Nicht jede*r, der/die etwas zu berichten hat, findet die Zeit, einen längeren Beitrag zu erstellen. Das Dilemma kennen auch wir in der LIBREAS-Redaktion, Wunsch und Wirklichkeit finden nicht immer zusammen. Ergänzend zum Aufruf, vollständige Beiträge einzureichen, haben wir (ähnlich wie in Ausgabe #33 Ortstermin, https://libreas.eu/ausgabe33/5F5B/intro/) wieder ein Kurzformat angeboten. Gewünscht haben wir uns von möglichst vielen Betreiber*innen, Entwickler*innen und Mitarbeiter*innen von Forschungsinfrastrukturen Antworten auf die folgenden fünf Fragen.
An welcher Einrichtung sind Sie tätig und welche Art von Forschungsinfrastruktur wird an ihr betrieben bzw. genutzt? (Mehrfachnennungen möglich)
Wie ist das Finanzierungsmodell für diese Forschungsinfrastruktur(en) gestaltet?
Welche Rolle spielt Kollaboration mit anderen Einrichtungen für Betrieb und Weiterentwicklung der Forschungsinfrastruktur(en)?
Welche Rolle spielen freie Lizenzen und andere Kriterien offener Wissenschaft in diesem Zusammenhang?
Ist die Forschungsinfrastruktur aus Ihrer Sicht nachhaltig? Warum (nicht)? Falls nicht: Was fehlt, um den nachhaltigen Betrieb abzusichern?
Die eingereichten Antworten präsentieren wir in diesem Artikel.
Kitodo. Key to digital objects e. V.
Eingereicht von Robert Strötgen (Vorsitzender des Vorstands von Kitodo. Key to digital objects
e. V.)
1) An welcher Einrichtung sind Sie tätig und welche Art von Forschungsinfrastruktur wird an ihr betrieben bzw. genutzt?
Ich arbeite als stellvertretender Bibliotheksdirektor an Universitätsbibliothek der TU Braunschweig und leite dort die Abteilung IT und forschungsnahe Services. Seit knapp zwei Jahren bin ich Vorsitzender des Vorstands des Vereins Kitodo. Key to digital objects
e. V. Dieser Verein hat sich 2012 gegründet, um die Digitalisierung an Kulturgedächtniseinrichtungen zu fördern und pflegt dafür unter anderem die Software Kitodo (https://www.kitodo.org/). Mit Kitodo.Production existiert ein Workflowsystem, das den Digitalisierungsprozess (vom Scanner über die Qualitätssicherung und Metadatenbearbeitung bis zur Veröffentlichung und Archivierung und gegebenenfalls mit weiteren Prozessschritten) effizient steuert. Kitodo.Presentation ist eine Präsentationssoftware, die Digitalisate benutzerfreundlich zugänglich macht. Der Verein hat sich der Offenheit der Software und des Entwicklungsprozesses verschrieben, um den Bibliotheken und Archiven eine transparente Mitwirkungsmöglichkeit zu sichern und dabei eine faire und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Dienstleistern zu unterstützen. Die Governancestruktur des Vereins sorgt für eine Nachhaltigkeit der Open-Source-Software.
2) Wie ist das Finanzierungsmodell für diese Forschungsinfrastruktur(en) gestaltet?
Der Verein finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen. Mit diesen Mitteln kann das Releasemanagement der Software bezahlt werden, das essenziell für das Ziel der Offenheit ist. Darüber hinaus können aus den Vereinsmitteln Öffentlichkeitsarbeit zur Förderung der Digitalisierung sowie Weiterbildungsveranstaltungen finanziert werden. Die Entwicklung der Software wird von einzelnen Mitgliedern und den Dienstleistern getragen. Erhebliche Fortschritte hat die Software durch ein dreijähriges DFG-Projekt zur Weiterentwicklung von Kitodo.Production machen können. Für die weitere Zukunftssicherung bei der Entwicklung werden im Verein neue Modelle wie zum Beispiel ein Entwicklungsfonds diskutiert.
3) Welche Rolle spielt Kollaboration mit anderen Einrichtungen für Betrieb und Weiterentwicklung der Forschungsinfrastruktur(en)?
Der Verein ist aus der Zusammenarbeit entstanden und versteht sich als institutioneller Rahmen, um diese Zusammenarbeit langfristig zu sichern und für faire Regeln der Kooperation zu sorgen. Der Verein selbst entwickelt sich nur durch das Engagement und die Beiträge der Mitglieder weiter.
4) Welche Rolle spielen freie Lizenzen und andere Kriterien offener Wissenschaft in diesem Zusammenhang?
Für Kitodo e. V. ist eine frei Lizenzierung selbstverständlich. Aber eine freie Lizenz reicht nach unserer Überzeugung nicht aus. Der ganze Entwicklungsprozess ist auf Offenheit und Transparenz angelegt. Das Releasemanagement, das allen Partnern gleichberechtigten Zugang zum Quelltext und bei der Steuerung von Entwicklungsvorhaben gewährt, ist dabei ein wichtiges Werkzeug, ein weiteres die im Verein entwickelten und fortgeschriebenen Coding Guidelines.
5) Ist die Forschungsinfrastruktur aus Ihrer Sicht nachhaltig? Warum (nicht)? Falls nicht: Was fehlt, um den nachhaltigen Betrieb abzusichern?
Die Sicherung von Nachhaltigkeit war einer der zentralen Beweggründe zur Vereinsgründung. Nachhaltigkeit kann aber nur gelebt werden, wenn der Verein vom Interesse, dem Engagement und den Beiträgen der Mitglieder getragen wird. Kitodo e. V. ist ein sehr vitaler und bislang stetig wachsender Verein. Trotzdem muss der Verein permanent unter Beweis stellen, dass seine Arbeit relevant und nützlich für die Mitglieder und die Community ist, um das Engagement zu erhalten.
Nachhaltigkeit von Forschungsinfrastrukturen an der SUB Göttingen – drei Beispiele
Eingereicht von Daniel Beucke (Mitarbeiter im Bereich Digitale Bibliothek an der SUB Göttingen)
1) An welcher Einrichtung sind Sie tätig und welche Art von Forschungsinfrastruktur wird an ihr betrieben bzw. genutzt?
Ich bin Mitarbeiter an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB Göttingen). Dort bin ich in der Gruppe Elektronisches Publizieren und in der Gruppe Software- und Serviceentwicklung tätig. In diesem Rahmen bin ich für die Konzeption und den Aufbau von unterschiedlichen Services und Infrastrukturen mitverantwortlich. Im folgenden möchte ich drei Beispiele nennen, bei denen ich mitgewirkt habe und die einen guten Überblick über die unterschiedlichen Forschungsinfrastrukturen geben:
Die Informationsplattform Open Access (IPOA, https://open-access.net/)
Diese Plattform ist im Rahmen eines DFG-geförderten Projekts mit mehreren Projektpartnern entstanden. Die Plattform ist ein zentraler Ort für Informationen rund um das Thema Open Access. Die SUB Göttingen war unter anderem für den Aufbau der technischen Infrastruktur zuständig.Die Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (AdW Göttingen)
Im Rahmen einer Kooperation mit der AdW Göttingen entstehen seit 2011 verschiedenen Forschungsinfrastrukturen. Gestartet wurde mit einer zentralen Website für die AdW Göttingen (https://adw-goe.de) und einem Dokumentenserver für Open-Access-Publikationen (https://rep.adw-goe.de) der AdW Göttingen. Hinzu kamen mehrere Services für die zahlreichen Vorhaben der Akademie, wie eine Online-Version des Frühneuhochdeutschen Wörterbuches (https://fwb-online.de), Briefportale für Leibniz (http://leibniz-briefportal.adw-goe.de/start) und Gauß (https://gauss.adw-goe.de) oder ein Verzeichnis der Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich (https://adw-goe.de/digitale-bibliothek/hoefe-und-residenzen-im-spaetmittelalterlichen-reich).Das Publikationsdatenmanagement GRO.publications (https://publications.goettingen-research-online.de/)
Die SUB Göttingen stellt den Forschenden an der Universität Göttingen ein neues Publikationsdatenmanagement zur Verfügung, das die Erstellung von Publikationsnachweisen wesentlich erleichtert beziehungsweise erstmals ermöglicht. Dies erfolgt im Rahmen des neuen Services Göttingen Research Online (GRO), der weitere Services wie ein Forschungsdaten-Repositorium oder die Erstellung von Datenmanagementplänen anbietet.
2) Wie ist das Finanzierungsmodell für diese Forschungsinfrastruktur(en) gestaltet?
Die zuvor genannten Services bilden einen guten Querschnitt bei der nachhaltigen Finanzierung von eben solchen Infrastrukturen, die an der SUB konzipiert, entwickelt und betrieben werden.
Die IPOA wurde in zwei Förderphasen mit Finanzierung von der DFG entwickelt. Nach Ablauf der Projektförderung verpflichteten sich die Projektpartner die Plattform weiterhin anzubieten und aktuell zu halten. Die SUB Göttingen übernimmt dabei den technischen Betrieb, die anderen Partner zeichnen sich für die Inhalte verantwortlich. Dafür wurde ein Memorandum of Understanding (MoU) unterzeichnet, das nach Ablauf der Frist wieder verlängert werden muss.
Die Angebote, die im Rahmen der Kooperation mit der AdW Göttingen entstanden sind, werden durch eine Kooperation finanziert. Im Rahmen dieser Vereinbarung, die in der Regel alle zwei Jahre neu vereinbart wird, werden gemeinsam die anfallenden Arbeiten festgelegt. Der Schwerpunkt liegt auf der Weiterentwicklung von Forschungsinfrastruktur für die Vorhaben der AdW Göttingen.
Das Publikationsdatenmangement GRO.publications ist seit Sommer 2019 ein neuer Service für die Universität Göttingen, der von der SUB Göttingen angeboten wird. Die Konzeptphase und ein Teil der Entwicklung wurde im Rahmen eines Projekts innerhalb der Universität finanziert. Die weitere Entwicklung und der Betrieb des Services wird von der SUB Göttingen aus Eigenmitteln finanziert.
3) Welche Rolle spielt Kollaboration mit anderen Einrichtungen für Betrieb und Weiterentwicklung der Forschungsinfrastruktur(en)?
Die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen am Göttingen Campus und auch darüber hinaus sind für uns sehr wichtig. So arbeiten wir bei dem Betrieb von Forschungsinfrastrukturen eng mit der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen (GWDG) zusammen, die größtenteils die technische Grundlage – als Rechenzentrum der Universität Göttingen – bereitstellt. Aus dieser Zusammenarbeit entstand auch die Göttingen eResearch Alliance (ein Zusammenschluss der GWDG und der SUB Göttingen, https://www.eresearch.uni-goettingen.de), die die Services rund um Göttingen Research Online anbietet und vor allem für das Forschungsdatenmanagment am Standort verantwortlich ist.
Aber auch die Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnern ist in der SUB Göttingen von großer Bedeutung. So ist die SUB Göttingen Projektpartner in zahlreichen Projekten zu Forschungsinfrastrukturen (zum Beispiel OpenAIRE, DARIAH-DE). Die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen in den zahlreichen Projekten (https://www.sub.uni-goettingen.de/projekte-forschung/projekte-a-z/) ermöglicht uns einen breiteren Kreis an Nutzenden zu erreichen.
Für den sinnvollen Betrieb einer Forschungsinfrastruktur sollen die organisatorische, technische und fachliche Zuständigkeit spätestens am Ende der Projektphase definiert sein. Diese Aufgaben können zwischen verschiedenen Einrichtungen aufgeteilt werden, was de facto zu einem kollaborativen Betrieb führt. Dieses Modell hat den Vorteil, dass die Betriebskosten nicht von einer einzelnen Einrichtung getragen werden müssen und die Einrichtungen sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können (siehe Beispiel IPOA). Die Finanzierung der Betriebskosten erfolgt meist mit der Eigenleistung der Trägereinrichtungen, da es nur wenige erfolgreiche Geschäftsmodelle für den Betrieb der Forschungsinfrastrukturen gibt, vor allem wenn sie im Rahmen von Drittmittelprojekten entstanden sind. Die Weiterentwicklung erfolgt in der Regel auch kollaborativ – aus ähnlichen Gründen. Leider gibt es hier auch zu wenig Geschäftsmodelle, die den Einrichtungen helfen, die erforderlichen Kapazitäten bereit zu halten.
4) Welche Rolle spielen freie Lizenzen und andere Kriterien offener Wissenschaft in diesem Zusammenhang?
Die Nutzung von freien Lizenzen ist im Rahmen der Entwicklung in der SUB Göttingen von großer Bedeutung und auch in einer Policy verankert.1 Bei den verschiedenen Services wird darauf geachtet, dass Neuentwicklungen oder Anpassungen an bereits existierender Software frei über ein Git-Repositorium angeboten werden. Dabei nutzen wir in der Regel GitHub (https://github.com/subugoe) für Entwicklungen, die von allen nachgenutzt werden können. Für interne Projekte steht uns ebenfalls eine GitLab-Instanz zur Verfügung, die durch die GWDG angeboten wird.
5) Ist die Forschungsinfrastruktur aus Ihrer Sicht nachhaltig? Warum (nicht)? Falls nicht: Was fehlt, um den nachhaltigen Betrieb abzusichern?
Grundsätzlich würde ich sagen, dass die Infrastrukturen nachhaltig angeboten werden können. Im Einzelnen hängt dies von den Grundvoraussetzungen ab.
Schwieriger sind sicher Services, die aus geförderten Projekten entstehen wie beispielsweise die genannte Informationsplattform Open Access. Allerdings zeigt dieses Beispiel auch sehr gut, dass der Betrieb auf verteilen Schultern angeboten werden kann. Das MoU hilft hierbei sicher.
Allgemein entsteht durch die Digitalisierung das Problem, dass der Bedarf an digitalen Services schneller steigt als die digitalen und finanziellen Kapazitäten der betreibenden Einrichtungen. Auch der Fachkräftemangel macht sich stark bemerkbar, zusammen mit den verwaltungstechnischen Schwierigkeiten der Personalbindung in öffentlichen Einrichtungen. Für den nachhaltigen Betrieb brauchen wir ein besser skalierendes Modell (Betrieb von mehr Services mit gleichbleibenden Kapazitäten), Aufgabenkritik um wenig genutzte Services abzuschalten, attraktive Arbeitsbedingungen für Fachkräfte und eine agilere Verwaltung. Dass die Weiterentwicklung einer Forschungsinfrastruktur fester Bestandteil des Betriebskonzepts ist, sollte nicht ignoriert werden.
Siehe auch die
Digital Policies: Grundsätze für die digitalen Angebote der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
und dort zur IT-Architektur; https://www.sub.uni-goettingen.de/wir-ueber-uns/portrait/digital-policies-grundsaetze-fuer-die-digitalen-angebote-der-sub-goettingen/it-architektur/.↩︎