> > > LIBREAS. Library Ideas # 13

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Librarian versus Technopagan - „Buffy the Vampire Slayer“ und das Rollenbild des Bibliothekars

Der Aufsatz widmet sich der Folge 1.08 'I, Robot... You, Jane' der Fernsehserie 'Buffy the Vampire Slayer'. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit die in der Folge gezeigten Charaktere des Rupert Giles, Schulbibliothekar der Sunnydale High, und Mrs. Calendar, Informatiklehrerin, sich gegenüber der modernen Rolle des Bibliothekars verhalten. Nach einer allgemeinen Einführung in die Serie und einer Schilderung des Plots der Folge zeigt der Autor auf, welche Positionen Rupert Giles und Mrs. Calendar jeweils vertreten. Abschließend diskutiert der Autor auf der Basis der dargestellten Rollenbilder Anforderungen an moderne Bibliothekare.


Zitiervorschlag
Christian Spließ, "Librarian versus Technopagan - „Buffy the Vampire Slayer“ und das Rollenbild des Bibliothekars. ". LIBREAS. Library Ideas, 13 ().


„Man muss nicht alles wissen. Man muss nur wissen, wo man es nachschlagen kann. Das Studium des Bibliothekswesens hilft bei der Umsetzung dieser alten Wächterweisheit. Außerdem sorgt es dafür, dass sich Wächter ihr manchmal doch etwas karges Gehalt durch eine Nebentätigkeit in Leihbüchereien, Schulbibliotheken oder Museen aufbessern können.“ [Fn1]

„Buffy the Vampire Slayer“ (BtVS), die Serie, die auf dem gleichnamigen Film von Joss Whedon basiert, schaffte etwas, was in der Popkultur selbst schon ein Phänomen ist: Als die 1997 gestartete Serie im Jahr 2004 in den USA zu Ende ging, hatte sie es auf sieben Staffeln und eine Spin-Off-Serie gebracht. Universitäten in den USA bieten Vorlesungen zur Serie an, etliche Essay-Bände und wissenschaftliche Artikel sind über „Buffy the Vampire Slayer“ erschienen und die Wiederholung einer Fernsehfolge lockt immer noch zahlreiche Zuschauer vor den Bildschirm. [Fn2] Diese Zuschauer sehen in fast jeder Folge einen Bibliothekar, der nur teilweise dem Rollenbild eines Bibliothekars entspricht, dass durch die Filme und Serien vorgegeben wird. Im Folgenden wird anhand der achten Folge der ersten Buffy-Staffel „I, Robot... You, Jane“ zu zeigen versucht, inwieweit die Figur des Rupert Giles dem traditionellem Rollenbild des Bibliothekars entspricht und inwieweit sie mit den Anforderungen an den heutigen Beruf korreliert.

„In every Generation there is a chosen one“ – das Universum von „Buffy the Vampire Slayer“

Die Serie erzählt die Geschichte von Buffy Summers, die mit ihrer geschiedenen Mutter Joyce in die fiktive kalifornische Kleinstadt „Sunnydale“ zieht. Dort erfährt Buffy, dass der neue Schulbibliothekar Rupert Giles ihr als „Watcher“ zugeteilt worden ist. Denn Buffy Summers ist „The Slayer“, die Eine, die in jeder Generation auserwählt wird, um gegen die Mächte der Hölle zu kämpfen. Ausgebildet wird der jeweilige Slayer von dem ihm zugeteiltem Watcher. Im Laufe der Serie werden die Zuschauer erfahren, dass es den Watchers' Council und jeweils mehrere potentielle Kandidatinnen für den Job des Slayer gibt.

Während traditionellerweise der Slayer allein arbeitet, ist es bei Buffy anders. Denn „Sunnydale“ ist überhaupt nicht so sonnig wie es den Anschein hat – die Kleinstadt ist der Sitz des „Hellmouth“, eines Tores zur Hölle oder zu einer Höllendimension. Die Ausstrahlung dieses Höllenschlundes lockt die Mächte der Finsternis an. Und so muss sich Buffy im Laufe der Serie nicht nur mit den titelgebenden Vampiren auseinandersetzen, sondern mit bösen Wesen aller Art. Und dies tut sie mit ihren Freunden Xander und Willow und dem „guten“ Vampir Angel. Im Laufe der Serie werden etliche Charaktere zu dieser „Scooby-Gang“ oder den „Slayerettes“ dazu kommen: Die Cheerleaderin Cordelia Chase, der freundliche Werwolf Oz, die gute Hexe Tara sowie die Informatiklehrerin Mrs. Calendar sind nur einige davon.

Nach einem wieder kehrenden Muster gibt es in jeder Staffel von BtVS einen Hauptgegner, der im Staffelfinale besiegt wird. Während jede Staffel für sich genommen einen abgeschlossenen Handlungsstrang erzählt, unterbrochen von etlichen Nebenhandlungen, verfolgen die Macher von „Buffy“ zwar keinen umfassenden Gesamtplan, es gelingt ihnen aber dennoch eine große Geschichte zu erzählen: Die Entwicklung Buffy Summers vom Highschool-Girl zur Studentin und schließlich zur erwachsenen Frau. Und dies mit allen Fehlern und Konsequenzen, die eine solche Entwicklung nach sich zieht. Die Serie bringt den Zuschauer zum Lachen, zum Weinen und zum Entsetzen – und das alles meistens in einer Folge. Deswegen ist eine Schubladencharakterisierung von BtVS schlecht möglich – vielleicht bringt es am ehesten diese Formulierung auf den Punkt: BtVS ist eine Teenie-Horror-Action-Dramedy, die dem Zuschauer durchaus ein gewisses Maß an Intelligenz abverlangt.

Die Sunnydale Highschool Library - Architektur und Aufbau

Die Schulbibliothek der Sunnydale High fungiert in der Serie als Zentrale und Trainingplatz für die “Scooby-Gang“. Betritt der Schüler der Sunnydale Highschool durch die Schwingtüren mit den zwei „Bullaugen“ die Bibliothek, so steuert er auf das halbkreisförmig angelegte Zentrum der Bibliothek zu. Rechts vom Eingang befindet sich die Theke, hinter ihr die Tür, die zum Büro des Bibliothekars führt. Neben der Theke befindet sich ein Arbeitstisch mit einem PC. Gegenüber auf der linken Seite ist der so genannte „Book Cage“ platziert, in dem der Bibliothekar die Rara der Bibliothek verwahrt. Dass der „Book Cage“ auch vorübergehend dazu dient, den Werwolf Oz, Willows Freund, für drei Tage im Monat zu beherbergen, lässt die Frage offen, wie die Raritäten der Bibliothek dort geschützt sind. Ein Schlitz im „Cage“ dient der Rückgabe der selteneren Werke. Ebenfalls im Book Cage ist ein Zettelkatalog. Der Halbkreis, auf den man automatisch zuläuft, dient als Arbeitsfläche. Hier wird recherchiert: für das Schreiben von Schulaufsätzen zum Thema Bosnien ebenso wie zum Thema „Wie erledige ich den Dämonen eigentlich am Besten“.

Eine Ebene höher, die man durch zwei Treppen rechts und links des Arbeitsbereiches erreicht, beginnen die Bücherregale. Da Giles in der Folge „Nightmares“ etwas verblüfft davon murmelt, dass er sich in den Regalen verlaufen habe, kann dieser Bereich der Bibliothek nicht gerade unübersichtlich sein. Im Finale der dritten Staffel „Graduation Day, Part Two“ sieht man diese Hypothese bestätigt. In dieser sortieren der Wächter Wesley und Cordelia Bücher in Kartons, die sie vor der Zerstörung der Bibliothek – und auch der Schule – im Staffelfinale der dritten Staffel retten wollen. Erwähnenswert ist noch das Oberlicht, das direkt über dem halbkreisförmigem Recherchebereich angebracht ist und somit einen Zugang zur Bibliothek über das Dach erlaubt. Eine Tatsache, die in der Folge „Prophecy Girl“ ins Bewusstsein gerufen wird, wenn der "Master“, ein uralter Vampir und Buffys Nemesis der ersten Staffel, durch dieses Oberlicht in die Bibliothek fällt und dabei durch einen Balken gepfählt wird. Und wer es bis zu dieser Folge der Serie vergessen hatte: Die Bibliothek befindet sich direkt oberhalb des Hellmouths.

Trotz des Hellmouth ist die Bibliothek in BtVS aber kein Ort der Düsternis oder des Schreckens wie zum Beispiel in den Harry-Potter-Romanen. Durch das überwiegend in warmen Brauntönen gestaltete Innenleben, durch die bequemen Sessel, in denen die Charaktere mehr als eine Nacht verbringen, sowie durch die Lichtgestaltung in Form des Oberlichts und die warmen Lampen auf den Tischen des Arbeitsbereiches genau unterhalb dieses Oberlichts ist die Bibliothek für die “Scoobie-Gang“ mehr als eine Kampfzentrale – sie ist genau genommen eine Art Ersatzheim. Dabei stellt Giles in gewisser Weise auch den Ersatzvater für Buffy dar; und nicht nur für sie. Wenn ein Problem auftaucht, das mit Magie verbunden ist, ist der erste Impuls der Charaktere, Giles zu befragen.

Moloch, Computer, Bücher – Die Folge „I, Robot... You, Jane”, eine Nacherzählung

Italien, 1418: Der Dämon Moloch ist von seinen Jüngern umgeben. Gerade hat er einen von ihnen umgebracht, als Mönche mit dem Ritual des Circle of Kayless beginnen, um den Dämon in ein Buch zu bannen. Was hervorragend gelingt: die Mönche verschließen das Buch in einer Kiste und hoffen, dass es nicht so bald wieder geöffnet wird. Schnitt.
Sunnydale, 1997: Buffy entnimmt das Buch mit dem Profil Molochs auf dem Einband aus der Kiste. Sie, Willow, Xander und einige andere Schüler sind in der Bibliothek dabei einige alte Texte einzuscannen. Etwas, was Rupert Giles nun gar nicht recht ist, da er eine Aversion gegen die „idiot box” hegt. Mrs. Calendar, die Informatiklehrerin, liefert sich mit ihm deswegen einen Wortwechsel, in dem Fritz, einer der Schüler, eingreift: Informationen sind seiner Meinung nach nicht mehr länger an die gedruckte Form gebunden und nur, wenn man online ist, ist man wirklich real. Eine Überzeugung, die Mrs. Calendar zwar so nicht teilen kann, aber in der sie doch eine Menge Wahres findet; im Gegensatz zu Rupert, der der modernen Technik mehr als nur misstraut. Das Moloch-Buch ist währenddessen versehentlich auf dem Stapel von Willow gelandet. Nachdem die anderen gegangen sind, scannt sie die Schrift in den Computer ein und bemerkt nicht, dass diese dabei verschwindet. Nachdem Willow ebenfalls die Bibliothek verlassen hat, bilden sich auf dem Monitor die Textzeilen „Where am I?”.

Eine Woche später spricht Buffy Willow auf ihr verändertes Verhalten an – Willow scheint aufgeblüht und glücklich. Kein Wunder, sie hat jemanden kennengelernt: Malcolm. Auf die Fragen von Buffy wie er denn aussehe, wo er wohne und wie er so sei, meint Willow nur, dass sie es nicht wisse. Sie hat Malcolm in einem Online-Chatroom kennengelernt. Buffy gönnt Willow zwar ihre Freundschaft mit Malcolm, aber sie ist auch skeptisch, was Willow nun wiederum nicht unbedingt versteht. Buffy versichert Willow, dass sie nur wissen möchte, ob Malcolm gut genug für ihre Freundin ist. Während des Gesprächs im Computerlabor zoomt eine Webcam auf das Bild von Buffy und wenig später wird in den automatischen Archiven der Schule nach ihrer Akte gesucht. Daraufhin werden die Schüler Fritz und Dave beauftragt, Buffy zu überwachen.

Mrs. Calendar stellt fest, dass Fritz und Dave im Computerlabor in letzter Zeit einiges getan haben. Ein neues Projekt, meint Fritz, dass Mrs. Calendar sicherlich interessieren würde. Allerdings nicht jetzt. Nachdem Willow verspätet zur Schule erscheint und der Grund Malcom ist, wird Buffy erneut skeptisch und kann die Angelegenheit nicht ruhen lassen. So wendet sie sich an Dave, um herauszufinden, ob E-Mails zurückverfolgt werden könnten. Als Dave erfährt, dass es um Willow geht, bittet er Buffy bestimmt, diese in Ruhe zu lassen. Als Buffy mit Giles spricht, gibt er ihr nur den Rat, Dave zu verfolgen. Denn: „Things involved with a computer fill me with a childlike terror. Now, if it were a nice ogre or some such I'd be more in my element.” Es stellt sich heraus, dass Dave in einem stillgelegten Computerlabor verschwindet.
Buffy und Xander beschließen, diese Labor zu „besuchen”. Dabei werden sie von Mrs. Calendar überrascht. Mit einer Ausrede verschwinden die beiden. Mrs. Calendar und Giles haben eine ihrer üblichen Auseinandersetzungen über das Thema Computer und Information. Es ist Mrs. Calendar, die das leere Buch mit dem Cover von Moloch entdeckt. Giles, der ihr das Buch aus der Hand nimmt, ahnt, dass es Ärger geben wird. Als Buffy auf der Suche nach Willow ist, schickt Dave sie in den Mädchenumkleidebereich. Dort entgeht Buffy nach der Warnung durch Dave nur knapp einem Anschlag auf ihr Leben in der Dusche, allein ihre Slayer-Konstitution bewahrt sie vor Schlimmerem. Dave stürmt ins Computerlabor und erklärt, dass er nicht länger mitmachen kann. Moloch zieht daraus seine Konsequenzen: Er tippt einen Abschiedsbrief und Fritz bringt Dave um. In der Bibliothek konferieren Xander und Giles miteinander. Giles hat herausgefunden, dass sich der Dämon Moloch im Internet befindet. Er erklärt, dass im Mittelalter Dämonen gerne mal in Bücher gebannt wurden in der Hoffnung, dass diese nie mehr laut gelesen werden würden. Das Löschen der eingescannten Seiten bringt keinen Erfolg. Da Giles bei Computern völlig aufgeschmissen ist, bleibt ihm nichts anderes übrig, als Mrs. Calendar einzuweihen. Diese entpuppt sich überraschenderweise als eine Art Expertin des Okkulten – als Technopagan. Das Ritual des Circle of Kayless, mit dem Moloch schon einmal besiegt wurde, ist die einzige Möglichkeit den Dämon zu besiegen. Es kommt zu einer Kooperation: Giles rezitiert den Text der Beschwörung, während Mrs. Calendar online den Circle of Kayless knüpft.

Nachdem Fritz Willow entführt und in die Computerfirma gebracht hat, sieht Willow sich „Malcolm“ gegenüber: Das ist niemand anderer als Moloch, der Willow verehrt, weil sie ihn freigelassen hat. Moloch war nicht untätig, er hat sich in der Zwischenzeit einen Roboterkörper angefertigt. Xander und Buffy brechen in das Labor ein – natürlich bleiben sie nicht unbemerkt. Nachdem Moloch Fritz umgebracht hat, stellt er sich Buffy zum Kampf. Doch gleichzeitig wirkt der Circle of Kayless. Moloch ist auf einmal vom Internet und der modernen Technik abgeschnitten und endgültig in den Roboterkörper gebannt. Wütend kämpft er gegen Buffy, wobei sich Willow bemerkenswert engagiert einschaltet. Moloch trifft einen Starkstromkasten und wird von dem Strom getötet.

Nachdem Moloch besiegt ist, taucht Giles im Computerlabor von Mrs. Calendar auf. Zwar kann er Computern immer noch nichts abgewinnen, er erkennt aber die Leistungen von Mrs. Calendar an und liefert gleichzeitig eine Begründung für seine Aversion gegenüber der Technik: „Books smell. Musty and, and, and, and rich. The knowledge gained from a computer, is, uh, it... it has no, no texture, no, no context. It's, it's there and then it's gone. If it's to last, then, then the getting of knowledge should be, uh, tangible, it should be, um... smelly.“ Dagegen kann Mrs. Calendar nun nichts einwenden.

Eingesperrte Information versus Freie Information – Rupert Giles und Mrs. Calendar

„I, Robot... You, Jane“ zeigt das Aufeinanderprallen von zwei Formen des Informationsverständnisses anhand der Charaktere von Rupert Giles und Mrs. Calendar. Dabei ist zu bemerken, dass diese Folge, die einfach als „Monster of the Week“-Folge abgetan werden könnte, den Grundstein für eine Entwicklung legt, die sich in der letzten Szene zwischen Rupert Giles und Mrs. Calendar schon andeutet. Doch bis zum Ende der Folge stehen sich Rupert Giles und Mrs. Calendar als unvereinbare Gegensätze gegenüber. Oder ist dies nur scheinbar so?

Als Bibliothekar repräsentiert Rupert Giles die Einstellung der alten Schule – nicht gerade der der Thekenbibliothekare, aber die Vorbehalte, die er gegen die Technik und die Computer äußert, haben durchaus Ähnlichkeit mit Argumenten, die immer mal wieder ins Feld geführt werden, wenn es um das Internet und um die moderne Technik geht. Zum einen greift das Argument der Flüchtigkeit: „It's, it's there and then it's gone.“ Was im Internet steht, so lässt sich aus Giles Statement folgern, hat keinen dauerhaften Wert, weil die Information an sich nicht statisch ist, sondern sich verändert: Sie fließt durch die zahlreichen Leitungen und bleibt nie an einem Ort. Informationen müssen für Giles fest und solide sein. Sie müssen an einem Ort bleiben. Und dieser Ort ist natürlich für ihn die Bibliothek. Die Scooby-Gang kommt diesem Diktum in der Serie insofern entgegen, als sie bei Problemen immer in der Bibliothek Giles fragt. Selbst wenn Willow ihre Computerrecherchen im Internet vollführt, so tut sie das selten ohne Giles vorher um Rat gefragt zu haben oder auf seine Informationen zu warten. Tatsächlich finden auch die meisten Recherchen in der Bibliothek dadurch statt, dass die Scooby-Gang den Fachbuchbestand von Giles durchstöbert, der in der ersten Folge “Welcome To The Hellmouth“ ironischerweise von Willow als erstes erwähnt wird. Dies aber – und das übersieht Giles – hängt eher damit zusammen, dass die Texte, mit denen er arbeitet, in der Regel Hunderte von Jahren alt sind. Glücklicherweise sind die Dämonen bei „Buffy“ selten so clever sich anhand von Datenbanken oder der Wikipedia zu informieren, was die Arbeit von Buffy selbst enorm erleichtert. Kaum auszudenken, wenn etwa der Bürgermeister in der dritten Staffel einen Wikipedia-Eintrag finden würde, in dem genau beschrieben stünde wie er zu vernichten sei.

Als Bibliothekar ist Rupert Giles in der Rolle des Bewahrers. Allerdings scheint er manchmal den falschen Beruf gewählt zu haben – sein Verhalten in „I, Robot... You, Jane“ gegenüber Mrs. Calendar ist ab und an scheu und sehr verhalten, als wäre er sich nicht sicher, wie er mit ihr umgehen solle. Vielleicht wird es dadurch verstärkt, dass Mrs. Calendar so sehr die Positionen vertritt, die er selbst nicht vertreten kann. Für Mrs. Calendar ist Rupert einer derjenigen, die Informationen „wegschließen” wollen: „You, you think that knowledge should be kept in these carefully guarded repositories where only a handful of white guys can get at it.“ „Elitär“ kommt zwar in ihrer Bemerkung nicht vor, kurz vorher allerdings fällt schon das Wort „Snob“. „I simply don't adhere to a, a knee-jerk assumption that because something is new, it's better“, wehrt sich Rupert gegen den Vorwurf von Mrs. Calendar, dass er einer derjenigen sei, die sich „in the middle ages“ befinden und die den Sprung ins 20. Jahrhundert – oder ins 21., je nachdem – nicht geschafft haben. Doch trifft Mrs. Calendar mit ihrer Bemerkung einen Punkt, der auch heutzutage in der Profession an sich noch weit verbreitet ist: Informationen gehören in die so genannten „walled gardens“ und vor diesen Gärten stehen immer noch die Seraphinen mit den flammenden Schwertern und entscheiden, wer in diese gelassen wird und verhindern, dass die Informationen frei untereinander austauschbar sind. Allerdings sollen die Informationen im Internet allen gehören, die sie brauchen könnten.

Dieser freie Zugang zu den Informationen und die Vermittlung, wie man an diese Informationen kommt, ist das, was Mrs. Calendar in „I, Robot... You, Jane“ repräsentiert. Sie stimmt Fritz' Standpunkt teilweise zu: „The printed page is obsolete. Information isn't bound up anymore. It's an entity.“ Zwar distanziert sie sich dann von einem endgültigen Aufgeben des „real lifes“ für die virtuelle Realität des Computers – sie wäre von „Second Life“ wohl nicht allzu erfreut gewesen. Noch deutlicher kommt ihr eigener Standpunkt allerdings zum Tragen, wenn sie anmerkt, dass die Technik die Magie eben nicht verdrängt habe: „The divine exists in cyberspace same as out here.“ Nun haben Bibliothekare selten etwas mit dem „Göttlichen“ an sich zu tun, das ist eher die Domäne von Priestern und Pfarrern. Doch ersetzt man den Begriff „Divine“ durch den der „Information“ wird der Satz an sich nicht unwahrer. Die Information existiert genauso im Cyberspace wie in den alten Folianten von Giles, sie ist dort nur in anderer Form vorhanden. Indirekt bestätigt Moloch das Vorurteil von Giles, dass elektronische Informationen nicht „fest“ seien: „I can see all of it. Everything flows through me.“
Man ist geneigt zu denken, dass Mrs. Calendar, was Giles ihr auch vorwirft, nun nur auf das Neue setzt, weil dies angeblich besser sei. Nicht zu Unrecht erscheint die Hoffnung von Mrs. Calendar, dass sich eine neue Gesellschaft entwickeln wird, aus heutiger Perspektive betrachtet als illusorisch. Doch in der Folge selbst wird offenbar, dass Mrs. Calendar so extrem nun wiederum nicht ist, wie sie sich den Anschein gibt. Sicher setzt sie sich dafür ein, dass Informationen vermittelt werden müssen und dass nicht mehr der Bibliothekar unbedingt derjenige ist, der dies tut. Aber als Technopagan versperrt sie sich auch den Möglichkeiten der alten Medien nicht. Dies wird deutlich, als sie und Giles gezwungenermaßen zusammenarbeiten müssen. Angesichts der Bedrohung, die Willow unwissentlich durch das Scannen in die Welt gesetzt hat, bleibt letztendlich weder dem traditionellen Bibliothekar der alten Schule noch der Informatiklehrerin, die für das Sich-Öffnen plädiert, eine Wahl. So unterschiedlich die beiden Standpunkte auch sind, angesichts der großen Bedrohung durch Moloch finden sie sich zusammen. Zwar, so stellt sich am Ende der Folge heraus, ist diese Zusammenarbeit nur für den Moment geboren, aber letztendlich ist sie das Fundament einer Entwicklung, die in der ersten Staffel und dann vor allem in der zweiten bis zum bitteren Ende – dem Tod von Mrs. Calendar in „Passion“ – fortgeführt werden wird. Noch sind sich die beiden Seiten nicht ganz sympathisch, aber dass Giles sich am Ende der Folge in das Computerlabor der Schule begibt, ist schon das erste Anzeichen dafür, dass sich aus der Zweckgemeinschaft mehr entwickeln wird.

Der moderne Bibliothekar – Watcher oder Technopagan?

Betrachten wir diese Folge mit der Erwartung, die heutzutage an den Beruf des Bibliothekars gestellt wird – schließlich stammt die Folge schon aus dem Jahr 1997, was nicht zuletzt an der verwendeten Technik deutlich wird – so gibt es eine überraschende Antwort auf die im Zwischentitel gestellte Frage. Sie lautet: Weder, noch. Stattdessen: Sowohl als auch. Der moderne Bibliothekar muss sich im wahrsten Sinne als „Kybernautiker“ begreifen – bildlich gesprochen als Steuermann in einer Welt, in der Informationen frei fließen und das in jegliche Richtung. Wenn Texte aus den Büchern „freigelassen werden“ so muss der Bibliothekar durchaus ein Watcher sein. Jemand, der beobachtet, wohin die Entwicklung geht und jemand, der im Falle der Frage eines Nutzers durchaus auch weiß, wo die Information zu finden ist. Jemand, an den sich der Nutzer wenden kann, um Informationen zu erhalten. Dies ist durchaus die Rolle, die Rupert Giles in BtVS wahrnimmt. Die Fähigkeiten eines Technopagan sind dann gefragt, wenn es darum geht den Nutzern zu vermitteln, wie sie ihre Informationen finden. Die Vermittlung von Informationskompetenz verstehe ich als eine der Kernaufgaben des Bibliothekars im 21. Jahrhundert – und dazu gehören nicht nur die üblichen Kurse, um Nutzer in die Welt des Internets einzuführen, sondern ebenso Spielekonsolen und ihre zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten sowie die Möglichkeiten durch die heutigen Anwendungen im Web 2.0. So sehr man auch der Tradition verhaftet bleiben sollte, so sehr sollte man sich allerdings nicht gegen die Neuerungen sträuben, die sich immer wieder entwickeln. Auch wenn die Gefahr besteht, bisweilen zu euphorisch und zu enthusiastisch zu sein – aber ist das nicht das, was Rupert Giles dann letzten Endes doch von all den anderen Watchern unterscheidet, dass er vor allem menschlich ist, wenn er auch noch ein wenig in der Rolle des Traditionalisten gefangen bleibt?


Literatur


Kern, Claudia: Das große Handbuch der Dämonen & Vampire : aufgezeichnet vom Wächter, kommentiert von Buffy und Spike / Claudia Kern. - Königswinter : Heel, 2003.

Kern, Claudia: Vampire, Monster, Bestien : das Handbuch für Dämonenjäger / Claudia Kern. - Königswinter : Heel, 2004.

Lukas, Christian: Buffy - im Bann der Dämonen / Lukas, Christian. - München : Droemer Knaur, 1999, Orig.-Ausg.Thompson, Alexander: Transkript der Folge „I Robot ... You, Jane“ - http://www.buffyworld.com/buffy/transcripts/008_tran.html – zuletzt eingesehen am 27.07.2008

Fußnoten

[Fn 1] Kern: Vampire, Monster, Bestien, S. 18 (zurück)

[Fn 2] Vgl. die beständig aktualisierte Bibliographie zur Buffyology von Alysa Hornick (http://www.alysa316.com/Buffyology) und Slayage, the Online International Journal on Buffy Studies (http://slayageonline.com/