> > > LIBREAS. Library Ideas # 16

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Rezension zu: Walther Umstätter: Die Jagd nach dem Buchstädter Bibliotheksmarder. Ein spannendes Verbrechen in einer Bibliothek. Berlin: Simon Verlag für Bibliothekswissen, 2009, 136 Seiten, kart. ISBN 978-3-940862-16-7, 18,00 €


Zitiervorschlag
Gudrun Gutenberg, "Rezension zu: Walther Umstätter: Die Jagd nach dem Buchstädter Bibliotheksmarder. Ein spannendes Verbrechen in einer Bibliothek. Berlin: Simon Verlag für Bibliothekswissen, 2009, 136 Seiten, kart. ISBN 978-3-940862-16-7, 18,00 €. ". LIBREAS. Library Ideas, 16 ().


Ein Kinderbuch eines Informationswissenschaftlers - das ist wahrhaft ein Ereignis. Walther Umstätter, emeritierter Professor des Instituts für Bibliotheks- und Informationswissenschaft, versucht im vorliegenden Titel das Medium Kinderbuch mit dem Ereignisort Bibliothek und einem Kriminaldelikt zusammenzuführen und nebenbei etwas Wissen über die Einrichtung Bibliothek an das Kind bzw. den jungen Leser zu vermitteln.

Die Idee, Funktion und Bedeutung von Bibliotheken, Büchern, Bildung, Lesen und Neugierde in eine Detektivgeschichte einzubetten, scheint bereits die halbe Miete für den Erfolg zu sein. Klassiker der Kinderliteratur wie Emil und die Detektive oder die Fünf-Freunde-Reihe zeigen, dass Kriminalgeschichten beim jüngeren Publikum genauso gut ankommen wie beim älteren. Nur macht eine halbe Miete – also eine gute Idee allein – noch keine gute Nachbarschaft. Und so strauchelt die Geschichte schon frühzeitig über bemerkenswert viele Holprigkeiten, und torkelt gerade noch über die Zielgerade.

Es geht um ein „Verbrechen” in einer Bibliothek, das von gewitzten Schülern einer achten Klasse in Buchstadt aufgedeckt wird. Innerhalb dieses Erzählrahmens erfahren die Leserinnen und Leser einer für die Rezensentin schwer definierbaren Alterszielgruppe etwas zur Bedeutung und Funktion von Büchern, über Bibliotheken und die „Macht des Wissens”. [Fn 1] Die sich eingangs vorstellenden „Bücherwürmer Bubi und Lita von Nimmersatt”, vielleicht die gelehrten Geschwister der berühmten Raupe, spielen die Erzähler, die sich während der Handlung mit kursiv hervorgehobenen, überwiegend bücherwurm-klischeetypisch belehrenden Kommentaren einschalten. Die Aufdeckung des Diebstahls wird als so aufregend dargestellt, wie den Kindern bei der Recherche für eine Projektarbeit zum Thema „Rote Waldameise” für einen Schulwettbewerb zuzusehen. Hier beweisen sich die Protagonisten Heini, Peter und Petra als ungemein findig und neugierig – Eigenschaften, die auch bei der Aufdeckung des Diebstahls in der Universitätsbibliothek hilfreich sind. Allerdings wird wenig mehr vermittelt, als genau das: Wer eine Projektarbeit zu Waldameisen schreiben will, sei besser ausgeschlafen, neugierig und entdeckungsfreudig.

Sprachlich tendiert das Buch zu Verniedlichungen. Nicht selten sind die Wortspiele aber so bemüht, dass es nur so durch die Regalreihen ächzt. Möglicherweise ist ja das, was aus der Erwachsenenperspektive ein Stirnrunzeln hervorruft, für ein jüngeres Publikum angemessen. Sollen aber Personennamen wie „Frau Hilfreich”, „Frau Fami” oder „Herr Bibler” tatsächlich die Brücke zwischen Mensch und Bibliothek, Mensch und Buch, Mensch und Bildung schlagen? Einem Kind dürfte sich der Zusammenhang kaum erschließen und vorlesende Eltern mit Bibliothekshintergrund zucken eher peinlich berührt zusammen. Immerhin: für die Fachbegriffe, die in Großbuchstaben erscheinen, gibt es im Anhang ein Glossar und an wenigen Stellen im Text einige, für ein Kinder- und Jugendbuch im Regelfall eher unhandliche, Fußnoten.

Das Buch ist bedauerlicherweise an vielen Stellen inkonsistent. Die Zielgruppe ist nicht klar erkennbar; sollen Kinder zwischen 10 und 14 Jahren oder Jugendliche angesprochen werden? Die Geschichte spielt sich bei Schülern der 8. Klasse ab, sodass die Vermutung nahe liegt, dass Kinder im Alter von 14 Jahren angesprochen werden sollen. Teilweise jedoch lesen sich Formulierungen so, als seien sie für jüngere Kinder geschrieben, dann wiederum sind sie eher zu schwierig. Geht man davon aus, dass der Titel ein Publikum im Alter von 14 Jahren begeistern soll, so ist die Unterteilung in viele kurze Kapitel eigentlich gut, lesefreundlich und für junge Menschen geeignet. Allerdings beinhalten diese zum Teil sehr lange Sätze, die die Lesbarkeit für die Zielgruppe wiederum schmälert.

Inhaltlich merkt man dem Buch deutlich seinen Ursprung in den 1970ern an [Fn 2], was von der Generation der Digital Natives ff. eher als Skurrilität, denn als Zuwachs an Handlungswissen verstanden werden dürfte. So werden neben dem Online-Katalog der Alphabetische und Systematische Katalog in Form von Zettelkatalogen als Mittel des Bestandsnachweises erklärt. Andererseits werden in der Aufbereitung für das neue Jahrtausend mehr oder weniger aktuelle Gegenstände wie Notebooks, E-Books und MP3-Player selbstverständlich in die Geschichte eingeflochten. Haben sich die Kids an diese Sprünge gewöhnt, wartet schon die nächste Herausforderung auf sie: Anzunehmen, ein Schüler wisse, dass das Sondersammelgebiet Biologie in der Universitätsbibliothek Frankfurt angesiedelt ist, ein anderer Achtklässler hätte sich in die Open Access-Thematik eingelesen (S. 85) und würde obendrein problemlos im WorldCat (S. 87) recherchieren, so wird sowohl auf Seiten der Bibliothekar/innen, als auch bei der Zielgruppe viel Phantasie verlangt. Sicherlich auch eine Absicht des Autors, die Phantasie anzuregen und offen für alles sein.

Hatte man die Gelegenheit, einmal Vorlesungsreihen bei Professor Umstätter besuchen zu dürfen, erkennt man unschwer die Stammthemen (zum Teil auch Stammaussagen) des Autors im Buch wieder: Online Information und Retrieval als wichtige Informationszugänge (Kennt die Zielgruppe eigentlich noch etwas anderes als online?), die mehr oder weniger schwierige Definition von Wissen als begründete Information und die nicht ernsthaft teilbare Empfehlung, dass man „Mein Kampf” gelesen haben sollte, um zu wissen, was ein schlechtes Buch ist und anrichten kann. Das kann man in diesem Fall auch ohne Lektüre glauben. Da ist es doch schöner, bei dem promovierten Biologen etwas über Ameisen zu lernen.

Neben den immer wieder auftauchenden, häufig altbackenen Aussagehappen, wie Bücher seien besser als Kino oder Fernsehen (S. 12), Neugier sei wichtig (S. 13), ebenso wichtig sei es, belesen zu sein (S. 14) und der bis zum Verlust sämtlichen Gehaltes platt geklopften Formulierung „Wissen ist Macht” (S. 78), gibt es etwa in der Mitte der Geschichte quasi als Einschub das Kapitel „Erinnerungen der Menschheit” (S. 39f.), in dem man liest: „Vieles in der Welt wird verständlich, wenn man Fouché, Hitler, Machiavelli, Marx, Napoleon oder Stalin liest. Entsprechendes gilt natürlich auch für Aquin, Augustinus, Cusanus und andere. Bibliotheken sind nicht nur das Gedächtnis der Menschheit, sie sind auch das veröffentlichte Bild der Welt, in der wir leben.” Es ist schwer, etwas dagegen zu sagen und irgendwie gehört der Bücherstädter Bibliotheksmarder ebenfalls zu diesem Gedächtnis. Allerdings nicht unbedingt in die Ecke mit den Erinnerungen, die man täglich parat haben möchte.

Die Jagd nach dem Buchstädter Bibliotheksmarder ist ein in vielerlei Hinsicht bis hin zur grafischen Gestaltung schwieriges Buch, das als Kuriosum für ehemalige Studenten des Informationswissenschaftlers interessant sein dürfte.


Fußnoten

[1] http://www.simon-bw.de/jagd/index.html [zurück]

[2] vgl. http://www.ib.hu-berlin.de/~libreas/libreas_neu/ausgabe7/009ums.htm [zurück]