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21 Gute Gründe für gute Bibliotheken?


Zitiervorschlag
Rainer Strzolka, "21 Gute Gründe für gute Bibliotheken?. ". LIBREAS. Library Ideas, 14 ().


Der Anspruch eines Strategiepapiers

Der Berufsverband Information Bibliothek BIB hat im Anschluss an das Scheitern seines Projektes Bibliothek 2007 eine Arbeitsgruppe gebildet, die die Fortführung jenes Gedankengutes organisierte. (http://www.bib-info.de/positionen/bibliothek2012_mai2008.pdf [Ergänzung der Redaktion: aktuelle Version des Dokuments (PDF)]) Es gab zum Entwurf des Strategiepapiers, welches eine Zukunftsversion für alle Bibliotheken entwerfen soll, genau eine Veranstaltung auf dem Bibliothekartag 2008 in Mannheim, und ein Blog zwecks Diskussion (http://bibinfo.wordpress.com/). Dieses Blog blieb wegen Desinteresses der Allgemeinheit wie der bibliothekarischen Öffentlichkeit an diesem Projekt leer, bis Patrick Danowski (http://www.bibliothek2null.de/2008/06/23/bibliothek2012/) auf dessen Existenz hinwies. Danowski wurde zum ersten sachkundigen Kommentator eines Entwurfes, bei dem sich jeder Leser fragen musste, ob Das allen Ernstes das sei, was Bibliothekare der Öffentlichkeit über Bibliotheken zu sagen hätten. Der Entwurf war in seiner Dürftigkeit so bemerkenswert, dass der Doyen der deutschen Bibliothekswissenschaft, Walter Umstätter eine profunde Kritik veröffentlichte (http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg36699.html), die allerdings auch kaum Resonanz fand. Die im Oktober 2008 veröffentlichte endgültige Version gleicht dem Entwurf, der zur Kritik gestellt wurde, bis auf winzige Modifikationen.

Der Anspruch des Strategiepapiers ist nett gemeint. Die Umsetzung wäre eine Katastrophe, könnten Katastrophen banal sein. Wir leben in einem Land, in dem für Bibliotheken wie für Bildung insgesamt immer weniger Geld da ist, obwohl über Nacht 480 Milliarden für notleidende Banken aufgetan werden können. Daran ändern Strategiepapiere nichts, die Nähe zur politischen Phraseologie nicht scheuen.

Die Realität

Was bietet dieses Leitbild? Die offizielle Lesart ist trivial: „Moderne Bibliotheken haben ihren wichtigen Platz in der Mitte der modernen Gesellschaft, sie sind integrierende Partner im Netzwerk von Bildung, Kultur, Forschung und Wissenschaft, sie sind engagierte und professionelle Dienstleister der Informations- und Wissensgesellschaft. Die Menschen haben einen Anspruch auf gute Bibliotheken, die Politik muss dafür sorgen, dass die Bibliotheken angemessen ausgestattet werden.“ Tatsächlich entschuldigt sich das Leitbild fast für die Existenz von Bibliotheken. Bibliotheken kommen bei Politikern als Inhalt für Sonntagsreden und in ihren Streichvorlagen vor. Da Politiker offenbar nicht in Bibliotheken gehen, wäre es sinnvoll, gerade ihnen zu erklären, wozu Bibliotheken gut sind. Diese Chance wurde vertan.

Der bedeutsame erste Satz

Bei einem Roman wäre der erste Satz wichtig dafür, ob man weiter liest: „Bibliotheken? Stimmt. Da gehen ja so viele Leute hin!“ (In der ersten Fassung: „Die gibt's ja auch noch.“). Der Berufsverband der Informationsvermittler befindet, dass Bibliotheken „verbinden“, und zwar Bildungsbürger und Hartz-IV-Empfänger und Schüler und Fußballspieler, Professoren, Muslime und Christen. Die Liste, die der Berufsverband für Bibliotheksbürger aufstellt, liest sich fragwürdig. Sie ist Falschgeld. Es werden Gegensätze genannt, die keine sind. Heute können Professoren zu Hartz-IV-Empfängern mutieren. Warum sollten Muslime keine Bildungsbürger sein können? Und Christen nicht Fußball spielen? Entgegen der Behauptungen der Schrift gehen keineswegs „alle“ in die Bibliothek. Bibliotheken sind ein Ort für Minderheiten.
Die besten deutschen Großstadtbibliotheken hatten in den frühen 80er Jahren circa 15% der Bevölkerung als eingetragene Leser gewonnen und damit ihren Zenit erreicht. Seither geht es mit den Bibliotheken nur bergab. Gute Bibliothekare wissen, dass Bibliotheksarbeit und ihr Wert nicht messbar sind. Sie macht den kulturellen Standard einer Gesellschaft mit aus, aber sie ist nicht quantifizierbar. Wer in die Bibliothek geht, kann sich als Teil einer Gesellschaft fühlen, weiß das Papier. Dies macht Bibliotheken nicht gerade als einzigartige Institution sichtbar.

Bibliotheken haben einen Plan. Und eine Strategie. Aber nicht jeder ist davon überzeugt, dass diese gut sind und aufgehen.

Kommentar zum 1. Guten Grund: 'In die Bibliothek gehen Leute, die ihre Chancen nutzen wollen.', 'Bibliotheken helfen, die drohende Spaltung der Gesellschaft zu verhindern.'

Wir leben in einer Gesellschaft, die für viele Menschen keine Chancen mehr bietet, weil sie den geschlossenen Takt des intellektuellen Gleichschritts als Ideal verfolgt und nicht die Entwicklung individueller Fähigkeiten. Die katastrophale Reform der deutschen Hochschulen ist als ein Symptom zu nennen. Die in der Schrift erwähnten Stadtteilbüchereien werden reihenweise geschlossen. Die Bibliotheken in den „sozialen Brennpunkten“, die die Schrift erwähnt, müssen bisweilen von der Polizei bewacht werden. Wer Bibliothekar in Berlin-Moabit oder -Schöneberg ist, weiß, was soziale Brennpunkte sind, und was Bibliotheken gegen Kriminalität tun können. Die Fachbereichsbibliotheken auf dem Campus, von denen die Schrift schreibt, sind auf der Streichungsliste der Landesregierungen auf den vordersten Positionen.

Die deutsche Gesellschaft ist längst gespalten. Die nächste Frage der Schrift, ob nur noch die Informierten am Fortschritt teilnähmen, ist jesuitisch. Bibliothekare wollen informieren, unterhalten, erfreuen. Bibliotheken auf ihre Informationsrolle zu begrenzen, ist falsch. Sie sind, wenn sie gut sind, sinnliche Anstalten, die das Leben zu verschönern helfen. Wenn sie schlecht sind, sind sie kommerzielle Medienagenturen. Die Werbung für die Internetzugänge der Bibliotheken ist historisch überholt. Einen Kaufzwang für irgendetwas gibt es in Bibliotheken nicht; darin hat die Schrift recht; aber mittlerweile haben sie in der Regel Benutzungsgebühren, die bisweilen mit Betreten des Hauses fällig werden, ohne dass irgend eine Leistung erbracht wurde.

Kommentar zum 2. Guten Grund: 'Damit unsere Kinder lesen. Alle Kinder.'

Die Schrift weiß, dass Lesen nicht nur das ist, was man in der Grundschule macht. Lesen bedeutet, dass Verständnis gefördert, Weiterdenken ermuntert wird. Die Beobachtungen der Berufsbildverfasser verlieren sich auf der semantischen Ebene: Sie gefallen sich in Wortspielen mit „Vor-Lesen“, „Vor-Bild-Sein“, aber nennen keine Alternative für die Kinder, denen Niemand vorliest. Wer zuhause nicht liest, geht auch nicht in die Bibliothek. Es ist sinnlos, Leseprogramme für Migranten zu fordern, die sich auf ihre heimatlichen Fernsehprogramme hin orientieren, anstatt in eine Stadtbibliothek zu gehen, die auf ihre 150 Bände fremdsprachlicher Literatur stolz ist. Die Idee, zum Lesen durch Nachahmung zu ermuntern, ist naiv. Lese-Sozialisation findet im Elternhaus statt, nicht in der Bibliothek. Wenn das Elternhaus 80 Fernsehprogramme als Alternative zur Bibliothek anbietet, steht eine Bibliothek auch mit 1 Million Büchern als Alternative hierzu schlecht da.

Kommentar zum 3. Guten Grund: 'Weil da so tolle Himmelbetten stehen.'

Dieser „Grund“ ist eine der größeren Peinlichkeiten dieser Schrift. In Bibliotheken stehen keine Himmelbetten. Es sind Bibliotheken. Keine Möbelhäuser. Menschen werden in ein Möbelhaus gehen, oder in ein Museum, wenn sie ein Himmelbett sehen möchten. Und nicht in eine Bibliothek.

Kommentar zum 4. Guten Grund: 'Bibliotheken haben jede Menge Migrationshintergrund'

"Woher kommen wir, wohin gehen wir"? Wenn Leitbildkommissionen sich der Philosophie annehmen, wird rasch die Grenze zur Peinlichkeit überschritten. Es ist schön, dass Ayse in der Bibliothek türkische DVDs ausleihen kann, doch findet sie diese auch zu Hause. Was soll Ayse in der Bibliothek? Hinweise darauf, dass sich Ayses Vater in der Bibliothek über die demokratischen Rituale der Landtagswahl informiert, sind eher als Kitsch zu verstehen, als dass sie etwas mit der Realität zu tun haben.

Möglicherweise ist der Terminus „Migrationshintergrund“ auch ganz anders zu verstehen: es ist bekannt, dass mit jeder Migration von Katalogdatenbanken auf neue technische Plattformen zahllose Katalogisate im digitalen Nirwana verschwinden und damit für alle Zeiten unbenutzbare Buchbestände zur Folge haben. In einem Kapitel, welches die Funktion der Bibliotheken für Migranten vorstellt, wäre es sinnvoll, erst einmal vom Miteinander-Sprechen zu schreiben. „Migrationshintergrund“ ist ein Modewort, den sich die Besten der Besten des Bibliothekswesens hätten verkneifen sollen. Integration ist ein Thema für Bibliotheken, aber sie stehen auf verlorenem Posten, wenn sie ihre Angebote damit negativieren, dass sie mit dem Stempel „für Menschen mit Migrationshintergrund“ versehen werden. Politisch mag das ein Schlagwort für Geldgeber sein, aber diese werden durch das Papier nicht erreicht werden. Was fehlt, ist ein Hinweis, dass ausländische Mütter mit ins bibliothekarische Boot geholt werden müssen. Ein Beispiel, an dem sich Bibliotheken leider nicht beteiligten, ist das Projekt „Mama lernt Deutsch.“

Es wird ignoriert, dass Migranten genauso viel oder wenig in Bibliotheken gehen wie vergleichbar gebildete Deutsche. Die Ursachen mangelnder Integration sind zu komplex für diese Schrift. Wer sich hierzu informieren mag, lese nicht dieses Leitbild, sondern die Arbeiten von Bassam Tibi.

Kommentar zum 5. Guten Grund: 'Bibliotheken helfen Forschung und Lehre'

In der Realität werden Bibliotheken abgewickelt und über Etatkürzungen ausgetrocknet, oder aber, wenn sie Geld haben, begeben sie sich in umfassende Abhängigkeit von globalen Verlagskonzernen, die faktisch die Erwerbungspolitik bestimmen. Es ist sehr fraglich, ob das Angebot von Informationsportalen durch Bibliotheken für die Forschung wirklich hilfreich ist, weil solche Portale den Zugang zu Wissen faktisch verengen. Was sie fördern, ist die Bequemlichkeit der Nutzer, die unter einer schlichten Suchmaske à la Google in einer bescheidenen Auswahl von Quellen recherchieren dürfen. Hierdurch wird weder Forschung und Lehre geholfen, noch Informationskompetenz gefördert.

Kommentar zum 6. Guten Grund: 'Bitte, bedienen Sie sich! Wissen für alle ist Demokratie'

Es beruhigt, dass sich jedermann, der keinen Internetzugang zu Hause besitzt, in der Bibliothek Zugang zum Netz verschaffen kann. Den Verfassern ist aber der Durchdringungsgrad der Bevölkerung mit Internetzugängen entgangen. Wer wird den Weg in die Bibliothek auf sich nehmen, um zeitlich und inhaltlich stark reglementierten Internetzugang zu erlangen? In vielen Internetcafés kann man für 50 ct pro Stunde recherchieren und Kaffee trinken, was in den meisten Bibliotheken verboten ist. Was Bibliotheken leisten könnten, wäre der Brückenschlag zwischen gedruckten und elektronischen Informationen. Die Verfasser haben mit dem Satz "Bibliotheken demokratisieren den Zugang zum Wissen. Sie sind ein Grundpfeiler einer freiheitlichen, integrativen, aufgeklärten Gesellschaft" grundsätzlich recht. Nur ist den Politikern dieser Gesellschaft das, was Bibliotheken kosten, offenbar nichts wert. Oder sollte gar politischer Vorsatz in Bibliotheksschließungen liegen? Nur in wenigen Bundesländern haben wir Bibliotheksgesetze, die einen Rechtsanspruch der Bevölkerung auf den Betrieb von Bibliotheken garantieren.

Kommentar zum 7. Guten Grund: 'Bibliotheken sind Allrounder'

Es wird behauptet, Bibliotheken seien Generalisten, die über ihre Kontakte jede Information auch außerhalb ihrer eigenen Bestände beschaffen würden. Ich habe einmal versucht, über eine Stadtbibliothek ein Buch per Fernleihe zu beschaffen. Kein einziger Mitarbeiter dieser Bibliothek wusste, wie so etwas geht, obwohl die Bibliothek an den Deutschen Leihverkehr angeschlossen ist. Vielleicht liegt dies daran, dass die Leiterin der Bibliothek auch Allrounderin ist. Aus Ersparnisgründen hat die Stadtverwaltung eine einzige Person eingestellt, die für ein trostloses Gehalt Museum, Archiv und Bibliothek der Stadt leitet – und für keine dieser Funktionen eine adäquate Ausbildung hat. Sie ist Allrounderin.

Kommentar zum 8. Guten Grund: 'Bibliotheken sind Spezialisten'

Es ist schwierig, sich innerhalb von 7 Druckzeilen zu widersprechen. Diese Schrift vermag dies aber: Der Allrounder ist das Gegenbild des Spezialisten. Auch hier nur Herumgeschreibe auf der semantischen Ebene: die Bestände der Deutschen Krimibibliothek in Bremen werden als „spannender“ beschrieben als jene des Händel-Hauses in Halle. Dabei ist für einen Händel-Forscher vielleicht nichts so öde, wie einer der Bremer Kriminalromane. Eine Spötterin stellte auf dem letzten Bibliothekartag in Mannheim zwischen zwei Veranstaltungen fest, dass die Leitbildautoren hier ihre Hausbibliotheken vorgestellt hätten. Mehr nicht.

Kommentar zum 9. Guten Grund: 'Bibliotheken sind nicht kommerziell'

Auch wenn Bibliotheken sich frei im Wissenskosmos orientieren sollten, so haben sie heute ihre Erwerbungspolitik in die Hände von Buchhändlern und Verlagen gelegt. Der viel benutzte Aufsatznachweisdienst „Online Contents“ gehört einem internationalen Verlagskonzern, der nur das nachweist, was er auch verkauft. So etwas ist nicht die Landschaft des menschlichen Geistes, sondern kommerzielles Kalkül. Es gibt eine Vielzahl von kleinen, unabhängigen Zeitschriften, die für deutsche Bibliotheken gar nicht mehr nachgewiesen werden, weil sie der multinationale Grossist nicht am Lager hat. Gefördert wird eine Einheitskultur, in der lieferbar ist, was gängig ist. Wenn man Google – zu Recht – vorwirft, die Welt nach kommerziellen Gesichtspunkten glatt zu bürsten, so sollte man nicht ignorieren, dass die Bibliotheken sich an dieser Entwicklung beteiligen, statt ihr entgegenzuwirken. Fremdinformationen zu kaufen ist bequem, aber nicht demokratiefördernd. Demokratie lebt von Vielfalt.

Kommentar zum 10. Guten Grund: 'Aber Bibliotheken sind wirtschaftlich'

Die Verfasser des Leitbildes erfreuen sich an der Verwendung betriebswirtschaftlicher Instrumente in der Bibliotheksarbeit: „Wer dort arbeitet, hat sich längst ans Rechnen und Kalkulieren gewöhnt, an Begriffe wie Controlling, Marketing, Qualitätsmanagement, Benchmarking, Kosten- und Leistungsrechnung.“

Vielfach sorgt ein so genanntes Qualitätsmanagement dafür, dass Nichtbibliothekare sich in Vorgänge einmischen, von denen sie nichts verstehen. Marketing führt dazu, dass aus Steuermitteln finanzierte Dienstleistungen an die Steuerzahler ein zweites Mal verkauft werden, damit Bibliotheken Geld verdienen – ein Prinzip, welches vor 10 Jahren noch als völlig absurd für eine Demokratie angesehen wurde. Kosten- und Leistungsrechnung führt dazu, dass Bibliotheken Dienstleistungen an Benutzer delegieren und trotzdem Geld dafür verlangen. Es wird üblich, dass jemand, der eine Fernleihe tätigt, selbstständig den Leitweg für die Fernleihbestellung festlegt und das volle Risiko trägt, wenn er verquaste Einträge in Verbundkatalogen nicht richtig interpretiert. Die Bibliotheken sollten nicht dem Kurs der Bahn folgen, die für immer mehr Geld immer mehr Leistungen des Kunden fordert, anstatt welche zu erbringen.

Die Findigkeit der Bibliothekare, „unsichtbar“ zu sparen, die die Schrift so sehr anpreist, besteht in der Praxis darin, das kulturelle Erbe nicht mehr zu pflegen. Zeitschriften, die seit einem Jahr nicht von teuer zahlenden Fernleihkunden bestellt wurden, werden von manchen Bibliotheken gekündigt. Die deutschen Bibliotheksbestände verwandeln sich somit nach und nach in fragmentierte Sammlungen Altpapier, weil der Gedanke von Sammlungskontinuität, der die deutschen Bibliotheken früher so stark machte, sich in Auflösung befindet. „Aber Bibliotheken sind wirtschaftlich“ ist ein Todessatz für das deutsche Bibliothekswesen, weil er zwangsläufig falsch verstanden wird. Politiker verstehen unter „wirtschaftlich“ entweder „billig“ oder „lobbypolitisch“. Um auch Politiker anzusprechen, wäre es sinnvoll gewesen, darauf hinzuweisen, dass jeder in Bibliotheken investierte Euro 5,60 € erwirtschaftet (Sandra Blanck: Wert und Wirkung von Bibliotheken. In: Neues für Bibliotheken, Neues in Bibliotheken. - Wiesbaden : Dinges & Frick, 2006. [B.I.T.online- Innovativ ; 12, Innovationspreis 2006].). Dies beschreibt dennoch nicht den Wert von Bibliotheken. Eine Demokratie muss sich Kosten, wie die für eine öffentliche Infrastruktur, mit guten Bibliotheken leisten, auch wenn sie nicht wirtschaftlich ist. Sie ist aber menschenfreundlich. Es ist besser, den Wert, als den Preis von etwas zu kennen.

Kommentar zum 11. Guten Grund: 'Prima Klima in der Bibliothek'

Gutes Klima ist kein Grund, in eine Bibliothek zu gehen. Abgesehen davon sind die meisten Bibliotheksräume, die der Verfasser je betrat, vom Raumklima her betrachtet, alles andere als angenehm. Vom Betriebsklima wollen wir schweigen.

Kommentar zum 12. Guten Grund: 'www.schon-bist-du-in-der-bibliothek.de!'

www.schon-bist-du-in-der-bibliothek.de [führt aktuell zu einem PDF, 12.03.2009] ist kein Grund, sondern eine Adresse des katholischen Borromäusvereins. Am Beispiel des Übersetzers Klaus Binder wird gezeigt, dass man fast aus Versehen in einer Bibliothek landet, wenn man in der umstrittenen Wikipedia recherchiert. Hier wird deutlich, wie sehr sich die Bibliothekare darum bemühen, ihre eigene Leistung unsichtbar zu machen und ihre Bibliotheken im Cyberspace zu versenken. Es sind die Bibliothekare selbst, die sich darum bemühen, ihre Arbeit zu verstecken. Es wundert nicht, wenn Politiker diesen devoten Zug eines ganzen Berufsstandes ausnutzen und Mittel kürzen, wo immer es geht.

Die Suggestion des Leitbildes, man könne die Internetleistungen von Bibliotheken ohne Registrierung nutzen, ist Irreführung des Lesers. Auch wenn man nicht gerade für Portale schwärmt, so gibt es doch zahlreiche: ViFas, Vascoda, BASE, Deutsche Internetbibliothek. Viele dieser Portale sind kostenpflichtig. Sie verlinken allerdings häufig nicht einmal untereinander.

Die Bibliotheken werden es schwer haben zu argumentieren, dass ihre Dienstleistungen kostenpflichtig seien, weil sie geprüfte Qualität enthielten. Die Archive von großen Zeitschriften und Zeitungen, wie Spiegel, Focus, New York Times, sind geöffnet und kostenlos verfügbar. Sind deren Inhalte ungeprüft? Es gibt eine boomende Zahl von Watch- und Wissenschaftsblogs, die direkt von Wissenschaftlern und Autoren betrieben werden, die sich dem kommerziellen Mainstream entziehen. Selbst erfolgreiche Mainstreamautoren wie Paulo Coelho stellen ihre Bücher zum kostenlosen Download ins Netz. Dies macht es den Bibliothekaren schwer zu begründen, weshalb sie beispielsweise für die Entleihung von Bestsellern besonders hohe Benutzungsgebühren erheben. Es gibt zunehmend kostenlose elektronische Informationen, die so valide sind, wie die aus gedrucktem Material. Bibliothekare könnten Lotsen zu solchen Angeboten sein.

Kommentar zum 13. Guten Grund: 'Das Beste in der Bibliothek: die Bibliothekarin!'

Selbstverständlich organisieren, beraten, erwerben, erschließen und vermitteln Bibliothekarinnen. Die Verfasser streuen hier Klischees, die klingen, wie aus Frauenromanen ausgeschnitten. Es war eventuell keine gute Idee, die Redakteurin verschiedener Frauenzeitschriften mit der Arbeit an diesem Statuspapier zu beauftragen. Bibliotheken sind keineswegs mehr Frauendomäne. Richtig ist, dass Technik die Bibliotheken revolutioniert hat, aber die Behauptung, die Bibliothekarinnen steuerten heute die technische Entwicklung, ist Wunschdenken.

In der Regel hat das Personal der Bibliotheken keine Entscheidungsmöglichkeiten über beschaffte Technik; bibliotheksspezifische Belange werden von der IT oft nicht erfüllt. Bibliotheken sind kein Markt für Software-Entwickler. Was in Bibliotheken zur Anwendung kommt, ist in der Regel modifizierte Software, die für ganz andere Anwendungen entwickelt wurde. Bibliotheken werden von den Möglichkeiten der EDV gestaltet. Bibliothekare steuern nicht die technische Entwicklung, sondern sind ihr ausgeliefert. Es gibt Bibliotheken, in denen der Leiter der EDV besser bezahlt wird, als der Direktor. Diese Bibliotheken sind Anhängsel von Rechenzentren. Bei aller Freude am Elektronischen fällt es mir schwer zu vergessen, dass die letzte Fachangestellte für Medien- und Informationsberufe, die ich traf, niemals auch nur den Namen Bert Brecht gehört hatte. Wenn die das Beste war, was die Bibliothek zu bieten hatte, dann kaufe ich mir meine Bücher künftig wieder selber. Meine Buchhändlerin kennt Brecht.

Kommentar zum 14. Guten Grund: 'In der Bibliothek werden Sie fündig. Ganz bestimmt'

In diesem Kapitel wird wieder die Informationsmonokultur von Wikipedia und Google vorgeführt. Ich hatte einmal, um meiner Tochter den Wert der Wikipedia zu präsentieren, die Familienkatze nebst Bild eines Schimpansen als Präsidenten der USA in die Wikipedia eingepflegt, was wochenlang dort so stehen blieb – eine schlichte Fehlinformation, die aber kaum jemanden störte. Das berühmte Bild Caspar David Friedrichs mit dem Gipfelkreuz wird in der Wikipedia kommentiert mit „Auf dem Berg steht ein Schwert.“ Obwohl eindeutig kein Schwert, sondern ein Kreuz zu sehen ist.

Auf eine sogenannte Enzyklopädie zu verweisen, die von Willkür durchsetzt ist, ist für ein bibliothekarisches Leitbild fatal. Bibliotheken bieten geprüfte Informationen. Die Wikipedia ist beliebig.

Kommentar zum 15. Guten Grund: 'Bibliotheken sind gut'

Diese Aussage ist richtig, und so schlicht wie die Aussage, dass Frauen auch Menschen seien. Sinnfrei ist das Leitbild auch, wenn auf Umfragen unter Bibliotheksbenutzern verwiesen wird, welche die „Bibliothek gut“ finden. Die Aussagekraft solcher Umfragen ist so gering, wie jene der Internetportale, wo Menschen selbst gekaufte Produkte bewerten. Faktisch geht es dort um eine nachträgliche Rechtfertigung einer Kaufentscheidung. Jemand, der 30 Euro für einen Bibliotheksausweis bezahlt hat, wird dies nicht ohne Grund tun, sondern weil er die Bibliothek braucht. Es liegt nahe, dass er dann auf Bibliotheken gut zu sprechen sein wird. Es wäre sinnvoll zu untersuchen, warum wahrscheinlich 70% der deutschen Bevölkerung in ihrem ganzen Leben noch nie eine Bibliothek betreten haben.

Kommentar zum 16. Guten Grund: 'Bibliotheken haben Bücher

In diesem Abschnitt findet sich ein dunkler Satz: „Bücher sind altes Denken.“ Dies ist Unsinn. Bücher sind Bücher und kein altes Denken. Internet ist auch kein neues Denken, sondern ein Medium, so wie ein Buch ein Medium ist; dass alte wie neue Gedanken befördern kann oder auch gar keine. Bücher tragen Inhalte. Das Denken findet im Autor und in dessen Leser statt. Wirr ist die Argumentationskette dieses Kapitels, die einerseits darauf abhebt, dass Bibliotheken Bücher haben, die als Medium einzigartig seien, und dann feststellt, wir bräuchten digitale Bibliotheken - also solche, die gerade völlig buchfrei sind. Digitale Daten zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass sie gar keinen körperlichen Träger mehr haben. Sie sind nicht einzigartig, sie sind beliebig kopier- bzw. klonbar.

Kommentar zum 17. Guten Grund: 'Bibliotheken haben Überraschungen'

An dieser Aussage zweifelt niemand, und so ist der 17. Gute Grund einer, der den Verfassern des Leitbildes gut gelungen ist.

Kommentar zum 18. Guten Grund: 'Bibliotheken haben System'

„Das haben sie so an sich.“ Ein seltsamer Satz als Eröffnung dieses Kapitels. Es ist schön, daran zu erinnern, dass Bibliotheken miteinander vernetzt sind, und dass kleine Bibliotheken auf dem Land durch immer weniger Fachstellen betreut werden.

Der Satz „Öffentliche Bibliotheken und Hochschulbibliotheken arbeiten zusammen und erfüllen nun gemeinsam den Anspruch, allgemein zugängliches Wissen für alle verfügbar zu machen“ klingt gut. In der Realität hat der interessierte Bibliotheksbenutzer den Eindruck, dass es sich bei öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken fast um verfeindete Organisationsformen menschlichen Lebens handeln müsse. Daran hat auch die Schaffung eines gemeinsamen Berufsverbandes nichts geändert. Die Realität des deutschen Bibliothekswesens ist noch von gegenseitigem Dünkel geprägt. Mit den Bereichen Archiv und Dokumentation existiert überhaupt keine Kommunikation. Die Diskussion, ob „öffentliche“ oder '“wissenschaftliche“ Bibliotheken für eine Gesellschaft wichtiger seien, ist mehr als einhundert Jahre alt. Und sie ist noch immer falsch.

Es ist schön, darauf zu verweisen, dass die Universitätsbibliothek Göttingen Dissertationen aus Dresden „aufspürt“; aber es ist verfehlt, so zu tun, als wäre die Dresdner Bibliothek ein chaotisches Mysterium, welches einer Erspürung bedürfe. Jedermann kann Dresdner Dissertationen auch alleine finden und bedarf dafür nicht der Hilfe der Göttinger Universitätsbibliothek. Dresdner Dissertationen sind gewöhnliches Schriftwerk, welches in Verbundkatalogen nachgewiesen ist, die öffentlich zugänglich sind.

Es wäre redlich gewesen zu erwähnen, dass es in Deutschland noch ungeheure Mengen an Literatur gibt, die keineswegs in den Online-Katalogen der Bibliotheken zu finden ist, sondern in abgelegenen Magazinen schläft und nur durch Kapsel-, Band- oder Zettelkataloge erschlossen ist. So zu tun, als wären die deutschen Bibliotheksbestände komplett online recherchierbar, ist unrichtig. Sehr wahrscheinlich gibt es keine einzige deutsche Bibliothek, deren Bestände vollständig elektronisch erfasst sind.

Kommentar zum 19. Guten Grund: 'Bibliotheken helfen schreiben'

Auch hier: Kein Grund, sondern pure Trivialität, ebenso wie die Antwort des Journalisten Ralf-Peter Märtin auf die Frage, weshalb er in der Bibliothek lese: „Na, erstmal wegen der Bücher.“ Dagegen gibt es keinen Einwand. Der erwähnte Service, dass eine Bibliothek per Mail an ablaufende Leihfristen erinnert, ist trivial und üblich. Ist eine solche Leistung ein Grund, in einem Statuspapier zur Bedeutung von Bibliotheken für eine Gesellschaft erwähnt zu werden?

Kommentar zum 20. Guten Grund: 'Bibliotheken retten Bücher'

Es ist zweifellos richtig, dass Bücher zerfallen. Es ist ebenso richtig, dass Bibliothekare vieles für die Rettung von Büchern tun, indem sie Papier entsäuern lassen. Tatsächlich vernichten Bibliothekare aber auch jeden Tag Bücher, teils aus aberwitzigen Gründen. Es gibt Bibliothekare, die makulieren alle Titel, die nicht in Datenbanken nachgewiesen sind. Sie ignorieren, dass keine Datenbank der Welt alles nachweist, was von Bedeutung ist. Sie ignorieren, dass keine Datenbank der Welt vollständig ist. Sie ignorieren, dass Datenbanken interessengebunden sind. Sie ignorieren, dass Datenbanken im Wandel sind und heute andere Inhalte nachweisen, als morgen. Sie ignorieren auch, dass die Bestände, die sie heute makulieren, morgen in Datenbanken nachgewiesen sein könnten, würden sie nicht von Bibliothekaren makuliert werden. Es gibt allerdings keinen Bibliothekar in Deutschland, der nicht gegen Bücherverbrennungen wäre. Aber Bücher unsichtbar zu machen, ist Teil ganz normaler Geschäftsgänge.

Es trifft zu, dass Bibliotheken sich darum bemühen, Bücher zu digitalisieren. Hierin besteht eine der größten Fehlleistungen bibliothekarischer Arbeit. Nicholson Baker hat die Probleme der Digitalisierung in „Double fold: Libraries and the Assault on Paper“ (New York : Random House, 2001; dt.: Nicholson Baker: Der Eckenknick, oder wie die Bibliotheken sich an den Büchern versündigen. – Reinbek : Rowohlt, 2005) eindringlich dargestellt. Digitalisierung rettet keine Bücher. Digitalisierung rettet nicht einmal Texte. Die Halbwertzeit von digitalen Dokumenten ist erheblich kleiner als die von gedruckten Texten. Niemand weiß, wie lange digitale Medien lesbar sein werden. Die optimistischsten Schätzungen der NASA gehen von maximal 30 Jahren aus. Anschließend ist alles, was digitalisiert wurde, unwiederbringlich zerstört. Selbst ein Taschenbuch aus den 70er Jahren ist heute noch lesbar – ohne jede Technik. Die Digitalisierung von Texten rettet nichts, vor allem dann nicht, wenn die Originalquellen anschließend von den Bibliothekaren zerstört werden. Wer über die Zerstörung von Schriftquellen durch Bibliothekare lesen möchte, der lese Nicholson Baker. Die Digitalisierung von Büchern vernichtet mehr menschliches Wissen als die Mikroverfilmungswelle vor 40 Jahren.

Kommentar zum 21. Guten Grund: 'Bibliotheken sorgen für Ordnung'

Auch dies ein Kapitel mit einem dunklen ersten Satz: "Das Internet ist ein großes Durcheinander. Das ist schon in Ordnung so." Bitte? Das Internet ist kein großes Durcheinander, sondern ein System, welches nur aufgrund hyperexakter mathematischer Algorithmen funktioniert. Wenn man ein großes Durcheinander sehen möchte, dann schaue man sich eine juristische Bibliothek an, aber nicht das Internet, welches ja auch nicht anschaubar ist. Die Bilanz des Kapitels ist falsch, aber für den populären Geist verständlich, wenn Bibliotheken als optimiertes Internet behauptet werden.

Allerdings ist dieses Resumée von den Verfassern recht spät aufgefunden worden: besser formuliert wurde diese Erkenntnis schon von Robert Musil und Paul Otlet publiziert. Rätselhaft ist der Ausdruck "Bibliothekswissen", der in dem Text vorkommt: Ist Bibliothekswissen das Wissen, welches in Bibliotheken schlummert? Ist Bibliothekswissen das Wissen über Bibliotheken? Was hat Bibliothekswissen mit Bibliothekswissenschaft zu tun?

Fazit einer vertanen Chance

Der Leser, wie auch viele Bibliothekare, fragen sich, weshalb so viele Trivia in Kommissionsarbeit erarbeitet werden mussten, die Steuergelder kosten und besser in Bücher investiert worden wären. Die 21 Gründe können inhaltlich auf sehr wenig Inhalt in drei Sparten reduziert werden:

1. Bibliotheken sind Teil des gesellschaftlichen Netzwerkes (Grund 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 14, 16, 18, 19, 20, 21)

2. Bibliotheken fördern Bildung (Grund 2, 5, 6, 7, 8, 14, 16, 18, 19, 20, 21)

3. Bibliotheken sind wirtschaftliche Institutionen (Grund 9, 10, 13, 14, 18, 20)

Die Verfasser dieses Statuspapiers haben eine Chance vertan und sich damit in die Galerie früherer bibliothekarischer Berufsbildverfasser stimmig eingefügt. Es scheint, dass bibliothekarische Berufsbilder gerne von Menschen geschrieben werden, die keine praktische Bibliotheksarbeit leisten. Zahllose Allgemeinplätze lenken vom schlechten Zustand unserer Bibliotheken ab. Bibliotheken haben starke Vorteile, von denen nicht die Rede ist in diesem Papier. Die Stärke der Bibliothek liegt im Gegensatz zu Internet-Recherchen darin, dass sie mehrere persönliche Schnittstellen hat und Quellenkritik erleichtert, wovon in diesem Papier überhaupt keine Rede ist. Es scheint fast so, als hätten die Verfasser ein schlechtes Gewissen, weil sie noch Gedrucktes hüten. Auch Bibliophilie ist ein Produkt der Bibliothek als einem Ort der Bildung, der Kultur und des Wissens.

Die Bedeutung des Internet ist groß, wird aber für eine Wissensgesellschaft übertrieben. Das Internet ist Teil der Informationsgesellschaft, was etwas völlig anderes ist.

Web 2.0 hat sich bislang als Hype erwiesen. Es gibt keine Gründe dafür, dass sich Bibliothekare zum Bibliothekar 2.0 wandeln sollten. Bibliothekare sind nicht verpflichtet, sich einem Marketing-Gag auszuliefern. Es gibt keinen Grund, Kataloge zu führen, die wie die eines Internetversandhauses aussehen und ebenso schlechte Retrieval-Ergebnisse bieten.

Der Text ist auf öffentliche Bibliotheken fokussiert. Wissenschaftliche Bibliotheken spielen als Verleger mittlerweile eine Rolle, was nicht erwähnt wird. Wir alle wissen, dass Bibliotheken keine Lobby in Deutschland haben. Es gibt aber auch keinen Grund, sich über sie lustig zu machen. Genau dies tut dieses Leitbild aber. Und es hilft auch nicht zu klären, wer den Bibliothekaren helfen soll, wenn sie ihre Häuser für soziale Randgruppen öffnen, die die Bibliothekstoiletten zu Drogenverkaufsstätten umwidmen.

Das Statuspapier tut so, als wären Bibliotheken isolierte Einrichtungen. Es gibt keine Hinweise auf eine Zusammenarbeit mit anderen Bildungseinrichtungen. Es ist nicht einmal klar, wer als Leser angesprochen werden soll. Es werden keine Nutzer von Bibliotheken angesprochen, weil das Papier nicht wirklich veröffentlicht wird. Es werden keine Geldgeber angesprochen. Nicht einmal Bibliothekare werden erreicht. Das Statuspapier vermittelt auch keine verständliche Botschaft. Es tanzt auf vielen Hochzeiten; es suggeriert: Bibliothekare sind arme Menschen, die Unterstützung brauchen. Bibliothekare sind unentbehrlich, was aber niemand bemerkt. Bibliotheken sind in Wirklichkeit vielfältige Bildungseinrichtungen. Bibliotheken sind Treffpunkte mit reizvollen Möglichkeiten als Lernort, Spielwiese und als traditionelle Einrichtung Träger einer bürgerlichen Tradition.

Bedauerlich ist, dass die Kritik an den groben Unzulänglichkeiten der Vorabversion des Papiers nicht berücksichtigt wurde; es wurden lediglich Petitessen verändert. Es bestand offenbar wenig Interesse an einem Dialog mit den bibliothekarischen Praktikern von Seiten der Autoren dieses Papiers. Vieles an dem Papier ist stilistisch missglückt und klingt sarkastisch. Es fragt sich, wo die Experten für Hochschulbibliotheken an diesem Papier mitwirkten. Professionelle Bibliothekare werden sich hüten, mit dieser Reklamebroschüre für die Sache der Bibliothek Werbung zu machen. Dieses Statuspapier ist genauso verfehlt, wie alle früheren Versuche bibliothekarischer Berufsbilder. Gute Bibliotheken sind die beste Werbung für sich selbst. Was Politiker allerdings nicht berührt.