruppen mit bis zu elf Untergruppen. Neun Hauptgruppen werden in den Notationen mit Lateinischen Buchstaben (allgemeine bestandsspezifische Wissensgebiete), zehn Hauptgruppen mit Römischen Ziffern (geografische Zuordnungen) dargestellt, gefolgt von fortlaufenden Nummern, welche den Stellplatz des einzelnen Exemplars im Regal beschreiben. Entworfen wurde die Klassifikation von MISSIO. Sie wurde von der ÖFSE unverändert übernommen und ist für Leser:innen frei zugänglich an den Regalen angebracht.

MISSIO-Klassifikation (Sparber, 2019)

Sieht man von formalen Inkonsequenzen wie etwa der Unterbrechung in der Abfolge von allgemeinen Wissensgebieten (Buchstaben) durch geografische Einheiten (Römische Zahlen) oder der Wiederholung der Bezeichnung von Hauptgruppen in ihren Untergruppen ab, lassen sich an folgenden Stellen in der Klassifikation Dimensionen von Othering nachweisen:

  • Im Bereich der geografischen Hauptgruppen (I–X) kann das Fehlen der Kategorie Europa als Normierung des Eigenen gelesen werden. Obwohl innereuropäische Missionierung historisch belegt ist, bleibt Europa ungenannter selbstreferentieller Bezugspunkt und die Abweichung davon konstruiert das Andere, das es zu benennen gilt.

  • Innerhalb der geografischen Hauptgruppen erfolgt eine Hierarchisierung der verschiedenen Gebiete und ihrer Benennung, wenn etwa Kontinente (Afrika), Länder (zum Beispiel Japan, China) und regionale Bezeichnungen (Naher Osten) auf gleicher Ebene genannt werden. Dies impliziert eine Abwertung kultureller und sozialer Errungenschaften der großen geografischen Einheiten. Ihre Leistungen auf den verschiedenen Gebieten benötigen nicht mehr inhaltliche Breite und Tiefe als jene mancher Länder, die ebenfalls in den Hauptgruppen geführt werden. Dieser Umstand deckt sich auch mit den Stichproben, wo insbesondere die sogenannten Hochkulturen Japans, Chinas und Indiens (allesamt als Hauptgruppen geführt), entsprechende Anerkennung in den Publikationen europäischer Autoren finden und somit eine weniger starke Abwertung im Vergleich zu afrikanischen Kulturen erfahren (was wiederum nicht bedeutet, dass dort keine rassistischen Inhalte zu finden sind). Die Gleichsetzung des Kontinents Afrika mit den genannten Ländern führt zur Konstruktion einer kulturellen und sozialen afrikanischen Gesamtheit und kollektiven Unterlegenheit. Regionale Diversität wird komplett ausgeblendet während sie bei den in den Hauptgruppen geführten Ländern nennenswert erscheint.

  • Eine weitere Auffälligkeit auf Ebene der Hauptgruppen bildet die Hauptgruppe Asien Allgemein; kein anderer Kontinent verfügt über diese oder überhaupt eine zusätzliche Hauptgruppe. Asien ist in der Klassifikation mit sechs Nennungen auf erster Ebene überrepräsentiert.

  • Unter den geografischen Hauptgruppen enthalten nur der Nahe Osten, Asien Allgemein und Nordamerika keine Untergruppen. Ausgeblendet wird somit der Umstand, dass es missionierende Kirchen etwa in den USA gibt, die ihr Hauptaugenmerk eventuell nicht auf die indigene Bevölkerung richten. Eventuell ist die Nicht-Nennung nicht nur Folge des üblicherweise ungenannten Eigenen, sondern auch auf eine geringe Medienanzahl innerhalb dieser Abteilung zurückzuführen. Der Mangel einer systematischen Anordnung von Vergleichbarem auf gleicher Ebene setzt sich auch in den Untergruppen fort. An dieser Stelle kann auch die Frage nach dem Grund nicht vorhandener Medien und somit nicht vorhandener Gruppen aufgeworfen werden. Eventuell wurde dem Thema bislang keine publizistische Aufmerksamkeit geschenkt. Oder aber, es handelt sich um einen blinden Fleck im Bestandsaufbau. Da der Buchankauf in der Missio-Bibliothek projektbezogen erfolgte, ist es naheliegend, dass solche Auslassungen den organisationsspezifischen Schwerpunkten zugrunde liegen.

  • Auch im Bereich der Untergruppen lassen sich Zuschreibungen ausmachen, die als Ausdruck von Othering verstanden werden können. So weist die Untergruppe 4 der Hauptgruppe Afrika die Entitäten Politik, Wirtschaft, Soziales und Rassismus auf. Im Wissen, dass die Klassifikation in den 1980er Jahren angelegt worden ist, zu einem Zeitpunkt als ein Großteil der afrikanischen Länder formal ihre politische Unabhängigkeit bereits erlangt hatte, ist die Aneinanderreihung von Kategorien, die weitgehend im Bereich der afrikanischen Staaten selbst liegen, schlüssig. Diese allerdings mit Rassismus abzuschließen legt nahe, dass es sich bei ihm ebenso um ein afrikanisches Phänomen handelt. Möchte man den europäischen Rassismus gegenüber afrikanischen Personen und gesamten Bevölkerungen abbilden, wäre er als Begriff einer europäischen Kategorie zuzuordnen. Wollte man die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen des europäischen Rassismus in Afrika abbilden, wäre hierfür eine passende Bezeichnung wie etwa Ausbeutung, Unterdrückung oder Diskriminierung vorzuziehen. Es geht hier nicht um den einen korrekten Begriff sondern darum, nicht den Eindruck zu vermitteln, Rassismus läge wie ein Schleier über seinen Opfern, während jene, die ihn ausüben, unsichtbar bleiben.

  • Ein weiteres Indiz europäischer Überlegenheit, das in der Klassifikation ihren Ausdruck findet, ist die Untergruppe E-5 mit der Bezeichnung Koloniales. Dieses Element ist umgeben von den Entitäten Entwicklungspolitik, Welthandel, Entwicklung und Soziales sowie Kirchliche Entwicklungshilfe und gehört mit ihnen zur Hauptgruppe Entwicklungspolitik. Abgesehen davon, dass sich die Benennung der Hauptgruppe Entwicklungspolitik in einer Untergruppe wiederholt, erweckt die Nennung des Kolonialen in der entsprechenden Gruppe den Eindruck als handle es sich dabei um einen Bereich der Entwicklungspolitik.

  • Die Hauptgruppe Lateinamerika beinhaltet wie die der Asiatischen Länder nur eine unvollständige Auflistung von Ländern. Zudem wird der Begriff Indianer als koloniale Fremdbezeichnung der indigenen Bevölkerung auf zweiter Ebene der Klassifikation verwendet.

  • Bezüglich der nicht geografischen Abteilungen der Klassifikation kann festgehalten werden, dass hier vor allem die Religionswissenschaft Othering aufweist, indem die ersten vier Untergruppen Allgemein, Religionsgeschichte, Christentum und nicht-christliche Religionen sowie Christentum und Atheismus das Christentum aufgrund der Ausdifferenzierung privilegiert. Ein Umstand, der angesichts der Positionierung der sammelnden Einrichtung nicht überraschend ist.

Die Bücher im Missio-Bestand

Im November 2009 wurden etwa 6.500 Titel23 der ÖFSE als Dauerleihgabe mit der Auflage übergeben,24 den Bestand geschlossen aufzustellen; 2018 erfolgte dann die Schenkung des Bestands.25 Die Untersuchung der Klassifikation und der Medien erfolgte im Dezember 2019. Das Datenmaterial, dem die Analyse zugrunde liegt, umfasst die Wissensordnung in Form der Klassifikation, die den Bestand inhaltlichen Schwerpunkten zuordnet. Sie dient gleichzeitig als Aufstellungssystematik. Neben dem Bibliothekskatalog, in dem sämtliche Exemplare des Missio-Bestands verzeichnet sind, erhielt die Verfasserin von einem Bibliotheksmitarbeiter eine Excel-Datei mit sämtlichen Titeln aus der Sondersammlung. Die Stichproben werden aus dem ohnehin frei zugänglichen Bestand selbst gezogen.

Die Medien der Sammlung sind vorwiegend in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch erschienen. Das älteste Buch weist als Erscheinungsjahr 1822 auf, die jüngsten wurden 2009 publiziert. Mehr als 6.000 Bücher, also die überwiegende Mehrheit der Medien im Missio-Bestand, sind in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erschienen, wobei sich darunter auch Nachdrucke und Neuauflagen früherer Schriften befinden. Die Periode des Nationalsozialismus mit seinen spezifischen rassenideologischen und kolonialen Theorien und Bewegungen wurde nicht extra ausgewertet, da sich die historische Bestandsanalyse auf die inhaltliche Klassifikation beschränkt. Um aber das Ausmaß an nationalsozialistischer Literatur im Bestand zu berücksichtigen, wurde der Erscheinungszeitraum sämtlicher Medien zwischen 1933 und 1945 extra ausgewiesen. Insgesamt handelt es sich dabei um 136 Bücher, wovon keines im Jahr 1945 publiziert wurde. Wie durchdrungen von rassistischen und nationalsozialistischen Ideologien scheinbar NS-ferne Bereiche waren, zeigt sich am Titel des Werks Die Missionen der deutschen Katholiken und die Lebensinteressen des deutschen Volkes, erschienen 1938 im Verlag der Berliner Missions-Verwaltungs-Gesellschaft. Insofern stellt der Nationalsozialismus für den Bereich des kolonialen Rassismus in historischen Bibliotheksbeständen keine unterscheidende, sondern eine spezifizierende Kategorie dar.

Ob ein Zusammenhang zwischen Othering in verschiedenen Gruppen der Klassifikation und den darin geordneten Medien besteht, soll mittels Ziehen von Stichproben aus sämtlichen Hauptgruppen eruiert werden. Als Grundgesamtheit dient der physisch vorhandene Missio-Bestand. Die Anzahl der Zufallsstichproben jeder Hauptgruppe wird im Verhältnis der Medienanzahl der Hauptgruppe zum Gesamtbestand ermittelt. Dazu wird der Prozentwert des Anteils jeder einzelnen der 19 Hauptgruppen an der Sondersammlung errechnet. Pro Prozentpunkt werden zwei Titel aus der entsprechenden Klasse gezogen. In Summe werden 197 Bücher als Stichproben ausgewertet.26

Sondersammlung Missio – Anteil der Hauptgruppen am Gesamtbestand in Prozent (Sparber, 2020)

Bei der Analyse der Bücher werden sowohl bildliche Darstellungen als auch schriftliche Inhalte kolonialer Denkweisen berücksichtigt. Da keine vollständige Textanalyse durchgeführt werden kann, werden in erster Linie Titel, Inhaltsverzeichnisse und Einleitungen zur Beurteilung herangezogen. Klappentexte werden nicht berücksichtigt. In jenen Fällen, wo eine Analyse des Titels nicht möglich ist (etwa bei fehlenden Fremdsprachenkenntnissen der Autorin), wird dieser zurückgestellt und der nächstfolgende im Regal herangezogen.27 Ein Werk wird als positiv vermerkt, sobald an einer Stelle Othering als abwertendes Wesensmerkmal einer Einzelperson oder Gruppe erkannt wird.

Aus der Analyse lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten:28

a) Wie aufgrund der Problemlage in der Klassifikation angenommen, sind es vor allem Bücher in den geografischen Gruppen, in denen Othering nachgewiesen werden konnte. Insbesondere die Hauptgruppen Afrika, wo 41 % der Stichproben positiv auf soziale Abwertung befunden wurden, Naher Osten mit 50 % und Lateinamerika mit 100 % weisen entsprechende Häufungen auf. Auch wenn die Zuschreibungen an einzelne Gruppen nicht systematisch ausgewertet wurden, sind hier durchaus Unterschiede auszumachen. Während die indigene Bevölkerung Südamerikas in den Büchern der Stichprobe mehrheitlich mit paternalistischer Überheblichkeit belächelt wird,29 wird Personen aus Afrika aber auch aus Nordamerika das Menschsein teilweise abgesprochen, wenn sie als unzivilisiert und wild beschrieben werden.30

Othering im Missio-Bestand (Sparber, 2021)

b) In der Sondersammlung Missio sind durchaus auch zahlreiche Bücher mit progressiven Inhalten zu finden. Auch solche Werke, die linke und liberale Haltungen vertreten, weisen zum Teil Formen von Othering auf. Zwei solcher Titel sind als Stichproben aus den Hauptgruppen Nordamerika beziehungsweise Lateinamerika gezogen worden. Obwohl in beiden Büchern ein Ende der Diskriminierung von Schwarzen gefordert wird, hatte dies offensichtlich keinen Einfluss auf die Sprachverwendung der jeweiligen Autoren.31

c) Das zentrale Moment von Othering in den geografischen Kategorien, die dem süd- und südöstlichen Asien zuzuordnen sind, besteht in der Herstellung der Dichotomie christlicher und nicht-christlicher Menschen. Obwohl die Kulturen Ost- und Südostasiens vorwiegend als hochentwickelt beschrieben werden, entziehen sie sich einem vermeintlich europäischen Verständnis, wenn sie beispielsweise als geheimnisvoll bezeichnet werden.32 Des Weiteren lässt sich bei Büchern über asiatische Länder unter kommunistischer Führung ein ausgeprägter Antikommunismus beobachten, weshalb nicht auszuschließen ist, dass rassistische Elemente in diesen Fällen oft von antikommunistischen zumindest teilweise überlagert werden. Die Stichproben ergaben stark paternalistische Perspektiven auf das vermeintlich Fremde, das es in doppelter Hinsicht zu retten galt, nämlich einerseits vor dem Kommunismus und andererseits vor dem falschen Glauben. Wie für das gesamte Verhältnis zwischen Missionaren beziehungsweise Missionarinnen und zu missionierendem Subjekt wurde entschieden, dass Paternalismus ohne zusätzliche explizite soziale Abwertung nicht als Form von Othering gewertet wird. Das Phänomen konnte dadurch in keinem einzigen Buch der Stichprobe der Hauptgruppe China nachgewiesen werden. Auffallend im Bereich der asiatischen Länder ist die Kategorie Japan, wo die Hälfte der überprüften Werke positiv zu bewerten war. Zurückzuführen ist dies auf Inhalte, in denen Japaner als Volk mit einem tief verwurzelten Hass auf Christen dargestellt werden, wie etwa in dem Buch mit dem vielsagenden Titel Kreuze über Nagasaki.33

d) Jenseits der geografischen Kategorien fällt die Hauptgruppe Wissenschaft mit 33 % problematischen Inhalten in der Stichprobe auf. In ihr finden sich rassistische Theorien in verschiedenen Ausprägungen wie etwa im Werk des nationalsozialistischen Ethnologen Hermann Baumann34 oder den kolonialen Verlustängsten des ehemaligen portugiesischen Ministers für die Überseegebiete, Adriano Moreira.35

Missio reloaded

Der Frage, wo sich Othering in die Wissensorganisation der Sondersammlung Missio eingeschrieben hat, sollte mithilfe der historischen Bestandsanalyse nachgegangen werden. Sie wurde für die vorliegende Arbeit designt und beruht auf der Annahme, dass sich soziale Abwertungen als Geisteshaltung durch unsere Praktiken vermittelt in Bibliotheksbestände einschreiben. Demnach würden wir sie in historisch vorbelasteten wissenschaftlichen Disziplinen und somit auch in unseren, über Klassifikationen organisierten, thematischen Schwerpunkten finden, wo sie sich in einzelnen Werken manifestiert haben.

Tatsächlich konnten mittels Stichproben auch jene Bereiche identifiziert werden, die eine hohe Anzahl an problematischen Inhalten aufweisen. Es überrascht auch nicht, dass in jenen Sammelgebieten der Missio-Bibliothek, die sich nicht direkt mit Menschen, sondern mit religiösen Theorien, Lehren, oder Didaktik beschäftigen und die in den Hauptgruppen Allgemeine Theologie, Kirche und Katechetik vertreten sind, kaum rassistische Inhalte vorzufinden sind, während die praktischen Einsatzorte der Mission, in der Klassifikation abgebildet als Regionen, Länder und Kontinente, die höchste Anzahl an Medien beinhalten, in denen Othering betrieben wird. Auch die drei wissenschaftlichen Hauptgruppen Religionswissenschaft, Wissenschaft und Missionswissenschaft weisen mit durchschnittlich mehr als 15 % einen nicht unwesentlichen Anteil solcher Inhalte auf.

In der praktischen Umsetzung stieß die Methode jedoch bei erzählenden Inhalten an ihre Grenzen. Othering taucht hier meist im Kontext des Handlungsverlaufs auf und ist in einem Schnellverfahren kaum feststellbar. So konnte die Hauptgruppe Biografie überhaupt nicht ausgewertet werden. In der Kinder- und Jugendliteratur wurden bei 20 % der Stichproben Dimensionen von sozialer Abwertung festgestellt. Bei gründlicher Analyse könnte die Zahl hier jedoch höher sein.

Auf eine weitere Schwierigkeit wurde bereits hingewiesen, nämlich, dass der Missionsgedanke selbst soziale Zuschreibungen konstruiert, die sich in den Kategorien Gläubige und Nicht- oder Andersgläubige abbilden. Während der Analyse war es notwendig, diese Unterscheidungen weitgehend unberücksichtigt zu lassen, um zuverlässige Ergebnisse zu erzielen. Festgehalten wird auch, dass der Gesamtbestand zwar viele problematische Inhalte aufweist, gleichzeitig aber auch eine Vielzahl an Werken beinhaltet, in denen rassistischen Ideologien vehement widersprochen wird.

Ziel war es, mit der Analyse eine Methode zu entwickeln, mit der in einem vereinfachten Verfahren rassistische Abwertungen in problematischen Beständen aufzudecken sind. Auch wenn diese historische Bestandsanalyse den angeführten Grenzen unterworfen ist, so dürfte sie sich als Instrument zur Untersuchung kleinerer und mittlerer Bibliotheksbestände, insbesondere solchen mit eigener Klassifikation, eignen. Als Vorgehensweise empfehle ich ein dreistufiges Verfahren:

  1. Wissenschaftliche Kontextualisierung der inhaltlichen Schwerpunkte der Sammlung, um belastete Fachgebiete auszumachen.

  2. Analyse der Klassifikation, um jene Gruppen aufzudecken, wo bereits in der Wissensordnung Othering nachgewiesen werden kann.

  3. Schnellanalyse sämtlicher Schriften jener inhaltlichen Gruppen, die aufgrund der vorangegangenen Arbeitsschritte als anfällig für entsprechende Inhalte gelten sowie entsprechend adaptierte Analyse der Abteilungen beziehungsweise Medien mit erzählenden Inhalten.

Im Anschluss an die Bestandsanalyse wurden die Ergebnisse dem Team der Bibliothek der ÖFSE präsentiert und mögliche Szenarien, wie mit den kolonialen Repräsentationen der Sondersammlung umgegangen werden könnte, entworfen. Da die Sondersammlung Missio innerhalb der ÖFSE weder als bedeutende historische missionswissenschaftliche Bibliothek fungiert noch das Sammelgebiet der besitzenden Einrichtung repräsentiert oder einen entsprechenden Schwerpunkt des Sammelprofils darstellt, wurde die Empfehlung ausgesprochen, die Bücher in den problematischen Abteilungen wie beschrieben zu analysieren und jene Medien mit sozial abwertenden Inhalten zu entfernen.36 Durch eine Neuaufstellung könnte auch auf die bestehende Klassifikation verzichtet werden. Dies würde zwar einen nicht unwesentlichen Arbeitsaufwand darstellen, der aber als überschaubares Projekt durchführbar wäre.

Und weiter? Wollen wir Bibliotheken als Einrichtungen verstanden wissen, in denen wir Abwertungen von sozialen Gruppen nicht durch unsere Praktiken reproduzieren, müssen wir uns kritisch mit bestehenden Routinen auseinandersetzen. Auch wenn die Regale der Bibliotheken in den wenigsten Fällen mit kolonialem Raubgut gefüllt sind, könnte etwa die Berücksichtigung von Diskussionen innerhalb der Museumswissenschaft zu kolonialen Kontexten unseren Blick darauf schärfen, welche Bilder von Gruppen oder Gesellschaften wir auf den verschiedenen Ebenen bibliothekarischen Handelns entwerfen, übernehmen beziehungsweise vermitteln. Bibliotheken in ihrer Gesamtheit benötigen neue Perspektiven, um als Einrichtung dem Gegenüber in seiner:ihrer historischen, kulturellen und sozialen Verortung gerecht zu werden. Dazu braucht es eine Vielfalt an Stimmen in einer offenen Debatte. Um eurozentristische Paradigmen zu überwinden, wird es nicht ausreichen, sich in der Kritik auf Ordnungssysteme und Inhalte zu beschränken. Gleichzeitig werden Wissensordnungen weiterhin die geistigen Schablonen darstellen, auf denen wir Gedanken formulieren, Strukturen aufbauen und Bestände sortieren. Sie sind die episteme, die Bedingtheit von Wissen. Let’s decolonize it!

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Zitierte Quellen

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  1. Die verschiedenen Schreibweisen von Missio sind den Eigenbezeichnungen der diversen Einrichtungen geschuldet. Diese werden im vorliegenden Text beibehalten und stellen sich folgendermaßen dar: MISSIO Österreich und missio Aachen. Der untersuchte Teilbestand der einstigen Missio-Bibliothek wird als Missio-Sondersammlung oder Missio-Bestand bezeichnet.↩︎

  2. Im Text wird geschlechtersensible Schreibweise praktiziert, indem mittels Doppelpunkt Personen jenseits der binären Zuschreibung von Mann/Frau berücksichtigt werden sollen. Dort, wo der inhaltliche oder historische Kontext nicht darauf schließen lässt, dass Personen oder Gruppen Geschlechteridentitäten in Frage stellen oder gestellt haben, werden sie innerhalb des binären Systems verortet.↩︎

  3. Von Othering spricht man, wenn eine Gruppe oder eine Person sich von einer anderen Gruppe abgrenzt, indem sie die nicht-eigene Gruppe als andersartig und fremd beschreibt. Dies geschieht in der Regel innerhalb eines Machtgefälles: die als anders Beschriebenen sind von Diskriminierung betroffen und haben deswegen wenig Möglichkeiten, sich gegen die Zuschreibung zu wehren. (https://diversity-arts-culture.berlin/woerterbuch/othering)↩︎

  4. Vergleiche Foucault (1981), S. 259↩︎

  5. Derselbe (2012), S. 11↩︎

  6. Vergleiche ders. (1983), S. 62↩︎

  7. Derselbe (2012), S. 15↩︎

  8. Vergleiche ders. (2019), S. 83 ff.↩︎

  9. Vergleiche Schrenk, 2018, S. 46↩︎

  10. Vergleiche Spivak (1985)↩︎

  11. Hope Olson hat etwa die Privilegierung westlicher Kulturen in den Sprachgruppen der Dewey-Dezimalklassifikation nachgewiesen. Weitere Informationen: Vergleiche Olson, 2001, S. 115 ff.↩︎

  12. So wurde 1938 die missionswissenschaftliche Lehrtätigkeit an der Universität Wien untersagt. Als Folge gründete der Wiener Kardinal Theodor Innitzer zwei Missionsabteilungen in der Erzdiözese Wien, die Abteilung Missionswesen für Propagandatätigkeiten und das Missiologische Institut für die wissenschaftliche Forschung. Siehe: Bettray (1954), S. 57 f.↩︎

  13. Vergleiche. Kainberger (2014), S. 7↩︎

  14. Vergleiche Faschingeder (2002), S. 11↩︎

  15. Vergleiche Fundraising Verband Austria (2019), S. 22 (http://public-opinion.at/wp-content/uploads/2019/11/Spendenbericht_2019_v10-WEB.pdf überprüft am 18.05.2021)↩︎

  16. Die Informationen zur Geschichte der Bibliothek ab den 1980er Jahren stammen aus einem Gespräch der Autorin mit zwei Missio-Mitarbeiterinnen, das 2019 geführt wurde.↩︎

  17. Vergleiche Richter (2019), S. 9 ff↩︎

  18. Vergleiche Habermas (2010), S. 258 f.↩︎

  19. Vergleiche ebenda↩︎

  20. Vergleiche Bettray (1954), S. 40↩︎

  21. Vergleiche Faschingeder (2002), S. 7↩︎

  22. So unterzeichnete der Rheinische Missionar Johannes Heinrich Bam als Zeuge 1883 den betrügerischen Vertrag des Landverkaufs der Nama durch Josef David Frederiks und dem Kolonialpionier Adolf Lüderitz sowie im darauffolgenden Jahr als Dolmetsch den Schutzvertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem Einflussgebiet Josef Frederiks. Somit war ein Missionar direkt an der Errichtung der Siedlungskolonie im heutigen Namibia beteiligt. Weiterführende Informationen siehe: Drechsler: Südwestafrika unter deutscher Kolonialherrschaft, 1984.↩︎

  23. Innerhalb der ÖFSE gibt es mehrere Bestandslisten, die unterschiedliche Zahlen des Gesamtbestands beinhalten. Die Differenz von etwa 500 Einträgen dürfte sich aus der Unterscheidung von Exemplaren und Titeln ergeben, so dass von einer hohen Anzahl an Dubletten ausgegangen werden kann. Für die vorliegende Analyse wurden jene Titelsätze mit Signaturen aus dem Bibliothekskatalog herangezogen.↩︎

  24. 2018 erfolgte die Schenkung eines weiteren Teilbestands. Dabei wurden 115 Bücher von MISSIO Wien der Missionsbibliothek und katholischen Dokumentationsstelle MIKADO (missio Aachen) übergeben. 51 dieser Bücher wurden von MIKADO ausgewertet (der Rest stellte Dubletten dar). Eine kurze Analyse der Verfasserin ergab, dass die drei häufigsten Besitznachweise aus dem Katechetischen Museum Wien, der Petrus-Claver-Sodalität und der Bibliothek der Oblaten der Unbefleckten Jungfrau stammen. Es handelt sich in erster Linie um Katechismen, Volksbibeln, Lieder- und Predigtbücher, wobei etwa die Hälfte der Titel in nichteuropäischen Sprachen gedruckt wurde. Diese können wiederum über Besitzvermerke der Petrus-Claver-Sodalität zugeordnet werden und es liegt nahe, dass die Bücher in deren Druckereien, zu denen auch jene in Maria Sorg gehörte, gedruckt und als Belegexemplar an das Werk der Glaubensverbreitung abgeliefert worden waren. Die in der Schenkung enthaltenen Titel erschienen im Zeitraum zwischen 1853 und 1991, wobei der größte Teil im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts publiziert wurde. Weitere Informationen siehe Richter: Der Bestand von missio Wien in der Missionsbibliothek und katholischen Dokumentationsstelle von missio Aachen, 2019.↩︎

  25. E-Mail der Bibliotheksleitung an die Verfasserin vom 19.2.2020↩︎

  26. Die Differenz von drei Büchern zur Gesamtsumme von 100% bzw. 200 Titel ergibt sich aus den Dezimalstellen der Prozentangaben der Teilbereiche, die ein Auf- bzw. Abrunden erforderlich machten.↩︎

  27. Dies betraf Bücher in spanischer Sprache, die von der Autorin nicht gelesen werden konnten.↩︎

  28. Die Autorin verzichtet darauf, durch entsprechende Zitate die abwertenden Textstellen aus den Stichproben zu wiederholen. Um die Überprüfbarkeit zu gewährleisten, werden die Quellen entsprechend zitiert und im Quellenverzeichnis nachgewiesen.↩︎

  29. Vergleiche etwa Uhlig, 1964, S. 46. Missio-Sign. IX-7/27↩︎

  30. Vergleiche Dodge, 1884, S. 54. Missio-Sign. IX-3/12. Das Buch, das von einer indigenen Bevölkerungsgruppe Nordamerikas handelt, ist wohl irrtümlich der Hauptgruppe Lateinamerika zugeordnet. Eventuell ist dies dem Begriff Indianer im Titel des Werks geschuldet.↩︎

  31. Vergleiche Fernandes, 1977. Missio-Sign. IX-5/80-2 und Gundolf, 1968. Missio-Sign. X-7↩︎

  32. Vergleiche Bert, 1985. Missio-Sign. IV-2/61↩︎

  33. Vergleiche Huber, 1954, S. 85. Missio-Sign. II-1/44↩︎

  34. Vergleiche Baumann, 1936, S. 6. Missio-Sign. R-9/15↩︎

  35. Vergleiche Moreira, 1963, S. 20. Missio-Sign. E-5/10↩︎

  36. Die Bücher zu entfernen soll dabei nicht als Aufforderung verstanden werden, sie zu entsorgen, wenngleich die Autorin diese Möglichkeit nicht kategorisch ausschließen möchte (etwa wenn die Bücher als historische Quellen an anderen Einrichtungen mit entsprechendem Sammelprofil ohnehin zur Verfügung stehen).↩︎


Sandra Sparber leitet die Bibliothek der Psychoanalyse im Sigmund Freud Museum Wien.