Schulbibliotheken sind die Stiefkinder der Bibliothekswissenschaft: es gibt zahlreiche Veröffentlichungen zu Öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken, doch im Bereich Schulbibliotheken mangelt es bislang an Publikationen. Die beiden Diplombibliothekarinnen Angelika Holderried und Birgit Lücke haben sich nun dieser Problematik angenommen und mit ihrem Sammelwerk „Handbuch Schulbibliothek” ein Buch herausgegeben, welches Grundlageninformationen für Schulbibliotheken zusammenfasst. Aufgeteilt ist das Buch in neun verschiedene Bereiche.
Im ersten Bereich wird der Nutzen der Schulbibliothek herauskristallisiert. Die Vorstellung verschiedener Bibliothekskonzepte vermittelt ein modernes Bild: die Schulbibliothek als Medien- und Informationszentrum, als Ort der Kommunikation und des Treffens sowie als Freizeitort.
Am Rande geht dieser Teil auch auf die Problematik fehlender finanzieller Mitteln ein. In Anbetracht geringer Budgets an vielen Schulbibliotheken wäre eine ausführlichere Darstellung dieses Teils nützlich.
Die knappe Veranschaulichung des Bibliotheksleitbildes gibt Anhaltspunkte, wie Schulbibliotheken ihre Aufgaben und Ziele nach aussen darstellen können. Ergänzend dazu wäre eine Abbildung eines ausführlichen Bibliotheksprofils wertvoll, die beispielsweise eine detaillierte interne Situationsanalyse, die Umsetzungsplanung von Projekten und Kooperationen sowie eine Erfolgskontrolle beinhaltet.
Auffallend ist der Optimismus der Autoren: „aktive Schulbibliotheken haben die Chance, sich künftig im Wettbewerb um Schüler zum ‚Standortfaktor‘ zu entwickeln” (S.14) – dies scheint in Zeiten, in denen Schulbibliotheken zum Teil vehement um ihr Daseinsrecht und Beachtung kämpfen müssen, etwas übertrieben.
Darauf folgend wird die Räumliche Gestaltung von Schulbibliotheken näher beleuchtet. Die Autoren verdeutlichen das in vielen Schulen vorherrschende Problem, dass bei Bibliotheken kein Wert auf Multifunktionalität, Lebendigkeit und Repräsentativität gelegt wird. Um einen Anstoss zur Änderung zu geben, gehen Sie auf die Platzierung der Bibliothek im Schulhaus, die Größe, die Ausstattung und Einteilung der Schulbibliothek näher ein. Besonders anschaulich wird dabei vor allem die Einteilung in verschiedene Funktionsbereiche dargestellt. Hier arbeiten die Autoren mit Beispielplanungen, die wohl in den wenigsten Fällen eins zu eins umgesetzt, aber dennoch als Anregung genommen werden können. Der grosszügige Platz für Arbeits- und Kommunikationsbereiche entspricht dabei dem zeitgemässen Bild der Bibliothek als Lernort. Auch die Auswahl der Möblierung wird durch die ausführlichen Beschreibungen und Tipps sicherlich erleichtert.
Im dritten Teil des Buches spielt der Medienbestand eine Rolle. Dabei werden sowohl qualitative als auch quantitative Aspekte des Bestandsaufbaus erläutert, wobei wieder zwischen verschiedenen Schulstufen differenziert wird. Hervorzuheben ist der Schwerpunkt des schülerzentrierten Bestandsaufbaus, welcher deutlich macht, dass der Bestand nicht an den Bedürfnissen und Wünschen der Lernenden vorbei gehen darf. Als Beispiel wird das Konzept „Wünsch' dir was” der Schulbibliothekarische Arbeitsstelle Frankfurt vorgestellt. Patron driven acquisition als neue Form des nutzerorientierten Bestandsaufbaus findet hier jedoch noch keine Erwähnung.
Für Einsteigerinnen ist das beschriebene Vorgehen beim Bestandsaufbau sicherlich sehr hilfreich. Schön ist dabei auch die Linkliste für Medientipps. Leider ist jedoch ein toter Link hineingerutscht: das Institut für angewandte Kindermedienforschung ist nur noch unter http://www.hdm-stuttgart.de/ifak erreichbar.
Ein weiterer Bereich des Buches deckt die Bibliothekssoftware und Technischen Aspekte ab. Vor allem wenn es darum geht, eine Bibliothek neu aufzubauen oder ein elektronisches Verbuchungssystem einzuführen, helfen die Ausführungen zur Auswahl und Anschaffung eines Systems sowie die Auflistung verschiedener Anbieter weiter. Die RFID-Technologie („radio frequency identification”) wird hier ebenfalls angeführt. Die Selbstverbuchung sowie die automatische Rückgabe mittels RFID werden jedoch für Schulbibliotheken als derzeit unnötig dargestellt. Auch in der anschliessenden Beschreibung des Ausleihverfahrens wird nur auf den Verbuchungsvorgang per Strichcode eingegangen. Angesichts der Tatsache, dass viele grössere Bibliotheken schon seit Jahren auf RFID umgestiegen sind und mittlerweile auch mittlere bis kleine Bibliotheken diesem Trend folgen, ist dieser Abschnitt des Buches wohl nicht mehr ganz zeitgemäss. Dieser Eindruck wird weiterhin dadurch bestätigt, dass bei der Auflistung multimedialer Endgeräte der E-Book-Reader fehlt.
Weitergehend folgt ein Buchabschnitt über Betriebsformen, Personalmodelle und Finanzierung von Schulbibliotheken. In diesem Zuge wird auch die Mithilfe von nebenamtlichem Personal aufgegriffen. Dies ist generell gut, da Schulbibliotheken in der Praxis häufig von Ehrenamtlichen und Lehrenden unterstützt und sogar geführt werden. Betracht man jedoch die Ausführlichkeit der Darstellung, wird der Eindruck vermittelt, dass der Einsatz bibliothekarischer Fachkräfte nicht nötig ist. Ein Ausgleich dazu hätte durch die ausführlichere Auflistung der Fachaufgaben des Bibliothekspersonals geschaffen werden können. Hierbei wurde sichtbar gemacht, dass Bibliothekare mehr machen, als Bücher ins Regal zu sortieren. Leider ist dies jedoch relativ kurz gehalten, sodass es sich nur bedingt als Argumentationsgrundlage gegenüber dem Träger eignet. Eine deutlichere Herausarbeitung, welche Vorteile der Einsatz bibliothekarischer Fachkräfte im Vergleich zu ungelernten Kräften bringt, hätte dem Kapitel gut getan.
Der Überblick über verschiedene Kostenfaktoren und Finanzierungsmethoden bietet dagegen einen guten Einstieg für die Budgetzusammenstellung. Auch die Tipps zur Aufstellung einer Benutzerregelung sind nützliche Anhaltspunkte. Kritisch ist lediglich der Punkt zur Handy-Benutzung zu sehen: Einerseits ist es verständlich, dass zur Reduzierung von Lärm vor allem in Lesebereichen die Nutzung von Mobiltelefonen gerne untersagt wird. Will die Bibliothek jedoch neuen technologischen Trends folgen, ist zu überlegen, ob zumindest in Kommunikationsbereichen die Nutzung zu erlauben ist. So wäre gewährleistet, dass beispielsweise QR-Codes eingelesen oder OPAC-Recherchen auch über das Handy durchgeführt werden können.
Das anschliessende Kapitel mit Aktivitäten zur Leseförderung ist sehr gelungen. Vor allem für Lernende der unteren Schulstufen finden sich zahlreiche kreative Konzepte, die zum Teil mit mehr, zum grossen Teil jedoch mit geringem Aufwand realisiert werden können sowie als Anregung für eigene Ideen dienen.
Durch den direkt folgenden Teil zur Recherche wird ausserdem die Zielgruppe der älteren Lernenden abgedeckt. Eine ausführliche Vorstellung eines Modells zur Rechercheschulung zeigt, wie ernsthaft und mit modernen Methoden etappenweise das effektive Recherchieren nach Information vermittelt werden kann.
Mit Öffentlichkeitsarbeit setzt sich der vorletzte Teil des Buches auseinander. Dabei wird deutlich, was in vielen Bibliotheken zu kurz kommt: um von den Schulzugehörigen als vollwertige und aktive Einrichtung wahrgenommen zu werden, muss Kommunikation zwischen Bibliotheksangehörigen und Lehrenden sowie Lernenden stattfinden sowie an schulischen Aktivitäten teilgenommen werden.
Hierzu gehört jedoch über die angesprochenen Aspekte hinaus auch die konkrete Unterstützung der Lehrenden im Unterricht. Wünschenswert wäre es, dass ein Teil des Unterrichts obligatorisch in und gemeinsam mit der Schulbibliothek abgehalten wird. Bislang gehört dies eher weniger zur gängigen Praxis, oftmals findet nur ein kurzer Pflichtbesuch im Fach Deutsch statt. Dabei könnte die Bibliothek wertvolle Unterstützung der Lehre in allen Fächern bieten – insbesondere dann, wenn die im Buch erwähnten und vor allem in den USA und Australien etablierten bibliothekarischen Fachkräfte mit pädagogischem Hintergrund (sogenannte „Teacher-Librarians”) eingesetzt werden. Schön ist, dass die Autorin auch die externe Kommunikation und Kooperation anspricht.
Abgeschlossen wird das Handbuch durch die Beschreibung verschiedener Formen schulbibliothekarischer Versorgung. Hier geht es vor allem um Vernetzung mit anderen Einrichtungen – seien es Beratungsstellen, öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken oder bibliothekarische Dienstleister. Dabei wird deutlich gemacht, welche Vorteile diese Vernetzung bieten kann. Es bleibt zu hoffen, dass damit die Motivation der Bibliotheksverantwortlichen in Bewegung gesetzt wird, nicht nur in der eigenen Suppe zu rühren, sondern auch einmal über den Tellerrand zu blicken.
Alles in allem ist das Buch klar strukturiert und verständlich geschrieben. Es sind alle essentiellen schulbibliothekarischen Themen abgedeckt.
Grösstenteils haben dabei auch neue Technologien Erwähnung gefunden. Schade ist, dass das Thema E-Books nicht berücksichtigt wurde. Wissenschaftliche und viele öffentliche Bibliotheken bieten diese bereits an und auch erste Schulbibliotheken spielen mit dem Gedanken, E-Books anzuschaffen. Aufgrund fehlender eigener Erfahrungen sind sie auf Tipps und Hinweise von anderen angewiesen.
Im Buch wird ausserdem immer wieder zwischen den verschiedenen Schulstufen differenziert. Dabei werden jedoch in der Regel nur die Primarstufe sowie die Sekundarstufe I und II angesprochen. Bibliotheken in Berufsschulen oder Förderschulen bleiben unerwähnt. Auch die Einbindung von Vorschulkindern wird nicht thematisiert.
Da es bislang wenig deutsche Literatur zum Thema Schulbibliotheken gibt, ist diese Arbeit jedoch insgesamt eine sinnvolle Zusammenstellung für Personen im schulbibliothekarischen Umfeld. Es eignet sich gut zum Einstieg für Laien, aber auch als Nachschlagewerk für erfahrene Schulbibliothekarinnen.
Brigitte Lutz ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Schweizerisches Institut für Informationswissenschaft, HTW Chur.