Heute soll es einmal nicht um Brille und Dutt gehen, heute senken wir den Blick etwas tiefer. Nein, ich meine nicht den züchtigen Ausschnitt, der sich angeblich für Bibliothekarinnen geziemt, sondern – auf die Schuhe. Gibt es so etwas wie „bibliothekarische“ Schuhe überhaupt? Anscheinend schon: Ich lasse mich von einem großen Online-Händler über Produkte, die jemand mit „librarian“ getaggt hat, informieren. Normalerweise flattern da Bücher-Neuerscheinungen in meinen Feedreader, aber eines Tages war es – ein Schuh. Ich musste schmunzeln, nicht zuletzt deswegen, weil ich mir diese „Mary Janes“ am liebsten sofort gekauft hätte. Design und Absatzhöhe wären genau meins. Ist mein Modegeschmack also typisch für Bibliothekarinnen? Und wie sieht es mit medialen Zuschreibungen aus?
Für Bibliothekarinnen typisch oder zumindest empfehlenswert? So genannte „Mary Janes“ mit Schlagwort „librarian“. Katherine Najacht schreibt zu diesem Schuhtyp: „mary janes! I swear by them. I have about five different pairs in varying colors and styles. you can dress them up, dress them down – whatever. I know they’re soooo typically librarian (along with my plethora of cardigan sweaters), but I cannot live without them.” [Fn1] Screenshot: amazon.com (auf bloglines.com), 19. Dezember 2007
Schuhe trennen zunächst hauptsächlich die Fußsohle vom Straßenstaub, von Glasscherben und Hundeausscheidungen. Sie können aber auch Zugehörigkeit zu einer Gruppe ausdrücken – sei es zu einer Subkultur, einem Alter und Geschlecht oder für einen bestimmten Kontostand. Converse oder Clarks.
Mit oder ohne Stahlkappe. Rote, grüne oder (lieber nicht) weiße Schuhbänder. Mit Klettverschluss, zum Schnüren oder zum Reinschlüpfen. Schick, klassisch oder altmodisch. Budapester, Oxford oder Balmoral. Groß oder klein. Mit Profil oder glatter Sohle. Slingbacks, Peeptoes, Mokassins, Stiefel, Ballerinas, Espadrilles, Sneakers, Plateauschuhe, Sandalen, Sandaletten, Pantoffel, Pantoletten, Moonboots, Pumps. High heels oder Negativabsatz. Leder, Lack, Fell, Holz, Plastik oder Stoff. Riemchen, Schnallen, Nieten, freie Zehen, Fußbett, bis zum Knie. Maßschuhe oder von der Stange. Orthopädische Schuhe, Schuhe für DiabetikerInnen. Die „zertanzten Schuhe“ der Gebrüder Grimm. Blue suede shoes. Die Schuhe, die Aschenputtels bösen Stiefschwestern zu klein waren. These boots are made for walking. Geschlossene oder offene Schnürung. Siebenmeilenstiefel. Nicht zuletzt die „Manolos“ der Fernsehserie „Sex and the City“, Schuhe des spanischen Designers Manolo Blahnik, bei denen es mich nicht verwundert, dass die Protagonistin der Serie so oft mit dem Taxi fährt (ich wage zu behaupten, dass es keine andere Schuhmarke gibt, der in einer Fernsehsendung so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird).
Und aus dieser großen Vielfalt an Schuhen wählt die Berufsgruppe der Bibliothekarinnen und Bibliothekare immer die „sensible shoes“, also „vernünftige“ Schuhe, aus!? Mit „vernünftig“ ist häufig bequem, unscheinbar und altmodisch gemeint. Es gibt nicht wenig Fachliteratur, die sich damit befasst, und meistens stellen die AutorInnen die Fußbekleidung in eine Reihe mit Dutt, Brille, strengem Blick und dem zum „Psst“ erhobenen Zeigefinger.
Einige Beispiele:
„As we move into the 21st century, librarians are no longer depicted in ads as mostly laced-up, modestly dressed females, with sensible shoes and hair in a bun.” [Fn2]
“The illustration of the female librarian has been not only unflattering but doomed. This working woman, in her eternal glasses, ‘bunned’ hair, sensible shoes, tweed skirt, severe facial expression and well-known ‘shushing’ position, seemed mostly like an old woman, regardless of her real age.”[Fn3]
“Nevertheless, the familiar stereotype of an unattractive woman wearing straight hair or a bun, unfashionable glasses, and sensible shoes turned up frequently. She was usually old, crabby, unmarried, and restrictive.”[Fn4]
Jenny, die von Christine Ann Lutz für ihre Master Thesis interviewt wurde, berichtet über ihre Erfahrungen:
“For me, I guess the stereotypes don’t really bother me, but I find that sometimes when I tell people what I do, they’re shocked, they can’t believe that I’m a librarian (laughter). I mean I’m 29 but I look like I’m 16, so I think they think, ‘oh, librarians are supposed to be middle-aged women with buns and sensible shoes’.”[Fn5]
Zum Teil wird das Bild scherzhaft aufgegriffen. Shannon Robalino betitelt beispielsweise einen Artikel über die Zusammenarbeit zwischen BibliothekarInnen und WebentwicklerInnen mit „Getting Web developers to wear sensible shoes“[Fn6]. Und Peter R. Young stellt in seinem Aufsatz über den Wandel des Berufsstandes fest: “Many librarians have sensed the ground shifting under their sensible shoes.”[Fn7]
Mein Eindruck ist aber, dass diese Zuschreibungen mittlerweile hauptsächlich innerhalb des bibliothekarischen Berufsfeldes aufgegriffen werden. Die Weitertradierung dieses Klischees ist also zum Teil auch unsere eigene Schuld. Mit dem betonten „Bibliothekarinnen tragen keine ‚sensible shoes’“ werden auch Leute auf dieses Stereotyp hingewiesen, die ansonsten gar nichts davon gewusst hätten.[Fn8] Als ich einem fachfremden Kollegen von diesem Artikel berichtete, glaubte er zunächst, „bibliothekarisches Schuhwerk“ würde uns in übernatürlicher Geschwindigkeit durch die Regale genau zum gewünschten Buch tragen. Das hat mir gleich viel besser gefallen...
Gabriele, Fachhochschulbibliothek: An heißen Sommertagen ist auch in der Bibliothek Freiheit für die Zehen angesagt. – Photo: zVg
Schuhe sind fiktiv
Ich habe versucht, in ausgewählter Belletristik stichprobenartig das Vorhandensein vernünftiger Schuhe bei bibliothekarischen Figuren zu überprüfen. Ich kann vorausschicken, dass in vielen Büchern die Schuhe gleich welcher Figur nicht einmal erwähnt werden; das trifft besonders auf Männer zu (diese Bücher werden in der Literaturliste nicht angeführt). Praktisch sind jedenfalls die Schuhe der gefürchteten Bibliothekarin Spud Murphy: Nicht nur kann sie sich wie ein „ninja librarian“[Fn9] lautlos anschleichen und Kinder erschrecken, sondern auch gleich für Sauberkeit sorgen: „She wore woolly slippers that polished the planks as she glided.“[Fn10]
Leise unterwegs ist auch Judith Kuckarts Bibliothekar: „Flanellhemd, beige-braune Hosen, helle Socken ohne Muster, Schuhe mit leisen Sohlen. Alles wie immer.“ Eine Seite weiter wird nochmals betont: „Seine Schuhe machten kein Geräusch.“[Fn11]
Weiß beschuht ist Phoebe Richards: „Her toes caught his attention then. The same hot-red toenails that he’s noticed the first time he’d seen her peeked out from flat, white espadrilles and brought his runaway hormones to heel.”[Fn12]
Dieselbe Farbe trägt die Bibliothekarin bei Jean-Marie Gourio: „Elle portait une robe violette, des sandalettes de cuir blanc, et je remarquai qu’elle avait coloré les ongles de ses pieds en jaune.”[Fn13] Ganz ohne Schuhe kommt die Bibliothekarin im Kinderbuch “Carlo and the really nice librarian” aus: Sie ist nämlich ein Krokodil.[Fn14]
Mrs. Beamster hat auf den Schuhsohlen das Wort „überfällig“ stehen und stempelt den Fußboden in der Bibliothek zu.[Fn15]
Im Polit-Thriller „The librarian“ von Larry Beinhart trägt die Bibliothekarin, die die ganze Geschichte eigentlich erst ins Laufen bringt, nicht gerade unerwartetes Schuhwerk: „[Elaina Whisthoven] looked stressed but determined and I remember that she wore a blue dress with a floral design on it. And sensible shoes.”[Fn16] Der im Titel des Buches gemeinte Bibliothekar, David Goldberg, muss mehrmals um sein Leben laufen und ist daher mit gutem Schuhwerk gut bedient.
Bei einem plötzlichen Schneeeinfall in Bellehaven, der Heimat der Hobby-Detektivin und Bibliothekarin Wilhelmina Zukas, schnappt sich Zukas einfach ihre Langlaufski und -schuhe, um in die Bibliothek zu kommen.[Fn17] Das Schuhwerk ihrer abgehobenen Chefin May Apple Moon und ihrer nervigen Kollegin Glory Shandy werden auch geschildert: Glorys „call-high boots were trimmed in fur“[Fn18], und „Ms. Moon, who had recently created the upper swing of her yo-yoing weight and was dieting her way downward again, wore furry mukluks with raffish laces that tied just below her knees.”[Fn19] Für Autofahrten bevorzugt Miss Zukas übrigens “brown oxfords ... to save her heels“[Fn20], in der Bibliothek wechselt sie dann zu „navy heels“[Fn21]. Flache, schwarze Ballerinas trägt die Bibliothekarin, die sich mit einem vermeintlichen Monster anfreundet.[Fn22]
Michaela, Fachhochschulbibliothek: Beim Einpacken der Bücher für die Übersiedlung unserer Bibliothek in einem heißen Sommer war barfuß einfach am angenehmsten. - Photo: Bargmann (CC-BY-ND)
Emotionen können mit Schuhen auch ausgedrückt werden: „Im Flur konnte sie der plötzlich aufkommenden Lust nicht widerstehen, ihre Pumps in hohem Bogen von den Füßen gegen die hässliche Blumentapete zu schleudern. Ein Schuh hinterließ einen Schmutzfleck zwischen zwei veilchenähnlichen Gebilden.“[Fn23]
Und der Erzähler in „Ein Achtel Salz“ versucht sich vor seiner Hochzeit mit Schuhputz zu beruhigen: „Morgens um fünf Uhr stand ich auf und begann vor Verzweiflung, meine Schuhe zu putzen, wie ich das einmal gelernt habe: hauchdünn die Creme, in kleinen Kreisen verreiben, dann Spucke drauf, mit der Bürstenkante glattreiben, mit einem weichen Tuch sanft polieren und zum Schluß die Zähne blecken – ich meine über dem Schuh. Sieht man die Ritzen zwischen den Zähnen, ist der Schuh leidlich geputzt, sieht man sie nicht, geht man Vorgesetzten und solchen, die es werden wollen, möglichst aus dem Wege; sie könnten einen sonst als Ziegenhirten, Flasche oder billiges Würstchen bezeichnen.“[Fn24]
Sportlich und dennoch elegant ist Laura Scott bei sich zuhause:
„Sie trug gut sitzende Jeans, darüber ein loses T-Shirt, an den Füßen Turnschuhe. Ich fand, sie sah sowohl elegant als auch sexy aus.“[Fn25] Sexy geht es weiter: „Sie trug schwarze Leggings aus Jersey, die er mit einem kurz entschlossenen Ruck nach unten gezogen hatte, dann zog er den Reißverschluß ihrer Boots auf und streifte Strümpfe und Schuhe gleichzeitig aus.“[Fn26]
Rosalind Howard beschließt, sich zu einem wichtigen Anlass einmal entsprechend zu kleiden:
„Es zerrte ziemlich an den Nerven, plötzlich so anders aufzutreten. Ihr dunkles Kostüm mit dem schmal geschnittenen Rock und den feinen weißen Streifen hatte ein kleines Vermögen gekostet. Der Saum war mindestens fünfzehn Zentimeter kürzer, als sie ihn gewöhnlich trug. Sie hatte eine echte Eingebung beim Kauf dieses Kostüms gehabt und dazu schwarze Stiletto-Pumps ausgewählt, die sie nun auch trug.“[Fn27]
Vom Auftritt der Kinderbibliothekarin und Computerspieldesignerin Lucy Crocker bei einer wichtigen Besprechung dagegen ist ihr Ehemann Ed nicht besonders angetan:
„Sie war schließlich und endlich die Galionsfigur von Crocker Software, und jetzt stand sie da in irgendeinem schlaffen geblümten Rock, der ihr bis zu den Knöcheln hing, Gesundheitssandalen mit Gummisohlen, einem rosa T-Shirt mit gebiestem Ausschnitt und strähnigen schwarzen Haaren.“[Fn28]
Die Katze der Bibliothekarin Marian Pardoo missbraucht ihre Schuhe als Ablagefläche für etwas, was dort eindeutig nicht hin gehört:
„’I swear, Trombone, if you puke in my shoes again I’m giving you to a violin factory!’ The Russian Blue gave Marian a withering look worthy of an empress before stalking out. Marian scraped the bottom of her favourite clog, then rinsed it under the kitchen top.“[Fn29]
Marian ist übrigens stolz auf ihre Kleidung:
„She was actually proud of the fact that her clothes were nowhere near the tweedy baggy sweaters, long skirts and tights that made up the usual librarian chic.”[Fn30]
Martina, Stadtbücherei: „meine momentanen Lieblingstreter, die Kettchen rasseln sogar ein bisschen, flach, weich und seeeeeeeehr bequem“. - Photo: zVg
Das präsentierte Schuhwerk ist durchaus vielfältig. So lange man nicht auch die Schuhe von literarischen Figuren oder realen Menschen mit anderen Berufen untersucht hat, lässt sich kaum sagen, welche Spezifika für die Bibliothekarin und den Bibliothekar existieren. Auch bei meinen Gesprächen mit KommilitonInnen und meinen Beobachtungen im KollegInnenkreis – natürlich statistisch nicht aussagekräftig – ließ sich keine eindeutige Vorliebe für einen Schuhtyp feststellen.
Schuhe sind verboten
In einigen Branchen gibt es Kleidervorschriften, und nur am „casual friday“ ist etwas lässigeres Outfit erlaubt. Michael Gorman berichtet, dass früher bibliothekarische Kleidervorschriften auch das Schuhwerk regelten:
„Long ago, the first library in which I worked had a strict dress code for its staff, strictly enforced. Women were forbidden to wear colored hose, trousers, sandals, or anything much more outlandish than blouses, skirts, and sensible shoes.”[Fn31]
Elisabeth, Bibliothek einer Rechtsanwaltskanzlei: „Pantoletten“ sind laut Kanzleihandbuch – nicht nur für Rechtsanwältinnen – verboten. Der Großteil ihrer Tätigkeit wird im Sitzen verrichtet, aber auch Leitern und Stufen bewältigt Elisabeth mühelos mit acht Zentimeter hohen Absätzen. Für Besorgungen aus anderen Bibliotheken stehen bequemere Ballerinas bereit. – Photos: Bargmann (CC-BY-ND)
Schuhe treten massenweise auf
Menschen aus benachbarten Professionen nehmen uns ebenfalls als vernünftig beschuht wahr, vor allem wenn wir geballt auftreten. Steven L. Hensen beschreibt in seinem Aufsatz „Revisiting Mary Jane, or, Dear Cat: Being Archival in the 21st Century” eine Konferenz der American Library Association (ALA): „you know what I’m talking about – battalions of people in sensible shoes marching ten wide down the sidewalk, toting Baker & Taylor bags full of vendor souvenirs”.[Fn32]
Ähnlich formuliert es Michael Gorman:
„A great throng of humanity in a never-ending round of programs, meetings, breakfasts, lunches, dinners, and informal colloquies in bars, lobbies, elevators, sidewalks, and stairwells. All these people milling around in sensible shoes in search of enlightenment and the furtherance of our profession.“[Fn33]
Diane Hillmann bemerkt sogar, dass es dadurch schwer falle, uns auseinanderzuhalten:
„Recently I got a note from an acquaintance in Canada asking me if I was that librarian in the red coat in one of the first scenes of the latest YouTube sensation, The March of the Librarians.[Fn34] I had to admit to her that no, it wasn’t me, but that I, too, had thought it might be when I first saw the video – until I remembered that I didn’t have a red coat! I’m afraid that, particularly at a distance, a lot of middle-aged, zaftig librarians with gray hair and sensible shoes look remarkably alike – a thought I don’t like to dwell on, but there it is.”[Fn35]
Barbara Quint findet für das Tragen flacher, bequemer Schuhe bei Tagungen noch eine andere mögliche Ursache:
“Librarians may be a lot more fun-loving than their public image would indicate. For instance, have you ever heard the urban legend that a bartenders’ professional association had issued a statistical report attributing the sharpest increase in orders for alcoholic beverages to the timing and location for the American Library Association’s annual meetings? (Apparently you have to wear sensible shoes when you have hollow legs).”[Fn36]
In einigen Mailinglisten wurden vernünftige Schuhe sogar explizit für große Tagungen empfohlen – das Hinundher bzw. Treppauftreppab zwischen Tagungsräumen, Messestand, Speiselokalen, Internetplätzen ist vor allem bei Großkonferenzen wie jener der ALA für die Füße sehr anstrengend.
Teresa, Praktikantin in der Bibliothek einer Forschungseinrichtung: Teresa lobt die lockere und unkomplizierte Atmosphäre an ihrem Praktikumsplatz, wo die Converse kein Problem darstellten: „Schuhe sind für mich dann eine Freude, wenn sie nicht hoch sind und sportlich ausschauen. Alles andere im 'Sex and the City-Manolo-Blahnik’-Stil könnte ich nicht tragen und wäre eine Gefahr für andere FußgängerInnen“. Und über bibliothekarisches Schuhwerk: „Ich denke, dass das Schuhwerk der Bibliothekarinnen und Bibliothekare einfach ihrem Arbeitsumfeld angepasst wird, sprich - in der Bibliothek einer Anwaltskanzlei würd ich nicht mit Flip Flops herumwatscheln, in der Institutsbibliothek des Studienganges Ethnologie wohl eher. Würde ich heute in einer Bibliothek eine Tätigkeit ausführen, wo ich viel auf den Beinen bin, würd ich mir vielleicht quietschgelbe Crocs (kommt halt auf den Boden an) oder diese hübschen bunten Birkenstock dafür kaufen, weil in denen geht man sehr bequem und sie schauen cool aus“. - Photos: zVg
Schuhe sind gefährlich
Schmerzende Füße, Druckstellen am Zeh, Muskelverkürzungen, verkrampfte Waden, kaputter Rücken – das alles können „unvernünftige“ Schuhe mit sich bringen. Muss Schönheit eben leiden? In einer umfangreichen Schuh-Diskussion, die im Jänner 2006 auf der Mailingliste nexgenlib-l stattfand, schrieb Sarah, Bibliothekarin in einer öffentlichen Bibliothek:
„I can't let a shoe conversation pass without participating, although I admit to pretty much only wearing wildly impractical, uncomfortable shoes, and just letting my damn feet hurt. I feel it my duty to dress as un-stereotypically librarian as possible – as cute and trendy as I can squeeze out of my public librarian’s salary. I love it when people say to me, ‘you sure don't look like a librarian!’ So for the most part, heels it is for me.”[Fn37]
Stephanie antwortete:
“I am so with you. The more uncomfortable the shoe, the better, as far as I’m concerned. I am totally willing to sacrifice future foot health for cute shoes now.“ Worauf eine andere Diskussionsteilnehmerin sinngemäß fragte, ob die beiden schon einen Termin beim Orthopäden vereinbart hätten: „Walking is such a huge part of my daily life that I can't imagine how I’d handle it if every step was painful. It definitely isn’t worth it to me!”[Fn38]
Wer weiß – so manchen Absturz von der Bibliotheksleiter hätten vernünftige Schuhe vielleicht verhindern können. Ein Kollege von mir befürchtete immer, dass unser Praktikant mit den Holzpantoffeln eines Tages von der Galerie im Lesesaal heruntersegeln würde – so hoch ist das Geländer dort nämlich auch wieder nicht, und die Wendeltreppe ist ein wenig wackelig. Auch zum verfrühten Ableben der Bibliothekspraktikantin Jenna Coates im Krimi „Oxford exit“ haben ihre Schuhe nicht unwesentlich beigetragen. Zum einen zog sie sich durch ihre Kleidung den Unwillen ihres Mörders (auch ein Bibliothekar) zu:
„A young woman should not sit in a library with her hairs in greasy rats’ tails, her thick body encased in baggy sweatshirt and tight black leggings, her large feet in heavy boots.”[Fn39] Zum zweiten konnte sie ihm nicht entkommen: “She tried to run when I told her to get out of the car, and for the moment I thought she might get away from me, but her smooth rubber soles were slipping on the wet surface; she stumbled, scrabbling at the earth, sobbing; and I soon had hold of her.”[Fn40]
Mamabrarian, Universitätsbibliothek: Zeigt her Eure Füße, “while drinking hot chocolate”. Photo: mamabrarian, http://www.flickr.com/photos/mamabrarian/359418904/ [Fn41]
Gefährlich ist es aber auch, keine Schuhe zu besitzen. Man könnte barfuß auf einen Buchskorpion treten, und bei entsprechendem Chaos im Büro können schon mal unangenehme Papierschnitte auf den Zehen auftreten. Bibliothekar Henry DeTamble in „The time traveler’s wife” wäre jedenfalls über jegliche Form von Schuhen erfreut gewesen. Er leidet unter der genetisch bedingten Krankheit „chrono-impairment“ und kann auf seinen unfreiwilligen Zeitreisen keinerlei Dinge mitnehmen: „I have never been able to carry anything with me. No clothes, no money, no ID. I spend most of my sojourns acquiring clothing and trying to hide. Fortunately I don’t wear glasses.”[Fn42] Er erleidet bei einer seiner Reisen schwerste Erfrierungen und verliert beide Füße.
Monika, Landesbibliothek: „Mit den linken Schuhen käme man perfekt in die oberen Regale, aber sie sind eigentlich nur geeignet zum dekorativen Herumstehen, und das auch nur, sofern es nicht länger als zwei Stunden dauert. Die rechten sind unglaublich bequem und kuschelig, aber nur für Winterabende alleine zuhause vorgesehen. Die mittleren sind in der warmen Jahreshälfte genau richtig für alle Arbeiten, die in der Bibliothek anfallen. Im Hochsommer gehe ich aber auch schon mal barfuss im Büro, außer ich habe Dienst am Infoschalter“. - Photo: Bargmann (CC-BY-ND)
Mein Schuhfazit: Schuhe an den Füßen von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren kommen offensichtlich in allen Farben und Größen, Formen und Schnitten daher, und das ist gut so.
Das revolutionäre Potential von Schuhen
in Richtung einer plötzlichen Würdigung unseres Berufsstandes,
wenn wir nur die Absätze erhöhen, erscheint mir ehrlich
gering. So banal es klingt: Wählt doch bitte die Schuhe für
die Bibliothek nicht nach (vermeintlichem?) Klischee oder Anti-Klischee
aus, sondern zieht Euch Schuhe an, in denen Ihr Euch wohl fühlt
und die Eurem Lebensstil entsprechen. Eine Auskunftsbibliothekarin,
die bei ihrer Arbeit hauptsächlich sitzt, hat sicher andere
Ansprüche als ein Magazinarbeiter, der den ganzen Tag auf den
Beinen ist. Wenn Ihr Eure Füße lieber bequem verpackt,
tut es weiterhin, ohne Stereotype im Hinterkopf. In manchen Bibliotheken
würde es die Stimmung sicher etwas auflockern, wenn mehr Leute
barfuß gehen würden. Und wenn Euch danach ist, dem Orthopäden
auch in Zukunft einen schönen Urlaub zu sichern, oder Ihr einfach
lieber die Bibliothekswelt von acht Zentimeter weiter oben betrachtet,
vergesst die gesunden Schuhe. Vielleicht hat das ja auch was Gutes
– wer weiß schon, wem man in die Arme fällt, wenn
man auf dem glatten Parkett eines Lesesaals ausrutscht oder stolpert.
Cindi, Universitätsbibliothek, hielt Schuhwerk und Lektüre einer “cyberpunk librarian” photographisch fest. Photo: Cindi Trainor, http://www.flickr.com/photos/trucolorsfly/355563872
Literatur
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E-Mails
Brunner, Meg: Mail an nexgenlib-l, 13. Jänner 2006
Najacht, Katherine: Mail an nexgenlib-l, 14. Jänner 2006
Pace-McGowan, Stephanie: Mail an nexgenlib-l, 12. Jänner 2006
Fußnoten
[Fn 1] Najacht, Katherine: Mail an nexgenlib-l, 14. Jänner 2006. (zurück)
[Fn 2] Tobias, Jenny: “Ad lib: The advertised librarian”. In: Information outlook 7 (2003) 2, S. 12-18. (zurück)
[Fn 3] Wahrman, Noa: “Buns of Steel: From Librarian to Woman in Storm Center, Desk Set, Party Girl”. In: Indiana libraries 24 (2005) 2, S. 10 – 15, http://idea.iupui.edu/dspace/handle/1805/1391 (zurück)
[Fn 4] Engle, Michael: Remythologizing work: the role of archetypal images in the humanization of librarianship. 1998 – 2006, http://ecommons.library.cornell.edu/bitstream/1813/3902/1/archetype.html (zurück)
[Fn 5] Lutz, Christine Ann: From old maids to action heroes: Librarians and the meanings of librarian stereotypes. University of Maryland, Master of Arts Thesis, 2005, S. 108, http://www.lib.umd.edu/drum/handle/1903/2670 (zurück)
[Fn 6] Robalino, Shannon: “Getting Web developers to wear sensible shoes: working with developers to create online user services”. In: Health information on the Internet 56 (2007), S. 7-8 (zurück)
[Fn 7] Young, Peter R.: “Librarianship: a changing profession”. In: Daedalus 125 (1996), S. 103 – 125 (zurück)
[Fn 8] Vgl. dazu auch Bargmann, Monika: “Fearing the library dragon: Why librarians should approach users instead of waiting for them”. In: GMS Medizin Bibliothek Information 7 (2007) 1, Doc09, http://www.egms.de/en/journals/mbi/2007-7/mbi000061.shtml und Bargmann, Monika: „Von Trinkflaschen, Bands, Postern und Lesezeichen. Ein Streifzug durch eine private Sammlung von Librariana“. In: Libreas 5 (2006), http://www.ib.hu-berlin.de/~libreas/libreas_neu/ausgabe5/002bar.htm (zurück)
[Fn 9] Colfer, Eoin: The legend of Spud Murphy. London: Puffing 2005, S. 33 (zurück)
[Fn 10] Colfer, Eoin: The legend of Spud Murphy, S. 26 (zurück)
[Fn 11] Kuckart, Judith: Der Bibliothekar. München: Knaur 2000, S. 15 - 16. (zurück)
[Fn12] Gerard, Cindy: The librarian’s passionate knight. New York: Silhouette 2003 S. 74 (zurück)
[Fn 13] „Sie trug ein violettes Kleid, Sandalen aus weißem Leder, und mir fiel auf, dass sie ihre Zehennägel gelb angemalt hatte”. Gourio, Jean-Marie: Chut! Paris: Juillard 1998 (Deutsche Ausgabe: Die Bibliothekarin. München: List 2000) (zurück)
[Fn 14] Spanyol, Jessica: Carlo and the really nice librarian. London: Walker Books 2005 (zurück)
[Fn 15] Thaler, Mike / Lee, Jared: The librarian from the black lagoon. New York: Scholastic 1997, S. 17 (zurück)
[Fn 16] Beinhart, Larry: The librarian. New York: Nation Books 2004, S. 6 (zurück)
[Fn 17] Dereske, Jo: Catalogue of death. New York: Avon 2007, S. 5 (zurück)
[Fn 18] Dereske, Jo: Catalogue of death, S. 20 (zurück)
[Fn 19] Dereske, Jo: Catalogue of death, S. 47 (zurück)
[Fn 20] Dereske, Jo: Miss Zukas and the library murders. New York: Avon 1999, S. 1 (zurück)
[Fn 21] Dereske, Jo: Miss Zukas and the library murders, S. 8 (zurück)
[Fn 22] Gómez Cerdá, Alfredo: El monstruo y la bibliotecaria. 5. Aufl. Barcelona, Madrid: Editorial Noguer 2000, S. 42 (zurück)
[Fn 23] Scherf, Dagmar: Tollkirschen küsst man nur einmal. Bergisch Gladbach: Bastei-Lübbe 1999 (zurück)
[Fn 24]Döbler, Hannsferdinand: Ein Achtel Salz. Geschichte einer jungen Ehe. München: Ernst Heimeran 1955, S. 26 – 27 (zurück)
[Fn 25] Coulter, Catherine: Wo niemand dich sieht. München: Blanvalet 2002, S. 142 (zurück)
[Fn 26] Rochford, Pamela: Die Bibliothekarin. Rheda-Wiedenbrück: RM Buch und Medien 2003, S. 107 (zurück)
[Fn 27] Da Costa, Portia: Die Lektion. 3. Aufl. München: Heyne 2005, S. 19 – 20 (zurück)
[Fn 28] Preston, Caroline: Lucy räumt auf. München: Blanvalet 2001, S. 24 (zurück)
[Fn 29] Kallmaker, Karin: One degree of separation. Tallahassee: Bella Books 2003, S. 89 (zurück)
[Fn 30] Kallmaker, Karin: One degree of separation, S. 122 (zurück)
[Fn 31] Gorman, Michael: Our Singular Strengths. Meditations for Librarians. Chicago: ALA 1998, S. 166 (zurück)
[Fn 32]
Hensen, Steven L.: “Revisiting
Mary Jane, or, Dear Cat: Being Archival in the 21st Century”.
In: American Archivist 65 (2002) 2, S. 173, http://archivists.metapress.com/content/104w10327012l021/fulltext.pdf
(zurück)
[ Fn 33] Gorman,
Michael: Our Singular Strengths. Meditations for Librarians. Chicago:
ALA 1998, S. 108 (zurück)
[ Fn 34] vgl. http://www.youtube.com/watch?v=Td922l0NoDQ (zurück)
[ Fn 35] Hillmann, Diane I.: “March of the Librarians“. In: Technicalities 27 (2006) 3, http://ecommons.library.cornell.edu/bitstream/1813/7608/1/March+of+the+Librarians.pdf (zurück)
[ Fn 36] “Having hollow legs” bedeutet soviel wie “trinkfest sein”, “einiges vertragen”. Quint, Barbara: “Recruiting a Corporate Dream Team. Librarians make great additions to information-industry organizations”. In: Information Today 17 (2000) 8, http://www.infotoday.com/IT/sep00/quint.htm (zurück)
[ Fn 37] Pace-McGowan, Stephanie: Mail an nexgenlib-l, 12. Jänner 2006 (zurück)
[ Fn 38] Brunner, Meg: Mail an nexgenlib-l, 13. Jänner 2006 (zurück)
[ Fn 39] Stallwood, Veronica: Oxford Exit. London: Headline 2005, S. 150 (zurück)
[ Fn 40] Stallwood, Veronica: Oxford Exit, S. 2 (zurück)
[ Fn 41] Danke an mamabrarian für die Erlaubnis, das wunderbare Photo zu verwenden, erteilt am 28. Juli 2008. (zurück)
[ Fn 42] Niffenegger,
Audrey: The time traveler’s wife. Orlando: Harvest 2003, S.
IX (zurück)