> > > LIBREAS. Library Ideas # 2

E-Books: Die Bibliothek kommt zum Benutzer


Zitiervorschlag
Werner Christian Guggemos, "E-Books: Die Bibliothek kommt zum Benutzer. ". LIBREAS. Library Ideas, 2 ().


1. Eine kurze Geschichte der E-Books

Als Ende der 90er Jahre die ersten Lesegeräte für elektronische Bücher auf den Markt kamen, war die Aufmerksamkeit in den Medien groß: Schon in wenigen Jahren werde das E-Book einen zweistelligen Prozent-Anteil am Buchmarkt erreichen. Insbesondere im Bereich der Fachliteratur seien enorme Substitutionseffekte zu erwarten. Die Euphorie währte nicht lange. Würden Medieninhalte jemals legal über das Netz vertrieben werden?

Kurz: Es kehrte ein Realitätssinn ein, der später in offene, teils übertriebene Skepsis umschlug. Im Zuge dessen geriet das Thema „E-Book“ ins Hintertreffen. An den grundlegenden Vorteilen von E-Books hatte der öffentliche Wahrnehmungswandel freilich wenig geändert: Kein Buch kann so schnell ausgeliefert werden wie ein E-Book. Es kann überall dort bezogen werden, wo sich ein Internet-Anschluss befindet, unabhängig davon, wann ein Nutzer darauf zugreifen möchte. Zudem sind E-Books meist kostengünstiger zu beschaffen, da Druckaufwendungen entfallen.

Das E-Book in der Bibliothek: Erste Gehversuche

Im Bereich der Bibliotheken stand jeher das Interesse an diesen Vorteilen des E-Books im Vordergrund – stärker als das Interesse an kurzfristigen Markterwartungen.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass in den vergangenen Jahren eine Reihe von Pilotprojekten gestartet wurde, um das E-Book in die Bibliothek zu integrieren. Vieles war zwar noch technisch unausgereift. Aber immerhin: Man machte erste Gehversuche.

Ursprünglich setzte man hierbei auf das „Rocket eBook“, ein eigens für das Lesen von elek-tronischen Büchern geschaffenes Endgerät. In Duisburg (Stadtbibliothek) und Biberach an der Riss (Informations- und Medienzentrum) bekamen die Nutzer vor Ort ein solches Endgerät ausgehändigt. Dieses wurde mit einem Werk bespielt und konnte dann wie ein Buch nach Hause entliehen werden. Das Angebot blieb mit 20 bzw. 8 Titeln gering.

Parallel hierzu startete die Universitätsbibliothek Köln gemeinsam mit der ciando GmbH einen Versuch, der eher auf den Fachbuchbereich abzielte und ohne ein festes Endgerät auskam. Die Kooperation besaß den Charakter eines Markttests: Die ciando GmbH stellte Gutscheine zur Verfügung, die es den Mitgliedern der Universität erlaubte, aus einem Angebot von damals etwa 200 E-Books im Online-Shop der ciando GmbH auszuwählen.

Beide ersten Gehversuche im deutschsprachigen Markt zeichnen sich aus heutiger Sicht durch einige Kinderkrankheiten aus: Erstens war das Sortiment der angebotenen Titel noch zu gering, um ausreichend Resonanz erzeugen zu können. Zweitens waren die Technolo-gien nicht so weit, um die Vorteile elektronischer Bücher im Bibliotheksmarkt voll zu nutzen. Drittens waren die Modelle nur unzureichend mit dem regulären Bibliotheksbetrieb verzahnt.

2. Nach den ersten Gehversuchen: Eine Komplettlösung für Bibliotheken

Heute sind viele der Kinderkrankheiten behoben. Die am Markt zugängliche Technik eröffnet die Chance, ein System zu realisieren, das die Vorteile des E-Books für Bibliotheken voll ausspielt. Diese Chance haben zunächst die Universitätsbibliothek München und die ciando GmbH, Deutschlands größter E-Book-Dienstleister, ergriffen, um eine Komplettlösung zu realisieren; eine Komplettlösung, die das E-Book in den normalen Bibliotheksbetrieb integriert. Später kam auch die ULB Darmstadt hinzu und heute stehen weitere Universitätsbibliotheken am Start.

Die ciando GmbH zeichnet hierbei für die technische Seite der Download- und Ausleihfunktion sowie für die Bereitstellung der E-Books verantwortlich, die Universitätsbibliothek für die Anbindung an den bestehenden Internet-Auftritt.

Die Inhalte: ein laufend wachsendes Angebot

Aufgabe der ciando GmbH im Rahmen der E-Book-Ausleihe ist es, das Sortiment der ver-fügbaren E-Books einzubringen. Die ciando GmbH ist seit Mitte des Jahres 2001 mit einem E-Book-Angebot als Händler auf dem Markt und bietet derzeit über 4.000 Titel an: von Wirt-schaft, EDV über Technik, Medizin, Psychologie, Pädagogik, Geschichte, Gesellschaft, Politik bis hin zu belletristischen Werken. Woche für Woche werden gut 40 Titel hinzugefügt. Die Titel stammen von knapp 100 Verlagshäusern: von Addison-Wesley bis Wiley-VCH.

Die Partnerbibliothek entnimmt aus diesem Sortiment zeitlich flexibel eine ihren Bedürfnissen gemäße Auswahl – die Universitätsbibliothek München stellt so z.B. zur Zeit Ihren Nutzern eine Auswahl von 1.000 Titeln zur Verfügung. Um einen planmäßigen Betrieb zu ermöglichen, übermittelt die ciando GmbH regelmäßig einen Katalog neu verfügbarer elektronischer Titel, der jeweils ca. 500 Neuerscheinungen umfasst. Nach der Auswahl durch die für den Einkauf zuständigen Verantwortlichen in der Bibliothek werden die Titel binnen weniger Tage für Nutzer bereitgestellt.

Das Angebot: Übermittlung von Katalogdaten via XML

Um eine effiziente Bereitstellung des von der Bibliothek ausgewählten Sortiments zu ermög-lichen, hat die ciando GmbH eine Standard-Schnittstelle im XML-Format eingerichtet, an die unmittelbar nach Eingang einer neuen Bestellung seitens der Bibliothek Katalogdaten zu den ausgewählten Titeln übermittelt und in den Auftritt der Bibliothek integriert werden. Die Daten umfassen standardisierte Informationen zum Titel, Autor und Fachgebiet des jeweiligen Werkes – bis hin zu Coverbildern und Kurzcharakterisierungen der Werke.

Die Bibliothek kann sich an diese Schnittstelle anbinden und die täglich aktualisierten Daten abholen, um sie auf ihren Seiten anzuzeigen. Von der Darstellung eines eigenen E-Book-Bereichs bis hin zur Anbindung der E-Book-Ausleihe an das hauseigene OPAC-System ist viel möglich.

Nach der Auswahl eines interessierenden E-Books zur Ausleihe authentifiziert sich der Nutzer. Im Falle der bisher realisierten Projekte erfolgt dies über die Eingabe seiner Benutzernummer bei der Bibliothek. So wird sichergestellt, dass nur bei der Bibliothek registrierte Nutzer auf das Angebot zugreifen können. Auch alternative Authentifizierungen, etwa über das Eingrenzen des Zugriffs auf bestimmte IP-Kreise, sind realisierbar.

Die Ausleihe: Zeitlich befristete Nutzung unabhängig von Zeit und Raum

Nach der Authentifizierung bezieht der Nutzer den ausgewählten Titel als PDF-Datei direkt auf seinen Rechner. Er sollte hierzu über eine aktuelle Version des kostenfreien Adobe Readers verfügen. Die Datei wird vom Server der ciando GmbH auf diesen Reader geladen und mit individuellen Daten der Festplatte des Zielrechners verschlüsselt. Die Konsequenz: Eine unbefugte Weitergabe wird unterbunden, der Kopierschutz bleibt gewahrt. Das Verschieben der Datei auf andere Rechner fördert dort eine Fehlermeldung zutage.

Der beschriebene Kopierschutz wird für den Nutzer unsichtbar im Hintergrund erbracht. Grundlage ist der so genannte Adobe Content Server (ACS), den die ciando GmbH in der jeweils aktuellen Version zur Auslieferung der E-Books einsetzt. Der Clou dabei: Der ACS ermöglicht, die bezogene Datei mit einem Zeitschlüssel zu versehen. Dieser Schlüssel legt fest, wie lange das Buch vom User verwendet werden darf. Die Bibliothek kann diesen Aus-leihzeitraum nach eigenem Belieben festlegen. Während dieser Zeit kann der Nutzer das Buch lesen, ausdrucken, private Markierungen einfügen und Textstellen in Zitatform entnehmen. Auf der Internet-Seite der Bibliothek ist das Buch während der Leihfrist als nicht verfügbar gekennzeichnet.

Ein Nutzer kann ein E-Book auch vorzeitig zurückgeben – ein einfacher Knopfdruck genügt. Erfolgt keine vorzeitige Rückgabe, wird der Titel nach Ablauf der Leihfrist automatisch deak-tiviert. Die Deaktivierung wird sodann online an die Bibliothek gemeldet, worauf das Buch dort wieder verfügbar ist. Es wird kein Mahnwesen nötig wie in der Printausleihe.

Der gesamte Ausleihprozess gleicht damit dem Ausleihprozess eines „normalen“ Buchs: Ein Exemplar eines Titels ist zu jedem Zeitpunkt nur für einen Nutzer ausleihbar. Sollen mehrere parallele Nutzungen ermöglicht werden, so können mehrere Exemplare des Titels von der Bibliothek erworben werden.

Da der Vorgang für weniger internet-affine Nutzer erklärungsbedürftig sein kann, beinhaltet die Komplettlösung auch einen Nutzer-Support. Für den Fall einer nicht erfolgreichen Ausleihe geht dem Nutzer direkt eine Hilfe-Mail zu. Ist die gelieferte Information nicht ausreichend, steht ergänzend eine gebührenfreie Hotline zum Support der ciando GmbH bereit.

3. Fazit: Nutzungserfahrungen geben der Komplettlösung recht

Um es zusammenzufassen: Die Lösung reicht von der Auswahl und laufenden Aktualisierung der angebotenen Titel, über die Online-Leihe, den Kopierschutz bis zum Support für die Nutzer. Diese Lösung hat für die Bibliothek eine Reihe von Vorteilen:

Erstens ist das geschilderte Angebot seitens der Bibliothek mit geringem Aufwand zu reali-sieren. Das verfügbare Buchsortiment wird von der ciando GmbH laufend ausgedehnt. Es existiert eine Standard-Schnittstelle, an die sich eine Bibliothek schon mit einigen einfachen Internet-Seiten andocken kann. Die Auslieferung des Downloads, die Realisierung des Ko-pierschutzes, die Ausleihe – all dies liegt bei der ciando GmbH, bis hin zum Support.

Zweitens ist der Betrieb des Systems sehr kosteneffizient. Es ist seitens der Bibliothek keine eigene Datenpflege erforderlich, die ausgewählten Titel belegen weder Regal- noch Speicherplatz, die Ausleihe erfolgt automatisch. Auch sind keine Investitionen in Hard-, Software und deren Updates erforderlich. Zudem haben elektronische Bücher keinen Verschleiß – die Nachbesserung des Buchbestands entfällt.

Der größte Vorteil liegt freilich auf Seiten des Nutzers. Er kann Bücher beziehen, ohne sich auch nur einen einzigen Schritt bewegen zu müssen: Ob vom PC-Arbeitsplatz an der Uni, dem eigenen PC zu Hause; selbst während eines Auslandsaufenthalts bleibt der Literaturbestand verfügbar. Und das Ganze natürlich rund um die Uhr, wochentags wie feiertags, mit einem qualifizierten Support. Alles, was der Nutzer ausführen muss, sind einige Klicks.

Die Nutzung des Modells ist durch die Bank rege. So hat sich nach einer Laufzeit der E-Book-Ausleihe von über einem Jahr eine stabile Ausleihquote je Buch von neun Ausleihen pro Jahr ergeben. Die User nutzen den Dienst damit wesentlich reger als die Printausleihe – und dies bei wesentlich geringerem Organisationsaufwand für die Bibliothek.


Dr. Werner Christian Guggemos ist Gründer und Geschäftsführer des E-Book-Händlers ciando GmbH.