> > > LIBREAS. Library Ideas # 28

Das Bild der Bibliothek und Bibliothekare in den Fernsehgenres Comedy und Komödie

Mittels der empirischen Methode der standardisierten, quantitativen Inhaltsanalyse werden 51 Fernsehsendungen aus den Subgenres Comedy und Komödie untersucht, in welchen Bibliotheken als Schauplatz und Bibliothekare als Figur vorkommen. Der betrachtete Zeitraum der Ausstrahlungen ist von Januar 2010 bis Juli 2015. Ziel der Untersuchung ist die Klärung der Frage, ob Bibliotheken und Bibliothekare stereotyp dargestellt werden und ob sie innerhalb der gewählten Subgenres Objekt des Witzes sind. Untersucht werden unter anderem die Dimensionen Erscheinungsbild und Nutzungsmotive. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass das Erscheinungsbild von Bibliotheken überwiegend auf das konstitutive Element der Bücherregale reduziert ist. In der Nutzung überwiegen Motive wie Ausleihen, Lesen, aber auch Nutzung der Bibliothek als sozialer Treffpunkt (Kennenlernen, Date) oder die Suche nach einem ruhigen Rückzugsort. Das Bild der Bibliothekare ist im äußeren Erscheinungsbild zwar konservativer als andere Figuren, jedoch nicht negativ, auch sind die Rollen nicht Objekt des Witzes. Eine Tendenz zu einer weniger konservativen Darstellung in jüngeren Produktionen ist festzustellen.


Zitiervorschlag
Ute Engelkenmeier, "Das Bild der Bibliothek und Bibliothekare in den Fernsehgenres Comedy und Komödie". LIBREAS. Library Ideas, 28 ().


Was haben Sie denn gegen das Lachen? Kann man denn auch nicht lachend sehr ernsthaft sein? […] das Lachen erhält uns vernünftiger als der Verdruß. (aus: Gotthold Ephraim Lessing (1763): Minna von Barnhelm, 4. Akt)

Dieser Artikel beschäftigt sich mit Fernseh-Bildern1 von Bibliotheken und Bibliothekaren2 mit dem Schwerpunkt auf den humoristischen Genres Comedy und Komödie. Die Leitfrage, welches vorherrschende Verständnis in ausgewählten Fernsehsendungen dieser Genres zugrunde liegt, wird anhand einer standardisierten, quantitativen Inhaltsanalyse analysiert. Diese betrachtet unter anderem die Dimensionen Erscheinungsbild, Stereotypen und Nutzungsmotive von Bibliotheken. Ebenso wird der Frage nachgegangen, ob Bibliotheken und Bibliothekare Objekte des Witzes sind.

Comedy, Komödie, Humor und das Fernsehen

Comedy,3 Komödie, Humor im Allgemeinen kann man verstehen als eine besondere Form von Kommunikation, die sich mit fast allen Themen und Gegenständen der Gesellschaft befassen kann. Humoristisches im Fernsehen hat in erster Linie die Funktion, die Zuschauer zu erheitern. Komödien haben in der Regel eine dramaturgische Handlung, die gut und glücklich für alle Protagonisten endet. Doch neben der Unterhaltung der Zuschauer kann Humor auch kritisch sein. Humor reflektiert Konventionen. Eine Analyse des Humors kann daher bestimmte Strukturen gesellschaftlicher Phänomene ans Licht bringen.4 Gerade fernsehspezifische Populärkultur wie Seifenopern, Sitcoms, Komödien bedienen sich oft klischeehafter Rollenbilder. Ein näherer Blick auf das Witzige mag vermuten, dass gerade dort, wo Klischees vermehrt anzutreffen sind, eine Idee von Bibliothek und des Bibliothekar besonders deutlich werden kann.

Die leitenden Fragen dieser Untersuchung lauten daher: Gibt es stereotype Darstellungen von Bibliothekaren und Bibliotheken in den humoristischen Genres und wenn ja, welche sind vorherrschend und bestimmend? Was wird den Zuschauern in Bezug auf Bibliotheken vermittelt? Wie werden Bibliotheken und Bibliothekare in humoristischen Fernsehsendungen dargestellt? Welche Aufgabenzuweisung gibt es? Worüber wird in Bezug auf Bibliotheken gelacht? Sind Bibliotheken und Bibliothekare Objekt des Witzes?

Dies soll jedoch nicht dazu verleiten, im Medium Fernsehen die Wahrheit im Sinne eines wahren Abbildes der Realität finden zu wollen. Medien können keine außermediale Wirklichkeit abbilden, sondern nur eigene Wirklichkeiten herstellen und darstellen – eben Medienwirklichkeiten.5 Fernsehen schafft zudem auch eigene Realitäten, insbesondere wenn die Grenzen zwischen Fiktion und Fakten verschwimmen. Man denke an sogenannte Scripted Reality Formate, die den Zuschauern eine objektive Dokumentation vorgaukeln, aber dennoch nach Drehbuch produziert werden und zumeist völlig frei erfunden sind. Fernsehen als Medium ist Teil der Lebenswirklichkeit vieler Menschen. Das Massenmedium hat Einfluss auf Themen und Diskussionen in der Gesellschaft.6 Die Zuschauer nehmen dabei die Programme als Angebot wahr, die sie unterschiedlich interpretieren, was Teil ihrer Realität werden kann. Fernsehinhalte oder auch Formate können zum Gesprächsstoff werden, bis hin zu Fankreisen und Subkulturen, die sich ausprägen können.7 Fernsehen bietet Angebote, die von Zuschauern genutzt werden können, indem sie sich auf eine Interaktion einlassen.8 Doch wie die Zuschauer diese Angebote nutzen ist sehr unterschiedlich. Keppler spricht von einem realistischen Konstruktivismus: Die Inszenierungen des Fernsehens erzeugen nicht die Realität jenseits ihrer Bilder, aber sie generieren Verständnisse, die, wenn sie intersubjektiv und öffentlich wirksam werden, die Realität durchaus modifizieren. 9

Fernsehen als Massenmedium ist gleichzeitig ein Einwegmedium,10 die produzierten Inhalte werden von einem Produzenten (Sender) an einen Zuschauer (Rezipienten) gesendet, der diese auf unterschiedliche Arten empfängt oder konsumiert. Monokausale Wirkungsannahmen, wie ein Stimulus-Response-Modell, dass diese Sendungen beim Empfänger quasi automatisch eine Wirkung auslösen, sind mittlerweile überholt.11 Das Gesendete wird nicht einfach gesehen, aufgenommen und verarbeitet. Es ist vielmehr mit einer Rezeption ein hohes Maß an Selektivität, an eigenständigem Umgang mit dem Fernsehtext verbunden […], was in der Tradition derCultural Studies" als ,Aneignung’ konzeptualisiert worden ist. Dabei ist vorausgesetzt, dass jeder Text grundsätzlich mehrdeutig und damit offen ist, so dass unterschiedliche Lesarten zum Tragen kommen können.“12 Kurzum, als Massenmedium spiegelt Fernsehen gesellschaftliche Themen und ist gleichwohl Teil von Diskussionen. Das Reizvolle am Medium Fernsehen ist für viele Menschen immer noch

professionell gemachte, überraschende und unterhaltsame Inhalte […], die ihnen unaufwändigen Konsum ermöglichen. […] Und mit rund 95 Prozent der deutschen Haushalte, die einen Fernsehanschluss haben, liegt es immer noch fast 20 Prozent oberhalb der Quote für einen aktiv genutzten Online-Zugang.13

Im Schnitt empfängt jeder deutsche Haushalt derzeit 80 Sender. Fast alle diese Sender strahlen rund um die Uhr (etwa 8700 Stunden im Jahr) ein Programm aus. Der Fernsehkonsum ist, trotz Internetnutzung und anderer Medien immer noch relativ hoch. Jeder oder jede Deutsche schaut statistisch im Schnitt etwa drei Stunden (221 Minuten) täglich fern.14

Methode

Um eine erwartete größere Anzahl von Sendungen quantitativ auf eine bestimmte Fragestellung und ein Erkenntnisinteresse hin zu untersuchen, eignet sich die empirische Methode der Inhaltsanalyse. Das Material wird anhand vorab definierter Merkmale (Kategorien) analysiert. Nachteil dieser Methode bleibt jedoch, dass sie sich nicht mit allen Bedeutungsebenen oder sich mit der Ästhetik einzelner Werke befassen kann.

Die Inhaltsanalyse ist eine empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen, meist mit dem Ziel einer darauf gestützten interpretativen Inferenz auf mittelungsexterne Sachverhalte.15

Dabei wird bei der Kategorienbildung sowohl theoriegeleitet (aus den Forschungsfragen sowie aus Erkenntnissen, die gegebenenfalls aus anderen Untersuchungen vorliegen) als auch empiriegeleitet (aus dem Material selbst, ersten Stichprobenanalysen) vorgegangen. Aus einem angenommenen Stereotyp Brille, Dutt, zurückhaltend, grau ergeben sich die zu untersuchenden Dimensionen Erscheinungsbild und Charaktereigenschaften für die Figur von Bibliothekaren. Als Klischee der Bibliothek verstaubt, unmodern wären die Dimensionen Darstellung, Atmosphäre, sowie Nutzungsmotive von Interesse. Bei einigen Aspekten wird dabei mit offenen Kategorien gearbeitet, zum Beispiel bei der Frage worin besteht der Witz? Zudem wurden konkrete Aussagen oder Off-Kommentare transkribiert und diese in der Analyse nachträglich nach Kategorien geclustert, um Aspekte erfassen zu können, die im Vorfeld nicht bedacht werden konnten.

Das relevante Quellenmaterial wurde über eine bewusste Auswahl anhand einer Recherche in Online-TV-Zeitschriften zusammengestellt. Über einen längeren Zeitraum von 5 1/2 Jahren wurden über eine inhaltliche Suche nach den Begriffen Bibliothek* und entsprechender Synonyme in den Sendungsinhalten, Hintergrundinformationen oder Rollenbeschreibungen relevante Sendungen ermittelt. Ein Sampling-Verfahren der sogenannten künstlichen Woche, in welcher Sendungen verschiedener Wochentage über einen bestimmten Zeitraum ausgewählt werden, so dass jeder Wochentag in gleicher Anzahl vorkommt, oder eine Stichprobenziehung bei der Gesamteinheit aller Komödien und Comedysendungen, die ausgestrahlt werden, wäre noch zeitaufwändiger gewesen, um an relevantes Quellenmaterial zu gelangen und daher nicht umgesetzt. Die Auswahleinheiten wurden zudem nur von frei zu empfangenden Fernsehsendern bezogen, Pay-TV und reine Lokalsender wurden ausgeschlossen, ebenso ausländische Sender, auch, wenn diese ein deutschsprachiges Programm anbieten. Aufgrund der Flüchtigkeit des Mediums Fernsehen war es notwendig, alle Sendungen aufzuzeichnen. Der Vorteil liegt jedoch darin, dass das Material für eine Analyse dauerhaft vorliegt. Der betrachtete Zeitraum bezog sich auf Januar 2010 bis Juli 2015.

Aus diesen Auswahleinheiten wurden dann die tatsächlichen Analyseeinheiten selektiert. Nur Sendungen, in welchen tatsächlich eine Handlung in einer Bibliothek stattfindet und / oder eine Rolle als Bibliothekar vorkommt und die den Genres Komödie, Comedy, Sitcom zuzuordnen sind, wurden analysiert. Als Definition des Untersuchungsgegenstandes wurden alle Fernsehsendungen betrachtet, die beabsichtigen, beim Zuschauer unterhaltend zu wirken, insbesondere fiktionale Formate mit dem Schwerpunkt auf Humor für die Zielgruppe Jugendliche bis Erwachsene. Kindersendungen und andere Formate mit teils humoristischen Elementen wurden ausgeschlossen.

Als Analyseeinheiten wurden in dem gewählten Zeitraum insgesamt 51 einzelne Sendungen identifiziert. Wiederholungen wurden nicht erfasst. Aus den Sendedaten erkennbar war jedoch, dass insbesondere aktuellere Produktionen eine auffällig hohe Wiederholungsfrequenz haben. Eine Stichprobe bei den zwei aktuellsten Sendungen ergaben sich Wiederholungsraten von 18 beziehungsweise 30 Mal seit der Erstausstrahlung bezogen auf einen Sender.16 Diese Stichprobenergebnisse der zahlreichen kurzfristigen Wiederholungen wird gestützt durch den Blick in die aktuelle Programmanalyse der deutschen Hauptsender (RTL, RTLII, vox, Sat1, Pro7, Kabel1, ARD, ZDF). Über 25 Prozent des Programms (sechs bis sieben Stunden pro Tag) privater Sender besteht aus sogenannten kurzfristigen Wiederholungen, bei den öffentlich-rechtlichen Sendern (ARD/ZDF) sind es deutlich weniger mit drei bis vier Stunden pro Tag.17

Formale Ergebnisse

Die Analyse ergab, dass allein 42 der 51 Sendungen von Privatsendern ausgestrahlt wurden. Dieser hohe Anteil liegt nicht darin begründet, dass öffentlich-rechtliche Sender weniger Unterhaltungssendungen zeigen würden, sondern an einem relativ hohen Anteil an Fremdproduktionen bei den Privatsendern, wie weiter unten näher erläutert wird.

ARD und ZDF liegen mit ihrem Anteil an Informationssendungen zwar deutlich vor den Privatsendern, der Anteil fiktionaler Sendungen des Programms liegt jedoch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern direkt an zweiter Stelle. Die aktuellen Programmanalysen zeigen,18 dass ARD und ZDF mit 36 % beziehungsweise 32 % sogar mehr fiktionale Sendungen ausstrahlen als RTL (rund 20 %) und Sat1 (rund 28 %). Pro7 sticht allerdings mit einem hohen Fiktionsanteil von 61 % heraus. Pro7 hat bei den ermittelten 51 Sendungen einen Anteil von 9 %, wobei eine weitere Interpretation hier zur Verzerrung führen würde, da die Sendungen auch in ihren Wiederholungen von unterschiedlichen Sendern gezeigt werden.

Das größte Gewicht unter den Fictionformen hatten weiterhin bei allen Sendern die Fernsehserien. Dabei behauptete sich ProSieben (46,9 %) mit nochmals gestiegenem Angebot und wachsendem Abstand zu den übrigen Sendern wieder als größter Serienanbieter. Unter den vier anderen Sendern rangierte das ZDF (20,5 %) vor der ARD (18,2 %), gefolgt von Sat.1 (16,2 %) und RTL (13,7 %).19

Nur zwölf der 51 Sendungen wurden in Deutschland produziert, der überwiegende Teil stammt aus US-Produktionen. Schaut man genauer auf die allgemeinen Programmanalysen der Sender und dort insbesondere auf die Verteilung von Eigen- und Fremdproduktionen, fällt auf, dass bei den Privatsendern die Anzahl an eingekauften Fremdproduktionen relativ hoch ist, insbesondere bei Fernsehserien und Sitcoms. ARD und ZDF liegen mit zehn beziehungsweise 13 Prozent bei einem relativ geringen Anteil von US-Importen. RTL (51 %), Sat.1 (79 %) und vor allem Pro7 (93 %) bestreiten ihr Fiktionsprogramm zum Großteil aus US-Importen.20 Dies lässt den Rückschluss zu, dass das Bild der Bibliotheken und Bibliothekare in den Genres Comedy und Komödie vor allem ein US-amerikanisch geprägtes Bild ist.

Bei den analysierten 36 Sendungen handelt es sich um einzelne Folgen aus Serien, daneben wurden 15 Filmkomödien mit Bibliotheksbezug ausgestrahlt. Die knapp 50 verschiedenen Sendungen lassen sich auf verschiedene Sub-Genres aufteilen (Sitcoms (19), Comedyserien (3), Sketchshows (8), Zeichentrickserien (5), Filmkomödien (16)). Zunächst sind die Sitcoms zu nennen. Sitcoms sind Comedyserien mit festen Rollencharakteren, bei welchen der Humor aus Alltagssituationen (Situationskomödie) generiert wird, die geprägt sind von Missverständnissen, Konfusionen, Verwechslungen, Stereotypen.21 Entstanden sind die Sitcoms in den USA. Die gesamte Inszenierung ist theaternah, was durch die Einblendung von fingierten Publikumsreaktionen (canned audience) noch verstärkt wird.22 Um sie von deutschen Sendungen zu unterscheiden, die in ihrer Produktion und Ausstattung abweichen, ist bei deutschen Sendern der Begriff Comedyserie üblich. Davon finden sich unter den 51 Analyseeinheiten nur zwei Sendungen (Nikola, Mein Leben und ich), sowie eine in Großbritannien produzierte Serie (Suburban shootout).

Neben den Sitcoms und Comedyserien findet sich ein weiteres humoristisches Subgenre mit der Sketchshow. Als Sketchshow gelten eher gespielte Witze in lockerer Aneinanderreihung. Es kann auch hier wiederkehrende Rollencharaktere geben (beispielsweise Little Britain), aber eine durchgehende Handlung ist nicht üblich. Als weiteres Subgenre können satirisch-komische Zeichentrickserien gelten. Bei fünf Sendungen handelt es sich um Folgen der Simpsons, eine Zeichentrickserie, die auf satirisch-komische Art das Alltagsleben der US-Gesellschaft darstellt. Bei den 16 Filmkomödien, darunter auch eine Zeichentrickkomödie, ergeben sich jeweils abgeschlossene dramaturgische Handlungen, die glücklich enden. Eine unterhaltende Grundstimmung soll oft durch Missverständnisse, die sich im Nachhinein auflösen, oder übertriebene Darstellungen menschlicher Schwächen entstehen.

Kabarett als humoristisches Subgenre wurden nicht gefunden. Zum einen kann es daran liegen, dass fiktionale Figuren in diesem Genre seltener anzutreffen sind oder das Motiv Bibliothek weniger attraktiv für Kabarettisten ist. Vermutlich ist die Erschließung durch Online-Zeitschriften nicht ausreichend. Zumindest ein Fall einer Figur im Kabarett ist bekannt.23

Die Produktionsjahre der 51 Sendungen weisen eine erhebliche Streuung auf. 47 Sendungen wurden vor dem betrachteten Zeitraum 2010-2015 produziert.24 , davon wurden 37 Sendungen bereits vor 2005 produziert. Bei den ältesten zwei Sendungen handelt es sich um zwei deutsche Spielfilme aus den Jahren 1956 und 1957. Vierzehn Sendungen wurden in den 1980er und 1990er produziert und ab 2000 wurden 19 Sendungen gedreht. Ein Peak liegt auf dem Produktionsjahr 2003, hier liefen gleich zehn einzelne Folgen mit Bibliotheksbezug in den Sketchshows Die dreisten Drei und Little Britain. Daraus lässt sich schließen, dass die Comedy- und Komödiensendungen mit Bibliotheksbezug vor allem aus sogenannten Konserven bestehen (Wiederholungen). Wie bereits erwähnt werden dabei die aktuelleren Sendungen deutlich häufiger wiederholt als die älteren.

Die Figur des Bibliothekars

In 32 Sendungen findet sich die Figur der Bibliothekarin beziehungsweise des Bibliothekars. Dabei treten in sieben Sendungen gleich zwei Figuren auf, so dass es insgesamt 39 Figuren gibt, die für die Analyse relevant sind. Bibliothekare , die nicht am Arbeitsort Bibliothek gezeigt wurden, gibt es in fünf Sendungen. In den überwiegenden Fällen handelt es sich um kurze Szenen, in welchen Bibliothekare eine Rolle spielen. In fünf Filmen ist die Figur gleichzeitig Protagonist.

Für alle Figuren wurde ein wertender Gesamteindruck betrachtet. Dabei lag eine einfache Skala mit mittlerer Ausprägung zugrunde (positiv/neutral/negativ), sowie eine Auffangkategorie bei nicht wertbaren Szenen, wenn zum, Beispiel die Rolle zu kurz gestaltet war (Statisten). Die Kriterien wurden vorab im Rahmen der Inhaltsanalyse festgelegt, beschrieben und anhand von mindestens einem Ankerbeispiel erläutert.

Die meisten Figuren werden positiv dargestellt, überwiegend freundlich, hilfsbereit, lächelnd und den anderen Figuren entgegenkommend. Sieben Figuren sind negativ dargestellt, hier gibt es unterschiedliche Charaktereigenschaften wie sehr streng und zurückweisend, oder chaotisch und verwirrt oder sehr introvertiert und nicht entgegenkommend. Bei neun Figuren sind sowohl positive als auch negative Kriterien Charaktereigenschaften feststellbar, oder die Figuren sind nicht so deutlich ausgestaltet, so dass sie als neutral gewertet wurden. Bei fünf Sendungen sind die Szenen so kurz, dass sie nicht bewertet werden können. Ein geschlechtsspezifischer Unterschied in der Gesamtbewertung nach Charaktereigenschaften lässt sich nicht feststellen.

Das Erscheinungsbild der Bibliothekar-Figuren weist in den überwiegenden Fällen einen konservativeren Kleidungsstil auf. In Relation zu den anderen Figuren ist der Kleidungsstil eher konservativ oder zurückhaltend, hochgeschlossen, mit gedeckten Farben. Ein Dutt bei Frauen ist bis auf zwei Sendungen nicht anzutreffen. Ein Stereotyp einer strengen Bibliothekarin mit Dutt und Brille, die mit einem Shh zur Ruhe mahnt, war gar nur in einem Fall der 51 Sendungen anzutreffen. Bei den weiblichen Figuren ist auffallend, dass hier eine Tendenz in den aktuelleren Produktionen erkennbar ist, in welchen die Figuren weniger hochgeschlossen und mit kräftigeren Farben gekleidet waren. Man könnte diese Figuren mit dem Attribut attraktiver belegen. Auffällig ist hier, dass es sich um Rollen handelt, die im Rahmen der dramaturgischen Handlung in einer Beziehungsebene mit anderen Figuren stehen. Vermutet werden kann, dass sich das Geschlechterstereotyp Frau als attraktive Partnerin überlagert. Bei den männlichen Figuren ist im Vergleich zu den anderen Figuren der untersuchten Serien der konservative, zurückhaltende Kleidungsstil zu beobachten: hochgeschlossen, Hemd, Krawatte, Pullunder oder Anzug und Weste. Eine Tendenz zum legeren Kleidungsstil ist nicht festzustellen, allerdings taucht nach dem Produktionsjahr 2006 keine männliche Figur mehr in den Sendungen auf.

Figur des Bibliothekars in Wenn wir alle Engel wären (1956)

Figur des Bibliothekars in Wenn wir alle Engel wären (1956)

Figur Bibliothekarin in Community – Liverpool gegen Manchester (2011)

Figur Bibliothekarin in Community – Liverpool gegen Manchester (2011)

Ein zeitlicher Wandel ist im Vergleich der Produktionen durchaus erkennbar. Am deutlichsten fällt dies beim Vergleich auf, vergleicht man die der Figuren aus der ältesten Sendung aus 1956 (Wenn wir alle Engel wären) mit der jüngsten Sendung aus 2011 (Community, Folge Liverpool gegen Manchester) auf. 1956 treffen wir auf die Form der Thekenbücherei, hier sucht der Bibliothekar die Lektüre für seine Leser aus. Sein Leitspruch ist Ordnung, Sauberkeit und Pflichtbewusstsein.

Im Vergleich zu den anderen Figuren ist das äußere Erscheinungsbild konservativer und die anfangs dargestellte Charaktereigenschaft auch eher mit steif zu beschreiben. 2011 treffen wir auf eine Bibliothek, die räumlich nicht genau zu erfassen ist. Es gibt einen zentralen multifunktionalen Gruppenarbeitsraum mit Multifunktionalität. Die Tätigkeiten der Figur der Bibliothekarin werden zwar durch ein Bücherordnen dargestellt, sie empfiehlt jedoch nichts, selbst gegen von Nutzern mitgebrachtes Essen hat die Figur nichts einzuwenden. Diese Figur ist deutlich moderner und fällt im Vergleich zu den anderen Figuren der Sendung nicht als anti-konform auf. Dennoch wird sie durch die anderen Figuren mit den Funktionen Wissen bewahren und Ordnung herstellen beschrieben: Sie hütet das Wissen. Sie hat die Antwort auf all’ unsere Fragen - Vielleicht schimpft sie mit uns, wenn wir laut sind?

Eine Besonderheit stellen die Bibliotheksfiguren dar, die in Filmkomödien gleichzeitig Protagonisten sind. Häufig typisch für die Dramaturgie eines Films ist der klassische Dreiakte aus Theaterinszenierungen mit den Bestandteilen Exposition, Konflikt und Lösung des Konflikts (in Komödien in komischer Weise)-.25 Jede erfahrene Dramaturgie wird dafür plädieren, dass die Hauptfiguren eine Art Wandlung durchlaufen, so dass sie am Ende nicht mehr dieselben sind wie zu Beginn.26 In den fünf Filmen, in welchen die Protagonisten gleichzeitig Bibliothekare sind, wird in der Exposition eine Eigenschaft als Bibliothekar deutlich herausgestellt, wobei dies in den Sendungen unterschiedliche Eigenschaften sind. Der Protagonist vollzieht beispielsweise im Film Wenn wir alle Engel wären eine Wandlung vom strengen, auf Ordnung bedachten Herrn Stadtbibliothekar zum eher gelasseneren Mann, der gelernt hat, dass niemand perfekt ist und man auch mal Fehler machen kann. Ein weiteres Beispiel findet sich im Film Idiocracy, in welcher welchem der Bibliothekar anfangs als faul und verantwortungsscheu dargestellt wird (Off-Kommentar: Er ist der durchschnittlichste Durchschnittsmensch.). Am Ende der Handlung ist er zum mutigen und verantwortungsvollen Mann geworden, der schließlich Präsident wird.

Darstellung von Bibliotheken

In den untersuchten Sendungen werden unterschiedliche Bibliothekstypen sichtbar. Die häufigste anzutreffende Form ist die Öffentliche Bibliothek. In den deutschen Produktionen tauchen Öffentliche Bibliotheken kaum auf oder es ist nicht erkennbar, um welchen Typus es sich handelt, wie in elf weiteren Fällen, in denen der Typus nicht erwähnt wird oder auch keine Einstellung des Gebäudes von außen gezeigt wird. In 16 Fällen handelt es sich um Universitäts-, College- oder Highschool-Bibliotheken. Da die Sendungen überwiegend in den USA produziert wurden (33 Sendungen US-Importe), handelt es sich auch um amerikanische Bibliothekstypen.

In den USA gibt es nicht nur eine höhere Bibliotheksdichte, Bibliotheken sind in der US-Gesellschaft auch fester verankert als in Deutschland,27 und sie zeichnen sich deutlicher durch Bürgernähe und Service aus. 28 Bürger der USA zählen ihre Bibliotheken mit einer hohen Selbstverständlichkeit zu einem Teil ihres Lebens.29 Auch kommt den Schulbibliotheken eine wichtige Rolle zu.30 Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Bibliotheken in den Medienrealitäten der US-Produktionen häufig vorkommen. Dem Umstand, dass deutsche Privatsender einen hohen Anteil an US-Produktionen senden, verdanken wir es, dass die Bibliotheken im Fernsehen häufiger zu sehen sind.

Die Darstellung der Bibliotheken ist insbesondere in den US-amerikanischen Sitcoms durch wiederkehrende Ausstattungsmerkmale anzutreffen. Regalreihen an den Wänden, zumeist dunkle Holzregale und mittig im Raum stehende Tische und Stühle als Lesebereich werden überwiegend als Hintergrund gezeigt.

Wer ist hier der Boss?" (1987)

Wer ist hier der Boss?" (1987)

King of Queens (2000)

King of Queens (2000)

Two and a Half Men (2012)

Two and a Half Men (2012)

Man könnte meinen, die Produktion aus 2012 hätte dieselbe Ausstattung aus 1987 verwenden können. Diese typisch für Sitcoms verwendete Szenerie liegt darin begründet, dass die Handlungen, die überwiegend sprachbasiert sind und durch Dialoge vorangetrieben werden, auch für den Zuschauer deutlich im Bild sein müssen. Die Bibliothek als Raum wird zu Beginn einer Szene oft in einer Totalen (Kameraeinstellung) dargestellt, damit der Zuschauer sich orientieren kann. Dann wird sich in einer Halbnah-Einstellung (Hüfte-Kopf) wieder den Figuren und ihren Dialogen zugewendet. Die Ausstattung gleicht einer Kulisse aus dem Theater, was wiederum typisch für Sitcoms ist, die sich aus Theaterkomödien entwickelt haben, überwiegend in Studios als an realen Orten gedreht werden und daher auch nur wenige Schauplätze (Settings) aufweisen. Die Atmosphäre in der Bühnenausstattung der Sitcoms ist eher dunkel (es gibt in Sitcoms auch keine Fenster), aber nicht verstaubt oder muffig, sondern überwiegend einladend und gemütlich. Dies trifft auf die überwiegende Zahl der anderen Sendeformate ebenfalls zu. Auf die aktuell im Bibliotheksbereich diskutierte Aufenthaltsqualität und den Wohlfühlort nimmt man in den produzierten Sendungen keine Rücksicht. Es gibt keine Sofas, keine Lounge und überhaupt wenig Variationen in der Ausstattung. Die Vermutung liegt nahe, dass der TV-Zuschauer sonst Schwierigkeiten hätte, die Szenerie als Bibliothek zu erkennen. Um eine Szene für Zuschauer eindeutig werden zu lassen, gilt als ein Kriterium für den Arbeitsprozess von Drehbuchautoren zum Beispiel die Frage Wird das Publikum diese Ausstattung, die es erst einmal und dazu nachts gesehen hat, wiedererkennen?31 Ist also eine Bibliothek ohne eine Büchertapetenkulisse nicht als solche erkennbar?

Ein Computer in diesen 51 Sendungen taucht zum ersten Mal in einer europäischen Spielfilm-Produktion von 2002 auf (Der Typ vom Grab nebenan, Schweden). Dies bleibt ein äußerst seltenes Bild. Für den Ort Bibliothek in humoristischen Fernsehgenres sind eindeutig Bücher das konstitutive Merkmal. In Spielfilmen ist die dargestellte Ausstattung durchaus vielfältiger, wenn längere Szenen in realen Bibliotheken gedreht wurden. Hierbei werden variationsreichere Einstellungen gezeigt (Personen zwischen den Regalen, vor Katalogen, beim Lesen), wenngleich das Bücherregal auch hier vorherrschendes Ausstattungsmerkmal ist. Die Atmosphäre wirkt heller als in den Sitcoms. Das Szenenbild in der Sitcom Community(2011) weicht allerdings deutlich von anderen Produktionen ab. Hier treten die Regale in den Hintergrund, zu sehen sind nur noch kleinere Bücherwagen in einem Multifunktionsraum, der als Gruppenarbeitsraum mit Scanner, Flipchart und Tafel ausgestattet ist.

Drehbuchautoren bedienen sich oft vorgegebenen genrespezifischen Mustern, wie zum Beispiel einer Schießerei in einem Western oder einer Verfolgungsjagd in einem Actionfilm. Zudem bedingen auch typische Standardsituationen ihrerseits typische Handlungsabläufe und Ablaufschemata in einer Dramaturgie, wie etwa Begrüßungs- oder Abschiedsrituale, ein Essen, ein Streit oder die Rettung in letzter Sekunde.32

Der dramaturgische Vorteil der Verwendung von Standardsituationen liegt auf der Hand. Das Publikum erkennt die Situation wieder und kann kennerhaft auf die spezifische Nuance reagieren. Vordem schon hat das Team, das den Film dreht (Regie, Kamera, Schauspieler und so weiter), die Chance erkannt, ein Stereotyp in je eigener Weise zu modellieren und damit auch die abstrakte Formel zu verbergen, die sich für die Analyse hinter jeder Standardsituation verbirgt.33

Spezifische Handlungsabläufe können auch an bestimmten Orten stattfinden, wie in einem Restaurant, in einem Altersheim oder in einer Bibliothek. Diese Orte bestimmen zwar nicht den typischen Ablauf, aber sie werden mit ihren Spezifika Teil der typischen Standardsituation. Bestimmte Verhaltensregeln sind für einen bestimmten Ort konstitutiv und kennzeichnend.34 Für eine Bibliotheksszene bedeutet dies, dass die Bibliothek als Schauplatz mit ihren eigenen Charakteristika, die die Drehbuchautoren als solche bestimmen, diese Standardsituationen mitformen. Für eine Begrüßung oder ein Kennlernen bedeutet dies zum Beispiel, dass man zwischen Regalen steht oder sich leise unterhält, oder von anderen Figuren zur Ruhe ermahnt wird. Humoristische Subgenres erlauben als Drehbuchautor oder Produzent eine kreativere Umgangsweise mit diesen Charakteristika.

Witz und Bibliothek

Vorherrschendes Paradigma in der Humorforschung ist der Ansatz der Inkongruenz-Theorie. Humor ist oft dadurch bedingt, dass Situationen oder Themen in unterschiedlichen oder gegensätzlichen Wahrnehmungsbezügen betrachtet werden.35

Nicht jede Inkongruenz verursacht Lachen, aber die ist wahrscheinlicher je stärker von einer spezifischen Erwartung abgewichen wird […] dies [gilt] nur in Fällen […], in denen der Überraschungseffekt als nicht bedrohlich empfunden wird. Der Humor […] wird vielmehr so präsentiert, dass charakteristische Hinweise gegeben werden, dass die Situation nicht ernst zu nehmen ist.36

In einer Szene in der Sketchshow Die Dreisten Drei liegt das Humoristische darin, dass man als Zuschauer in einer Bibliothek im Allgemeinen Ruhe erwartet, was auch für das Verhalten des Personals gilt, das in Bibliotheken arbeitet. Der Zuschauer sieht und hört jedoch einen Bibliotheksmitarbeiter bei einer Führung durch ein Megafon rufen bitte absolute Ruhe, wobei der Mitarbeiter derjenige ist, der die Ruhe stört. Solche Durchbrechungen von Erwartungen finden sich in Sketchshows häufiger als in Sitcoms oder Filmkomödien. In letzteren Genres basiert der Humor eher auf unterschiedlichen Alltagssituationen (Situationskomik) oder der Schaffung und Auflösung von Missverständnissen. Liegt der Humor an der Grenze des sogenannten schwarzen Humors oder der Satire, die in unterhaltsamer Form auch eher auf eine Kritik zielt, liegt es oft im Auge des Betrachters, ob eine Szene humorvoll gesehen wird. In einer Folge der englischen Sketchshow Little Britain beispielsweise, kümmern sich zwei Therapeuten um die Figur Anne. Anne ist ein Mann, der in Frauenkleidung auftritt und dem ersten Anschein nach eine geistige Behinderung hat. Durch verschiedene Maßnahmen soll Anne therapiert werden, was jedoch nie Erfolg hat. In einem Sketch ist die Rolle der Anne eine Aushilfskraft in einer Bibliothek. Anne beißt ein Buch, um es auszuleihen und stempelt den Menschen. Die Figur bricht jedoch für einen kurzen Moment aus ihrer Rolle aus und spricht und agiert normal während eines Telefonates und stellt damit die Figuren der Therapeuten bloß. Man weiß als Zuschauer nicht genau, wie man es einsortieren soll, es wird hier zur Frage des individuellen Humors.37

In die Form der Satire reihen sich ebenso die Folgen der Simpsons ein, wenn zum Beispiel die Bibliothekarin in einer Bibliothek ohne Bücher sagt: Bücher? Die sind was für Spießer – die Bibliothek ist ein Multimedialernzentrum für Kinder allen Alters – und für Penner. In keiner der 51 Sendungen ist jedoch die Figur des Bibliothekars Objekt des Witzes. Der Humor wird wie oben beschrieben eher aus den Alltagssituationen heraus, im Zusammenspiel mit den Bibliothekar-Figuren generiert, oder es liegt in den inkongruenten Handlungen und Situationen begründet.

Nutzungsmotive

In den meisten Fällen, in denen Menschen Bibliotheken aufsuchen, tun sie dies, weil sie dort lernen oder lesen möchten. Die Ausleihe oder Rückgabe von Büchern steht dabei an zweiter Stelle. Die Rückgabe von Medien ist oft mit einer Gebührenüberziehung verbunden. Mit Überziehungsgebühren und drohenden Strafen wird insbesondere in älteren Produktionen gescherzt. Beispielsweise gibt es in der Sendung Seinfeld dazu eine spezielle Figur des Gebühreneintreibers, einen sogenannten Library Cop.

Die Bibliotheken gelten in den Sendungen auch als Wissensort, hier recherchiert man nach Informationen. Ein wichtigeres Motiv ist jedoch die Bibliothek als Kommunikationsort. Dies liegt natürlich zum Einen im Genre Komödie und insbesondere Sitcom verankert. Da dies dialogorientierte Formen sind, in denen viel kommuniziert wird, bildet die Bibliothek als Szenerie dabei keine Ausnahme. Vielfach lernen die Protagonisten in der Bibliothek andere Figuren kennen, in vier Fällen ist die Bibliothek auch der Ort eines Dates (US-Produktionen). Eine weitere Funktionszuschreibung liegt bei der Darstellung der Bibliothek als Rückzugsort. In vier Fällen wird die Bibliothek von den Protagonisten oder anderen Figuren bewusst aufgesucht, um Ruhe zu finden. Die Funktion des Ruhebewahrers wird in den 51 Sendungen dabei häufiger bei Nutzer-Figuren festgestellt als bei Bibliothekar-Figuren. Der Aspekt Ruhe ist dabei eine Situation, mit der gespielt wird (Beispiel: die oben erwähnte Sketchshow mit Megafon).

Dass die Bibliotheken Orte des Wissens und der Ruhe sind, kann man auch durch zahlreiche Aussagen der Nutzerfiguren stützen:

  • Das ist das Fort Knox der Bücher. (aus: Eine starke Familie,
  • Ich hab‘ im Internet nichts gefunden, deshalb probieren wir es auf die alte Art und Weise. (aus: Beethoven auf Schatzsuche, 2003)

  • Die Bibliothek ist der Schlüssel für eine gute Ausbildung. (aus: Hör mal wer da hämmert, 1994)

  • Hier halte ich mich am liebsten auf. (aus: Gilmore Girls, 2004)

  • Ich muss mir ein ruhiges Plätzchen suchen. (aus: Eine schrecklich nette Familie, 1995)

Auch die Funktion der Bibliothek als Kommunikationsort und Ort des Kennenlernens wird unterstrichen:

  • Da steht ein Super-Typ bei den Kopierern. (aus: Eine starke Familie, 1994)

  • Ich habe uns einen Tisch in der Ecke reserviert, da sind wir allein. (aus: Wer ist hier der Boss, 1987)

  • Ich hab‘ Dich richtig gern. (American Pie präsentiert: Das Buch der Liebe, 2009)

  • Wow! – Tut mir Leid, das ist mir einfach rausgerutscht. Ich hab‘ Sie einfach hübsch gefunden. (aus: Two and a Half Men, 2012)

  • Oh, wir essen hier?! […] Wir haben ein schriftliches Date. (aus: Big Bang Theory, 2013)

Die Bibliothek als Informationsvermittler ist keine Funktionszuschreibung in den analysierten Sendungen. Auch die in den letzten Jahrzehnten wichtigen Aufgaben wie die Informationskompetenzunterstützung oder Leseförderung sind kein Thema innerhalb der analysierten Fernsehsendungen.

Schlussbetrachtung

Die Figur des Bibliothekars wird zwar vom äußeren Erscheinungsbild im Vergleich zu anderen Figuren konservativer dargestellt, jedoch ist als Tendenz in den aktuelleren Produktionen festzustellen, dass die Darstellungsweise von eher klischeehaften zurückhaltenden Figuren verblasst und sich anderen Figuren der jeweiligen Sendung angleicht. Die Gesamtbewertung der Figuren ist überwiegend positiv. Funktionszuschreibungen der Rollen sind oft als Metapher für Ordnung zu verstehen, nicht nur als Wissensordnung, sondern auch im Sinne von konsequenten Regeln des Miteinanders wie zum Beispiel Sauberkeit. Die Figuren sind in den überwiegenden Fällen der analysierten Sendungen nicht Gegenstand beziehungsweise Objekt des Witzes. Es ist auch nicht das Objekt Bibliothek, das eine Reaktion hervorruft, sondern das Interagieren des Protagonisten in einer Situation.

Die Bibliothek als Ort ist, ausgenommen bei Sketchshows, überwiegend Teil typischer Standardsituationen des Alltagslebens. Die Bibliothek wird, je nachdem welchem Subsystem (Wissenschaft, Kommune, Schule) sie angehört, durch das dort vorherrschende Setting bestimmt. An der Hochschule und in der Schule ist sie Lernort wie auch Treffpunkt, in der kommunalen Bibliothek kommt die Funktion Informationssuche hinzu. Bedingt durch den hohen Anteil an US-Produktionen wird in den humoristischen Sendungen im deutschen Fernsehen ein US-Alltagleben gezeigt. Dies ist dem deutschen oder europäischen zwar nicht unähnlich, weicht in einigen Bereichen doch ab. Beispielsweise ist in US-Sitcoms die Funktion des Kennenlernens bis hin zum First Date in der Bibliothek anzutreffen. Man könnte hier annehmen, dass die Standardsituation eines First Dates aufgrund geringerer sozialer Normen, die in Deutschland in diesem gesellschaftlichen Zusammenleben gelten, auch weniger häufig in einem medialen Bezug vorkommt.

Auffällig in den analysierten Sendungen ist die Nutzung des Bibliotheksraums als gesellschaftlicher Raum. Neben der Bereitstellung von Information erfährt Bibliothek in humoristischen Sendungen vor allem die Funktionen Lernen ermöglichen und Begegnungen ermöglichen. In vielen Produktionen ist die Bibliothek nicht nur ein Ort, an dem Menschen ausleihen oder lesen, sondern in Gesellschaft lernen, sich kennenlernen, sich verabreden, sich verlieben. Die Bibliothek in den humoristischen Fernsehgenres ist ein gesellschaftlicher Ort mit hoher sozialer Interaktion, dies nicht nur in den aktuelleren Produktionen, sondern bereits seit den 1980er Jahren, beeinflusst durch die hohen US-Importe von Sitcoms.

Über alle humoristischen Subgenres feststellbar ist, dass das konstitutive Element, um eine Bibliothek in einer Fernsehsendung darzustellen, das Bücherregal ist. Moderne Medien oder Computer sieht man selten. Bücher bestimmen zwar das Bild der Gesamterscheinung, sie dienen jedoch eher als Kulisse und werden kaum im Rahmen der Handlungen einbezogen. Wie auch immer die jeweilige Funktionszuschreibung in einer Sendung ist, fast allen Darstellungen gemein ist, dass Bibliotheken dabei nicht als verstaubt und muffig dargestellt werden.

Ob sich der Bibliotheksraum weiterhin als Kommunikationsort entwickelt und ob und wie lange eine Büchertapete als Kulisse in humoristischen Fernsehsendungen bestehen bleibt, müssen zukünftige Analysen zeigen. Zu betrachten wäre, ob sich die Tendenz bewahrheitet, dass Bibliothekar-Figuren weniger konservativ im Erscheinungsbild werden und gleichzeitig weiterhin als Wissensbewahrer und für Ordnung stehen. Stereotypen können sich wandeln, vielleicht sehen wir hier schon die ersten Anzeichen dazu. Da die vorliegende Untersuchung sich nur auf humoristische Fernsehgenres bezieht, steht noch aus, die Analyse auf andere Fernsehformate und -genres auszuweiten. Es ist eher unwahrscheinlich, dass Fernsehzuschauer sich nur auf ein bestimmtes Fernsehgenre einschränken, sondern auch Nachrichten, Dokumentationen, Unterhaltungsshows oder andere Spielfilme wie Krimis, Western, Science Fiction konsumieren. Wie es in diesen Genres mit dem Bild der Bibliotheken und Bibliothekare bestellt ist, muss eine umfangreichere Analyse zeigen.


  1. Zum Thema die Bibliothek in der Literatur gibt es zahlreiche Veröffentlichungen, hingewiesen sei an dieser Stelle auf die Bibliographie von Monika Bargmann, online unter: http://library-mistress.net/berufsbild/belletristik-film/sekundaerliteratur/Sowie auf die Kategorie Bibliothek in der Literatur im Libreas-Blog: https://libreas.wordpress.com/category/sonstiges/die-bibliothek-in-der-literatur/.

    Zum Thema Bibliotheken im Film sei exemplarisch auf den Artikel von Martin Hermann hingewiesen: Hermann, Martin (2012): Bibliotheksdarstellungen im Film. Ein Analysemodell und vier Fallbeispiele. In: Perspektive Bibliothek, 1 (2012), online verfügbar unter: http://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/bibliothek/article/view/9399.

  2. In diesem Artikel wird für die Berufsbezeichnung Bibliothekar die männliche Form gewählt.

  3. Der Begriff Comedy ist vielfach besetzt, im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch ist für Bühnenstücke oder Fernsehfilme eher der Begriff Komödie gebräuchlich. Comedy wird in Zusammenhang mit Stand-up-Comedy (Bühnenshows einzelner oder mehrerer Künstler) verwendet.

  4. Gottwald, Claudia (2009): Lachen über das Andere. Eine historische Analyse komischer Repräsentationen von Behinderung. Bielefeld : transcript-Verlag. Die Analyse des Komischen als soziales, kulturelles oder psychologisches Phänomen ermöglicht gleichzeitig auch die Analyse bestimmter gesellschaftlicher Strukturen, nämlich jener, die im Komischen thematisiert werden.(S. 17).

  5. Schmidt, Siegfried J. (2005): Objektivität als Medienritual. In: cover 5 (2005), S. 84.

  6. Groebel, Jo (2014): Das neue Fernsehen. Mediennutzung, Typologie, Verhalten. Wiesbaden: Springer, S. 7.

  7. Holly, Werner (2004): Fernsehen. Tübingen: Niemeyer, S. 81.

  8. vgl. Mikos, Lothar (2003): Film- und Fernsehanalyse. Konstanz: UVK-Verlags-Gesellschaft, S. 21.

  9. Keppler, Angela (2006): Mediale Gegenwart: eine Theorie des Fernsehens am Beispiel der Darstellung von Gewalt. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 10.

  10. Holly (2004), S. 8.

  11. Holly (2004), S. 76.

  12. Holly (2004), S. 78.

  13. Groebel (2014), S.9.

  14. Zubayr, Camille; Gerhard, Heinz (2014): Tendenzen im Zuschauerverhalten. Fernsehgewohnheiten und Fernsehreichweiten im Jahr 2014. In: Media Perspektiven. 3 (2015), S. 114. Online verfügbar unter: http://www.ard-werbung.de/media-perspektiven/publikationen/fachzeitschrift/2015/heft-3/ (letzter Zugriff: 12.10.2015).

  15. Früh, Werner (2015): Inhaltsanalyse. Theorie und Praxis. 8., überarb. Aufl. Konstanz: UVK Verlagsges., S. 29.

  16. Die Folge die Menschenflüsterin aus der Sitcom Two and a half men lief seit der Erstausstrahlung im Februar 2013 auf Pro7 dort 18 Mal bis Mitte Juli 2015. Die Folge Prinzessinnen der Wissenschaft aus der Sitcom Big Bang Theory lief 30 mal seit Erstausstrahlung vor zwei Jahren auf Pro7 bis Juli 2015.

  17. Programmbericht 2014 (2015). Fernsehen in Deutschland. Programmforschung und Programmdiskurs. Hrsg.: die Medienanstalten, ALM GbR. Leipzig: vistas, S. 49 Online verfügbar unter: http://www.die-medienanstalten.de/publikationen/programmbericht.html (letzter Zugriff: 10.10.2015).

  18. Die Programmstruktur der fünf größten deutschen Sender (ARD, ZDF, RTL, Sat1, Pro7) wird regelmäßig analysiert. S. Krüger, Udo Michael (2015): Profile deutscher Fernsehprogramme. Tendenzen in der Angebotsentwicklung. In: Media Perspektiven. 3 (2015), S. S. 146.

  19. Krüger (2015), S. 153.

  20. vgl. Krüger (2015), S. 161/162.

  21. Faulstich, Werner (2008): Grundkurs Fernsehanalyse. Paderborn: Fink, S. 58.

  22. Holly (2004), S. 65.

  23. Quo vadis Mensch? : InDer kaltwütige Herr Schüttlöffel" spielt Kabarettist ThomasFreitag einen Bibliothekar und beklagt sich über zunehmenden Kulturverfall“, In: BuB Jg. 67, 1 (2015), S. 69.

  24. 37 Sendungen wurden vor 2005 produziert und sind damit älter als Libreas :-).

  25. Vgl. Koebner, Thomas (Hrsg.) (2007): Reclams Sachlexikon des Films, 2. aktualisierte und erw. Aufl. Stuttgart: Philipp Reclam jun., S. 158.

  26. Koebner (2007), S. 160.

  27. Bibliothek 2007 – Internationale Best-Practice-Recherche (2004). Hrsg.: Bertelsmann Stiftung, Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände e.V. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, S. 7.

  28. US-Bibliotheken verstehen sich als Teil der Gesellschaft, sie sind Teil des sozialen Umfelds.Angebot und Image sind von Einwohnern der Kommune geprägt." Courzakis, Irini (2006): DerAmerican way of Library" : US-Bibliotheken als Treffpunkt, Servicecenter und Bildungsstätte“, In: BuB 58 (2006) 11/12, S. 760.

  29. Simon, Elisabeth (1988): Bibliothekswesen in den USA. München: Saur, S. 31.

  30. Bibliothek 2007 – Internationale Best-Practice-Recherche (2004), S. 48.

  31. Koebner (2007), S. 160.

  32. Vgl. Koebner (2007), S. 156/S. 157.

  33. Koebner (2007), S. 157.

  34. Koebner (2007), S. 160.

  35. Räwel, Jörg (2005): Humor als Kommunikationsmedium. Konstanz: UVK Verl.ges., S. 15.

  36. Räwel (2005), S. 16.

  37. als […] Mittel der Kritik am Paternalismus wird Behinderung heute als komisch inszeniert. […] In der mitteleuropäischen und der amerikanischen Gesellschaft stellt die komische Darstellung von Behinderung jedenfalls kein Tabu mehr dar. Aus: Gottwald, Claudia (2009): Lachen über das Andere. Eine historische Analyse komischer Repräsentation von Behinderung. Bielefeld: transcript-Verl., S. 296.


Ute Engelkenmeier: Ausgestattet mit einem ausgiebigen Studium des Bibliothekswesens (FHBD Köln, Musikbibliothekarisches Zusatzstudium HBI Stuttgart) und der Bibliotheks- und Informationswissenschaft (Humboldt Universität zu Berlin) seit 1995 in der Universitätsbibliothek Dortmund tätig, dort zehn Jahre lang Öffentlichkeitsarbeiterin und seit vier Jahren Geschäftsbereichsleitung Medienbereitstellung und Information (Benutzung).

Interessensschwerpunkte: Nutzerforschung, Lernortentwicklung, Marketing und Management

Kontakt: ute.engelkenmeier@tu-dortmund.de