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doi:10.18452/21543 (edoc HU Berlin)

Gibt es Teaching Librarians an Öffentlichen Bibliotheken? Stellen für die Förderung von Informationskompetenz

Eine Teaching Library fördert durch die Bereitstellung von Lernraum und die aktive Lehre die Informationskompetenz ihrer Nutzenden. Der Begriff kommt ursprünglich aus dem Bereich der Hochschulbibliotheken und ist im Zusammenhang mit Öffentlichen Bibliotheken scheinbar selten gebräuchlich. Der folgende Artikel geht den Fragen nach, ob dennoch Teaching Librarians in Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland gesucht und beschäftigt werden und welche Berufskompetenzen gegebenenfalls dabei gefordert werden. Die präsentierte Erhebung und Auswertung ist im Rahmen einer Vorstudie für die Masterarbeit der Autorin entstanden (Menzel 2019).


A Teaching Library supports users in improving their information literacy. This includes the provision of working space and access to information as well as teaching activities provided by so called Teaching Librarians. The term was established by college and research libraries. In the context of public libraries, it is rarely used. This article examines whether Teaching Librarians are being hired by German public libraries nonetheless, and if so, which competencies are required for their work. The presented study was conducted as a preliminary study to the author's master's thesis (Menzel 2019).


Zitiervorschlag
Sina Menzel, "Gibt es Teaching Librarians an Öffentlichen Bibliotheken? Stellen für die Förderung von Informationskompetenz". LIBREAS. Library Ideas, 37 ().


Einleitung

Bibliotheken, egal welcher Sparte sie angehören, stellen in Deutschland jeden Tag konsumfreien Arbeitsraum und Informationszugänge für ihre Nutzenden bereit. Damit unterstützen sie, dass diese ihre Kompetenzen selbstständig erweitern können. Darüber hinaus gibt es an vielen deutschen Bibliotheken auch Veranstaltungen, bei denen durch Bibliothekspersonal aktiv Kompetenzen bei den Nutzenden gefördert werden, allen voran die Informationskompetenz (IK).1 Dies ist die Aufgabe der Teaching Librarians.

Um den Beruf Teaching Librarian speziell im Hinblick auf Öffentliche Bibliotheken (ÖB) zu betrachten, wird dieser Beitrag auf folgende Fragen eingehen:

  1. Gibt es Teaching Librarians an Öffentlichen Bibliotheken?

  2. Wenn ja, welche Berufskompetenzen werden von ihnen gefordert?

Warum sind diese Fragen wichtig?

Im wissenschaftlichen Diskurs zur Informationskompetenz sind selten Stimmen aus Öffentlichen Bibliotheken zu vernehmen. Dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch international. Eine szientometrische Analyse des Forschungsfeldes aus dem Jahr 2016 ergab beispielsweise, dass IK-Publikationen im Zusammenhang mit Bibliotheken quasi ausschließlich auf Wissenschaftliche Bibliotheken (WB) Bezug nehmen.2 Eine Auswertung aus dem Jahr 2005 zeigte darüber hinaus bereits, dass in der einschlägigen internationalen Bibliografie Library Instruction and Information Literacy der Publikationsanteil mit Bezug auf Öffentliche Bibliotheken von Beginn 1973 bis 2003 lediglich zwischen 1,5 % und 2 % lag.3

Gleichzeitig haben Ergebnisse der letzten zwei Jahrzehnte aus Studien wie PISA, ICILS und IGLU4 dafür gesorgt, dass die Notwendigkeit von Informationskompetenzförderung durch Bildungsinstitutionen international anerkannt wurde.5 Insbesondere der Stellenwert von Bibliotheken wird dabei immer wieder betont. Die Proband_innen der Studien, Schüler_innen verschiedenen Alters, sind dabei vor allem in den Zielgruppen Öffentlicher Bibliotheken zu verorten.

Informationskompetenz soll also von Bibliotheken gefördert werden. Konsens fehlt allerdings bei der Frage, was genau Informationskompetenzförderung überhaupt beinhaltet. Dass sie aber in Wissenschaftlichen Bibliotheken stattfindet – allen voran den Hochschulbibliotheken – scheint allein schon durch die Gremienarbeit deutlich: Die gemeinsame Kommission Informationskompetenz des Deutschen Bibliotheksverbandes (dbv) und des Vereins Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VDB) beispielsweise hat derzeit unter den sechs Mitgliedern fünf aus WB und ein Mitglied aus dem Ausbildungsbereich.6 Öffentliche Bibliotheken fehlen hier. Sie sind vertreten in anderen Kommissionen des dbv, zum Beispiel Bibliothek und Schule oder Kinder- und Jugendbibliotheken. Dazu Sühl-Strohmenger:

Die Kooperation zwischen Öffentlichen Bibliotheken und Wissenschaftlichen Bibliotheken im Hinblick auf ihren Beitrag zum Bildungswesen ist in Deutschland noch schwach ausgeprägt. So existieren mit der dbv-Kommission Bildung [sic] und Schule sowie der Gemeinsamen IK-Kommission von VDB und dbv zwei Gremien nebeneinander ohne erkennbare Zusammenarbeit.7

Bereits 2004 behandelten Lux und Sühl-Strohmenger das Thema Teaching Library in Deutschland erstmals in einer eigenen Monografie, die sich als Standardwerk etablierte8. Besonders wird hier die Spartenunabhängigkeit des Konzepts der Teaching Library betont. Für Öffentliche Bibliotheken wird als zentraler Punkt das deutlich breitere Spektrum an Zielgruppen hervorgehoben9. Jedoch werden Öffentliche und Wissenschaftliche Bibliotheken insgesamt in separaten Kapiteln behandelt; der größere inhaltliche Umfang gebührt dabei den Hochschulbibliotheken. Ein Indiz dafür, dass sich die IK-Arbeit in den Sparten doch signifikant unterscheidet?

Auf jeden Fall wird deutlich, dass die Arbeit, die an Öffentlichen Bibliotheken tagtäglich geleistet wird, ebenfalls die Förderung von Informationskompetenz beinhaltet. Dies gilt nicht trotz, sondern gerade aufgrund der Zielgruppenvielfalt. Gut illustriert wird das durch folgenden Ansatz von Gapski und Tekster:

[O]hne einen ausreichenden Sprachschatz und eine entwickelte Lesefähigkeit wird auch das Suchen und Selektieren von Informationen zum Problem. 10

Die Konsequenz dieses Zitats von Gapski und Tekster: Leseförderung und Sprachförderung sind Förderung von Informationskompetenz. Dies belegen auch verschiedene Modelle zur Bildung von IK. Sprachkenntnisse sowie Lesen und Schreiben sind elementare Voraussetzungen, um kompetent mit Information umzugehen; daher führen Maßnahmen, die das Lesen und Schreiben fördern, mittelbar auch zu Informationskompetenz. In Öffentlichen Bibliotheken gibt es also dann Teaching Librarians, wenn es dort Fachkräfte gibt, die Aufgaben aus den Bereichen Lese-, Sprach- oder IK-Förderung übernehmen.

Datenerhebung

Welche Fachkräfte von Öffentlichen Bibliotheken gesucht und beschäftigt werden, zeigt sich wiederum in deren Stellenausschreibungen. Um die erste Frage zu beantworten, wurden daher von Öffentlichen Bibliotheken ausgehende Ausschreibungen ausgewertet. Da zu diesem Zweck Ausschreibungen rückblickend betrachtet werden mussten, kamen nur Datenquellen infrage, die eine nachträgliche Einsicht der Ausschreibungstexte zuließen. Hier boten sich vor allem Mailinglisten an, deren Mails in jeweils eigenen Archiven retrospektiv eingesehen werden konnten. Dabei wurden drei einschlägige Mailinglisten betrachtet:

  • ForumÖB gibt es seit 1995. Es ist eine Mailingliste speziell für die Belange Öffentlicher Bibliotheken, die aus dem Hochschulzentrum Nordrhein-Westfalen hervorgegangen ist. Die Listenverantwortlichen bitten inzwischen darum, von der Verteilung von Stellenanzeigen über die Liste abzusehen.11

  • InetBib ist mit 9400 (Stand März 2019) eingetragenen Mailadressen eine der größten Mailinglisten im Bibliotheks-, Archiv- und Dokumentationswesen und existiert seit 1994. Sie wurde durch die Universitätsbibliothek Dortmund initiiert. Ursprüngliches Thema war die Etablierung des Internets in Bibliotheken, daher der Listenname. Mittlerweile ist das Themenspektrum auf sämtliche aktuelle Entwicklungen im Fachbereich ausgeweitet. Darüber hinaus war InetBib aufgrund der hohen Zahl an Subskribent_innen lange Zeit ein viel genutzter Distributor für Stellenausschreibungen. Seit dem 01.04.2019 ist das Verteilen von Stellenausschreibungen über die Liste allerdings offiziell unerwünscht und soll auf anderen Wegen geschehen.12

  • BAK Jobinfo ist regional auf Informationseinrichtungen in Berlin und Brandenburg beschränkt. Über diese Liste werden durch den Berliner Arbeitskreis Information (BAK) geprüfte Stellenangebote verbreitet. Die Liste hat nach Angaben des Arbeitskreises mehr als 2000 eingetragene Adressen.13

Für die Suche nach Teaching-Librarian-Profilen in den ausgeschriebenen Stellen wurde ein 2,5-jähriger Zeitraum von Januar 2016 bis September 2018 (Erhebungszeitpunkt) ausgewertet. Über alle drei Listen wurden in diesem Zeitraum regelmäßig Stellenausschreibungen verschickt. In den Listen wurden alle Nachrichten gesichtet, die von Öffentlichen Bibliotheken ausgingen und in der Betreffzeile eine Stellenausschreibung ankündigten. Als Öffentliche Bibliothek galten dabei der Öffentlichkeit zugängliche Bibliotheken in öffentlicher Trägerschaft. Für die anschließende Auswertung konnten jene Stellenanzeigen beachtet werden, deren Tätigkeitsprofil im Text der E-Mail, durch einen funktionierenden Link oder einen verfügbaren Anhang noch einsehbar war.

An den Daten ist zu beachten, dass bei veröffentlichten Stellenanzeigen der Entstehungsprozess nicht nachvollziehbar und in der Regel kein_e Urheber_in auszumachen ist. Darüber hinaus sind vorgefertigte Anforderungsformulierungen durch Ankreuzsysteme oder die Wiederverwendung von früheren Ausschreibungstexten nicht auszuschließen.14 Dennoch sind es eben diese Ausschreibungen, die über Online-Kanäle große Reichweite entfalten. Auf diese Weise haben sie einen unmittelbaren Einfluss auf die realen Umstände im Berufsfeld der Teaching Librarians, also die Besetzung und Ausgestaltung der Stellen und damit die täglichen Vorgänge in Öffentlichen Bibliotheken.

Vorgehen bei der Auswertung

Eine Stelle für Teaching Librarians konnte dann festgestellt werden, wenn in der Beschreibung des Aufgabenfeldes eine lehrende Tätigkeit in der Bibliothek oder aber die Konzeption beziehungsweise Koordination von Lehrangeboten im Bereich Sprach-, Lese- oder IK-Förderung beschrieben wurde. War das der Fall, wurden die entsprechenden Nachrichten manuell extrahiert und Dubletten aussortiert. Die Rahmenbedingungen der Ausschreibungen wurden dabei nicht einbezogen; so wurden Voll- und Teilzeitstellen, befristete und unbefristete Stellen (auch Krankheits- und Elternzeitvertretungen) gleichsam beachtet. Lediglich Ausschreibungen für Ausbildungsplätze wurden ausgeschlossen, da diese aufgrund der Karrierestufe keine fachlichen Anforderungen stellen konnten.

Außerdem wurde festgehalten, auf welchen Lohnstufen sich die Ausschreibungen bewegen. Da es sich aufgrund der öffentlichen Trägerschaft ausschließlich um tariflich bezahlte Stellen handelte, konnten anhand der TVöD15-Stufen Rückschlüsse auf den verlangten Ausbildungsgrad gezogen werden. Die Stufen E5–E8 wurden dabei als Stellen gewertet, die eine Ausbildung, zum Beispiel als Fachangestellte_r für Medien- und Informationsdienste (FAMI), voraussetzen. Bachelor-, Diplom- oder vergleichbare Abschlüsse wurden im Segment E9–E11 angesiedelt. Alle höheren Stufen wurden Master-, Magister- oder vergleichbaren Abschlüssen zugeordnet.

Die Tätigkeitsbeschreibungen wurden in Codes übertragen, also Markierungen, anhand derer die Gemeinsamkeiten über die Stellenausschreibungen hinweg einheitlich erfasst werden konnten. Für die Codes wurden Bezeichnungen gewählt, die das Vokabular der Ausschreibungen direkt aufgriff. Aus diesem Grund tragen die Codes zum Teil mehrere verwandte Bezeichnungen.16

Ergebnisse

Insgesamt konnten 262 Ausschreibungen für Teaching Librarians ausgehend von Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland ausgewertet werden. Auf diese Zahl kommt eine Dunkelziffer von 722 potenziellen Ausschreibungen, bei denen der Volltext nicht mehr einsehbar war, die nach Betreffzeile aber ebenfalls vermittelnde Tätigkeiten enthalten haben könnten.17 Damit konnte die erste Frage mit Ja beantwortet werden: Teaching Librarians werden von deutschen Öffentlichen Bibliotheken gesucht und eingesetzt.

Darüber hinaus kann für die ausgewerteten Mailinglisten ein stetiger Anstieg an Ausschreibungen für Teaching Librarians über den untersuchten Zeitraum festgestellt werden (vergleiche Abbildung 1).

Verteilung der Ausschreibungen (n=262) mit Teaching-Librarian-Profil nach Jahren.

Unter den 262 Stellen dominieren die Vergütungsstufen, die einen Bachelor- oder Diplomabschluss erfordern mit 70,6 % (185 Ausschreibungen, vergleiche Abbildung 2). Die zweitgrößte Gruppe machen mit 22,5 % die Eingruppierungen für Personen mit Fachausbildung aus, zum Beispiel Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste aus (59 Ausschreibungen). Lediglich 2 % der Ausschreibungen wurden in die Gruppen E13 oder höher eingestuft (6 Ausschreibungen).18

Qualifikationsstufen der Ausschreibungen mit Teaching-Librarian-Profil (n=262).

Welche Kompetenzen wurden aber im Rahmen dieser Stellen verlangt? Um diese zweite Frage zu beantworten, war eine qualitative Datenanalyse der Tätigkeitsprofile notwendig (vergleiche Abbildung 3). Dabei wurden die beschriebenen Kompetenzen in insgesamt vier Gruppen eingeteilt, die sich an den Deutschen Qualifikationsrahmen anlehnen.19 Sozialkompetenzen (grün) werden in der Interaktion mit anderen eingesetzt, Selbstkompetenzen (rot) beziehen sich auf selbstbezogene Merkmale, wie zum Beispiel Ehrgeiz. Fachkompetenzen (blau) umfassen fachspezifische Aufgaben in einem bestimmten Arbeitsbereich und Sachkompetenzen (gelb) spielen in verschiedenen Fachbereichen eine Rolle, beispielsweise Sprachkenntnisse.

Verlangte Kompetenzen im Anforderungsprofil der 265 Ausschreibungen. Anordnung absteigend nach Nennungshäufigkeit (n=262, Mehrfachnennung derselben Kompetenz innerhalb einer Ausschreibung möglich). Genaue Definitionen der einzelnen Kompetenzen bei Menzel (2019), Anhang B. 20

Ein grundsätzliches Ergebnis in der Auswertung der Tätigkeitsprofile ist, dass die ausgeschriebenen Stellen in den seltensten Fällen ausschließlich Aufgaben der Lese-, Sprach- und IK-Förderung aufwiesen. Vielmehr handelt es sich um Stellen mit Mehrfachtätigkeit, in denen unter anderem vermittelnde Aufgaben beinhaltet sind. Reine Teaching-Librarian-Stellen waren kaum vorhanden. Trotz dieser Mehrfachtätigkeit kommen die meistgeforderten Kompetenzen unmittelbar in der Tätigkeit als Teaching Librarian zum Einsatz:

  1. Sozialkompetenzen für die Interaktion mit Veranstaltungsteilnehmer_innen, wie Kontaktfreude, Kommunikationsfähigkeit und rhetorische Fähigkeiten.

  2. Sozialkompetenzen für die Interaktion mit Mitarbeiter_innen, zum Beispiel anderen Teaching Librarians. Konkret sind das Teamfähigkeit und Kooperationsfähigkeit.

  3. Selbstkompetenzen für die Planung von Veranstaltungen, wie Organisationsfähigkeit, die Fähigkeit zum konzeptionellen Denken, Selbstständigkeit, Eigeninitiative sowie Lösungs- und Zielorientierung.

  4. Selbstkompetenzen und Sachkompetenzen für die Durchführung von Veranstaltungen, wie Flexibilität, Improvisationsfähigkeit und Souveränität, aber auch Wissen über den Umgang mit Diversität, Geschlechterrollen und Interkulturalität und über Projektmanagement. Einige Ausschreibungen forderten darüber hinaus die Fähigkeit, die Veranstaltungen durch Evaluation weiterzuentwickeln.

  5. Fachkompetenzen für die gängigen Abläufe in einer Bibliothek, wie die Kenntnis von Katalogisierungssystemen und Abläufen zur technischen Medienbearbeitung.

  6. Fachkompetenzen für den Umgang mit Informationstechnologie, Kenntnisse über den Umgang mit Sozialen Netzwerken, E-Learning-Plattformen und Gaming-Angeboten.

  7. Fachkompetenzen zum Erzielen optimaler Lernergebnisse in den Veranstaltungen, wie die Kenntnis didaktischer Modelle und Methoden sowie Erfahrung in deren Anwendung.

Darüber hinaus wurde in ungefähr einem Drittel der Ausschreibungen Berufserfahrung gefordert (98 Codierungen in 262 Ausschreibungen).

Diskussion

Oftmals unter dem Stichwort Paradigmenwechsel ist in den letzten Jahren in der Literatur immer wieder die Frage aufgekommen, ob gerade für vermittelnde Aufgaben in Bibliotheken Personal eingestellt werden sollte, das nicht die klassischen bibliothekarischen Ausbildungs- und Studiengänge durchlaufen hat, sondern einen direkten Hintergrund in der (Medien-)Didaktik und Pädagogik vorweisen kann.21 Ein Paradigmenwechsel kann anhand der Ausschreibungspraxis nicht bestätigt werden. Bibliothekarische Fachkenntnisse verschiedener Ausprägung sind omnipräsent (270 Codierungen in 262 Ausschreibungen), während pädagogische Kenntnisse lediglich 45 Mal codiert wurden und Kenntnisse didaktischer Modelle und Methoden lediglich 36 Mal. Denkbar ist allerdings, dass dies vordergründig im Zusammenhang mit der Mehrfachtätigkeit steht. Ein Großteil der Ausschreibungen beinhaltete neben der Tätigkeit als Teaching Librarian auch Aufgaben der Erwerbung, Katalogisierung und technischen Medienbearbeitung. Die explizite Forderung nach einer bibliothekarischen Fachausbildung oder aber die Forderung nach genuin bibliothekarischen Kenntnissen (zum Beispiel Katalogisierung) dominiert damit anteilig alle anderen geforderten Kompetenzen. Bemerkenswert ist, dass die eigene Informationskompetenz der gesuchten Person nur fünf Mal codiert wurde. Mutmaßlich ist der kompetente Umgang mit Information also in der Forderung nach einer bibliothekarischen Fachausbildung eingefasst.

Über die Gründe für die Forderung von Berufserfahrung in weniger als jeder dritten Ausschreibung lässt das Datenmaterial keine Schlüsse zu. Eine mögliche These ist die Offenheit der ÖB gegenüber Berufseinsteiger_innen aufgrund der mutmaßlichen Nähe zu jüngeren Zielgruppen. Ein weiterer denkbarer Grund ist das Potenzial, das in einer jüngst abgeschlossenen bibliothekarischen Ausbildung im Hinblick auf neue mediale Entwicklungen und aktuelle Veranstaltungsformate gesehen wird. Festzuhalten ist jedenfalls, dass die ausschreibenden ÖB die Stellen für Teaching Librarians offenbar meist auch potenziell mit Berufseinsteiger_innen besetzen würden.

Die aufgelisteten Hauptkompetenzen zielen unter anderem auf die Entwicklung neuer Veranstaltungsformate ab. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass trotz vielfach genannter konzeptioneller Aufgaben die Forderung nach Kreativität in keiner der Ausschreibungen vorkam.

Limitierungen

Nicht nur konnten die erhobenen Daten den Nachweis erbringen, dass Teaching Librarians an ÖB eingesetzt werden, sondern auch einen Anstieg der Stellen mit Teaching-Librarian-Profil über den untersuchten Zeitraum aufzeigen. Dafür kann es verschiedene Gründe geben, über die die reine Quantität der Ausschreibungen leider keine Aussage erlaubt. Denkbar wären beispielsweise ein erhöhter Stellenwert der vermittelnden Tätigkeiten in ÖB oder ein Generationswechsel.

Neben der bereits im Abschnitt zur Datenerhebung erwähnten Problematik von Stellenausschreibungen als Datenquelle bilden Ausschreibungen eine theoretische Grundlage zur Berufspraxis. Die vorliegenden Ergebnisse lassen Schlüsse auf die Besetzungspraxis und die verlangten Kompetenzen zu. Dies gibt die Grundlage für Aussagen darüber, wie das Berufsbild von Teaching Librarians von ÖB in Deutschland aussieht. Es gibt aber nicht die Grundlage für Rückschlüsse auf die tatsächliche Berufspraxis und jene Kompetenzen, die im Arbeitsalltag von Teaching Librarians zum Einsatz kommen.22

Das verwendete Vokabular in den Ausschreibungen wurde hier nicht gesondert untersucht. Bemerkenswert ist jedoch, dass der Begriff Teaching Librarian in keiner Ausschreibung verwendet wurde. Dies ist ein Indikator dafür, dass von WB und ÖB offenbar verschiedene Ausdrücke für vermeintlich ähnliche Tätigkeiten verwendet wurden. Hier wäre eine linguistische Untersuchung interessant. Darüber hinaus wäre die genauere Untersuchung der erfassten Kompetenzen mit der Ausschreibungspraxis Wissenschaftlicher Bibliotheken23 sinnvoll, um festzustellen, ob die Tätigkeiten tatsächlich ähnlich beziehungsweise deckungsgleich sind. Daraus ließen sich Konsequenzen der aktuell getrennt stattfindenden Gremienarbeit von ÖB und WB ableiten.

Die vorliegende Auswertung nahm zwar eine Ausdifferenzierung der Ausschreibungen nach Gehaltsstufe vor, allerdings wurden die Fähigkeiten nicht getrennt codiert. Auch hier wäre eine weiterführende Fragestellung wünschenswert, die geforderte Kompetenzen nach Einstufung analysiert.

Zusammenfassung und Fazit

Informationskompetenzförderung fasst Sprach- und Leseförderung mit ein, weil Sprachkenntnisse und Lesefähigkeit unmittelbare Voraussetzungen für die kompetente Suche, Bewertung und Verarbeitung von Information sind. In diesen Bereichen sind auch Mitarbeitende Öffentlicher Bibliotheken tätig, als sogenannte Teaching Librarians.

Allerdings herrscht aktuell offenbar eine klare Spartentrennung zwischen Wissenschaftlichen und Öffentlichen Bibliotheken in diesem Tätigkeitsbereich. Das spiegelt sich unter anderem politisch wider, und zwar in der deutschlandweiten IK-Gremienarbeit.24 Öffentliche Bibliotheken formieren sich eher unter Ausdrücken wie Leseförderung, Bibliothek und Schule oder Bibliothekspädagogik und -didaktik. Gremien und auch Wissenschaftliche Publikationen unter dem Ausdruck Informationskompetenz sind dagegen durch Wissenschaftliche Bibliotheken dominiert, allen voran Hochschulbibliotheken.

In diesem Beitrag konnte durch die Auswertung von Stellenanzeigen nachgewiesen werden, dass Informationskompetenzförderung durch Teaching Librarians auch in ÖB stattfindet. Darüber hinaus konnten sieben zentrale Aufgabengebiete von Teaching Librarians mit dazugehörigen Kompetenzen differenziert werden. Hier stachen besonders Fähigkeiten rund um konzeptionelle und operative Veranstaltungsarbeit hervor.

Die Ausschreibungen lassen vermuten, dass die Stellen von Teaching Librarians an Öffentlichen Bibliotheken hauptsächlich mit Personen besetzt werden, die einen bibliothekarischen Ausbildungshintergrund haben. Im Vergleich dazu stehen didaktische und pädagogische Kenntnisse bei den geforderten Kompetenzen im Hintergrund. Die ausgeschriebenen Stellen beschrieben darüber hinaus fast ausschließlich eine Mehrfachtätigkeit, in der Aufgaben als Teaching Librarian eingefasst sind, aber nicht alleine stehen. Berufserfahrung wurde in weniger als einem Drittel der Ausschreibungen gefordert.

Trotz des allgemein anerkannten Stellenwertes der Förderung von Informationskompetenz durch Öffentliche Bibliotheken bedarf es weiterhin empirischer Untersuchungen dieser Arbeit. Die hier präsentierten Ergebnisse leisten einen Beitrag dazu und sind als Anregung zu verstehen, die aktuelle Spartentrennung in der Gremienarbeit zu IK-Förderung anhand fundierter Erhebungen zu überprüfen.

Referenzen

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  1. IK beinhaltet dabei vor allem die Suche, Bewertung und Nutzung von Information. Eine detaillierte Darlegung der Begriffsdefinition von Informationskompetenz kann im Rahmen dieses Beitrags nicht geleistet werden, vergleiche hierzu Menzel (2019), S. 15 ff.↩︎

  2. Vergleiche Jaklitsch (2016), S. 37.↩︎

  3. Vergleiche Ingold (2005), S. 20–21↩︎

  4. PISA: Programme for International Student Assessment; ICILS: International Computer and Information Literacy Study; IGLU: Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung.↩︎

  5. Vergleiche Europäische Union (2000).↩︎

  6. Vergleiche IK-Kommission (2020).↩︎

  7. Sühl-Strohmenger 2018, S. 64.↩︎

  8. Vergleiche Simon 2007, S. 11.↩︎

  9. Lux/Sühl-Strohmenger 2004, S. 181.↩︎

  10. Gapski/Tekster 2009, S. 57.↩︎

  11. Vergleiche Hochschulzentrum Nordrhein-Westfalen (o. J.).↩︎

  12. Vergleiche InetBib e. V. (o. J.).↩︎

  13. Vergleiche Berliner Arbeitskreis Information (o. J.).↩︎

  14. Aus diesem Grund wurden die vorgestellten Ergebnisse in einer breiteren Studie in konkrete Einschätzungen und Beobachtungen aus dem Arbeitsalltag von Teaching Librarians an ÖB eingebettet, siehe hierzu Menzel (2019).↩︎

  15. TvÖD: Tarifvertrag Öffentlicher Dienst.↩︎

  16. Details zum Vorgehen im Codierungsprozess bei Menzel (2019), S. 37.↩︎

  17. Diese Problematik trat bereits in anderen Studien mit Stellenausschreibungen als Datenmaterial auf, zum Beispiel bei Tappenbeck et al. (2017), S. 34.↩︎

  18. Zum geringen Anteil an Stellen im oberen Vergütungssegment siehe auch Wimmer (2019).↩︎

  19. BMBF 2011, S. 5.↩︎

  20. Für die vorliegende Auswertung wurden leichte Änderungen in der Zuordnung der Kompetenzen vorgenommen. Die ursprüngliche Einteilung findet sich bei Menzel (2019), Anhang A.↩︎

  21. Vergleiche Krauß-Leichert(2008), S. 7.↩︎

  22. Ergebnisse aus der Praxis bietet Menzel (2019), S. 47 ff.↩︎

  23. Vergleiche hierzu Scholle (2016).↩︎

  24. Eine genaue Ausdifferenzierung der vorhandenen Gremien nach Sparte finden Sie bei Menzel (2019), S. 21 ff.↩︎


Sina Menzel ist Masterabsolventin des Instituts für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2019 ist sie dort wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt SoNAR (IDH). Ihre Forschungsinteressen liegen in der Vermittlung von Informationskompetenz, der individuellen Beurteilung von Relevanz und der Evaluation und Qualitätssicherung von Informationsinfrastrukturen.