Das doppelte Blättchen – so sollte es sein. Herausgekommen ist eine Ausgabe einfachen Umfangs mit zwei Themenschwerpunkten und einer ganzen Kiste „Verschiedenes“.
Das Gravitationszentrum Nummer 1 dieser Doppelausgabe liegt im berühmten „2.0“, das von manchem bereits too old verballhornt wird. Da Bibliotheken als seriöse Einrichtungen Trends zwar reflektieren, aber niemals unkritisch übernehmen sollten, kann uns der mögliche Trendgehalt des Begriffes gleichgültig sein und das phonetische Spielchen Library Too Old lässt sich ohnehin nicht ins Deutsche übersetzen. Zudem klingt „Soziale Software“ dann auch noch anders, zeitloser, als die Versionierung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir die Zeichen der Zeit gänzlich ignorieren und deshalb arbeitet LIBREAS EINSNULL (nämlich 10) hier einige Aspekte auf.
Vorneweg gräbt sich Ingo Caesar in seinem Beitrag durch Vor- und Nachteile des Web 2.0 im Bibliotheksdienst und spitzt seine Aussage auf den Vorrang für die Kernaufgaben der Bibliothek zu.
Ihm folgt Hans-Christoph Hobohm, der einen Schritt weiter geht und mit „Bibliothek(swissenschaft) 2.0“ ein schönes weites Feld aus Forschung und Lehre umpflügt. Wer Ideen säht, wird Wissen ernten, wenn er denn richtig vorgeht und dies schließt ein Bewusstsein dafür ein, dass Bibliotheken mittlerweile u.a. auf – mitunter globalen – Aufmerksamkeitsmärkten handeln.
Auf denselbigen, wenigstens den bibliothekarischen, schon ganz gut etabliert ist das – fast möchte man in Hinblick auf die außergewöhnliche Güte der Beiträge sagen Biblioblogosphärenreservat – Libworld, welches uns die Initiatoren Christian Hauschke, Sarah Lohre und Nadine Ullmann vorstellen. Mittlerweile sind es mehr als 20 Biblioblogstaaten – gibt es überhaupt noch blogfreie da draußen? – die in Libworld präsentiert wurden. So wie es aussieht, kann man darauf hoffen, dass noch in etwa 160+ dazu kommen.
Und dann ist da noch Jin Tan, der dem LIBREAS-Interviewteam gesteht, dass er ganz gern als Avatar in Second Life arbeiten würde und ansonsten zeigt, dass diese virtuelle Welt sein Metier ist.
Längst sind die, die in Blogs über etwas schreiben, selbst Gegenstand derer geworden, die – nicht unbedingt in Blogs – professionell über etwas schreiben. Kara Jesellas Artikel „A Hipper Crowd of Shushers“ in der New York Times, der immerhin in der Rubrik “Fashion & Style” erschien, mag das vorerst prominenteste Beispiel sein. Aber man kann sicher sein, dass andere folgen. Ist dies nun „Bibliotheksjournalismus“?
Das Gravitatonszentrum Nummer 2 unserer Doppelausgabe verfolgt dieses konkrete Beispiel leider nicht weiter. Und auch sonst scheint es – wenigstens in unserer Reichweite - keine übermäßige Anziehungskraft zu haben. Jedenfalls hätten wir uns mehr Rücklauf gewünscht.
Der Leitartikel zu diesem Thema hat es allerdings in sich: Rainer Strzolka und Nicola Volckmann betrachten beide Seiten des „Fabelwesens Bibliotheksjournalismus“: einerseits den Bibliothekar, der sich nach Dienstschluss journalistisch betätigt, – dank Web 2.0 kann er oder sie das auch in Sekundenschnelle der ganzen Welt preisgeben – und andererseits den Journalisten, der sich – Hurra! Die Bibliothek brennt! – auf spektakuläre Ereignisse beziehen kann und das ach so gelobte Kulturgutgebaren hervorheben. Dabei können Vertreter beider Facetten durchaus noch etwas lernen – vielleicht sogar voneinander.
Oder von Bastian Zeinert. In seinem Essay „Du sollst ein robustes Gedächtnis haben“ betrachtet dieser, was geschieht, wenn die taz ihr Archiv „eindampft“: nichts weniger, als ein Gedächtnisverlust, der letztlich den Qualitätsjournalismus gefährdet.
Leider muss man im Normalfall die Fehler erst machen, um aus ihnen zu lernen. Entsprechend möchte man den Ausdruck „Lernort Bibliothek“ auch manchmal derart übertragen verwenden.
Hans Elbeshausen hat aber glücklicherweise anderes im Sinn, wenn er Lernkonzepte als Thema aufgreift. Sein Ausgangspunkt ist dabei eine jüngst durchgeführte Studie zu Lernkonzepten in der Anwendung bei verschiedenen Alters- und Statusgruppen in dänischen Bibliotheken, die nicht nur als Lernzentren eine ganze Menge richtig zu machen scheinen. Perfekt sind sie nicht, aber auf bemerkenswert hohem Niveau aktiv.
Ebenfalls ausgesprochen aktiv ist der seit drei Jahren bestehende Verein „Medibus e.V.“, der sich um die informationelle Versorgung blinder und hochgradig sehbehinderter verdient macht. François van Menxel zeichnet in seinem Beitrag Stand und Ziele des Medibus-Konzeptes nach.
Maxi Kindling und Boris Jacob von der LIBREAS-Redaktion zeichnen den vielleicht eindrucksvollsten Tag ihres Sommers 2007 nach. Zur IFLA-Konferenz nach Durban gefahren, ließen sie es sich nehmen, einen direkten Blick in die Wirklichkeit der Townships zu werfen und fuhren – mit einem lokalen Fahrer und Führer – nach Umlazi, dessen Einwohnerzahl die von Frankfurt am Main locker übersteigt, das aber in wahrscheinlich jeder Beziehung ganz anders ist.
Abgerundet wird diese LIBREAS-Ausgabe von zwei Kongressberichten, einer Handvoll Rezensionen und einer kleinen Fotoserie zu dem recht selten beachteten Thema der Aussonderungsvermerke.
Die LIBREAS-Redaktion wünscht viel Freude bei der Lektüre und freut sich natürlich ungemein über Rückkopplung an libreas@treepolar.de!
Einen schönen Herbst 2007 wünschen
Ben Kaden, Maxi Kindling und Manuela Schulz