- 1. Einleitung: Die Vision vom Semantic Web
- 2. Ontologien als neue Methode der Wissensrepräsentation
- 3. Die Umsetzung der Semantic Web Idee
- 4. Folksonomy trifft Ontologie: Ein Ausblick auf das Social Semantic Web
- Fazit
- Literatur
1. Einleitung: Die Vision vom Semantic Web
Die Idee zu einem semantischen Web wurde maßgeblich geprägt (wenn auch nicht initiiert) durch eine Veröffentlichung von Tim Berners-Lee, James Hendler und Ora Lassila im Jahre 2001. Darin skizzieren die Autoren ihre Version von einem erweiterten und verbesserten World Wide Web: Daten sollen so aufbereitet werden, dass nicht nur Menschen diese lesen können, sondern dass auch Computer in die Lage versetzt werden, diese zu verarbeiten und sinnvoll zu kombinieren. Sie beschreiben ein Szenario, in dem „Web agents“ dem Nutzer bei der Durchführung komplexer Suchanfragen helfen, wie beispielsweise „finde einen Arzt, der eine bestimmte Behandlung anbietet, dessen Praxis in der Nähe meiner Wohnung liegt und dessen Öffnungszeiten mit meinem Terminkalender zusammenpassen“. Die große Herausforderung liegt hierbei darin, dass Informationen, die über mehrere Webseiten verteilt sind, gesammelt und zu einer sinnvollen Antwort kombiniert werden müssen. Man spricht dabei vom Problem der Informationsintegration (Information Integration). Diese Vision der weltweiten Datenintegration in einem Semantic Web wurde seither vielfach diskutiert, erweitert und modifiziert, an der technischen Realisation arbeitet eine Vielzahl verschiedener Forschungseinrichtungen.
Einigkeit besteht dahingehend, dass eine solche Idee
nur mit der Hilfe neuer bedeutungstragender Metadaten verwirklicht
werden kann. Benötigt werden also neue Ansätze zur Indexierung
von Web-Inhalten, die eine Suche über Wortbedeutungen und nicht
über bloße Zeichenketten ermöglichen können.
So soll z.B. erkannt werden, dass es sich bei „Heinrich Heine“
um den Namen einer Person handelt und bei „Düsseldorf“
um den Namen einer Stadt. Darüber hinaus sollen auch Verbindungen
zwischen einzelnen Informationseinheiten festgehalten werden, beispielsweise
dass Heinrich Heine in Düsseldorf wohnte. Wenn solche semantischen
Relationen konsequent eingesetzt werden, können sie in vielen
Fällen ausgenutzt werden, um neue Schlussfolgerungen zu ziehen.
Nehmen wir beispielsweise den Fall, dass eine Person A einen Bruder
(Person B) hat, der wiederum einen Sohn hat (Person C). Mit dem
richtigen Hintergrundwissen lässt sich daraus ableiten, dass
Person B folglich der Onkel von Person C ist (Beispiel modifiziert
nach Daconta et al., 2003).
Derartige Informationen über die Bedeutung einzelner Worte oder anderer Informationseinheiten und deren Beziehungen untereinander sollen ergänzend an bestehende Webseiten angefügt werden und so eine zusätzliche „semantische“ Ebene zum traditionellen Internet bilden, wie Berners-Lee, Hendler und Lassila (2001) es beschreiben:
„The Semantic Web is not a separate Web but an extension of the current one, in which information is given well-defined meaning, better enabling computers and people to work in cooperation.“
Den Entwicklern geht es dabei nicht darum, einem Computer
tatsächlich beizubringen, Informationen zu verstehen (wie es
in der Künstlichen-Intelligenz-Forschung oftmals angestrebt
wird), sondern vielmehr darum, Internetdienste für praktische
Anwendungsszenarien zu entwickeln (Hitzler et al., 2008). Computer
sollen also nicht lernen, „normale“ Webseiten zu lesen,
sondern die Webseiten sollen mit zusätzlichen Informationen
versehen werden, die für den Computer interpretierbar sind.
Indexierung im Sinne des Semantischen Webs basiert also auf komplexen
Metadaten oder sogenannten „Semantic Markups“ (Pan,
2007). Das sind maschinenlesbare Index-Terme, welche einer Webseite
(bzw. einzelnen Informationseinheiten innerhalb einer Webseite)
zugewiesen werden. Aus technischer Sicht erfordert diese Idee neue
Entwicklungen im Bereich maschinenlesbarer Auszeichnungssprachen,
die solch eine feingliedrige Indexierung ermöglichen.
Über die technische Ebene hinaus benötigt
das Semantische Web noch etwas anderes: hochwertige Wissensrepräsentationsmodelle,
welche das Wissen eines oder mehrerer Interessensgebiete in einer
allgemein akzeptierten Form verzeichnen. Man braucht ein gemeinsames
kontrolliertes Vokabular für die Indexierung im Sinne eines
Semantic Web, das wesentliche Begriffe und deren Beziehungen zueinander
umfasst, eine Ontologie.
Für die Realisierung der Semantic Web Vision werden also sowohl
standardisierte und kompatible Technologien zur Erstellung und Anwendung
von semantischen Metadaten benötigt als auch Ontologien als
komplexe und ausdrucksstarke Wissensrepräsentationssysteme.
Des Weiteren reicht es nicht, diese Techniken und Wissensmodelle bereitzustellen, sie müssen darüber hinaus auch noch auf die bestehenden Internetseiten angewandt werden. Das alles macht die Idee vom Semantic Web zu einer enormen Herausforderung für alle Beteiligten – und wirft vielfach Zweifel daran auf, ob ein solches semantisches Web jemals umfassend realisiert werden kann. Eine beachtliche Forschergemeinschaft hat diese Herausforderung angenommen und arbeitet hoch engagiert an den Grundlagen des Semantic Web. Die Semantic Web Science Association1 (SWSA | www.iswsa.org) hat sich dabei als eine treibende Kraft etabliert und auch das World Wide Web Consortium2 (W3C | www.w3.org bzw. www.w3.org/2001/sw/) unterstützt die Entwicklung von Standards. Legg (2007) nennt das Semantic Web auch „the most ambitious project the W3C has scaffolded so far”.
In Bezug auf die technische Infrastruktur sind dabei bereits einige wesentliche und grundlegende Innovationen gelungen. Shadbolt, Berners-Lee und Hall (2006) nennen vor allem die folgenden Aspekte als bemerkenswerte Meilensteine der Semantic-Web-Forschung:
- Ontologiesprachen zur standardisierten Wissensrepräsentation (wobei die Web Ontology Language OWL | www.w3.org/TR/owl-guide/ mit ihren drei Dialekten derzeit die wohl bekannteste Ontologiesprache ist)
- Regelmechanismen und zugehörige Algorithmen für das automatische Schließen zur Ableitung impliziter Informationen (Reasoning/ Inferencing Technologies),
- Speichertechnologien für große Ontologien (insbesondere sogenannte Triple Stores),
- Abfragesprachen, um Informationen in Ontologien zu suchen, und Methoden, um strukturierte Informationen aus Webseiten zu extrahieren (Information Extraction).
Hinzu kommen noch zahlreiche Programme, die bei der Erstellung und Verwaltung von Ontologien helfen, sogenannte Ontologie-Editoren (das wohl bekannteste Beispiel hierfür ist Protégé | http://protege.standford.edu).
2. Ontologien als neue Methode der Wissensrepräsentation
Diese technologischen Entwicklungen bilden also den Grundstein für semantische Indexierung im WWW, enthalten jedoch per se noch keinerlei semantische Informationen. Eine Ontologiesprache allein macht noch keine Ontologie. Erst wenn mit einer solchen Sprache Wissensbausteine umgesetzt werden, kann eine semantische Repräsentation entstehen, die wiederum zur Indexierung des Webs herangezogen werden kann. Andererseits ist die Formalisierung in einer Ontologiesprache notwendig, damit ein Wissensmodell auch tatsächlich im Sinne des Semantic Web eingesetzt wird – um beispielsweise automatische Schlussfolgerungen und Konsistenzprüfungen zu ermöglichen (Gómez-Pérez et al., 2004). Ontologien sollen also die technischen und semantischen Anforderungen an eine zukunftsfähige Wissensrepräsentationsmethode für das semantische Web erfüllen.
Die Bezeichnung Ontologie leitet sich ab aus dem griechischen Ontologia, was in etwa soviel bedeutet wie „Lehre vom Sein“. Es bezeichnete ursprünglich eine philosophische Disziplin, die sich mit den Grundstrukturen und dem Wesen allen Seins befasst. Im Rahmen der Computerwissenschaft wurde der Term Ontologie aufgegriffen und mit einer eigenen Bedeutung versehen. Allgemein gefasst bezeichnet Ontologie hier eine formale Konzeptualisierung eines Wissensbereichs („a formal conceptualization of a knowledge domain“, mit ihren drei Dialekten derzeit die wohl bekannteste Ontologiesprache ist), Gruber, 1993). Zahlreiche weitere Begriffserklärungen wurden und werden in der Literatur zitiert, eine endgültige und eindeutige Definition, die von allen beteiligten Forschungsgruppen geteilt wird, gibt es dabei allerdings bis heute nicht.
Die Formalisierung von Themenbereichen in Ontologien
erfolgt typischerweise in Form von Klassen (bzw. Konzepten)
und Instanzen (bzw. Individuals) – die Terminologie
von Ontologiebestandteilen und deren genaue Ausprägungen können
jedoch von Ontologiesprache zu Ontologiesprache variieren. Klassen
repräsentieren dabei Allgemeinbegriffe, also abstrakte Konzepte
eines Interessensgebiets, und sind hierarchisch über IS-A Beziehungen
strukturiert (im Sinne der Hyponymie); Instanzen repräsentieren
Individualbegriffe, also konkrete Vertreter der einzelnen Klassen,
die in der jeweils untersten Hierarchieebene angesetzt werden.
Beispielsweise könnte es eine Klasse „Personen“
mit einer Unterklasse „Schriftsteller“ geben, welche
wiederum mit einer Instanz „Heinrich Heine“ verbunden
ist. Konzepte bzw. deren Instanzen können weiter in ihrer Bedeutung
spezifiziert werden, oft geschieht dies durch sogenannte Properties,
welche die Konzepteigenschaften über semantische Relationen
darstellen. Zum Einsatz von Properties gibt es verschiedene Möglichkeiten:
entweder erfasst die Property eine Beziehung zwischen zwei Konzepten/Instanzen
(z.B. „ist_verwandt_mit“ oder „ist_ein_Teil_von“)
oder die Property weist einem Konzept/ einer Instanz eine Eigenschaft
mit einem gewissen Wert zu (z.B. „hat_Geburtsjahr“ mit
einer Jahreszahl als Wert, ohne dass alle denkbaren Jahreszahlen
als Instanzen in die Ontologie aufgenommen werden müssen).
Auf diese Weise können Fakten aus dem betrachteten Themengebiet
in der Ontologie gespeichert werden. Die Ontologie ist nicht mehr
nur Indexierungsvokabular, sondern wird selbst zu einer Wissensbasis.
Abbildung 1 zeigt, wie diese Ontologiebausteine mit Hilfe des Ontologie-Editors
Protégé erstellt werden. Anschließend werden
die Daten z.B. als OWL-Datei ausgegeben und weiterverarbeitet.
Abb. 1: Ein Beispiel für typische Ontologie-Elemente in der Benutzeroberfläche des Ontologie-Editors Protégé.
Schließlich besteht in formalen Ontologien noch die Möglichkeit, Klassen mit Hilfe von Restrictions (oder Axiomen) formal fest zu definieren. Diese fixieren Aussagen, die generell für die betrachtete Domäne gültig sind. Gehen wir davon aus, dass in einer Ontologie bereits eine Klasse „Schriftsteller“ mit verschiedenen Schriftstellern als Instanzen sowie eine Property „hat_Nationalität“ mit den verschiedenen Nationalitäten, die den Schriftstellern zugewiesen werden, verfügbar sind. Eine neue Klasse „deutsche Schriftsteller“ könnte dann formal so definiert werden, dass es sich dabei um die Untermenge der Klasse „Schriftsteller“ handelt, für die die Property „hat_Nationalität“ auf jeden Fall den Wert „deutsch“ annimmt. Ein Reasoner kann dann eine Instanz der Klasse „Schriftsteller“, die diese Bedingung erfüllt, automatisch der Klasse „deutsche Schriftsteller“ zuweisen. Je nach Ontologiesprache stehen unterschiedlich ausdrucksstarke Restrictions für die formale Definition von Klassen zur Verfügung.
Eine Ontologie, die all diese Möglichkeiten ausschöpft, unterscheidet sich deutlich von klassischen Methoden der Wissensrepräsentation wie Thesauri und Klassifikationen. Mit Klassenhierarchien und Properties können Ontologien nicht nur das Standard-Repertoire semantischer Relationen abdecken (Hyponymie, Meronymie, Synonymie und Assoziationsrelation) (Peters & Weller, 2008a), sie ermöglichen auch den Einsatz weiterer spezifizierter Verbindungen zwischen den Konzepten eines Interessensgebietes und bilden so die Grundlage für verfeinerte semantische Repräsentationen. Der Einsatz von Datatype Properties eröffnet weitere Möglichkeiten für die präzise Definition einzelner Konzepte und die Einbindung von Fakteninformationen über Instanzen. Die formale Unterscheidung zwischen Klassen und Instanzen ist so bislang in keinem klassischen Wissensrepräsentations-Typus realisiert. Darüber hinaus wird eine Ontologie durch den Einsatz einer standardisierten Ontologiesprache maschinenlesbar und interpretierbar.
Mit der Ausdrucksmächtigkeit von Ontologien ist umgekehrt jedoch auch ein Problem verbunden: Diese detaillierte Darstellung lässt sich in der Praxis oft nur für eng begrenzte Themenbereiche umsetzen. Nur wenige Projekte wie die Cyc Ontologie (www.cyc.com) versuchen sich daran, detailliert universelles Weltwissen abzubilden. Andere Ontologieprojekte befassen sich eher mit der Erstellung von Wissensmodellen für spezialisierte, eng abgegrenzte Themengebiete, wie etwa verschieden Ontologien im Bereich der Life Sciences (Bodenreider & Stevens, 2006). Dies liegt zum einen an dem hohen Aufwand, den die Erstellung eines feingliedrigen Wissensrepräsentationssystems mit sich bringt. Zum anderen liegt es bis zu einem gewissen Grad auch noch an Schwierigkeiten in der Handhabung der großen Datenmengen, die hinter einem Wissensmodell stecken, das in einer formalen Ontologiesprache verfasst ist. Die praktische Umsetzung von Ontologien unter Ausnutzung des Modellierungsspektrums von Properties und Restrictions erfordert Fachkenntnisse und einige Übung.
Mit der Vision eines neuen, komplexeren und hoch-ausdrucksstarken Begriffssystems können aktuelle Ontologieprojekte so auch oftmals noch nicht mithalten. Viele Ontologien, die derzeit für den Einsatz im Semantic Web entwickelt und diskutiert werden, übertreffen kaum die Ausdrucksfähigkeit traditioneller Thesauri. Oft zeichnen sie sich vor allem dadurch aus, dass sie in einer Ontologiesprache wie OWL abgespeichert wurden – ohne jedoch die formalen Möglichkeiten auszuschöpfen. Die aktuelle Lage von Ontologien als Mittel zur semantischen Anreicherung des WWW sieht also noch recht verhalten aus.
3. Die Umsetzung der Semantic Web Idee
Trotz zahlreicher ambitionierter Forschungsprojekte
ist das Semantic Web insgesamt noch deutlich davon entfernt, weltweit
Realität zu werden und das „herkömmliche“
Internet abzulösen. Doch woran liegt das? Verschiedene Erklärungsversuche
wurden und werden diskutiert – ebenso wie einzelne Lösungsansätze.
Der Mangel an verfügbaren, ausdrucksstarken Ontologien hängt
wechselseitig zusammen mit dem Fehlen eines publikumswirksamen Semantic-Web-Dienstes:
Solange eine überzeugende Muster-Anwendung fehlt, sind wenige
bereit, Zeit und Aufwand in die Erstellung von Ontologien zu investieren.
Umgekehrt können semantische Dienste ohne zu Grunde liegende
Ontologien nicht flächendeckend in Kraft treten. So bleiben
Anwendungen wie ontologie-basierte Sucherweiterungen oder automatische
Faktenextraktion aus Texten bislang begrenzt auf spezialisierte
Einzelanwendungen für eng begrenzte Fach-Communities. Gesucht
wird jedoch die sogenannte „Killer App“ des Semantic
Web, ein Dienst, der gleichzeitig überzeugend effektiv und
einfach nutzbar ist und so große Teile der Internetnutzerschaft
einbezieht und ein Leitbild für nachfolgende Dienste werden
kann. Bislang scheiterte die Praxis an einem solchen Angebot.
Der wohl am leichtesten nachvollziehbare Grund für den ausbleibenden Durchbruch des Semantic Web ist die enorme Größe des World Wide Web. Die Anreicherung des gesamten WWW mit semantischen Metadaten ist eine schier endlose Aufgabe. Das bedeutet einerseits, dass ein riesiger (und stetig wachsender) Indexierungsaufwand zu bewältigen ist, und andererseits, dass eine Vielzahl von Themenbereichen durch Ontologien erfasst und abgedeckt werden muss. Ein umfassendes Semantic Web wird daher in direkter Zukunft sicherlich noch keine Realität.
Von semantischen Technologien werden wir aber dennoch im Internet profitieren können. Der Forschungsschwerpunkt hat sich von einem einzigen, allumfassenden semantischen WWW weg verlagert, hin zu einzelnen semantischen Diensten (Semantic Applications) für den normalen Internetnutzer, also nicht nur für spezielle Expertengruppen. Immer mehr Internetdienste nutzen technische Grundlagen des Semantic Web innovativ aus (Carstens, 2008), auch für Einsatzbereiche in geschlossenen Systemen wie Intranets werden Anwendungen erarbeitet. Einige der jüngsten Entwicklungen konnten beispielsweise als Demos auf den letzten International Semantic Web Conferences begutachtet werden (siehe z.B. Bizer & Joshi, 2008), darunter neue semantische Recommender-Systeme, Systeme für semantische Bildersuche oder die Verknüpfung typischer Computerprogramme des täglichen Lebens zum „semantischen Desktop“. Die Entstehung einer Semantic Web Killer Application ist damit möglicherweise schon deutlich näher gerückt.
Mit der Fokussierung auf ein dezentralisiertes Semantic Web bestehend aus verschiedenen Einzeldiensten, die sich der gleichen semantischen Technologien bedienen, gehen einige weitere Herausforderungen einher. Wesentlich wird sein, dass diese Einzeldienste letztlich sinnvoll miteinander interagieren können. Die Verbindung von Datenbeständen wird derzeit zu einem der Schwerpunktthemen der Semantic-Web-Forschung, damit einzelne isolierte „Data Silos“ verhindert werden (Bizer et al., 2007). Aber auch die Möglichkeiten zur Verbindung verschiedener Ontologien müssen noch stärker in den Blickpunkt rücken, als es bislang der Fall ist. Hier werden derzeit zwar zahlreiche Techniken und Algorithmen für das Verknüpfen (Mapping) und Verschmelzen (Merging) von Ontologien entwickelt, es fehlen jedoch noch Ideen, wie dies im Rahmen der tatsächlichen Nutzung des Internets praktisch umgesetzt werden kann. Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn zahlreiche kleine Einzelontologien miteinander interagieren müssen?
Insgesamt wurde bisher bei der Semantic-Web-Forschung
der Schwerpunkt vor allem auf technologische Entwicklungen gesetzt.
So fand auch eine Standardisierung bislang auf technischer Ebene
statt, insbesondere bezogen auf Ontologiesprachen als standardisierte
Austauschformate. Auf semantischer Ebene fehlen jegliche Standardisierungen
bislang: Darüber, wie bestimmte Bedeutungen einheitlich repräsentiert
werden sollen, wird nur am Rande der Semantic Web Community diskutiert.
Das heißt vor allem, dass beim Aufbau einer Ontologie keinerlei
Vorgaben verfügbar sind, wie bestimmte Zusammenhänge abzubilden
sind. Klassendefinitionen werden von jedem Ontologie-Entwickler
selbst gewählt und in der Regel höchstens in kleinen Teams
diskutiert. Auch kann derzeit jeder, der eine Ontologie aufbaut,
beliebige Properties zur Verbindung von Ontologie-Klassen erstellen
und einsetzen. Gemeinsame, gar weltweit gültige Vereinbarungen
z.B. bezüglich der Formulierung von Teil-Ganzes-Beziehungen
zwischen Konzepten fehlen.
Mit der Wende in Richtung einzelner Semantic Applications scheint
auch der Ansatz einer gemeinsamen Wissensrepräsentation zunächst
aus dem Blick verloren. Dabei gilt die Idee einer Konsens-Abbildung
im Sinne der „Shared Conceptualization“ eigentlich als
eine der Grund-Definitionen für Ontologien (Borst, 1997). In
einem Semantic Web, das aus zahlreichen Einzelontologien in verschiedenen
Anwendungen besteht, ist das sinnvolle Verknüpfen von Ontologien
anhand gleicher bedeutungstragender Elemente entscheidend.
Das Fehlen von Standardisierungen setzt sich auf der Ebene der ontologie-basierten Indexierung fort. Strategien für das tatsächliche Indexieren von Web-Inhalten mit Ontologien sind generell noch nicht ausreichend entwickelt, so fehlen auch Richtlinien für ein einheitliches Vorgehen. Experimentiert wird derzeit vor allem mit verschiedenen automatisierten und semi-automatischen Verfahren. Zur Qualitätssicherung muss hier jedoch auch der Nutzer stärker mit in den Prozess einbezogen werden. Ansätze aus dem Bereich des Nutzer-fokussierten Web 2.0 könnten hier wertvolle Impulse liefern.
4. Folksonomy trifft Ontologie: Ein Ausblick auf das Social Semantic Web
Als ein Lösungsansatz für die Probleme des Semantic Web zeichnet sich derzeit die Verbindung von semantischen Technologien mit Web 2.0 (bzw. Social Web) Strategien ab. Man spricht hier von einem Social Semantic Web als neue Zielrichtung. Web 2.0 bezeichnet dabei eine in jüngster Vergangenheit stark zunehmende Tendenz im Internet, Dienste bereitzustellen, die maßgeblich von der aktiven Beteiligung ihrer Nutzer leben. Internetnutzer kommentieren beispielsweise das Tagesgeschehen, schreiben Nutzerberichte oder Lexikonartikel, teilen private Fotos und Videos mit anderen, legen Steckbriefe über sich an und vernetzen sich mit Freunden und Bekannten – und die Internetnutzer indexieren selbst ihre auf den verschiedenen Plattformen eingestellten Inhalte mit Hilfe freier Keywords, sogenannten Tags. Mit dem Social Tagging, dem unkontrollierten Verschlagworten durch Nutzer-Communities ist somit ein neues Indexierungsmodell geboren: die Folksonomie (Peters, 2009).
Durch das völlige Fehlen einer Vokabularkontrolle sowie jeglicher Regeln kann die Folksonomy als Gegenpol zu klassischen Methoden der Wissensrepräsentation aufgefasst werden. Und auch im Vergleich mit Ontologien als Semantic-Web-Indexierung erscheint sie zunächst als völlig konträre Herangehensweise. Letztlich wird jedoch auch das Semantic Web nicht ohne die Einbeziehung von Nutzer-Beiträgen zustande kommen können – und muss sich daher auch mit solchen Alternativlösungen zunehmend auseinandersetzen. Sowohl bei der Erstellung umfassender Ontologien als auch bei ihrer Anwendung auf Dokumente ist die Mithilfe einer interessierten Nutzergemeinschaft von großer Bedeutung. Die Semantic-Web-Forschergemeinschaft befasst sich bereits seit einiger Zeit mit Werkzeugen zum gemeinschaftlichen Ontologieaufbau. Derartige Ansätze werden nun massiv ausgebaut und in verschiedener Hinsicht durch Kombinationen von Semantic und Social Web erweitert werden (Ankolekar et al., 2007; Blumauer & Pellegrini, 2008; Greaves, 2007; Hotho & Hoser, 2007), darunter beispielsweise semantische Wikis (Buffa et al., 2008; Lange et al., 2008) oder Software für semantisches Blogging (Bojars et al., 2008). Die Forschungsfragen sind dabei sinngemäß vor allem ‚Was kann das Semantic Web vom Erfolg des Web 2.0 lernen?’ und ‚Wie können semantische Technologien den Wert von Web 2.0 Angeboten noch steigern?’ (Mika & Greaves, 2008).
Für das Semantic Web-Ziel der Annotation von Webseiten mit semantischen und maschinenlesbaren Metadaten kann das Web 2.0 durch die Einbeziehung der Nutzer dabei vor allem zwei Aspekte beisteuern: Arbeitskraft und das gesammelte Wissen der Community. Die Einbeziehung von großen Internet-Nutzergruppen ist sowohl für den Aufbau von Ontologien als auch in der Indexierung denkbar. Auch die Pflege von Ontologien (z.B. das langfristige Einpflegen neuer Instanzen) kann hierdurch auf einer umfassenden Ebene realisiert werden. Folksonomy-Nutzer haben den Sinn von inhaltsbeschreibenden Metadaten für die Organisation ihrer eigenen Dokumente (darunter auch viele nicht-textuelle Dokumente wie Fotos und Videos) erkannt und wenden Tags zum persönlichen Informationsmanagement an. Wenn es gelingt, den Nutzern auch die Vorteile kontrollierter Vokabulare und ontologie-basierter Schlussfolgerungsmechanismen spielerisch näher zu bringen, ist ein großer Schritt in Richtung des Semantic Web getan. Dies ist natürlich auch nicht ohne Aufwand möglich, insbesondere für die Gestaltung ansprechender Nutzer-Schnittstellen liegen hier einige Herausforderungen. Erste Ansätze finden sich vor allem im Bereich des Tag Gardening (Peters & Weller, 2008b).
Durch die Einbeziehung einer Community kann auch die
Vision einer gemeinsam akzeptierten Bedeutungsebene wieder aufgenommen
werden. Durch die direkte (über Diskussionen) und indirekte
(z.B. über die Auswertung nutzergenerierter Tagging-Daten)
Nutzer-Interaktion kann eine neue Form von „shared conceptualization“
definiert werden.
Die praktische Umsetzung ist auch hier natürlich noch mehr
Vision als Realität, rückt aber zunehmend in das Bewusstsein
der Forschung.
Fazit
Das Semantic Web ist die Vision eines erweiterten World Wide Web, in dem inhaltsbeschreibende, computerlesbare Metadaten eine neue Bedeutungsebene erschließen. In technischer Hinsicht ist das Semantic Web mit verschiedenen Ontologiesprachen, Ontologieeditoren und Reasonern bereits gut ausgestattet. Dennoch fehlt der entscheidende Punkt: ausgereifte, bedeutungstragende Ontologien sowie Strategien für ihre flächendeckende Anwendung im WWW.
Ontologien als Methoden der Wissensrepräsentation bieten zwar eine reiche semantische Grundstruktur, doch ihre weitreichende Anwendung auf das WWW wird derzeit noch durch zahlreiche Schwierigkeiten behindert. Dazu zählen insbesondere der enorme Aufwand, der für die Erstellung komplexer Wissensrepräsentationsmodelle aufgebracht werden muss und die Schwierigkeiten bei der Einigung auf eine gemeinsame Darstellungsform für eine große Nutzer-Community. Auf viel weniger kontrolliertem Wege hat das Web 2.0 mit seinen Folksonomy-basierten Social-Software-Diensten bereits für eine neue Bedeutungsebene im WWW gesorgt. Social Tagging ist der erste Schritt in Richtung einer neuen Web-Navigation basierend auf Wortbedeutungen. Die automatische Integration verschiedener Informationseinheiten z.B. für semantische Suchsysteme kann damit jedoch nicht realisiert werden. Langfristig muss sich das Soziale mit dem Semantischen Web in verschiedener Hinsicht verbinden, so dass nutzergenerierte Basis-Metadaten durch Ontologien in maschinenlesbare Semantik umgewandelt werden können.
Literatur
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Katrin Weller ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung
für Informationswissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt im Schnittbereich
von Web 2.0 und Semantic Web, derzeit arbeitet Sie an ihrer Dissertation
zum Thema "Knowledge Representation in the Social Semantic
Web".