- 1 Einleitung: Motivation der Studie
- 2 Thesen zur Entwicklung der Schulbibliotheken in Berlin und Methode der Datenerhebung
- 3 Die Verteilung der Schulbibliotheken in Berlin 2008-2017
- 4 Überprüfung der Thesen
- 5 Diskussion der Ergebnisse
- 6 Welche Bedeutung haben die Ergebnisse für das bibliothekarische Denken über Schulbibliotheken?
- 7 Fazit
- 8 Literatur
- 0.1 Homepages
1 Einleitung: Motivation der Studie
Im Rahmen seiner Magisterarbeit erhob der Autor dieses Textes 2006 – über eine Recherche auf den Homepages aller Schulen in Berlin – die Zahl der Berliner Schulbibliotheken und ihrer Verteilung unter den zu diesem Zeitpunkt in Berlin existierenden Schulformen. (Schuldt 2006) Damals zeigte sich, dass nur eine kleine Anzahl von Schulen (78 von 878) angaben, über eigene Bibliotheken zu verfügen. Gleichzeitig stand das Schulsystem des Bundeslandes Berlin vor einer grossen Schulstrukturreform, die unter anderem Einfluss auf die Entwicklung der Schulbibliotheken hätte haben können. (Maaz et al. 2013) Nicht zuletzt wurde während der Magisterarbeit klar, dass bislang für Schulbibliotheken in Deutschland immer nur einzelne Einrichtungen untersucht oder aber Überblicke zu einem bestimmten Zeitraum, also Momentaufnahmen, erarbeitet wurden. Es gab aber keine Untersuchung über die Entwicklung von Schulbibliotheken über einen längeren Zeitraum.1
Schulbibliotheken haben die Eigenschaft, institutionell unklar verortet zu sein. In der Magisterarbeit wurden (für Berlin) vier Gruppen identifiziert, die Einfluss darauf haben, was Schulbibliotheken sind, wie sie ausgestattet und wofür sie genutzt werden, nämlich (1) Lehrpersonen und Schuldirektionen, (2) Bibliothekarinnen und Bibliothekare (ausserhalb der Schulen), (3) Eltern und Ehrenamtliche – oft Lesepatinnen und Lesepaten – und (4) Schülerinnen und Schüler. (Schuldt 2010:10-12) Diese vier Gruppen haben sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie diese Bibliotheken funktionieren sollen. Insoweit ist es schwer, ein Konzept von Schulbibliotheken zu identifizieren, das von allen geteilt würde. Eher lassen sich Schulbibliotheken als Boundary Objects
– Konzepte oder Objekte, welche von unterschiedlichen Communities of Practice genutzt, in ihre jeweilige Praxis integriert und gleichzeitig von ihnen unterschiedlich verstanden werden – beschreiben. Das macht Schulbibliotheken als Untersuchungsgegenstand auch über eine Studienabschlussarbeit hinaus interessant und damit auch die Frage, wie sie sich über einen längeren Zeitraum entwickeln, weil sie offenbar ein Ergebnis von Möglichkeiten, Infrastrukturen und wahrgenommenen Bedürfnissen sind, die lokal aus sehr unterschiedlichen Communities und Gegebenheiten heraus entstehen (und deshalb zum Beispiel nicht einfach mit der Veränderung eines Kriteriums, wie einer neuen Werbestrategie des Bibliothekswesens für Schulbibliotheken, die es von Zeit zu Zeit gibt, zu erklären sind).
2008 wurde deshalb vom Autor dieses Textes das Projekt begonnen, über zehn Jahre hinweg Daten zur Entwicklung der Schulbibliotheken in Berlin zu sammeln und mit diesen Daten Thesen über deren Entwicklung zu überprüfen, die deduktiv aus den in der Magisterarbeit gesammelten Erfahrungen (und der weiteren Literaturarbeit, die im Rahmen der Promotion des Autors geleistet wurde) entstanden waren. Die Hoffnung war, mit diesem Vorgehens verlässlichere Aussagen über die weitere Entwicklung, aber auch über die unterschiedlichen Quellen zu gewinnen, die zur Gründung, den Betrieb oder die Schliessung von Schulbibliotheken (in deutschen Schulsystemen) führen.2
Der vorliegende Text berichtet über die Ergebnisse dieses Projektes. Im folgenden Kapitel (2) werden die Thesen des Projektes präsentiert und begründet sowie die Methode der Datenerhebung vorgestellt. Anschliessend werden die erhobenen Daten über die Verteilung der Schulbibliotheken in Berlin präsentiert (3). Mit diesen Daten werden die aufgestellten Thesen überprüft (4) und die Ergebnisse dieser Überprüfung diskutiert (5). Daran schliesst eine Einschätzung dazu an, welche Bedeutung die Ergebnisse des Projektes für Schulbibliotheken, Schulen und das Öffentliche Bibliothekswesen haben (6). Vor dem Fazit (7) werden mögliche weitere Forschungsfragen zu Schulbibliotheken, die sich aus diesem Projekt ergeben, genannt.
Grundsätzlich zeigen die erhobenen Daten, dass Schulbibliotheken tatsächlich als Einrichtungen zu verstehen sind, die an den lokalen Schulen und deren jeweiligen Entwicklungen orientiert sind. Bibliothekarische Hoffnungen darauf, Schulbibliotheken prinzipiell als Teil des Bibliothekswesens verstehen und integrieren zu können, die seit einigen Jahrzehnten die bibliothekarische Diskussion bestimmen (siehe als Beginn des Diskurses Doderer et al. (1970); die Hoffnungen werden aber weiterhin formuliert, in der Schweiz sogar in eigenständigen Richtlinien, siehe Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der allgemeinen öffentlichen Bibliotheken (2014)), sind deshalb zurückzuweisen. Aktuell scheinen Schulbibliotheken stattdessen, teilweise sehr kontinuierlich, zumeist ein Eigenleben mit Bezug auf den Kontext ihrer jeweiligen Schulen zu führen.
2 Thesen zur Entwicklung der Schulbibliotheken in Berlin und Methode der Datenerhebung
Das hier dargestellte Projekt wurde, um zu neuen Ergebnissen zu gelangen, welche über die auf einen Zeitpunkt bezogenen Zustandsbeschreibungen von Schulbibliotheken hinausgehen, als längerfristige, thesengeleitete Forschung konzipiert. In diesem Kapitel wird die Thesenbildung erläutert (2.1), anschliessend die verwendete, eher einfache Methode der Datenerhebung (2.2) und zuletzt diskutiert, welche Fragen sich mit den erhobenen Daten zusätzlich zur Prüfung der aufgestellten Thesen bearbeiten lassen (2.3).
2.1 Thesenbildung
Wie berichtet wurden 2006 in nur wenigen Schulen in Berlin Schulbibliotheken vorgefunden, obgleich in der bibliothekarischen Literatur seit Jahrzehnten postuliert wurde, dass jede Schule von einer eigenen Bibliothek profitieren würde. (Schuldt 2006, die dort angegebene Literatur ist in den letzten Jahren gewachsen, hat sich inhaltlich aber kaum verändert.) Obwohl in den Schulbibliotheken, die 2006 im Rahmen der Magisterarbeit besucht wurden, viel engagiertes Personal angetroffen wurde, dass jeweils selber Gründe dafür angab, warum ihre Einrichtungen vorteilhaft für die jeweilige Schule wäre, schien doch die Erfahrung auch ständig von wieder geschlossenen Schulbibliotheken zu hören3 und die geringe Verbreitung von Schulbibliotheken im Allgemeinen die These nahezulegen, dass immer nur eine kleine Zahl von Schulen in Berlin auch Bibliotheken haben werden. Hieraus ergab sich folgende These:
These 1: Schulen mit Schulbibliotheken werden in Berlin auch in Zukunft in der Minderheit bleiben.
In den 2006 erstellten Daten fand sich eine im deutschen Schulsystem zu erwartende Schieflage. In den damals fünf unterschiedlichen Schulformen mit Sekundarstufe – Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule, Sonderschule – betrieben Gymnasien weit eher Schulbibliotheken (24,6%), als – in dieser Reihenfolge – Gesamtschulen (9,9%), Realschulen (8,3%), Hauptschulen (1,7%, genau eine) und Sonderschulen (0%, also keine). In der bibliothekarischen Literatur werden Schulbibliotheken vor allem mit der Leseförderung in Verbindung gebracht, insoweit hätte das Ergebnis auch anders aussehen können. Gerade die Schulen mit schwachen
Leserinnen und Lesern hätten mehr Schulbibliotheken erwarten lassen können. (Auch in Grundschulen, in denen das Lesen ja erlernt wird, liessen sich nur in 8,3% Schulbibliotheken finden.) Der Eindruck war jedoch, dass die Stratifizierung des deutschen Schulsystems sich auch bei der Verteilung von Schulbibliotheken fortsetzte. Die Schülerinnen und Schüler, die von den Chancen und der Ausstattung her ehedem bevorzugt waren, hatten auch eine höhere Chance, auf Schulbibliotheken zurückgreifen zu können.4
Angesichts dessen, dass diese Ungleichheit in der infrastrukturellen Ausstattung von Schulformen seit Jahrzehnten beklagt wurde, lag die Vermutung nahe, dass sie in Bezug auf Schulbibliotheken ebenso nicht nur zufällig beim Zeitpunkt der Recherche bestand, sondern strukturell produziert war und auch weiterhin produziert wird. Dies ist in der folgenden These postuliert:5
These 2: In Bezug auf Schulbibliotheken bleiben die Gymnasien den anderen Schulen mit Sekundarstufen gegenüber überausgestattet.
Im Anschluss an die intensiven Debatten, die als Reaktion auf die ersten Runden der PISA-Studien in Deutschland geführt wurden, fand in Berlin eine Schulstrukturreform statt, die zum Beispiel eine andere Form von Steuerung der Schulen erprobte.6 Die gravierendste Änderung stellte die Zusammenführung von Haupt-, Real- und Gesamtschule zur neuen Schulform Integrierte Sekundarschule
dar. Diese Schulform ermöglicht den Erwerb aller Schulabschlüsse, inklusive – nach 13 Jahren – des Abiturs. Sie soll die Chancengleichheit erhöhen, da hier alle Schülerinnen und Schüler eine praktische Chance zum Abitur (oder den ihnen entsprechenden Bildungsabschluss) haben sollen und nicht mit der Differenzierung nach der Grundschule (in Berlin in der siebenten Klasse) praktisch schon festgelegt werden. Gleichzeitig wurde das Gymnasium auf 12 Jahre verkürzt und der Übergang von der Grundschule auf das Gymnasium nach der vierten Klassen normalisiert.7
Neben der Schulstrukturreform liefen Bemühungen, Sonderschulen – jetzt Schule mit Förderschwerpunkten
– abzubauen und durch integrativen Schulalltag – in welchem Kinder und Jugendliche mit und ohne gesonderten Förderbedarfen möglichst gemeinsam unterrichtet werden – in Schulen ohne gesonderte Förderschwerpunkte umzuwandeln.
Diese Veränderung führte, wie 2008 schon abzusehen war, zu massiven Veränderungen in der Berliner Schullandschaft. Integrierte Sekundarschulen wurden zum Beispiel oft geschaffen, indem je eine Haupt- und Realschule zu einer neuen Schule zusammengefasst wurden, was die Zahl der Schulen in Berlin reduzierte. Gleichzeitig war absehbar, dass zumindest die Auswirkungen dieser Veränderung auf die Schulen und den Schulalltag mit der Zeit wieder in einen unaufgeregten Alltag übergehen würden.
Allerdings konnte man annehmen, dass sich im Rahmen dieser Verfahren, in denen Schulen und Schulgemeinschaften aufgefordert wurden, die Entwicklung in ihren (zum Teil neuen) Schulen selbstständig voranzutreiben, einen ganze Reihe von Projekten in Bezug auf Schulbibliotheken entstehen würden. Die Idee, zumindest in einer schuleigenen Form eine Bibliothek zu gründen, liegt nahe, wenn eine Schule aufgefordert wird, neue Einrichtungen und Schulpraxen zu entwerfen.8 Gleichzeitig ist aus der Geschichte von Schulreformen in Deutschland und deren Langzeitwirkung – auch in Bezug auf Schulbibliotheken – eher Zurückhaltung bei weitreichenden Hoffnungen auf grundlegende Änderungen angeraten. Deshalb wurden folgende Thesen aufgestellt:
These 3: Die Schulstrukturreform wird kurzfristig zu einem Anstieg der Zahl von Schulbibliotheken führen, die mittelfristig wieder auf das Niveau vor der Reform sinken wird.
These 3a: Dies wird insbesondere für die neu geschaffene Schulform Integrierte Sekundarschule gelten.
In der bibliothekarischen Literatur werden Schulbibliotheken seit den 1970er Jahren als multifunktional zu nutzende Einrichtungen – als Informationszentren, als Lernort für einzelne Schülerinnen und Schüler oder für Gruppen, als Unterrichtsort für Schulklassen, als Ort für das freie Lesen, für Hausarbeiten und für die Freizeitnutzung – beschrieben; aus dieser Beschreibung wird abgeleitet, dass eine professionelle bibliothekarische Betreuung notwendig sei. Unter den Schulbibliotheken, die 2006 auf den Homepages der Schulen vorgefunden wurden, fanden sich zwar einige wenige, die offenbar diese Ansprüche teilten. (Schuldt 2006) Hauptsächlich wurden in den Schulen, bei denen dies genauer dargestellt wurde, die Bibliothek aber vorrangig als Ort für das Lesenlernen verstanden. Dies deckte sich auch mit den wenigen Äusserungen zu Schulbibliotheken, die sich in der pädagogischen Literatur fanden. Diese Situation scheint schon länger zu existieren; zumindest hat sich die Argumentation in der bibliothekarischen Literatur für die multifunktionalen Schulbibliotheken seit den 1970er Jahren kaum geändert (Doderer et al. 1970), ohne dass diese Einfluss auf die Schulbibliothek gehabt zu haben scheint. Aus dieser Überlegung ergab sich die folgende These:
These 4: Die Bibliotheken in Schulen werden weiterhin hauptsächlich als Lesebibliotheken
verstanden und genutzt.
Wie erwähnt, entstand während der Magisterarbeit der Eindruck, dass Schulbibliotheken in Berlin eher diskontinuierlich betreiben werden. Es wurden kaum Schulen gefunden (und mit Spandau auch nur in einem der zwölf Berliner Bezirke), in denen 2006 Öffentliche Bibliotheken Filialen betrieben (was Jahre vorher noch verbreitet war, vergleiche Senator für kulturelle Angelegenheiten (1988/1990)9). Von Seiten des Bibliothekswesens wurde also keine Kontinuität hergestellt. Vielmehr entstand der Eindruck, dass in vielen Schulen die Bibliothek vom Engagement einzelner Lehrkräfte, Eltern, Ehrenamtlichen und zum Teil Schülerinnen und Schülern abhing. Nur ganz wenige Schulen übernahmen zum Beispiel die Verantwortung, Personal für die Schulbibliothek direkt einzustellen und langfristig zu finanzieren.10 Ein solches ehrenamtliches Engagement kann aus unterschiedlichen Gründen zurückgehen (Pensionierung, Übernahme anderer Aufgaben, die Lernenden selber oder die Kinder der engagierten Eltern verlassen die Schule etc.), die oft, strukturell ähnlich, in vielen Schulen zu finden sind. Schulen stellen strukturell offenbar auch keine Kontinuität bei der Betreuung der Schulbibliotheken her. Eine solche Kontinuität wäre aber einen Voraussetzung für das Entstehen eines Netzwerks von Schulbibliotheken, die sich professionell entwickeln, gemeinsam Ziele definieren und Erfahrungen austauschen, also zu einer zusammenhängenden Schulbibliothekslandschaft werden könnten. Insoweit wurde folgende These formuliert:
These 5: Der Grossteil der Schulbibliotheken in Berlin wird diskontinuierlich betrieben.
Während beim Beginn des Projektes bekannt war, dass im Berliner Schulwesen Strukturreformen stattfinden würden, war nicht ersichtlich, dass in der Laufzeit des Projektes in kurzer Folge aus dem Bibliothekswesen heraus drei als Handbücher zu Schulbibliotheken konzipierte Monographien erscheinen würden (Wolf & Schuldt 2011; Holderried & Lücke 2012; Kirmse 2014)11 sowie eine Monographie aus dem schulischen Zusammenhang, die für eine pädagogische Nutzung der Bibliothek plädierte (Schlamp 2013). Solche (deutschsprachigen) Werke waren zuletzt in den 1980er Jahren (Papendieck & Hoebbel 1985) erschienen. Ebenso war nicht vorherzusehen, dass 2010 einen Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg gegründet würde. (Zu deren Wirken siehe Abschnitt 3.2.) Die als Vorbild dienende Landesarbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken in Hessen existiert schon seit 1987, hätte also schon viel früher kopiert
werden können.12
Ebenso nicht vorherzusehen war die Entwicklung im Bezirk Treptow-Köpenick, wo beim Schulamt eine feste Stelle für schulbibliothekarische Arbeit geschaffen wurde – allerdings mit wenig Etat –, die seitdem kontinuierlich für Schulbibliotheken im Bezirk aktiv sein kann.
All diese Entwicklungen geschahen mit den Anspruch, die Professionalisierung der Schulbibliotheken voranzutreiben. (Dies wird zum Beispiel in den Vorworten der vier Publikationen jeweils betont.) Bezogen auf die Entwicklung der Schulbibliotheken in Berlin, die im hier präsentiert Projekt interessierten, wäre zu erwarten, dass sich diese Publikationen und die Gründung der Arbeitsgemeinschaft auch in der Zahl und Organisation von Schulbibliotheken niederschlagen würden. Gleichzeitig war auch Vorsicht geboten angesichts der Geschichte von grösseren Interventionen im Bereich Schulbibliotheken und Publikationen, die seit den 1970er Jahren mit ähnlichen Ansprüchen, wie sie in den Monographie vertreten wurden, antraten, aber deren Wirkung zum Beispiel in der Magisterarbeit 2006 nicht (mehr) nachzuweisen waren. (Schon einmal diskutiert in Schuldt (2012).) Insoweit wurde sich nachträglich – nachdem das Projekt schon gestartet war – für eine positive These entschieden, obwohl eher erwartet wurde, dass sie am Ende widerlegt13 würde:
These 6: Die neue Literatur zu Schulbibliotheken, die Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg sowie die Stelle für schulbibliothekarische Arbeit in Treptow-Köpenick werden sich in einer steigenden Anzahl von Schulbibliotheken in Berlin sowie in Schulbibliotheken, die sich eher am bibliothekarischen Modell
orientieren, niederschlagen.
2.2 Methodik
Zum Test der aufgestellten Thesen ist eine Übersicht zur Zahl und Verteilung der Schulbibliotheken in Berlin, inklusive – für den zweiten Teil der sechsten These – eine genauere Darstellung der Konzepte, denen in den Schulbibliotheken gefolgt wird, mithin also eine kontinuierlich geführte Schulbibliotheksstatistik, notwendig. Bislang gab es eine solche Statistik nicht. Weder die Berliner Schulverwaltung, noch das Landesamt für Statistik, noch eine andere Einrichtung – zum Beispiel die Öffentlichen Bibliotheken – erheben kontinuierlich Daten zu Schulbibliotheken. Es existiert zum Beispiel ein Schulverzeichnis, dass kontinuierlich mit Daten zur Entwicklung der Schulen in Berlin (unter anderem der Zahl der Schülerinnen und Schüler oder der Ausstattung der Schulen) ergänzt wird.14 Zudem wird jährlich eine Bildungsstatistik des Landes Berlin erhoben und zumindest in ihren Eckdaten publiziert.15 Beide enthalten aber keine Angaben zu Schulbibliotheken.
In einigen Fällen werden in Umfragen, die in Schulen durchgeführt werden, auch Angaben zu Schulbibliotheken abgefragt, beispielsweise bei den PISA-Studien 2009 (OECD 2011:8916) oder der Studie Nutzungsmonitoring für Bibliotheken
(Hardtke-Flodell & Puchta 2015). Diese eignen sich aber aus mehreren Gründen nicht für einen Test der aufgestellten Thesen. Zum einen werden sie unregelmässig durchgeführt (zumindest in Bezug auf Fragen zu Schulbibliotheken), beziehen sich auf unterschiedliche Themen, ziehen unterschiedliche Zahlen von Schulen mit ein und lassen sich so auch nicht vereinheitlichend in eine kontinuierliche Datenreihe integrieren. Zum anderen verzichten sie aber auch auf eine Definition, was unter Schulbibliotheken zu verstehen sei, zum Beispiel ob sie von Sammlungen von Klassensätzen von Lehrbüchern, die manchmal als Bücherei bezeichnet wird, abzugrenzen seien oder nicht. Insbesondere Fragen zur Entwicklung der Zahl von Schulbibliotheken lassen sich deshalb mit ihnen nicht beantworten.
Im hier vorgestellten Projekt wurden deshalb, mit sehr begrenzten Mitteln, selber eine solche kontinuierliche Schulbibliotheksstatistik für Berlin für einen Zeitraum von zehn Jahren (2008-2017) erstellt, mit der jetzt die genannten Thesen getestet werden können.
Die Daten dazu wurden nicht durch Umfragen erhoben. Dies wäre ökonomisch und vom Aufwand her nicht möglich gewesen.17 Vielmehr baute die Studie, wie schon die Magisterarbeit von 2006, auf den Homepages der Schulen und ihren dort dargebotenen Selbst-Präsentationen auf. Dies war auch möglich, da die Schulen in Berlin dazu angehalten werden, sich nach aussen zu präsentieren und dies 2008 auch schon taten.18
Bei der Datenerhebung wurde wie folgt vorgegangen:
Jährlich wurden in der ersten Aprilwoche im offiziellen Schulverzeichnis des Landes Berlin die vorhandenen Schulen recherchiert. Diese Liste veränderte sich von Schuljahr zu Schuljahr, teilweise durch Schliessungen, Eröffnungen (Neu- und Wiedereröffnung) von Schulen, teilweise durch das Zusammenlegen oder Trennen von Schulen (zumeist durch Abstufung zu Filialen oder Aufwerten von Filialen zu vollständigen Schulen). Gerade durch die Schulstrukturreformen, die während der Laufzeit des Projektes durchgeführt wurden (siehe Abschnitt 2.1), kam es zu massiven Veränderungen der Berliner Schullandschaft. Um die Arbeit zu begrenzen, wurden nur die Schulen des ersten Bildungsweges, die zu einem Schulabschluss führen, betrachtet. Berufsschulen, Abendschulen und Kolleges wurden nicht einbezogen. Ebenso nicht aufgenommen wurden ausländische Schulen, die keine deutschen Schulabschlüsse anbieten (diese sind auch gar nicht im Schulverzeichnis enthalten), einbezogen wurden aber Schulen mit einem deutschem und einem anderen Schulabschluss sowie Ersatzschulen, die allgemeine Schulabschlüsse anbieten – sogenannte Privatschulen –, egal welcher Ausrichtung. Die freien Waldorfschulen wurden, da sie im Schulverzeichnis gesondert gezählt werden, ebenso gesondert gezählt.
Im Anschluss, dass heisst immer noch zu Beginn des jeweiligen Aprils, wurden die Homepages aller dieser Schulen aufgerufen und daraufhin durchsucht, ob eine Schulbibliothek erwähnt wurde.19 Dies geschah oft nur sehr kurz, zum Beispiel als ein Anstrich unter
Ausstattung
oder als Bild in einer Bilderstrecke aus der jeweiligen Schule; in anderen Fälle aber auch sehr umfangreich, mit eigenen Unterseiten für Schulbibliotheken oder auch eigenen Homepages der Schulbibliothek.20 Dabei wurden relativ liberale Kriterien angelegt. Wenn eine Schulbibliothek genannt wurde, wurde sie als existent angenommen. Ausgeschlossen wurden nur Einrichtungen, die erkennbar reine Sammlungen von Klassensätzen darstellten (da diese keine Funktion als Bibliothek für die Schülerinnen und Schüler bieten), oder aber, wenn die letzte Meldung zu einer Schulbibliothek drei oder mehr Jahre zurücklag.21 Die Studie nutzt also die Eigendefinition der Schulen – wenn diese eine Einrichtung als Schulbibliothek beschrieben, dann wurde sie als solche gezählt.22 Die Plausibilität der Angaben wurde, so weit möglich, überprüft – zum Beispiel ob es wirklich die aktuelle Homepage der genannten Schule (und nicht eineaufgegebene
Homepage oder aber eine gleich benannten Schule in einem anderen Bundesland) war. Anschliessend wurde der Nachweis in einer Liste verzeichnet und, wenn möglich, die jeweilige Fundstelle als Snapshot abgespeichert.Die gesammelten Daten wurden jährlich deskriptiv ausgewertet. Sie stellten jeweils einen Querschnitt pro Jahr dar. Sicherlich sind diese Zahlen mit Vorsicht zu interpretieren. Die Homepage einer Schule stellt nie die gesamte Schule dar, sondern im besten Falle das, was die jeweilige Schule von sich nach aussen präsentieren möchte. Es ist allerdings zu vermuten, dass Schulbibliotheken, die eine Rolle im Schulalltag spielen, auf diesen Homepages genau deshalb dargestellt werden. Sind sie nur existent, ohne eine Rolle im Schulalltag zu spielen, werden sie wohl auch nicht nach aussen präsentiert. Schwieriger scheint die Frage, ob Schulbibliotheken, die geschlossen wurden, auch von den Homepages entfernt werden. Hier ist nicht zu erwarten, dass sie sofort verschwinden. Die Schliessung selber wird nur sehr selten auf der Homepage vermeldet.23 Ebenso, wie zu vermuten ist, dass nicht alle existenten, sondern nur die im Schulalltag relevanten Bibliotheken auf den Schulhomepages aufgeführt werden, ist auch zu vermuten, dass Schulhomepages Bibliotheken anzeigen, die real geschlossen sind. (Allerdings ist zu bemerken, dass die Homepages von Schulen mindestens einmal im Jahr – zum Beginn des Schuljahres – aktualisiert werden, oft auch regelmässiger.) Hinzu kommt, dass jedes Jahr zwischen 10 und 20 Schulen im April keine aktuellen Homepages haben. Nichtsdestotrotz sind die erhobenen Daten als Annäherung an die Realität zu verstehen, für die es sonst keine besseren Daten gibt.
Die Anzahl der Schulbibliotheken lässt sich, durch die regelmässig gleiche Form der Datenerhebung, direkt in Verbindung setzen. Die so entstanden Zeitreihen vermitteln allerdings schnell den Eindruck, als gäb es einen direkten Zusammenhang zwischen diesen, so als ob sich Schule A entscheiden würde eine Schulbibliothek einzurichten, weil Schule B und C eine unterhalten. Davon ist aber nicht auszugehen. Die Gründe dafür lassen sich nicht einfach aus der Datenreihe ableiten. Die Schulen entscheiden sich jeweils eigenständig dafür, Schulbibliotheken (in jeweils selbst gewählter Form) einzurichten – selbst wenn das Einrichten selber zum Beispiel vom Förderverein der Schule übernommen wird – oder auch wieder zu schliessen. Gleichzeitig implizieren die Datenreihen, zumindest zwischen 2008 und 2017, dass es fast immer nur neue Schulbibliotheken geben würde, dass also eine Schule, wenn sie eine Schulbibliothek eingerichtet hat, diese auch behalten würde, und nur einfach neue hinzukommen würden. Dem ist aber nicht so. Vielmehr ist die Verteilung der Schulbibliotheken über die Berliner Schulen viel diverser. Dies zeigt sich aber erst durch einen genaueren Blick in die Daten.
Um diese Dynamik zu untersuchen, wurden in einer Datenbank alle Schulen in Berlin, die im Zeitraum von 2008 bis 2017 eine Schulbibliothek ausgewiesen hatten, inklusive der Jahre in denen sie dies taten, eingetragen. So wurden Kontinuitäten und Diskontinuitäten sichtbar. Allerdings galt, wie schon erwähnt, zu beachten, dass auch die Berliner Schullandschaft selber kontinuierlich in Bewegung ist, insbesondere – durch die Schulstrukturreformen – in den Jahren 2010 und 2011. Eine Schulbibliothek kann auch deshalb geschlossen werden, weil die jeweilige Schule mit einer anderen vereinigt wird, was wenig über die mögliche Kontinuität der Bibliothek selber aussagt; Schulen können umbenannt werden, was den Eindruck vermitteln kann, dass eine Schulbibliothek geschlossen und eine andere eröffnet wurde, obwohl es sich um die gleiche Einrichtung handelt. Es wurde versucht, auf diese potentiellen Fehlerquellen zu achten.24
Während bislang die jeweilige Situation deskriptiv dargestellt werden konnte,25 ab 2010 auch als Trend (Schuldt 2010), scheint jetzt, nach zehn Jahren, ein Grad der Sättigung erreicht zu sein, um die zu Beginn des Projektes aufgestellten Thesen überprüfen zu können. Alle Thesen lassen sich operationalisieren in zu erwartete Trends, die sich in den Daten zeigen müssten. Dies wird geschehen (4), nachdem die konkreten Daten dargestellt wurden (3).
2.3 Weitere Möglichkeiten, die Datensammlung zu verwenden
Die Sammlung auf Hinweise auf und Darstellung von Schulbibliotheken auf den Homepages Berliner Schulen über einen Zeitraum von zehn Jahren ermöglicht die Untersuchung weiterer Fragen, die über den Test der genannten Thesen hinausgeht. Dabei ist nochmal anzumerken, dass über die gesamten Jahre hinweg die meisten Schulen ihre Bibliotheken nicht gesondert präsentierten, sondern nur kurz in Listen und Aufzählungen anführten. Dies änderte sich auch nicht grundsätzlich durch den Wettbewerb Schulbibliothek des Jahres
, den die Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg seit 2011 alle zwei Jahre für Berlin (und gesondert für Brandenburg) ausschreibt. (Siehe Abschnitt 3.2)26 Insoweit wäre zum Beispiel eine qualitative Inhaltsanalyse dieser Darstellungen nur von begrenztem Aussagewert. Über die meisten Schulbibliotheken (und Schulen) wäre damit weiterhin nichts ausgesagt.
Ebenso ist, wie schon gesagt, die Darstellung der Schulbibliotheken nicht mit der Realität in den Bibliotheken selber gleichzusetzen. Zu wünschen wäre mehr Forschung in den Einrichtungen selber; dies konnte im Rahmen dieses Projektes nicht geleistet werden.
Zu Beginn des Projektes wurde sich erhofft, dass sich durch den langen Zeitraum der Recherchen auch spezifische Angaben zu Schulbibliotheken finden würden – beispielsweise zur Bestandsgrösse, zur Auswahl der Medien, zum Etat, zum Personal –, die sich vergleichen oder – wie es durch die Jahresberichte der Öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken möglich ist – über die Jahre hinweg verfolgt werden könnten. Diese Daten fanden sich aber nur in Ausnahmefällen und auch dann nicht kontinuierlich geupdatet. Insoweit lassen sich aus ihnen keine Aussagen ableiten.27
Diesen Einschränkungen eingedenk lassen sich an das gesammelte Material folgende Fragen stellen, die in weiteren Auswertungen angegangen werden:
Wie werden die (wenigen) genauer dargestellten Bibliotheken präsentiert? Was ist deren vermeintliche Funktion? Welche Besonderheiten werden herausgestellt oder werden anders sichtbar?
In Schuldt (2010) wurden vom Autor aus den 2008 bis 2010 gesammelten Daten und dem Wissen aus der Magisterarbeit (Schuldt 2006) fünf Modelle von Schulbibliotheken identifiziert (die unter anderem anschliessend in Wolf & Schuldt (2011) übernommen wurden). Diese Modelle stellten unterschiedliche Anforderungen an die Einrichtungen und eröffnen auch unterschiedliche Potentiale für die jeweiligen Schulen. Bestätigen sich diese Modelle? Gibt es weitere Modelle, die in den letzten Jahren sichtbar wurden?
Insbesondere Schulen, die kontinuierlich oder gerade diskontinuierlich Schulbibliotheken betreiben, eignen sich für eine tiefergehende Analyse. Zeichnen sich diese gegenüber anderen Einrichtungen aus und wenn ja, worin?
3 Die Verteilung der Schulbibliotheken in Berlin 2008-2017
In diesem Abschnitt werden zuerst (3.1) die im Projekt erhobenen Daten deskriptiv dargestellt und anschliessend in einen Zusammenhang mit Ereignissen gesetzt, von den anzunehmen wäre, dass sie Einfluss auf Schulbibliotheken in Berlin hätten haben müssen (3.2).
Deskriptive Darstellung der erhobenen Daten
Die Entwicklung der Anzahl der Schulbibliotheken in Berlin lässt sich nun – mit den zuvor genannten Einschränkungen – wie folgt darstellen:
Grundschule | Gesamtschule | Hauptschule | Realschule | |
---|---|---|---|---|
Apr 08 | 95 | 14 | 1 | 4 |
Apr 09 | 110 | 16 | 6 | 5 |
Apr 10 | 155 | 13 | 9 | 5 |
Apr 11 | 182 | 20 | 5 | 12 |
Apr 12 | 146 | - | - | - |
Apr 13 | 184 | - | - | - |
Apr 14 | 159 | - | - | - |
Apr 15 | 167 | - | - | - |
Apr 16 | 167 | - | - | - |
Apr 17 | 174 | - | - | - |
Integrierte Sekundarschule | Gymnasium | Freie Waldorfschule | Gesamt |
---|---|---|---|
- | 22 | 1 | 139 |
- | 31 | 1 | 177 |
- | 41 | 2 | 235 |
28 | 39 | 2 | 252 |
36 | 39 | 2 | 232 |
37 | 38 | 3 | 262 |
29 | 36 | 2 | 226 |
33 | 41 | 2 | 226 |
38 | 49 | 3 | 257 |
41 | 43 | 2 | 260 |
Grundschule | Gesamtschule | Hauptschule | Realschule | |
---|---|---|---|---|
Apr 08 | 21,10% | 26,40% | 1,80% | 5,30% |
Apr 09 | 25,30% | 30,20% | 11,30% | 6,80% |
Apr 10 | 35,20% | 24,10% | 18,00% | 7,00% |
Apr 11 | 41,80% | 36,40% | 11,60% | 17,60% |
Apr 12 | 34,20% | - | - | - |
Apr 13 | 38,30% | - | - | - |
Apr 14 | 37,90% | - | - | - |
Apr 15 | 38,70% | - | - | - |
Apr 16 | 39,20% | - | - | - |
Apr 17 | 40,80% | - | - | - |
Integrierte Sekundarschule | Gymnasium | Freie Waldorfschule | Gesamt |
---|---|---|---|
- | 19,70% | 11,10% | 17,40% |
- | 28,70% | 11,10% | 22,00% |
- | 37,60% | 22,20% | 28,40% |
23,90% | 34,50% | 20,00% | 31,60% |
25,00% | 33,90% | 18,20% | 31,70% |
24,80% | 33,30% | 27,30% | 34,70% |
18,70% | 31,90% | 20,00% | 32,40% |
20,20% | 36,30% | 20,00% | 31,80% |
22,10% | 43,80% | 30,00% | 35,70% |
23,30% | 38,40% | 18,20% | 35,90% |
Zu beachten sind bei diesen Zahlen folgende Punkte:
Wie erwähnt fand in Berlin in den letzten Jahren eine relativ durchgreifende Schulstrukturreform statt. In den hier dargestellten Zahlen ist dies daran sichtbar, dass die Schulformen Haupt-, Real- und Gesamtschule bis zum Jahr 2011 ausliefen und ab 2010 die neue Schulform Integrierte Sekundarschule eingeführt wurde. Dies sind teilweise transformierte Gesamtschulen (mit gleichem Gebäude und Personal), teilweise zusammengelegte Haupt- und Realschulen. Letztlich hatte jede dieser Schulen die Aufgabe, sich neu aufzustellen. (Auch die Gymnasien, die auf 12 Schuljahre verkürzt wurden.)
Die Zahl der Schulen in Berlin ist im kontinuierlichen Wandel. Schulen werden auch ausserhalb von Schulstrukturreformen geschlossen, neu eröffnet und haben mit wachsenden oder schrumpfenden Zahlen von Schülerinnen und Schülern umzugehen. Deshalb ist es für ein vollständiges Bild sinnvoll, neben der Angabe der konkreten Anzahl auch die prozentuale Verteilung der Schulbibliotheken anzugeben.
Im gleichen Masse sind ständig Schulen in Berlin von Renovationen, Um- und Neubauten oder auch Teilschliessungen betroffen, bei denen oft Teile von Schulgebäuden temporär nicht zu nutzen sind. In solchen Fällen beschränken sich Schulen zum Teil auf die unbedingt notwendigen Räume, zu denen Schulbibliotheken nicht immer gezählt werden. Insoweit wäre es wohl falsch davon auszugehen, dass jemals 100% der Schulen in Berlin eigene Bibliotheken aufweisen könnten.
Zu beschreiben ist die Entwicklung als grundsätzlich, aber nicht ununterbrochen, wachsend, mit einem rasanten Anstieg in den ersten vier Jahren (2008 bis 2012) und einem gewissen Einpendeln der Anzahl von Schulbibliotheken in den Folgejahren.
In jedem Jahr und auch in jeder Schulform war es immer eine Minderheit von Schulen in Berlin, die eine Schulbibliothek betrieben. Allerdings gab es dabei bemerkenswerte Unterschiede. Insbesondere in Grundschulen und Gymnasien lässt sich feststellen, dass es 2008 noch eher unwahrscheinlich war, dass die Schülerinnen und Schüler eine Schulbibliothek nutzen konnten, während dies 2017 relativ normal wurde.
Beachtenswert ist auch die Entwicklung bei den drei abgeschafften und der einen neu geschaffenen Schulform. Gesamtschulen hatten im Vergleich zu Haupt- und Realschulen, aber auch Gymnasien, relativ oft Schulbibliotheken, während sie in Haupt- und Realschulen eine Seltenheit darstellten.28 Die neue Schulform Integrierte Sekundarschule soll zu mehr Bildungsgerechtigkeit führen. (Maaz et al. 2013) Zumindest in Bezug auf das Vorhandensein von Schulbibliotheken zeigt sich dies nicht. Vielmehr bewegt sich die Zahl der Schulbibliotheken, ausgedrückt in Prozenten, zwischen Gesamtschulen auf der einen und Haupt- und Realschulen auf der anderen Seite, trotz leichtem Wachstum im letzten Jahr. Die Differenz zu den Gymnasien ist weiterhin gross.
Die freien Waldorfschulen, die in Berlin gesondert im Schulverzeichnis aufgeführt werden und eigentlich als Schulform für ihre Beliebtheit bei ökonomisch gut aufgestellten Familien bekannt sind, (Liebenwein, Barz & Randoll 2012) vermitteln dagegen ein erstaunlich kontinuierliches Bild. (Als anerkannte Ersatzschulen waren sie aber auch nicht so sehr von den Schulstrukturreformen betroffen, wie andere Schulen.) Offenbar werden Bibliotheken in diesen Schulen nicht als unbedingt notwendige Lernräume angesehen.29
Die Verteilung der Schulbibliotheken unter den Schulformen hat sich in den letzten Jahren in Berlin also kaum verändert, die Zahl der Schulbibliotheken hingegen schon. Zugleich scheint seit einigen Jahren auch eine gewisse Sättigung der Zahl der Schulbibliotheken eingetreten zu sein.
Wie schon erwähnt, wäre es falsch, dieses Wachstum dahingehend zu interpretieren, dass zu schon bestehenden Schulbibliotheken einfach neue Einrichtungen hinzugekommen wären. Vielmehr schliessen jährlich Schulbibliotheken.30 Listet man die jährlich bekannten Schulbibliotheken auf und überprüft, ob sie kontinuierlich vorhanden sind, ergibt sich für die Frage, ob die 2017 existierenden Schulbibliothek kontinuierlich betrieben wurden, folgende Tabelle:31
Kontinuierlich betrieben seit | Anzahl |
---|---|
Seit 2008 | 35 |
Seit 2009 | 33 |
Seit 2010 | 18 |
Seit 2011 | 17 |
Seit 2012 | 9 |
Seit 2013 | 8 |
Seit 2014 | 11 |
Seit 2015 | 10 |
Sichtbar ist hier eine Anzahl von offenbar gut etablierten Schulbibliotheken, die seit neun oder zehn (und wohl auch mehr) Jahren existieren und wenigen Neugründungen, die sich in den darauffolgenden Jahren etablieren konnten. Insgesamt kann man von 141 (von 200, also 54,2%) kontinuierlich in Berlin betriebenen Schulbibliotheken und 119 Neugründungen in den letzten zwei Jahren (45,8%) sprechen. Wenn die Erfahrung der letzten Jahre stimmt, werden viele dieser neuen Schulbibliotheken in den nächsten Jahren wieder geschlossen sein.
Dabei gibt es auch Schulen, in denen in den letzten zehn Jahren Schulbibliotheken mehrfach eröffnet und wieder geschlossen wurden.32 Nimmt man die letzten zehn Jahre als Datenbasis (wobei eine Anzahl Schulbibliotheken, zum Beispiel die in der Grundschule an den Puettbergen (2017), auch schon länger bestehen, hier aber mit 10 Jahren Kontinuität einberechnet werden), dann existieren Schulbibliotheken in Berlin (von 2008 bis 2017) im Durchschnitt 4,7 Jahre. Man kann also generell von einer grossen Dynamik und gleichzeitig von einer gewissen Anzahl von etablierten Schulbibliotheken ausgehen.
3.1 Für Schulbibliotheken in Berlin eventuell relevante Ereignisse 2008-2017
Während der zehn Jahren, in denen Daten für das hier besprochene Projekt erhoben wurden, gab es im Schulwesen Berlins, im Bibliothekswesen und auch im direkten Umfeld von Schulbibliotheken Ereignisse, die einen direkten Einfluss auf die Schulbibliotheken in Berlin hätten haben sollen. Mit Hilfe der erhobenen Daten lässt sich zumindest überprüfen, ob sie einen Einfluss auf die Zahl der Schulbibliotheken hatten.
Wie schon erwähnt, erschienen im Untersuchungszeitraum gleich vier grössere Publikationen zur Organisation und Nutzung von Schulbibliotheken, nachdem die letzte solcher Publikationen 1985 erschienen und die Fachzeitschrift schulbibliothek aktuell 2000 eingestellt wurde.33 Alle vier erschienen in kurzer zeitlicher Distanz: Wolf & Schuldt (2011), Holderried & Lücke (2012), Schlamp (2013), Kirmse (2014). Sie alle wollen unter anderem dazu anregen, Schulbibliotheken zu gründen, kontinuierlich zu führen und in der Schule zu nutzen.34
Auch schon mehrfach angesprochen wurde die Schulstrukturreform in Berlin, die unter anderem die Verantwortung der Schulen für ihren Schulalltag erhöhen sollte (regelmässiges Schulprogramm, Schulevaluationen). Gleichzeitig wurden mit den Integrierten Sekundarschulen nicht nur eine neue Schulform geschaffen, sondern die Schulen selber dazu angehalten, sich neu zu entwickeln, zum Beispiel Angebote und Infrastrukturen aufzubauen. Es wäre zu erwarten, dass eine Anzahl der Schulen in solchen Prozessen darüber nachdenken würden, Schulbibliotheken einzurichten, insbesondere, wenn man den Argumentationen der eben genannten Publikationen – die allesamt Schulbibliotheken als Lernorte für moderne Lernformen bezeichnen – folgt.
2010 wurde die Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg gegründet, die mit dem Anspruch auftritt, explizit Schulbibliotheken zu vertreten und deren Entwicklung voranzutreiben. Dazu veranstaltete sie zum Beispiel bislang sechs Schulbibliothekstage (Tagungen zu Schulbibliotheken mit starken Weiterbildungscharakter, 2008 und 2009 noch ohne Vereinsstatus in Potsdam, 2010 Berlin-Mitte, 2012 Hohen-Neuendorf, 2013 Berlin-Köpenick, 2016 Eberswalde) und führte den Wettbewerb
Schulbibliothek des Jahres
(teilweise getrennt für Berlin und für Brandenburg) ein, der bislang viermal durchgeführt wurde (2011, 2013, 2015, 2017). Zum Wettbewerb erschien 2013 auch eine Broschüre. (Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken in Berlin und Brandenburg 2013)35Die Arbeitsgemeinschaft publizierte ebenfalls 2013 ein Whitepaper zu einem offenbar dann eingestellten Projekt, eine schulbibliothekarische Arbeitsstelle an der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) einzurichten. Laut dieser gab es von 2011 bis 2013 ein Interesse der ZLB daran. (Hardtke-Flodell, Frübing & Wolter 2013)36
Mit Bezug auf den Koalitionsvertrag des dann neuen Berliner Senats (2016-2021) erarbeitete die gleiche Arbeitsgemeinschaft 2017 ein Papier, welches bei diesem Senat konkrete Unterstützung von Schulbibliotheken einforderte, insbesondere eine, jetzt nicht unbedingt an der ZLB angesiedelte, sondern eigenständige
zentrale Unterstützungsstelle
für Schulbibliotheken, die unter anderem zentral Software für die Schulbibliotheken betreiben, eine Vernetzung der Schulbibliotheken ermöglichen und Beratungsdienstleistungen anbieten soll. (Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken in Berlin und Brandenburg 2017)37
Es ist möglich, diese Ereignisse über einen einfachen Graphen zur Entwicklung der Anzahl der Schulbibliotheken insgesamt abzutragen.
Bei all diesen Ereignissen wäre zu erwarten, dass es eine sichtbare Veränderung der Zahl der Schulbibliotheken geben könnte: Schulen könnten durch die Publikationen überzeugt werden, Bibliotheken einzurichten, ein Interesse der ZLB könnte die Gründung von Schulbibliotheken beschleunigen, die Wettbewerbe zur Schulbibliothek des Jahres könnten diese sichtbar machen etc.
Der Eindruck ist aber ein ganz anderer: Die Schulstrukturreform und das Wachstum der Zahl von Schulbibliotheken scheinen in einem Zusammenhang zu stehen. Selbstverständlich ist diese Korrelation kein Beweis, aber es lässt sich vermuten, dass die Aktivitäten in Schulen, welche auf die Reformen folgten, auch dazu führten, dass Schulbibliotheken eingerichtet wurden.
Die anderen Ereignisse scheinen keinen Einfluss gehabt zu haben. Insbesondere bei den Publikationen scheint sogar, als seien sie veröffentlicht worden, als das mögliche Interesse schon wieder verebbt war (wobei nochmal darauf zu verweisen ist, dass weiterhin Schulbibliotheken eröffnet, aber auch andere wieder geschlossen wurden; eventuell sind die neuen also dennoch von den Publikationen motiviert worden). Dies stellt zumindest die Hoffnungen auf ein weiteres Wachstum der Zahl der Schulbibliotheken, die sich zum Beispiel offensichtlich bei den Aktionen der Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg gemacht werden, in Frage.
4 Überprüfung der Thesen
Auf der präsentierten Datengrundlage können nun die zu Beginn der Studie aufgestellten Thesen überprüft werden.
These 1: Schulen mit Schulbibliotheken werden in Berlin auch in Zukunft in der Minderheit bleiben.
Diese These lässt sich leicht operationalisieren. Setzt man die Minderheit der Schulen bei 50% minus einer an, bestätigt sich die These, wenn die Anzahl der Schulen in den Daten in den untersuchten zehn Jahren nie diesen Wert überschreitet. Dies ist so eingetreten, nicht nur bei der Gesamtheit der Schulen, sondern auch in allen einzelnen Schulformen. Sicherlich könnte man die These weiter differenzieren und zum Beispiel unterschiedlich starke Minderheiten einführen, beispielsweise irrelevante Minderheiten von 0%-10%, relevante Minderheiten bei 10%-25% und starke Minderheiten bei 25%-50%. Dann würde sich zeigen, dass die Schulen mit Schulbibliotheken – allerdings nicht bei allen Schultypen – zu einer starken Minderheit geworden sind.
Aber auch dies würde nicht bedeuten, dass der Eindruck entstünde, dass die Schulen mit Schulbibliotheken in absehbarer Zeit mehr als 50% der Schulen in Berlin ausmachen würden. Vielmehr scheint die dynamische Entwicklung vorbei zu sein. (Wieder bezogen auf die Gesamtheit der Schulen, in einzelnen Schulen hingegen scheint es immer wieder zum Aufbau, Umbau und der Schliessung von Schulbibliotheken zu kommen.) Vielmehr scheint die These auch für die absehbare Zukunft aufgestellt werden zu können, falls es nicht zu radikalen Veränderungen in der Schul- oder Bibliothekspolitik kommen sollte.
These 1 ist somit bestätigt.
These 2: In Bezug auf Schulbibliotheken bleiben die Gymnasien den anderen Schulen mit Sekundarstufen gegenüber überausgestattet.
Auch diese These lässt sich leicht operationalisieren. Sie wird gültig, wenn Schulen mit Sekundarstufe (bis 2010/2011 Haupt-, Real- und Gesamtschulen; ab 2010/2011 Integrierte Sekundarschulen, durchgängig die Freien Waldorfschulen) in jedem Jahr weniger Schulbibliotheken auswiesen als die Gymnasien. Dies ist so eingetreten. Teilweise war die Wahrscheinlichkeit, in einem Berliner Gymnasium eine Schulbibliothek vorzufinden, doppelt so hoch, wie in den Integrierten Sekundarschulen. Unter den Haupt- und Realschulen sowie Freien Waldorfschulen waren die Schulen mit Schulbibliothek offenbar immer eine Seltenheit. Wenn man davon ausgeht – zumindest tut dies die bibliothekarische Literatur zu Schulbibliotheken –, dass Schulbibliotheken zum Schulerfolg beitragen, stellt dieses Ergebnis eigentlich den grössten Skandal dar, der sich in den gesammelten Daten findet. Offenbar haben in Berlin die Schülerinnen und Schüler der Gymnasien, die ehedem schon privilegiert sind, auch einen privilegierten Zugang zu Schulbibliotheken. Nicht alle, aber doch viel mehr, als die Schülerinnen und Schüler anderer Schulformen.38
These 2 ist somit bestätigt.
These 3: Die Schulstrukturreform wird kurzfristig zu einem Anstieg der Zahl von Schulbibliotheken führen, die mittelfristig wieder auf das Niveau vor der Reform sinken wird.
These 3a: Dies wird insbesondere für die neu geschaffene Schulform Integrierte Sekundarschule gelten.
Diese These sagt eine Kurve in den Daten voraus. Die Zahl der Schulbibliotheken müsste 2010/2011 mit der Schaffung der Integrierten Sekundarschulen massiv steigen, dann bis zum Ende des Untersuchungszeitraums (2017) wieder auf eine Niveau wie 2008/2009 sinken. Die Daten zeigen eine andere Entwicklung. Zwischen 2008 und 2012 hat sich die Zahl der Schulen mit Schulbibliotheken in Berlin massiv erhöht. Im Sinne der These lässt sich, wie schon diskutiert, hier ein Zusammenhang mit der Schulstrukturreform vermuten.
Allerdings ist die Zahl seitdem nicht mehr massiv gesunken, sondern verblieb auf diesem Niveau von ungefähr einem Drittel der Schulen. Zu vermuten ist, dass die Schulstrukturreform tatsächlich mehr Aktivitäten in den Schulen auslöste, unter anderem in Bezug auf Schulbibliotheken, als in der These erwartet wurde.
In Bezug auf Integrierte Sekundarschulen hätte die These genauer formuliert werden müssen. Im Vergleich zu den drei Schulformen, aus der sie entstanden ist, gab es 2011 weit mehr Schulbibliotheken als in den Haupt- und Realschulen, aber weniger als in den Gesamtschulen. Angesichts dessen, dass es auch mehr Haupt- und Realschulen als Gesamtschulen gab, kann von einem Anstieg der Zahl der Schulbibliotheken gesprochen werden, allerdings keinem eindeutigen. Gleichzeitig entwickelte sich die Zahl in den folgenden Jahren auf diesem Niveau weiter und ging nicht auf das niedrige Niveau der Haupt- und Realschulen zurück.
Insoweit lässt sich sagen, dass die These richtig den Anstieg von Schulbibliotheken voraussagte, aber viel zu negativ in Bezug auf die weitere Entwicklung war.
These 3 ist somit in grossen Teilen widerlegt.
These 3a ist ebenfalls zu grossen Teilen widerlegt.
These 4: Die Bibliotheken in Schulen werden weiterhin hauptsächlich als Lesebibliotheken
verstanden und genutzt.
Diese These basiert auf den Erfahrungen aus der weiter oben genannten Magisterarbeit (Schuldt 2006), die unter anderem Besuche in Schulbibliotheken beinhaltete. Dies liess sich 2017 aufgrund beruflicher Verpflichtungen des Autors nicht reproduzieren. Es muss zur Operationalisierung also auf die Darstellung der Schulbibliotheken selber zurückgegriffen werden. Dazu wurden die Darstellungen der Schulbibliotheken, die sich 2017 finden liessen, inhaltlich ausgewertet. Genutzt wurden dazu die Modelle von Schulbibliotheken, die 2010 auf der Basis der damals vorliegenden Daten gebildet wurden. (Schuldt 2010:12-14) und seitdem mehrfach anderswo Verwendung fanden (Holderried & Lücke 2012; Wolf & Schuldt 2011; Rega 2015), also offenbar eine gewisse Überzeugungskraft haben.
Schulbibliotheken als Orte des guten Unterrichts
Schulbibliotheken als Lese-Lern-Räume
Schulbibliotheken als Offene Lernräume
Schulbibliotheken als schulfreie Räume in Schulen
Schulbibliotheken als kleine Stadtteilbibliotheken
Es wurde versucht, die vorgefundenen Schulbibliotheken jeweils einem Modell zuzuordnen. Die Datenbasis ist gering, da die meisten Schulen ihre Schulbibliotheken, wie schon erwähnt, nicht wirklich beschrieben. Es ergibt sich aber folgendes Bild:
Modell der Schulbibliothek | Anzahl Schulbibliothek (2017) |
---|---|
Schulbibliotheken als Orte des guten Unterrichts | 0 |
Schulbibliotheken als Lese-Lern-Räume | 31 |
Schulbibliotheken als Offene Lernräume | 16 |
Schulbibliotheken als schulfreie Räume in Schulen | 5 |
Schulbibliotheken als kleine Stadtteilbibliotheken | 3 |
Dieses Ergebnis gleichen den 2006 gewonnenen Eindrücken. Schulen orientieren sich nicht an bibliothekarischen Modellen (obwohl sie es heute durch die schon genannten Monographien zu Schulbibliotheken einfacher könnten als 2006), sondern verstehen Schulbibliotheken vor allem als Orte des Lesens, des freien Lernens und der Freizeitgestaltung.39 Von den drei Schulbibliotheken, die sich eher an bibliothekarischen Vorstellungen zu orientieren scheinen (Carl von Ossietzky Schule, Gottfried-Keller Gymnasium, Französisches Gymnasium / Lycée Français de Berlin), bezieht sich das Lycée Français de Berlin offenbar auf die Vorbilder in französischen Schulen (so heisst die Einrichtung auch, wie in Frankreich, Centre de documentation et d’information (CDI)) und nicht auf das deutsche Bibliothekswesen. Entgegen aller Vorschläge scheinen Schulbibliotheken in Berlin auch kaum als Unterrichtsort genutzt zu werden.
These 4 ist damit bestätigt, allerdings auf einer sehr kleine Datenbasis.
These 5: Der Grossteil der Schulbibliotheken in Berlin wird diskontinuierlich betrieben.
Diese These wurde so operationalisiert, das eine Schulbibliothek als kontinuierlich betrieben galt, wenn sie drei oder mehr Jahre nacheinander betrieben wurde. Im Idealfall würde sie einmal gegründet und dann die gesamte Zeit über, in der die Schule existiert, betrieben werden. Deshalb wurde die Aussage so gefasst: eine Schulbibliothek gilt als kontinuierlich betrieben, wenn sie seit mindestens drei Jahren nachzuweisen ist und 2017 existiert. Aufgrund der Datenlage wurde akzeptiert, wenn sie innerhalb ihrer Existenz eine Jahr lang nicht nachgewiesen werden konnte, aber zuvor und danach, da dies eher auf die Aktualität der jeweiligen Schulhomepage und weniger auf die Schulbibliothek selber zurückgeführt werden kann. Ansonsten, also wenn sie zwei oder mehr Jahre lang nicht nachgewiesen wurde, galt sie als geschlossen. Die These wäre widerlegt, wenn 50% plus 1 Schulbibliothek als kontinuierlich betreiben gelten könnte. Wie schon dargestellt (Abschnitt 3, Tabelle 3) trifft dies knapp zu.
Gleichwohl, das wurde auch schon dargestellt, ist die Landschaft der Schulbibliotheken in Berlin weiterhin stark dynamisch (45,8% der Schulbibliotheken, die 2017 nachzuweisen waren, wurden offenbar 2016 oder 2017 eröffnet). Für eine Fortführung des Projektes müsste die These wohl differenzierter gefasst werden.
These 5 ist widerlegt.
These 6: Die neue Literatur zu Schulbibliotheken, die Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg sowie die Stelle für schulbibliothekarische Arbeit in Treptow-Köpenick werden sich in einer steigenden Anzahl von Schulbibliotheken in Berlin sowie in Schulbibliotheken, die sich eher am bibliothekarischen Modell
orientieren, niederschlagen.
Diese These lässt sich schwieriger operationalisieren, da die Einflüsse von Bibliotheken oder die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg sich eventuell erst zwei oder drei Jahre später in den erhobenen Daten zeigen könnten. Insoweit wäre ein Abschätzung notwendig. Zieht man allerdings die weiter oben (Abschnitt 3.2) dargestellte Graphik (Graphik 1) heran, auf der für Schulbibliotheken eventuell wirksame Ereignisse gegenüber der Entwicklung der Zahl der Schulbibliotheken in Berlin abgetragen wurden, lässt sich festhalten, dass die Ereignisse keinen sichtbaren Einfluss auf die Zahl der Schulbibliotheken hatten, weder kurz- noch mittelfristig. Einzig die Gründung der Arbeitsgemeinschaft im Jahre 2010 scheint mit dem Anstieg der Zahl von Schulbibliotheken in Verbindung zu stehen. Zu vermuten ist allerdings, auch weil die weiteren Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft keinen nachweisbaren Effekt hatten, dass eher andersherum das rasante Wachstum, das heisst vor allem die vielen Neugründungen von Schulbibliotheken, zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft führten, da auf einmal genügend Personen an der Arbeit von Schulbibliotheken interessiert waren und sich zusammenfanden.
These 6 ist somit auch widerlegt.
5 Diskussion der Ergebnisse
Die erhobenen Daten und geprüften Thesen zeigen eine Entwicklung von Schulbibliotheken, die von den einzelnen Schulen bestimmt zu sein scheint und auf die direkt wenig Einfluss genommen werden kann.
Sichtbar wurden zwei Trends. Erstens: Ein Grossteil der Schulen in Berlin kommt weiterhin ohne Schulbibliothek aus; es sind zudem wiederholt Schließungen zu verzeichnen. Das widerspricht Erwartungen, die sich in der bibliothekarischen Literatur gemacht werden. In dieser wird postuliert, dass gute Schulbibliotheken zum zentralen Ort von Schulen würden und – implizit in der Literatur, aber explizit in Projekten, die Modell-Schulbibliotheken gründen und hoffen, dass diese als Vorbilder zur Gründung weiterer Schulbibliotheken führen (Schuldt 2012) – eine Auswirkung auf andere Schulen hätten. Dies scheint den Eindruck zu bestätigen, dass es nicht die bibliothekarischen Vorstellungen, sondern die Entscheidungen in den einzelnen Schulen – die auch auf Vorstellungen und Annahmen beruhen – sind, welche erklären, ob und in welcher Form Schulbibliotheken eingerichtet oder unterhalten werden. (Schuldt, Mumenthaler & Vardanyan 2016) Besonders auffällig ist dies, da Schulen in Berlin im Rahmen der Schulreform mehr Autonomie in Bezug auf Etat und Personal erhalten haben, die sie für andere Schulbereiche auch nutzen, und aus der heraus sie Schulbibliotheken mit bibliothekarisch ausgebildetem Personal schaffen könnten, wie das in der bibliothekarischen Literatur (oder von der Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg (2017)) vorgeschlagen wird. Diese Vorschläge scheinen Schulen aber nicht zu überzeugen.
Zweitens: Den grössten Einfluss auf die Zahl der Schulbibliotheken hatte offenbar die Schulstrukturreform in Berlin, die in Schulen Veränderungsprozesse anregte, die sich auch in der verstärkten Gründung von Schulbibliotheken niederschlug. Diese Reform griff in das Selbstverständnis der Schulen ein und forderte sie auf, sich eigenständig weiterzuentwickeln. Eine Idee, die oft auftauchte – beispielsweise in den Schulprogrammen, die jede Schule anfertigen muss –, scheint die zu sein, eine Schulbibliothek einzurichten. Andere mögliche Interventionen in Bezug auf Schulbibliotheken hatten offenbar keinen direkten Einfluss, zumindest nicht auf die Zahl der Schulbibliotheken und auch nicht wirklich sichtbar auf deren Vorstellungen davon, was Schulbibliotheken sein sollen.40 Es ist die Schulpolitik, die einen übergreifenden Einfluss hat und dann die lokale Schulgemeinschaft selber, die Schulbibliotheken einrichtet, unterhält, nutzt oder auch wieder schliesst. Andere Einflüsse scheinen, wenn überhaupt, nur begrenzt lokal wirksam gewesen zu sein. Diese Erkenntnis – die sich auch mit Ergebnissen anderer Projekte deckt (Schuldt 2012), aber hier anhand von Daten nochmal untermauert wurde – sollte in allen weiteren Diskussionen über und Projekten zu Schulbibliotheken beachtet werden.
Weiterhin – um die Ergebnisse auch positiv zu deuten – wurde sichtbar, dass es Schulbibliotheken in Berlin gibt und zwar in beachtlicher Zahl, die zudem – da es kaum finanzierte Stellen zu geben scheint – von einer beachtlichen Zahl von ehrenamtlich oder zumindest, bei Lehrpersonen, über ihre Anstellung hinaus engagierten Personen betrieben werden.41
Zudem zeigt sich zwar eine grosse Dynamik, aber auch ein Kern von Schulbibliotheken (sowie die auf Dauer gestellte Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg), die Schulbibliotheken nicht als Experimente oder Aufbauprojekte betreiben wollen, sondern als langfristig etablierte Einrichtungen. In diesen Einrichtungen werden Erfahrungen darüber gesammelt, wie Schulbibliotheken in Berliner Schulen tatsächlich funktionieren, was sie tatsächlich benötigen um bestimmte Funktionen zu erfüllen, welche Vorstellungen – zum Beispiel von bibliothekarischer Seite – überzeugend sind und welche nicht. Sowohl praktische Vorschläge für Schulbibliotheken und ihren Betrieb als auch eine Theorie, die dies beschreiben will, könnte auf diese Erfahrungen aufbauen. Das scheint bisher kaum und wenn, dann eher im persönlichen Kontakt (wie über die Stelle für schulbibliothekarische Arbeit in Treptow-Köpenick, die innerhalb des Bezirks den Erfahrungsaustausch organisiert oder teilweise die Schulbibliothekstage der Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg) zu geschehen.42
Zu beachten sind auch die Kontinuitäten, die sich während der Datensammlung zeigten. Schulbibliotheken werden über die ganzen Jahre hinweg zumeist als Anstrich bei der Aufzählung der Schulausstattungen aufgezählt und nur in einigen Fällen von der Schulgemeinschaft als so wichtig angesehen, dass sie mehr Platz auf der Homepage erhalten. Es gab Ausnahmen, bei denen Schulbibliotheken zum Beispiel eigene Homepages erhielten. Aber für die meisten Schulen scheinen sie den Status von Unterstützungseinrichtungen zu haben. Zudem werden Schulbibliotheken weiterhin nicht nach bibliothekarischen Vorstellungen (also beispielsweise mit Katalog, aktiver Bestandspolitik, Medienmix, bibliothekarisch ausgebildetem Personal) betrieben, sondern als Lese- und Freizeitraum. Dies hat sich zwischen 2008 und 2017 nicht verändert.
6 Welche Bedeutung haben die Ergebnisse für das bibliothekarische Denken über Schulbibliotheken?
Die Ergebnisse dieses Projektes könnten auch in der Schulforschung von Bedeutung sein. Dies wäre aber von den Erziehungswissenschaften zu klären. Für das Bibliothekswesen (und die Bibliothekswissenschaft) ist es für den Autor (als Bibliotheks- und nicht Erziehungswissenschaftler) aber möglich, einige Aussagen zu machen.
Seit den 1970er Jahren hat sich in den deutschsprachigen Bibliothekswesen (also Deutschland, Österreich, Schweiz) eine bestimmte Vorstellung von Schulbibliotheken etabliert, insbesondere dazu, wie sie aufzubauen, zu führen und zu nutzen seinen. Diese Vorstellungen schlagen sich in den bibliothekarischen Publikationen zu Schulbibliotheken nieder (unter anderem Holderried & Lücke 2011; Kremske 2013; in der Schweiz als Richtlinien: Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der allgemeinen öffentlichen Bibliotheken 2014).43 Mit diesen Vorstellungen geht auch der – mal mehr und mal weniger direkt formulierte – Anspruch einher, den Schulen diese Vorstellungen als modern oder zeitgemäss vorgeben zu können. (Auch die Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg (2017) scheint aktuell diesen Diskurs zu übernehmen.) Die Ergebnisse des Projektes zeigen, dass in den Schulen diese Vorstellungen nicht wahr- oder angenommen zu werden scheinen (siehe auch Schuldt, Mumenthaler & Vardanyan (2016), wo sich dies ebenso in den Volksschulen des Kantons St. Gallen zeigte) und der Einfluss der bibliothekarischen Interventionen nicht nachzuweisen ist. Die schon einmal vom Autor aufgestellte Forderung (Schuldt 2012), die Vorstellungen von Schulbibliotheken, die im Bibliothekswesen verbreitet sind, zu überdenken und vor allem nicht (mehr) als alternativlos darzustellen, wurde von diesen Ergebnissen nur weiter untermauert.
Gleichzeitig zeigten die Ergebnisse auch in Schulen ein ständig wiederkehrendes Interesse an Schulbibliotheken, auf das reagiert werden könnte. Die Schulen warten nicht unbedingt darauf, dass Öffentliche Bibliotheken sie anleiten. Vielmehr haben sie eigene Vorstellungen davon, wie ihre Bibliotheken sein sollten und entwickeln wohl auch eigene Abläufe in den Schulbibliotheken. Das heisst aber nicht, dass sie nicht bestimmte Unterstützungen wünschen würden. Das Potential ist offenbar vorhanden. Dafür wäre es aber nötig, dass das Öffentliche Bibliothekswesen die Eigenheiten der Schulbibliotheken zu verstehen lernt und diese als eigenständige Bibliotheksform – und nicht als Sonderform Öffentlicher Bibliotheken – akzeptiert. Dies wäre dann auch politisch einklagbar, Forderungen nach Mitteln und Personal wären so gut zu untermauern, wenn es nicht wieder (Schuldt 2012) darum gehen sollte, die Schulen auf ein bibliothekarisches Verständnis von Schulbibliotheken einzuschwören, sondern sie bei lokal aufkommenden Fragen zu unterstützen.44 Ein Thema, welches dabei mit einbezogen werden müsste, ist die Tendenz, Schulbibliotheken nicht per se als Einrichtungen auf Dauer zu stellen. (Ein Grund dafür könnte sein, dass deren Existenz auf dem Ehrenamt Einzelner basiert, die irgendwann die Schule verlassen.) Bibliothekarische Texte gehen oft davon aus, dass sie kontinuierlich betrieben werden müssten, das ist in den Schulen nicht per se so ausgemacht, sondern nur teilweise, und wird sich als Situation ohne eine Änderung der Schulpolitik auch nicht ändern.
Schulbibliotheken müssen als eigenständige Einrichtungen verstanden werden, die vor allem von der jeweiligen Schulgemeinschaft und den Interessen der in ihr Aktiven bestimmt werden. Dies wird sich wohl auch nicht ändern, solange sich Schul- und Bibliothekspolitik nicht ändern. Andere Interventionen (Handbücher, Schulbibliothekstage, Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken) scheinen immer nur einen begrenzten oder keinen Einfluss zu haben, zumindest in Bezug auf die Zahl der Schulbibliotheken.
Für die Bibliothekswissenschaft stellen sich interessante Fragen. So ist es weiterhin nicht geklärt, wie und wann Schulen sich entscheiden – und wer genau in der jeweiligen Schulgemeinschaft diese Entscheidung trifft –, Schulbibliotheken zu gründen, umzubauen und wieder zu schliessen. Zu klären wäre, was sich Schulen von diesen ständigen Neugründungen versprechen. Weiterhin offen bleibt auch, was Schulbibliotheken im Schulalltag tatsächlich für Wirkungen haben, insbesondere bei den Schülerinnen und Schülern. Die bibliothekarische Literatur enthält zu dieser Frage zwar immer wieder weitreichende (aber auch seit einigen Jahrzehnten kaum veränderte) Vermutungen, die vor allem auf einem Modell von Schulbibliotheken aufbauen, dass sich, wie dargestellt, praktisch nicht findet. Deshalb sind diese Vorstellungen für die Frage nach der tatsächlichen Wirkung wenig hilfreich. Es wäre sinnvoll, diese zu erfassen, um das bibliothekarische Denken über Schulbibliotheken eher an der Realität zu orientieren.
Eine wichtige Frage, egal für welche Forschungsrichtung, ist die danach, welchen Effekt die Ungleichverteilung von Schulbibliotheken zwischen den Schulformen hat; ob diese Effekte gewollt sind und wenn nicht, wie diesen entgegenzuwirken wäre. In Grundschulen stellt sich gesondert die Fragen, wie insbesondere das Lesenlernen, dass oft als Grund für die Schulbibliotheken genannt wird, organisiert ist, wenn nicht mit der Schulbibliothek. Wieso haben eine sehr grosse Anzahl von Grundschulen in Berlin heute eine Schulbibliothek, aber eine noch grössere Anzahl nicht, wenn das Ziel – das Lesenlernen zu ermöglichen – in allen gleich ist?45 In Bezug auf Gymnasien und Integrierte Sekundarschulen liegt die Vermutung nahe, dass die Schülerinnen und Schüler auf Gymnasien weiterhin privilegiert werden; aber eventuell haben Integrierte Sekundarschulen – die auch zum Abitur führen – andere Wege gefunden, um die gleichen Ziele zu erreichen, die Gymnasien eher mit Schulbibliotheken erreichen. Um das zu klären, wäre es selbstverständlich erst nötig zu klären, welche Ziele dies sind.
7 Fazit
In diesem Text wurde ein Projekt zur Entwicklung der Anzahl von Schulbibliotheken in Berlin und ihrer Verteilung über die verschiedenen Schulformen vorgestellt. Das Projekt basierte auf Thesen, die inhaltlich von der restlichen bibliothekarischen Literatur über Schulbibliotheken und den dort erhofften Entwicklungen abweicht.
Das Projekt konnte zeigen, dass mit einer realistischen Betrachtung der Situation von Schulbibliotheken viele ihre Entwicklungen vorhergesagt werden können. Vor allem aber zeigte sich, dass die Entwicklung von Schulbibliotheken in Berlin und damit wohl auch grundsätzlich in Deutschland – obwohl es zum Beispiel in Bayern und Rheinland-Pfalz mehr sichtbares Engagement des Öffentlichen Bibliothekswesens für Schulbibliotheken gibt – vor allem von den Schulen selber und der Schulpolitik beeinflusst werden, nicht von bibliothekarischen Vorstellungen. Sie müssen als eigenständiger Bibliothekstyp verstanden werden.
Ein wichtiger Punkt, der durch das Projekt klar wurde, ist, dass jedes Nachdenken darüber, ob und wie Öffentliche Bibliotheken und Schulbibliotheken aufeinander zu beziehen sind, ob und welche Unterstützung geleistet werden kann oder soll, auch welche Fragen zum Beispiel in immer wieder neu angegangenen Abschlussarbeiten bibliothekarischer Ausbildungsgänge über Schulbibliotheken gestellt werden, sich nicht mit Vorhersagen oder Momentaufnahmen begnügen sollten, sondern versuchen sollten, die Kontinuitäten und Diskontinuitäten von Schulbibliotheken mit einzubeziehen.
Zudem zeigte das Projekt, dass es ausserhalb des Bibliothekswesens allein in Berlin hunderte, wenn nicht tausende Menschen gibt, die sich in den letzten Jahren in der ein oder anderen Weise für Schulbibliotheken engagiert haben müssen. Es ist zu vermuten, dass Ähnliches auch für die anderen deutschen Bundesländer gilt. Es wäre gut, die Erfahrungen, Vorstellungen und vielleicht auch Enttäuschungen dieser Personen irgendwie sichtbar zu machen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass vor allem im Bibliothekswesen weiterhin die gleichen Vorstellungen über Schulbibliotheken reproduziert werden, die offenbar wenig Einfluss auf deren Realität haben.
8 Literatur
8.1 Monographien, Artikel und Broschüren
Anonym (1973). Büchereientwicklungsplan der Stadt Frankfurt/Main. Informationen für den Schulbibliothekar (3) 1973:13–15
Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken in Berlin und Brandenburg (2017). Eine moderne Schule braucht eine moderne Schulbibliothek: Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg (AGSBB) e.V. zur Förderung von Schulbibliotheken anlässlich der Berliner Koalitionsvereinbarung für die Legislaturperiode 2016-2012. Berlin: Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg, 2017, http://schulbibliotheken-berlin-brandenburg.de/wp-content/uploads/Eine-moderne-Schule-braucht-eine-moderne-Schulbibliothek-AGSBB.pdf
Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken in Berlin und Brandenburg (2013). Schulen brauchen Schulbibliotheken. Wettbewerb Schulbibliothek des Jahres 2013
in Berlin und Brandenburg. Berlin: Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken in Berlin und Brandenburg, 2013, http://schulbibliotheken-berlin-brandenburg.de/wp-content/uploads/Wettbewerb-Schulbibliothek-2013-doppelseitig.pdf
Deschner, Matthias ; Radzkowski, Jürgen ; Ruhnow, Rolf ; Schulze, Karl-Heinz ; Siebel, Ursula ; Völker, Helmut (1986). Die Bibliotheken in den Berufsfeldbezogenen Oberstufenzenten Berlins. schulbibliothek aktuell 12 (4) 1986:203–211
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: Hintergrund, Verlauf und Ergebnisse. Bibliotheksdienst 49 (3-4) 2015:287–99
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Wolf, Sabine ; Schuldt, Karsten (2011). Praxisbuch Schulbibliothek. (Pädagogik) Schwalbach am Taunus: Wochenschau Verlag, 2011
8.2 Homepages
Brüder Grimm Grundschule (2017). Bücherei. http://bggs-berlin.de/schulleben/buecherei/ (Zugriff: 01.04.2017)
Grundschule am Koppenplatz (2017). Themenräume. http://www.schule-am-koppenplatz.de/schulleben/themenraeume/ (Zugriff: 01.04.2017)
Grundschule am Weinmeisterhorn (2017). Unsere Schülerbücherei. http://www.gsamweinmeisterhorn.schule-berlin.net/?page_id=688 (Zugriff: 03.04.2017)
Kepler Schule (2017). News. http://www.kepler.cidsnet.de/conpresso4/_rubric/index.php?rubric=News (Zugriff: 03.04.2017)
Trelleborg Schule (2017). Schulbibliothek. http://trelleborg-schule.de/schule/profil/schulbibliothek/ (Zugriff: 05.04.2017)
Thomas Mann Grundschule (2017). Schulbibliothek. http://www.thomas-mann-grundschule.de/Schulbibliothek (Zugriff: 05.04.2017)
Schule am Roederplatz (2017). Schulbibliothek. http://www.gs-am-roederplatz.de/schulbibliothek.html (Zugriff: 04.04.2017)
Schule an den Puettbergen (2017). Unsere Bibliothek. http://www.puettbergen.schule-berlin.net/conpresso4/_rubric/index.php?rubric=Unsere+Bibliothek (Zugriff: 04.04.2017)
Was sich allerdings fand, waren Hinweise darauf, dass Bibliotheken in Berliner Schulen oft diskontinuierlich betrieben wurden. Im Rahmen der Arbeit wurde unter anderem eine Bibliothek besucht, die erst kurz vorher in einem Raum eröffnet wurde, in der sich irgendwann einmal – der Zeitraum war nicht mehr zu rekonstruieren – schon eine Schulbibliothek befunden hatte, deren Bestände, Regale und andere Möbel zurückgelassen wurden. In einer anderen Schule fand sich eine um eine kleine Fahrregalanlage herum gruppierte Schulbibliothek, von der nicht mehr bekannt war, wer, wann und wozu diese Anlage in der Schule installiert hatte.↩
Ein Ergebnis der Magisterarbeit (Schuldt 2006), die sich später zum Beispiel auch in einer Studie zu Volksschulbibliotheken im Kanton St. Gallen, an welcher der Autor dieses Textes beteiligt war (Schuldt, Mumenthaler & Vardanyan 2016), bestätigte, war, dass die bibliothekarische Literatur über Schulbibliotheken (und die in ihr vertretenden Vorstellungen davon, was eine Schulbibliothek sein soll) nur für eine kleine Anzahl von Schulbibliotheken von Relevanz war und gleichzeitig diese Literatur bestimmte Modelle von Schulbibliotheken, die aktiv in den Schulen betreiben werden, gar nicht thematisierte.↩
In der Magisterarbeit wurden mehr Schulen mit Bibliothek für ein Interview angefragt, als letztlich diesem zustimmten. Eine Absage kam aus einem Oberstufenzentrum, bei dem die dortige Kollegin gerade in Rente ging. Sie berichtete, dass einst, in der optimistischen Gründungsphase der Berliner Oberstufenzentren im Rahmen der Bildungsreformen der 1970er Jahre, in jedem dieser Zentren eine voll ausgestattete – inklusive Material, Erwerbungsetat und Personal – Schulbibliothek eingerichtet wurde, 2006 aber ihre Einrichtung die letzte dieser Art sei und nach ihrem Ruhestand auch geschlossen würde. (Über diese Bibliotheken in Berliner Oberstufenzentren wurde unter anderem in der von 1974 bis 2000 erscheinenden Fachzeitschrift schulbibliothek aktuell berichtet (Minizlaff 1974; Hoebbel 1977; Deschner 1986 et al.; Dietel 1992), wobei sich an diesen Berichten gut die Entwicklung hoffnungsvolle Gründung (1970er) – Alltag (1980er) – langsamer Abbau (1990er) nachvollziehen lässt.) Dies scheint auch eine politische Entscheidung zu sein. In der Schweiz finden sich beispielsweise gerade in den – den Oberstufenzentren vergleichbaren – Berufsschulen immer wieder voll ausgestattet Schulbibliotheken, die den bibliothekarischen Vorstellungen von Schulbibliotheken entsprechen.↩
Ein Grund dafür könnte auch sein, das Schulbibliotheken im Schulalltag und für die impliziten Lernziele in Haupt-, Real-, Gesamt- und Sonderschulen weniger sinnvoll genutzt werden könnten, als in Gymnasien. Das allerdings würde nur noch mehr auf ein Problem in der Struktur des damaligen Schulsystems hinweisen.↩
Die Schulstrukturreform, die in Berlin 2010/2011 die Haupt-, Real- und Gesamtschulen zur Integrierten Sekundarschule zusammenfasste – siehe nächste These – machte es selbstverständlich unmöglich, die Entwicklung der Zahl der Schulbibliotheken in diesen drei Schultypen zu postulieren.↩
Siehe Maaz et al. (2013). So haben Schulen seit 2006 jeweils mit der gesamten Schulgemeinschaft – also Lernenden, Lehrenden, anderen in der Schule Tätigen – ein Schulprogramm zu erarbeiten, in denen sie sich dem Stand der lokalen Schulentwicklung bewusst werden sowie Entwicklungsziele und Schritte auf diese Ziele hin festlegen. Diese Programme werden den Schulämtern vorgelegt, von diesen akzeptiert oder zurückgewiesen und sollen alle sechs Jahre aktualisiert werden. Zudem wurde eine regelmässige Evaluationen der Schulen durch Teams aus Lehrenden anderer Schulen, Schulverwaltung, Forschenden aus den Bildungswissenschaften und anderen Expertinnen und Experten eingeführt. (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft 2014) Schulen können die Schulprogramme und Evaluationsberichte zur eigenen Präsentation (zum Beispiel auf ihrer Homepage) veröffentlichen.↩
Zusätzlich wurden in den Berliner Grundschulen die sogenannten JÜL-Klassen (Jahrgangsübergreifendes Lernen), bei denen Kinder der ersten drei Schuljahre zusammen lernen und die unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten erlauben sollen, zum Normalfall gemacht.↩
Kurd & Sielaff (1930) berichten zum Beispiel, dass nach dem
Volksschulbücherei-Erlass
des Preussischen Ministeriums für für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung von 1928 bei einer Umfrage ein Jahr später fast alle Volksschulen Preussens angaben, eine Bibliothek zu betreiben, der Grossteil davon diese aber auch erst nach dem Erlass eingerichtet zu haben. Anweisungen aus der Regierung haben offenbar Wirkungen im deutschen Schulwesen; auch wenn dieses in den 2000er Jahren nicht mehr das gleiche ist, wie 1928.↩Teilweise finden sich noch Hinweise auf ein früheres Engagement von Bibliotheken:
Die Bücherei, die seit 1983 an der Brüder-Grimm-Grundschule besteht, war bis 1995 eine Filiale der Stadtbücherei Wedding. Durch den engagierten Einsatz von Schülern, Eltern und Lehrerinnen konnte eine Schließung mehrmals verhindert werden. Einige Jahre lang wurde sie von der Stadtbücherei und der Brüder- Grimm-Grundschule gemeinsam betrieben. Seit Januar 2000 ist die Bücherei Teil der Brüder-Grimm-Grundschule und wird ausschließlich von dieser inhaltlich und finanziell getragen.
(Brüder Grimm Grundschule (2017))↩Mit den oben genannten Schulstrukturreformen wäre ihnen dies heute sogar einfacher möglich, da sie jetzt über mehr Freiheit zur Anstellung von pädagogischen und nicht-pädagogischen Personal verfügen.↩
Auch die erstgenannte Monographie, an welcher der Autor dieses Textes beteiligt war, wurde erst 2009 geplant und geschrieben.↩
Ein Grund war gewiss, dass einer der Aktiven aus der hessischen Landesarbeitsgemeinschaft nach Potsdam zog und eigene Aktivitäten entfaltete (Schuldt 2009), aber eine Person alleine hätte nicht für die Aktivitäten, welche die Arbeitsgemeinschaft in Berlin-Brandenburg bis heute entfaltet, ausgereicht.↩
These 1 und These 6 können zum Beispiel gar nicht beide richtig sein.↩
https://www.berlin.de/sen/bildung/schulverzeichnis_und_portraets/anwendung/.↩
https://www.berlin.de/sen/bildung/schule/bildungsstatistik/.↩
In dieser PISA-Studie wird die Existenz oder Ausstattung von Schulbibliotheken als nicht relevant für den Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern beschrieben, ein Fakt, der in der deutschsprachigen Literatur zu Schulbibliotheken bislang offenbar nicht thematisiert wurde.↩
Der Autor führte das Projekt ohne externe Finanzierung und auch ohne Anbindung an eine Forschungseinrichtung – eine Möglichkeit, die für ein zehnjähriges Projekt heute ehedem kaum noch existiert – durch. In Berlin existierten zu diesem Zeitpunkt pro Jahr zwischen 725 und rund 800 Schulen. Der Aufwand für eine alle Schulen umfassende, regelmässige Umfrage – neben den regelmässig von den Schulen zu liefernden Daten an die Schulverwaltungen und weiteren Umfragen, zum Beispiel aus den Berliner Universitäten, an denen Schulen teilnehmen sollen –, wäre gewaltig. Zumal nicht davon auszugehen wäre, dass die Schulen flächendeckend antworten würden.↩
Dafür konnte auf Erfahrungen aus der Magisterarbeit aufgebaut werden. Die Situation verbesserte sich im Laufe des Projektes kontinuierlich. Dazu trug der Verein CidS! e.v. (Computer in die Schulen) bei, der Schulen in Berlin unter anderem ein Content Management System zur Verfügung stellt. Selbst Schulen, die sich nicht weiter um ihre Homepage kümmern wollen oder können, können auf dieses zurückgreifen. Der Einsatz dieses und anderer CMS hat auch dazu geführt, dass über deren Suchfunktionen schnell Schulbibliotheken gefunden werden konnten, deren Erwähnung sonst eventuell übersehen worden wäre.↩
Der April bot sich an, weil er relativ am Ende des Schuljahres liegt, aber noch vor grossen Änderungen, die in Schulgemeinschaften zumeist direkt am Ende auftreten. Die Homepages der Schulen, die nur einmal pro Jahr aktualisiert werden, sind dann auch für das Schuljahr aktualisiert und es herrscht ein gewisser Normalbetrieb.↩
Mit der Zeit etablierte sich beim Autor selbstverständlich auch ein Wissen, dass sich nur auf diese Recherche bezog, beispielsweise, dass auf der Homepage einer Schule praktisch nie eine Schulbibliothek zu finden war, wenn sich Bilder von Lesewettbewerben fanden, die keine Schulbibliothek abbildeten.↩
Erstaunlich oft wurde in Sitzungsprotokollen von Gesamtelternvertretungen oder Fördervereinen von Schulen eine Bibliotheken als Projekt erwähnt, die dann aber in den Folgejahren nicht als existent nachzuweisen war.↩
In der Magisterarbeit (Schuldt 2006) wurden noch genauere Kriterien angelegt, deren Erhebung sich allerdings als kaum durchführbar erwies.↩
Eine Ausnahme bietet die Trelleborg Schule (2017):
Unsere Schulbibliothek ist vorübergehend geschlossen! Es besteht jedoch die Möglichkeit, mit einem Lehrer oder Erzieher Bücher auszuleihen.
Eher finden sich solche Hinweise, wie auf der Homepage der Schule am Roederplatz (2017):Ab dem Schuljahr 2012/2013 kann die Schulbibliothek nur noch einmal wöchentlich geöffnet werden. Es werden noch Mitstreiter für weitere Tage dringend gesucht!
, die dann bis heute (2017) nicht mehr verändert werden. Gewiss ist es nicht falsch, daraus zu schliessen, dass die Bibliothek aktuell wohl nicht geöffnet ist, aber es es bleibt eine begründete Vermutung.↩Zur Definition von
kontinuierlich arbeitender Schulbibliothek
siehe Abschnitt 4, Diskussion der These 5.↩Im Blog des Autors: https://bildungundgutesleben.wordpress.com/category/schulbibliotheken/schulbibliotheken-in-berlin/.↩
Die Teilnahme am Wettbewerb, bei dem sich Schulbibliotheken selber bewerben, ist mit einer Darstellung der jeweiligen Einrichtung verbunden. Es wäre zu erwarten, dass diese sich auf den Homepages der Schulen wiederfinden würden, was aber nur für eine kleine Zahl von Schulbibliotheken zutrifft.↩
Interessanterweise wurde der Wunsch nach solchen Statistiken, die in Schulbibliotheken geführt werden sollten, schon in den 1930ern (Schulz & Sielaff 1930), den 1970er (Doderer et al. 1970) und den1980er Jahren (Kantonale Kommission für Schul- und Volksbibliotheken St. Gallen 1980; Papendieck & Hoebbel 1985) erhoben. Dies hat sich nicht durchgesetzt. Offensichtlich ist das, was in solchen bibliothekarischen Texten über Schulbibliotheken von diesen gefordert wird, nicht das, was sich in der Praxis der Schulbibliotheken als sinnvoll erweist.↩
Wobei anzumerken ist, dass gerade im Westteil der Stadt Gesamtschulen in den 1970er und 1980er Jahren als Reformschulen mit teilweise expliziten Überlegungen zu Raum und Infrastruktur gegründet wurden.↩
Zum Teil mag dies aus der Waldorfpädagogik selber herzuleiten sein.↩
Eher erwähnt werden Neueröffnungen, bei denen zum Teil darauf verwiesen wird, dass schon einmal eine Schulbibliothek bestand, die geschlossen worden war, zum Beispiel auf der Homepage der Kepler-Schule:
Im modernen Freizeitgebäude konnte die Bibliothek in der 1. Etage wieder eröffnet werden. Wir begrüßen unseren neuen Mitarbeiter Herrn Schmidt, der diese ab April 2016 zusammen mit unserem Deutschlehrer Herrn Neumann leitet.
(Kepler Schule (2017))↩Zur Definition von
Kontinuität
, die in diesem Projekt verwendet wurde, siehe Abschnitt 4, Diskussion der These 5.↩Beispielsweise die Kolibri-Grundschule und die Käthe Kollwitz Grundschule (beide mit Schulbibliothek 2008-2009 und 2014-2017) oder die Felix Mendelssohn Bartholdy Schule (2008-2010 und 2014-2016).↩
1973 als
Informationen für den Schulbibliothekar
begründet, wurde die Zeitschrift ab 1974 unter dem Namenschulbibliothek aktuell
geführt und zuletzt vom Deutsch Bibliotheksinstitut herausgegeben, dass 2000 geschlossen wurde. Offiziell wurde sie nicht eingestellt, sondern als Rubrik in die ZeitschriftBeiträge Jugendliteratur und Medien
überführt. Diese Zeitschrift wiederum wurde 2007 massiv umgestaltet und alskjl&m - Forschung, Schule, Bibliothek
(Kinder- und Jugendliteratur und Medien) neu begründet. In dieser finden sich weiterhin einige Beiträge zu Schulbibliotheken, das aber sehr selten. Einen Ersatz für eine spezifische Fachzeitschrift stellt sie nicht dar.↩2017 erscheint mit Reckling-Freitag (2017) eine weitere Publikation mit einem etwas anderen Anspruch (die bibliothekspädagogische Arbeit in Schul- und anderen Bibliotheken). Diese mag in Zukunft Auswirkungen auf Schulbibliotheken haben, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht auf die Zahl der Schulbibliotheken in Berlin im Jahr 2017. Zudem erschien selbstverständlich in anderen Sprachen weitere Fachliteratur, in Französisch (InterCDI) und Englisch (unter anderen School Library Journal, School Libraries Worldwide) sogar kontinuierliche publizierte Zeitschriften. Es gibt aber wenig Hinweise darauf, dass diese im deutschsprachigen Raum überhaupt wahrgenommen wird. Zum Beispiel sind die genannten Zeitschriften in Berliner Bibliotheken gar nicht nachgewiesen oder – im Fall des School Library Journal – nur zur lokalen Nutzung in drei Bibliotheken.↩
Disclaimer: Der Autor war 2009 und 2010 bei ersten Sitzungen von Engagierten, die dann zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg führten, anwesend; aber nie Mitglied des Vereins. Zudem sass er in der Jury des ersten Wettbewerbs
Schulbibliothek des Jahres
.↩Diese Idee war auch nicht neu, vielmehr findet sie sich in Planung des Berliner Bibliothekswesens und Publikationen zur ZLB seit Jahrzehnten immer wieder, vergleiche als ein Beispiel den Bibliotheksentwicklungsplan für öffentliche Bibliotheken von 1988/1990. (Senator für kulturelle Angelegenheiten 1998/1990)↩
Auch das ist kein neuer Vorschlag, vielmehr ist dieser den Vorschlägen ähnlich, die – angepasst an die jeweilige Zeit – in den 1970er und 1980er Jahren für schulbibliothekarische Arbeitsstellen gemacht worden, von denen nur wenige eingerichtet und noch weniger langfristig betrieben wurden (Siehe Anonym 1973 für Frankfurt am Main; Seume 1985 für Weinheim / Bergstrasse).↩
Für die Freien Waldorfschulen liesse sich vielleicht argumentieren, dass die dortigen Schülerinnen und Schüler anders (ökonomisch) privilegiert seien; aber dies würde nur für eine relativ kleine Zahl von Kindern und Jugendlichen gelten.↩
Ein Beispiel für die Diskrepanzen zwischen bibliothekarischen Vorstellungen, die Schulbibliotheken als Zentrum der Schule verstehen, und Vorstellungen von Schulbibliotheken, wie sie in den Schulen verbreitet zu sein scheinen, bietet die Grundschule am Koppenplatz (2017), die über ihre Bibliothek schreibt:
Die Bibliothek ist ein Raum der Stille. Ein Rückzugsort für Kinder, wo sie in Regalen nach Büchern stöbern und sich in eine gemütliche Ecke zurückziehen können.
↩Dabei muss angemerkt werden, dass aus den bezirklichen Bibliothekssystemen und der ZLB kaum wahrnehmbare Aktivitäten in Richtung Schulbibliotheken entfaltet werden. Diese sind, wenn, dann eher ausserhalb der Sichtbarkeit verlaufen. Einzig im Bezirk Spandau unterstützt die Öffentliche Bibliothek eine Zahl von Schulen direkt. (Siehe zum Beispiel Grundschule am Weinmeisterhorn (2017).) Das schon angesprochene Projekt, eine schulbibliothekarische Arbeitsstelle an der ZLB zu errichten (Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg 2013), scheint keine Ergebnisse erbracht zu haben. Die Stelle für schulbibliothekarische Arbeit im Bezirk Treptow-Köpenick ist beim Schulamt angesiedelt.↩
Selbstverständlich werden die Anstellungsverhältnisse des Personals nicht regelmässig auf den Homepages der Schulen dargestellt, insoweit basiert diese Aussage auf Erfahrungen aus den Schulbibliotheken selber und auf Hinweisen aus den Darstellungen. Auf eine bibliothekarische Ausbildung des Personals wird aber nie hingewiesen, eher schon auf das Ehrenamt oder aber, selten, auf Personal, dass im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes (seit 2011) angestellt ist (was selbstverständlich für Schulbibliotheken, die kontinuierlich arbeiten sollen, nicht optimal ist, da diese Personen im Normalfall für 12 Monate angestellt sind, nicht jedes Mal ein Ersatz garantiert ist und sie vor allem nur in
zusätzlichen Projekten
– also nicht dem Kern der Arbeit einer Institution – arbeiten dürfen, was auch heisst, dass die jeweiligen Schulbibliotheken nicht als zum Kern der jeweiligen Schule – wie das die bibliothekarische Literatur vorschlägt – gezählt werden).↩Man könnte erwarten, dass die Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg diese Aufgabe mehr übernimmt. Aber, zum Beispiel, deren Broschüre, die vorbildhafte Schulbibliotheken präsentieren soll (Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg 2013), besteht eigentlich nur aus unverbindlichen, übermässig positiven Darstellungen, ihre weiteren Texte (Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg 2017; Hardtke-Flodell, Frübing & Wolter 2013, aber auch der Blog der Arbeitsgemeinschaft auf ihrer Homepage http://schulbibliotheken-berlin-brandenburg.de) reproduzieren relativ unkritisch bibliothekarische Vorstellungen, so dass zum Teil der Eindruck entsteht, als hätten die konkreten Erfahrungen aus den konkreten Bibliothek in Berliner Schulen keinen Einfluss.↩
Mehrfach wurde in diesem Text erwähnt, dass die bibliothekarischen Texte seit den 1970er Jahren diese Vorstellungen von Schulbibliotheken als
kleine Öffentliche Bibliotheken
vertreten. Es ist möglich, eine Traditionslinie zum Buch von Doderer et al. (1970) aufzuzeigen, welches diese Forderung zuerst im modernen Bibliothekswesen erhob. Vereinzelt fanden sich solche Vorstellungen aber auch schon vorher, zum Beispiel – im Anschluss an den Erlass des Ministern für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung in Preussen von 1928 zurNeugestaltungen und Auswertung der Schülerbüchereien in den Volksschulen
in der späten Weimarer Republik – bei Schulz & Sielaff (1930).↩Ein Thema, dass sich immer wieder aufdrängt, ist das Bestehen des Bibliothekswesens darauf, dass eine Schulbibliothek einen Katalog als Nachweisinstrument nach bibliothekarischen Regeln zu führen hätte, wie dies Öffentliche Bibliotheken auch tun (schon bei Schulz & Sielaff (1930) und bei Doderer et al. (1970), aber auch Kirmse (2014) und Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg (2017)), während es wenig Hinweise darauf gibt, dass Schulbibliotheken dies wünschen (zum Beispiel führte keine der in der Magisterarbeit (Schuldt 2006) besuchten Schulbibliotheken einen, auch nicht die in einer anderen Studie (Schuldt, Mumenthaler & Vardanyan 2016) besuchten Schulbibliotheken im Kanton St. Gallen). Dementsprechend führen nur sehr wenige der in Berlin zu findenen Schulbibliotheken einen Katalog, noch weniger als Nachweisinstrument.↩
Eine persönlich den Autor drängende Frage ist, wieso gerade die Bücherwurm Grundschule am Weiher in Marzahn-Hellersdorf offenbar seit zehn Jahren ohne Schulbibliothek auskommt. Wie motiviert sich sonst dieser Name?↩
Karsten Schuldt, Dr. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Schweizerischen Institut für Informationswissenschaft, HTW Chur, Redakteur LIBREAS. Library Ideas. Forschung und Publikationen unter anderem zu Schulbibliotheken in Deutschland und der Schweiz.