„Knowledge belongs to humanity
and is the torch which illuminates
the world.” Louis Pasteur
1. Einleitung
Die Gesellschaft ändert ihre Ansicht über Lehren und Lernen mit der gleichen Geschwindigkeit wie intellektuelle und physische Werkzeuge den Menschen zur Verfügung gestellt werden. Man kann diese Werkzeuge als Ergebnisse einer Art Verhandlung zwischen Gesellschaftsentwicklung und Technik sehen. In einer Kultur z. B., die keinen oder nur geringen Gebrauch von einer Schriftsprache macht, wird die Gabe zu memorieren als sehr hoch geschätzt. In einer Kultur der Schriftsprache hingegen werden andere Kenntnisse in den Vordergrund gestellt, da die Gabe etwas auswendig zu lernen, nicht mehr gefragt wird. In unserer heutigen abendländischen Kultur schließlich haben sich die Voraussetzungen für Lernen und Wissensbildung in den letzten Jahren dramatisch verändert. Die neuen Werkzeuge, durch die man lernen und mit denen man unterrichten kann, verlangen, dass die Nutzer dieser Werkzeuge neue Gaben beherrschen, nämlich zu suchen, das Gefundene zusammenzustellen, es kritisch werten und schließlich nutzen zu können.
In dem vorliegenden Artikel möchte ich die Begriffe Informationssuche, Informationsbedarf, Informationsverhalten und im Besonderen Informationskompetenz [->01] aus internationaler und vor allem skandinavischer Sicht beleuchten. Ich will versuchen, den Unterschied zwischen Informationssuche und Informationskompetenz zu klären. Weiterhin zeige ich, in welchem Umfeld diese Kompetenz gelehrt wird, und wie der Suchprozess aussehen kann. Abschließende Überlegungen widmen sich dem geeigneten Personenkreis, welcher Informationskompetenz lehren und wie man diesen Begriff international verbreiten könnte.
2. Hintergrund
Warum ist es wichtig, dass sich ein werdender Bibliothekar mit den genannten Begriffen, besonders aber mit dem der Informationskompetenz auseinandersetzt?
In der heutigen Gesellschaft, mit all den schnellen Veränderungen in fast allen menschlichen Bereichen, die wir um uns herum wahrnehmen können, ist es für jeden einzelnen Bürger wichtig, dass er sich ausreichend informieren kann, um an der demokratischen Entwicklung der Gesellschaft teilnehmen zu können. In den Schulen haben wir es heute auf allen Ebenen zunehmend mit einer neuen Pädagogik zu tun, die nicht mehr hauptsächlich aus „Kathederunterricht“ besteht, sondern zum großen Teil Problem Based Learning -basiert ist. Hier müssen Schüler und Studenten selber Antworten zu eigenen Fragestellungen finden – Antworten, die häufig in Bibliotheken zu finden sind. Die Fernstudenten, die oft allein in ihren Studienzimmern sitzen und andere Hilfe brauchen als Studenten am Campus, stellen besondere Herausforderungen an die Bibliothekare dar.
Die großen, globalen Unternehmen brauchen informationskompetente Bibliothekare, damit korrekte Informationen über neueste Errungenschaften auf verschiedenen Gebieten schnell und effizient weitergeleitet werden. Das schnelle Wachsen der Informationsmenge im Internet bewirkt, dass manche Menschen sich abschirmen und es einfach nicht mehr schaffen, alles zu überblicken, weil sie nicht wissen, wie man relevante Information sortiert (und wegwirft) und was man danach mit der Information machen kann oder soll.
Die Technik wird immer mehr verfeinert und trotzdem spricht man erst in neuerer Zeit über den Inhalt hinter dieser Technik. Mit anderen Worten: Was brauchen verschiedene Benutzergruppen außer technischem Wissen um an die richtige Information zu kommen?
Bei einer Konferenz in Prag im September 2003 (Information
Literacy Meeting of Experts) haben „Informationskompetenz-Experten“
diese Probleme diskutiert und definiert. Sie waren der Meinung,
dass die Gesellschaft Nutzen daraus ziehen könne, dass ihre
Bürger gut in Informationskompetenz ausgebildet seien: “Information
is a strategic resource that cannot be fully exploited without an
information literacy citizenry.” [->02]
Als Bibliothekar kann man dem Benutzer helfen, „informationskompetent“
zu werden, indem man ihn lehrt, wie man „korrekte“ Fragen
zu seinem „Problem“ stellt, wo man nach möglichen
Antworten suchen kann, wie man sortiert und wertet und was man mit
der Information machen kann, sollte oder darf, wenn man die richtige
Antwort gefunden hat. Informationskompetenz ist mit anderen Worten
mehr als „nur“ das Wissen darüber, wie man ein
guter „Sucher“ nach Information ist.
3. Definitionen
Ehe ich mich in diesem Artikel mit dem Begriff
„Informationskompetenz“ weiter befasse, möchte
ich definieren, was ich mit „Information“ meine und
lehne mich hier an Case (2002)
[->03].
Außerdem definiere ich kurz die Begriffe „Informationsbedarf“,
„Informationssuche“ und „Informationsverhalten“
so, wie man sie meiner Meinung nach heute sieht:
Den Begriff „Information“
eindeutig zu definieren ist extrem schwer. Schon Chauser hat
irgendwann zwischen 1372 und 1386 diesen Begriff benutzt
[->04]
und eigentlich müsste er nach mehr als 600
Jahren eindeutig geklärt worden sein. Dies ist nicht der Fall,
im Gegenteil. Bateson[->05]
meint mit Information „any difference that makes a difference
to a conscious, human mind“. Mit anderen Worten ist Information
etwas, das für einen Menschen von Bedeutung ist, egal
ob es von äußeren Umständen herrührt oder von
inneren (psychologischen). Miller [->06]
meint, dass Information als jedes Stimulus angesehen werden kann,
das wir in unserer Umgebung erkennen können. Weiterhin tauchen
Fragen auf, z.B. ob es „wahre“, „objektive“
oder„nützliche“ Information gibt, ob Information
überhaupt übertragen werden kann, ohne dass sie verfälscht
wird und weitere Probleme. Begnügen wir uns mit diesen Definitionen
und lassen wir rein bibliothekarisch[->07]
Information etwas („Such- und Findbares“) sein, womit
wir einem Menschen
helfen können, ein Problem zu lösen, eine Frage zu beantworten
oder etwas für ihn Interessantes zu finden. Zu diesem Zweck
stehen uns (u. a.) eine Reihe von gedruckten und
elektronischen Medien zur Verfügung, die wir gut kennen und
in denen wir suchen können müssen, um etwas zu finden,
mit dem unser Hilfesuchender zufrieden ist.
Mit „Informationsbedarf“ meint man im Allgemeinen, dass eine Person einsieht, dass ihr Wissen unzureichend ist, um ein Problem zu lösen bzw. eine Frage zu beantworten.
„Informationssuche“ ist eine bewusste Handlung, um an Information zu gelangen damit der Informationsbedarf gedeckt wird, also um eine Lücke im Wissen zu schließen oder ein Muster zu entdecken. Wie der Suchprozess vor sich geht, versuche ich ausführlicher in Abschnitt 6 zu beschreiben.
Der Begriff „Informationsverhalten“ bedeutet laut Case [->08] sowohl aktives Informationssuchen als auch ungewolltes oder passives Verhalten bei dieser Suche (man findet z. B. anderes, als das was man zu Beginn direkt sucht, oder man versucht, bestimmte Informationen zu vermeiden).
4. Was ist Informationskompetenz?
In der Literatur ist der Begriff Informationskompetenz nicht selten mit dem Lernbegriff verknüpft. Man kann dies z. B. in folgendem weit verbreiteten Zitat herauslesen: „Ultimately information literate people are those who have learned how to learn.“[->09]
Für einen angehenden Bibliothekar ist es also wichtig, zu wissen, wie man lernt und lehrt, d.h. die Bibliothekarstudenten müssen lernen, wie man Bibliotheksnutzer unterrichtet bzw. fachlich anleiten kann. Alle Phasen in einer „untersuchenden Arbeitsweise“ müssen studiert werden, nicht nur die Phase der Informationssuche. Man sollte u.a. das Folgende studiert haben, das meiner Ansicht nach auch der Begriff „Informationskompetenz“ beinhaltet:
• Pädagogische Theorien, nicht nur über das Lehren,
sondern auch über das Lernen, d.h. wie sich verschiedene Personen
in verschiedenen Situationen Wissen aneignen.
• Wie man verschiedene Personen befragt, damit man als Bibliothekar
genau weiß, was der Nutzer eigentlich sucht.
• Wie fragende Personen in verschiedenen Situationen denken.
• Wie der Bibliothekar selbst denkt (eigene Gefühle und
Reaktionen, Metakognition).
• Wo man nach möglichen Antworten der Fragestellungen
suchen kann (fundiertes Wissen über sowohl gedrucktes Material,
Datenbasen und Internet).
• Wie man verschiedene Antworten sortiert, wenn man z.B. über
Google Millionen von Antworten bekommt.
• Wie wertet man die Antworten? Sind sie korrekt? (Wenn „ja“,
warum? Wenn „nein“, warum nicht?)
• Wie verwendet man das gefundene Material effektiv und korrekt?
Bibliothekare müssen außerdem Kenntnis haben in Fragen des Urheberrechts, über die EU und die grenzüberschreitenden Gesetze auf diesen Gebieten, über Verlage und Verlegen (gedruckt und/oder elektronisch), sowie über verschiedene kommunale und regionale Organisationen, die für den Nutzer wichtig sein können.
Bei der oben genannten Konferenz in Prag 2003 hat man diesen Begriff
wie folgt definiert und etwas erweitert [->10]:
• „[…] the ability to identify, locate, evaluate,
organize and effectively use information to address issues or problems
at hand that face individuals, communities, and nations.”
Hier wird der Begriff sogar auf Nationen erweitert! Weiterhin heißt
es:
• Active learning is a desirable process
and outcome of education.
• Using the real information needs is crucial – things
they care about knowing…. Motivation is fundamental to information
literacy competencies.
• Information literacy can be a part of many blueprints for
learning and teaching.
• Information literacy is the key to conducting student-centered,
active learning focused on skill building.
• Learning can be effective when communities and individuals
teach each other.
• Lifelong learning and information literacy have related
bodies of literature that need to interpenetrate. Lifelong learning,
long supported by UNESCO, is a good entry point into information
literacy.
Wichtig ist meiner Meinung nach auch, dass man bedenkt, in
welchem kulturellen Kontext Informationskompetenz gelehrt wird.
Eine Person aus Europa hat wahrscheinlich ganz andere Informationsbedürfnisse
als ein Einwohner im Dschungel in Papua Neu Guinea oder ein Reisbauer
in China. Alle müssen jedoch kompetent sein, um in ihrem Umfeld
so gut wie möglich existieren zu können.
Um der Umwelt zu zeigen, was ein Bibliothekar sonst noch beherrscht,
sind gute Kenntnisse über Öffentlichkeitsarbeit (wie man
z.B. Politiker und die Öffentlichkeit über Bibliotheken
informiert), Management, ökonomische Aspekte und Kosteneffektivität,
Kooperation mit anderen Organisationen, Projektplanung, Personalfragen
usw. unabdingbar. Dies gehört vielleicht nicht zur Informationskompetenz
per se, ist jedoch nach meiner Auffassung genau so wichtig, um z.B.
in Konkurrenz mit verschiedenen IT-Büros treten zu können.
Rein technisches Wissen, also banal gesagt, wie z.B. ein Computer
funktioniert, ist meiner Meinung nach nicht von besonderer Bedeutung.
Techniker haben das studiert und sollten aushelfen können,
falls ein Computer abstürzt. Mit anderen Worten gehören
auch ausgebildete Techniker zu den Angestellten in gut geführten
Bibliotheken. Hiermit meine ich natürlich nicht, dass ein Bibliothekar
nicht grundlegendes technisches Wissen braucht, z.B. wie eine Datenbank
aufgebaut ist, denn auch dies muss er einem Nutzer beibringen können.
Es geht mehr um den Inhalt der Technik, den die Bibliothekare kennen
müssen.
5. Der Zusammenhang der Informationskompetenz
Informationskompetenz wird natürlich nicht isoliert gelehrt oder gelernt. Das Wissen hierüber könnte so dargestellt werden[->11]:Abb.1 Der Zusammenhang, in dem Informationskompetenz wirkt
Informationskompetenz ist immer in der Persönlichkeit
des einzelnen Menschen integriert, und wird, außer von rein
äußeren Faktoren wie technischen Verhältnissen,
Organisationskulturen und dergleichen davon beeinflusst, welche
Sprachkenntnisse er/sie hat, welches fachliches Wissen er/sie sich
vorher angeeignet hat, in welcher Kultur und Gesellschaft er/sie
aufgewachsen ist, wie kreativ er/sie ist und wie seine/ihre persönliche
Situation weiterhin aussieht. Es ist jedoch auch wichtig, dass sowohl
der Nutzer als auch der Bibliothekar gelernt haben, kritisch zu
denken, um z. B. Quellen und Referenzen überprüfen zu
können.
Louise Limberg hat in ihrer Doktorarbeit[->12]
außerdem gezeigt, dass es sehr wichtig ist, wie Studenten
suchen. Der Lernprozess besteht sowohl aus Suchen als auch daraus,
wie die gefundene Information weiter genutzt verwendet wird. Das
Ergebnis der Suche ist also davon abhängig, wie gut im Voraus
geplant wurde, die gefundene Information zu nutzen.
Auch in ihrer ganz neu erschienenen Doktorarbeit betont Gudrún
Thórsteinsdóttir [->13]
wie wichtig die individuelle Situation des einzelnen Nutzers ist;
sie spricht besonders auf die Situation der Fernstudenten und ihre
Bedürfnisse an und wie sich diese auf den Suchprozess auswirken.
6. Der Suchprozess
Welche Strategien gibt es für erfolgreiches Suchen von Informationen? Was braucht man dazu? In diesem Artikel nehme ich das Beispiel eines Bibliothekars und eines Bibliotheksbesuchers/-nutzers und denke, dass folgende Faktoren wichtig sind, um einem Bibliotheksbesucher erfolgreich helfen zu können:
Abb. 2 Faktoren, die den Suchprozess in der Bibliothek beeinflussen können
Es gibt sicherlich noch mehr Faktoren, die nützlich sein können, damit der Bibliothekar zu einem Ziel kommt, mit dem der Nutzer zufrieden ist. Wichtig ist auf jeden Fall, dass:
• der Nutzer überhaupt erstmal in die Bibliothek kommt,
um Hilfe in Anspruch zu nehmen;
• der Bibliothekar Zeit und genügend Kompetenz hat,
auf den Nutzer eingehen zu können;
• die Bibliothek gut ausgerüstet ist mit genügend
Print- und anderen Medien und
• der Bibliothekar weiß, wie man die „richtigen“
Fragen stellt, wie die Gesellschaft rundherum
aussieht und funktioniert, wie die verschiedenen Medien funktionieren
und wie sie geordnet (aufgestellt) sind usw. Hierzu gehören
auch „Eigeneinsicht“ und die Gabe zu reflektieren,
sowohl beim Bibliothekar als auch beim Nutzer. D.h., der Bibliothekar
muss sich in die Situation des Nutzers hineinversetzen können
und der Nutzer muss verstehen können, was der Bibliothekar
meint bzw. fragt. Auch die Motivation des Besuchers ist wichtig.
Warum kommt er/sie in die Bibliothek? Ist er möglicherweise
arbeitslos und ihm ist von einer Behörde angeraten worden,
irgendeine Information zu suchen? Tut er es aus eigenem Interesse?
Ist er Rentner und kann endlich seinem Hobby nachgehen? Ist er
Schüler und braucht etwas für seine nächste Klausur?
Ist er Wissenschaftler und braucht dringend irgendein Zitat für
seinen Artikel? Selbstverständlich muss der Bibliothekar
wissen, dass man Fragen verschieden stellt, je nachdem aus welchem
Grund, mit welcher Motivation der Nutzer vor ihm steht.
Dies sind zumindest einige der Faktoren, die wir versuchen, unseren Studenten in Växjö zu vermitteln, da wir der Ansicht sind, dass nur dann, wenn dies funktioniert, ein zufriedener Benutzer die Bibliothek verlässt.
Der Suchprozess an sich folgt sechs verschiedenen Schritten [->14]. Zur Veranschaulichung nehme ich im Folgenden einen Studenten als Beispiel:
1. Eine Aufgabe haben. Er muss einsehen, dass er eine Aufgabe
hat, die gelöst werden muss. Zuerst
kann dies mit Unsicherheit und Besorgnis vermischt sein. Er muss
überlegen, ob er die
Aufgabe versteht, welche Erfahrungen er vielleicht früher auf
diesem Gebiet gemacht hat, und
ob er mögliche Alternativen zur Lösung der Aufgabe identifizieren
kann.
2. Thema oder Fach wählen. Hier muss der Student sich
überlegen, welches allgemeine Thema er
untersuchen und welcher Forschungsmethode er nachgehen möchte.
Die Unsicherheit in der
ersten Phase weicht oft der Erleichterung und dem Optimismus. Man
bekommt eine „innere Bereitschaft“
zur Informationssuche. Der Student überlegt sich, welche anderen
Themen noch in
Frage kommen könnten und wie diese mit seinen Interessen, mit
der Zeit, die er zur Verfügung
hat und mit seinen früheren Erfahrungen und Kenntnissen übereinstimmen.
Schließlich
findet er das Thema, dessen er sich annehmen möchte. Während
dieses Stadiums macht
er häufig schon einleitende Recherchen nach Informationen,
um zu sehen, was ihm am meisten
behilflich sein könnte, um zu seinem Ziel zu kommen. Wenn er
nicht findet, was er sich
erhofft, kommen oft die anfänglichen Sorgen und Gefühle
von Unsicherheit und Unzufriedenheit
verstärkt zurück.
3. Fokussieren. Der Student muss nun gründlich Informationen
suchen, um seinem Fach oder Thema
den richtigen Fokus zu geben. Für viele Studenten ist dies
der schwierigste Schritt
[->15]
indem Prozess. Sie müssen genügend Informationen suchen
und untersuchen, um ihr
persönliches Wissen so zu erweitern, dass sie einen wissenschaftlich
korrekten Fokus und
eine persönliche Ansicht hierüber formulieren können
(Schritt 4, siehe unten). Wie wir als Bibliothekare
wissen, ist Information selten übereinstimmend und gleich,
sondern eher disparat
und
nicht vergleichbar. Der Student kann dies als beängstigend
empfinden, er kann an seiner
Kompetenz
und seinem Wissen zweifeln oder das gesamte Studiensystem frustriert
ihn.
Manche
hören (im Extremfall) ganz auf, weiter zu suchen und geben
einfach auf. Wenn der Student
nicht ausreichend präzise erklären kann, was er eigentlich
sucht oder braucht, wird es
schwierig
mit ihm zu kommunizieren. Hierzu braucht er ganz offensichtlich
Hilfe, Hilfe von einem
geschulten Bibliothekar!
4. Fokus formulieren. Für viele ist der Schritt des
Fokusformulierens der Wendepunkt im gesamten
Suchprozess. Zufriedenheit und neues Selbstvertrauen treten anstelle
von Zweifel und
Unsicherheit. Der Student muss also den Fokus formulieren: Ausgangspunkt
ist die Information,
die er in der dritten Phase gesammelt hat. Er muss identifizieren
können, was am wichtigsten
ist, welche Ideen für ihn brauchbar sind, also ein „Konzentrat“
aus vielen Quellen herausfinden
können. Hier wiederum beeinflussen ihn, bewusst oder unbewusst,
seine eigenen
Interessen, wie viel Information er gefunden hat, wie viel Zeit
er hat oder aufbringen möchte
und er muss Such-, Lese- und Schreibstrategien anwenden können.
In dieser Phase wird
das Thema/Fach zunehmend persönlicher. Obwohl es vorkommt,
dass Jemandem ein Thema
sehr plötzlich als „glänzende (sehr persönliche)
Idee“ erscheint, ist es doch meistens so,
dass das Thema langsam aufgebaut und nach und nach geklärt
und verfeinert wird. Die Gefühle
des Studenten werden auch langsam immer positiver, er fühlt
sich zuversichtlich und „aufgeklärt“.
Er hat eine Hypothese aufgestellt.
5. Informationen sammeln. In dieser fünften Phase
ist es wichtig, dass der Student sich auskennt, wie und wo er effektiv
die Information einholen kann, die er jetzt für sein Thema
braucht. Es ist nun nicht mehr „irgendeine“ Information,
jetzt ist es spezifische Information, die er benötigt, um sein
Projekt erfolgreich zu Ende zu führen. Der Fokus seines Faches,
seiner Hypothese muss immer bedacht werden, wenn er Information
sucht. Er muss sich gut ausdrücken können, falls er Hilfe
braucht, egal ob er die Hilfe selber direkt im „System“
sucht, oder ob er persönliche Hilfe von einem Bibliothekar
sucht. Der Bibliothekar muss dann wissen, wie er dem Studenten helfen
kann, sich korrekt auszudrücken. Normalerweise fühlt sich
der Student in dieser Phase immer zuversichtlicher, wenn die Arbeit
gut voran geht und er merkt, wie sich das Projekt immer besser entwickelt.
Allerdings gibt es auch in dieser Phase Studenten, denen die Arbeit
übermächtig wird, und die meinen, dass „alles zu
viel“ wird. Wer hilft dann? Der Dozent oder der Bibliothekar?
6. Beenden der Suche. Ist der Student der Ansicht, er sei
„fertig“, ist der Suchprozess beendet. Der Student sollte
sich zufrieden und erleichtert fühlen. Er hat genügend
Information gefunden, um sein Thema beschreiben, seine Hypothese
testen und seine Arbeit abgeben zu können. Er kann aus der
gefundenen Information ein Konzentrat zusammenfassen und ist froh
über das gelungene Resultat. Oder – wie oben schon angedeutet
– ihm ist alles zu viel geworden, er beendet die Suche mit
großer Enttäuschung und hat kein Erfolgserlebnis, weil
er nicht das gefunden hat oder verarbeiten kann, um sein Thema bzw.
seine Hypothese zu erarbeiten.
Wir sehen, dass in den oben genannten sechs Phasen – zumindest
ab der zweiten Phase – überall die Bibliothekare eine
große Rolle zu spielen haben. Sie müssen rein pädagogisch
wissen, wie sie den Studenten helfen können, die „richtigen“
Fragen zu stellen, sie müssen auch wissenschaftlich bewandert
sein, um Studenten beim Fokussieren, beim Aufstellen von Hypothesen
und der Formulierung helfen zu können und dann spezifisch für
verschiedene Fächer gedruckte und/oder elektronische Information
zu finden.
Ich habe auch die Frage gestellt, wer dem Studenten helfen könnte, falls er „frühzeitig“ aufgibt. Und die Antwort?
Die Suchstrategie eines Bibliotheksbesuchers, welche ich hier am Beispiel eines Studenten gegeben habe, kann, natürlich etwas abgewandelt, für jeden Bibliotheksbenutzer gelten. Heutzutage kann man dies leicht an den vielen Besuchern in Schweden beobachten, die zu verschiedenen Bibliotheken kommen, um an Fernausbildungen oder am sog. Lifelong Learning teilzunehmen.
7. Wer lehrt Informationskompetenz?
Ist es nicht merkwürdig, dass Bibliothekare irgendwie nicht als berechtigte Lehrer für Informationskompetenz gelten können? Wenn man von der EU proklamiert, dass ihre Bürger an der Entwicklung der Gesellschaft teilnehmen sollen, werden selten Bibliotheken als Informationszentren oder Bibliothekare als Informationsvermittler genannt. Das gleiche gilt, wenn die EU meint, dass alle Bürger an Lifelong Learning und an Fernunterricht teilnehmen sollen. Warum?
Die Ausbildung der Bibliothekare der Zukunft muss sich gründlich ändern und erweitern. Die Bibliothekare von morgen brauchen, außer fundiertem Wissen das Bibliothekswesen betreffend wie z.B. Katalogisieren, Bibliotheksgeschichte, ethische Fragen usw., auch Pädagogikkenntnisse, denn wenn man erfolgreich Informationskompetenz vermitteln möchte, muss man sich sowohl mit dem Lern- und Lehrprozess als auch mit den Theorien der Pädagogik befassen. Die EU möchte u.a., dass Europa bis 2010 die dynamischste wissensbasierte Ökonomie der Welt vorweisen kann (Lissabon 2000[->16]), und dass Lifelong Learning ein Kernelement in dieser Strategie sein soll. Man setzt voraus, dass alle Bürger aktiv an der Gesellschaft und an persönlicher Entwicklung teilhaben wollen. Ist dies etwas anderes, als dass die Bürger „informationskompetent“ werden? Auch die UNO möchte, dass wir alle an der Entwicklung einer friedlichen, globalen Welt teilhaben sollen [->17], unsere Schulen, Fachhochschulen und Universitäten verlangen das von unseren Schülern und Studenten, aber wo bleibt die Ausbildung derer, die das unterrichten könnten? In einem OECD-Rapport schreiben Debande und Kazamaki Ottersten [->18] wie man Information and Communication Technologies an die Bürger der heutigen Gesellschaft bringen kann/könnte, aber nirgendwo sind Bibliothekare genannt. Man nennt elektronische Bibliotheken, webbasierte Klassenzimmer für Fernstudenten u. a. Man ist der Meinung, dass eine Strategie gebraucht wird um diesen Menschen zu helfen, dass auch Lehrer noch nicht wissen, wie man das macht: „[..] the teaching as such has not changed […] – this calls for a strategy.“[->19]
Auf der Homepage „Education and Training“ der EU ist in den dort genannten Rapporten kaum jemals ein Hinweis zu Bibliotheken oder Bibliothekaren zu finden – nicht einmal im Abschlussbericht [->20] , in dem es darum geht, diese Strategie zu definieren. Um diesen stolzen Erklärungen nachkommen zu können, finde ich es selbstverständlich, dass man Informationskompetenz an bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Ausbildungsinstituten lehren sollte und dass informationskompetente Bibliothekare hierzu am besten geeignet sind. Auch elektronische Bibliotheken benötigen im Hintergrund Menschen, die den Besuchern dieser Bibliotheken Informationskompetenz vermitteln.
8. Standards für Informationskompetenz?
Mehr und mehr wird gegenwärtig über
„Standards“ für Informationskompetenz gesprochen.
Sowohl in Europa, als auch in Amerika und in Australien hat man
weitgehende Pläne, wie diese aussehen könnten [->21].
In Nordeuropa war man mit Nordinfolit [->22]
Ende des vorigen Jahres dabei zu versuchen, Standards für die
skandinavischen Länder zu schaffen. Leider ist Nordinfolit
inzwischen niedergelegt worden, aber die Mitglieder arbeiten in
einem Netzwerk weiter.
Eine Grundfrage ist, ob Standards ein Wunschtraum oder eine Falle
sind? Wie dieses Problem zu lösen ist, ist wahrscheinlich davon
abhängig, ob man Informationskompetenz aus einem fähigkeitsorientiertem
(„skilloriented“) Blickwinkel sieht oder aus einem phänomenographischen
[Anm. d. Red.]. Ist man überzeugt davon, dass Informationskompetenz
eine Kunst ist, die eine Person schrittweise erlernen und jeden
Schritt „abhaken“ kann, dann kann man natürlich
Standards aufstellen. Wenn man aber, wie ich und meine Kolleginnen
Carol Kuhlthau, Louise Limberg [->23]
und Christine Bruce [->24]
meinen, dass Wissen und daher auch Informationskompetenz eher aus
einem holistischen Aspekt gesehen werden muss, und dass man beachten
muss, wer die Information sucht, wie er sie sucht und zu welchem
Zweck er sie sucht, dann ist es schwierig, Standards hierfür
aufzustellen, denn diese phänomenographische Ansicht ist viel
schwieriger zu definieren und zu beschreiben, als die reine „Informationskompetenz-als-gute-Informationssuchen-Kunst“.
Z. Zt. ist die phänomenographische Ansicht die am meisten vertretene
Ansicht in Schweden.
9. Abschluss
Lifelong Learning und grundlegendes Training im Lesen sind natürlich Voraussetzungen dafür, dass ein Mensch „informationskompetent“ wird. Computer und Internetanschluss sind nicht wirklich notwendig, auch wenn sie in unserer immer schnelleren Entwicklung immer notwendiger erscheinen. Informationskompetenz wird durch die Motivation und die Bedürfnisse des Einzelnen geformt. Wer Informationskompetenz lehren will, muss sowohl über Kenntnisse zum Inhalt verschiedener Informationsquellen verfügen, als auch über den Kontext und die Bedürfnisse der Gesellschaft in der er und der Informationssuchende sich befinden. Auf diesen Gebieten wird bisher zu wenig geforscht. Wie Schüler und Studenten „informationskompetent“ werden, hat man angefangen zu erforschen und zu verstehen, aber wie „gewöhnliche“ Menschen sich diese Kompetenz aneignen, ist bislang noch viel zu wenig untersucht worden. Die EU und die UNO vertreten beide die Meinung, dass es auch aus ökonomischer Hinsicht wichtig ist, wenn besonders kleine Unternehmen davon profitieren, dass diejenigen, die dort beschäftigt sind, „informationskompetent“ werden. Damit sich dies verwirklichen lässt, braucht es eine weltweite Strategie für Informationskompetenz. Im Rahmen der bereits angeführten Prager Konferenz appellierte man weltweit an Politiker, eine Deklaration hierüber zu verfassen. In dieser sollten folgende Richtlinien beachtet werden (gleichzeitig sind nationale Interessen und Unterschiede zu beachten)[->25]:
• Information ist ein strategisches Hilfsmittel, das nicht vollends genutzt werden kann, ohne dass die Bürger informationskompetent sind.
• Jeder Bürger hat ein grundlegendes Recht zu Informationskompetenz und zum Zugang der Information, die sich dahinter verborgt.
• Allgemeine, öffentliche Information, die aktiv verwendet wird, fördert eine informationskompetente Nation.
• Informationskompetenz ist die Schlüsselkompetenz für das Informationszeitalter.
• Informationskompetenz ist genauso wertvoll, wie die allgemein mehr akzeptierten Begriffe Computer- oder Medienkompetenz.
Es ist also an der Zeit, dass sich Regierungen
weltweit mit der Informationskompetenz für ihre Bürger
befassen und politische Strategien für ihre Länder aufstellen,
um (laut EU und
UNO) die Unterschiede zwischen einzelnen Individuen und zwischen
Nationen reduzieren zu können.
10. Referenzen
Literatur
Bateson, Gregory, Steps to an ecology of mind. New York,
Ballantine, 1972
Bruce, Christine, The relational approach: a new model for information
literacy. In: The New Review of Information and Library Research.
Volume 3, 1997, S. 1-22
Case, Donald O., Looking for information. A survey of research
on information seeking, needs and behavior. New York, Academic
Press, 2002.
Debande, Olivier & Kazamaki Ottersten, Eugenia, Information
and Communication Technologies: A tool empowering and developing
the horizon of the learner. In: OECD-report: Higher Education
Management and Policy, Volume 16, No 2, 2004 , S. 31-61
Kuhlthau, Carol, Seeking Meaning: A process approach to library
and information services. 2nd ed. Westport, 2004
Kühne, Brigitte, Biblioteket – Skolans hjärna?
Lund, 1993
Limberg, Louise, Att söka information för att lära.
Borås, 1998
Limberg, Louise, Experiencing information seeking and learning:
a study of the interaction between two phenomena. Information
Research. Volume 5.1, 1999, S. 64
Miller, George A., Psychology and information. American Information,
19 (1968), 286-289
Thórsteinsdóttir, Gudrun, The information seeking
behaviour of distance students.A study of twenty Swedish library
and information science students. Göteborg, 2005.
URL-Adressen, besucht am 12.09.2005
http://europa.eu.int/comm/education/index_en.html
http://europa.eu.int/comm/education/index_en.html: Defining a strategy
for the direct assessment of skills (November 2004)
http://www.his.se/bib/ola
http://www.ifla.org/VII/s42/
http://www.nclis.gov/libinter/infolitconf&meet/post-infolitconf&meet/FinalREportPrague.pdf
http://www.nordinfolit.org
http://www.unesco.org/education/litdecade
Eine sehr gute „Webbliografi” (mit
hauptsächlich englischen Referenzen) findet man unter:
http://www.his.se/templates/vanligwebbsida1.aspx?id=6969.
Sie ist von Ola Pilerot an der Fachhochschule in Skövde erstellt
worden, der auch den Begriff „Webbliografi“ geprägt
hat.
[zurück
-> 01] Auf
Englisch-amerikanisch: Information seeking, Information need, Information
behavior, Information literacy
[zurück -> 02] http://www.nclis.gov/libinter/infolitconf&meet/post-infolitconf&meet/FinalREportPrague.pdf, S. 5
[zurück ->03] Case, Donald O., Looking for information. A survey of research on information seeking, needs and behavior. New York, Academic Press, 2002.
[zurück -> 04] vgl. ebd., S.40
[zurück -> 05] Bateson, Gregory, Steps to an ecology of mind. New York, Ballantine, 1972, S. 453
[zurück -> 06] Miller, George A., Psychology and information. American Information, 19 (1968), S. 286-289
[zurück -> 07] Kühne, Brigitte, Biblioteket – Skolans hjärna? Lund, 1993
[zurück -> 08] vgl. Case 2002, 5
[zurück -> 09] vgl. American Library Association, 1989
[zurück -> 10] vgl. http://www.nclis.gov/libinter/infolitconf&meet/post-infolitconf&meet/Final REportPrague.pdf, S. 3 u. 15
[zurück -> 11] Teilweise nach Pilerot 10.11.2004: www.his.se/bib/ola
[zurück ->12] Limberg, Louise, Att söka information för att lära. Borås, 1998
[zurück ->13] Thórsteinsdóttir, Gudrun, The information seeking behaviour of distance students.A study of twenty Swedish library and information science students. Göteborg, 2005.
[zurück -> 14] Kuhlthau, Carol: Seeking Meaning: A process approach to library and information services. 2nd ed. Westport, 2004 sowie Kühne, Brigitte: Biblioteket – Skolans hjärna? Lund, 1993
[zurück -> 15] Kuhlthau, 2004, S. 47
[zurück ->16] http://europa.eu.int/comm/education/index_en.html
[zurück -> 17] www.unesco.org/education/litdecade
[zurück -> 18] Debande, Olivier und Kazamaki Ottersten, Eugenia, Information and Communication Technologies: A tool empowering and developing the horizon of the learner. In: OECD-report: Higher Education Management and Policy, Volume 16, No 2, 2004 , S. 31-61
[zurück -> 19] vgl. ebd. S.45
[zurück -> 20] http://europa.eu.int/comm/education/index_en.html: Defining a strategy for the direct assessment of skills (November 2004)
[zurück -> 21] www.ifla.org/VII/s42/
[zurück -> 22] www.nordinfolit.org
[zurück -> 23] Limberg, Louise, Experiencing information seeking and learning: a study of the interaction between two phenomena. Information Research. Volume 5.1, 1999, S.64
[zurück -> 24] Bruce, Christine, The relational approach: a new model for information literacy. In: The New Review of Information and Library Research. Volume 3, 1997, S.1-22
[zurück -> 25] http://www.nclis.gov/libinter/infolitconf&meet/post-infolitconf&meet/Final REportPrague.pdf, S.5
Brigitte Kühne ist Gastprofessorin am Fachbereich Biblioteks- och informationsvetenskap der schwedischen Växjö universitet.