> > > LIBREAS. Library Ideas # 46

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doi:10.18452/31224 (edoc HU Berlin)

Digitaler Wandel in der Kultur – Bibliotheken und Förderung im Land Brandenburg

Die sich in immer kürzeren Zyklen verändernden digitalen Rahmenbedingungen bieten Kultureinrichtungen neue Chancen und stellen gleichzeitig große Herausforderungen für die damit verbundenen Anpassungsprozesse dar. Jede Kultureinrichtung hat dabei einen individuellen, konkreten Handlungsrahmen, in welchem die kulturelle Aufgabe realisiert wird, so auch die Bibliotheken. Im Land Brandenburg wurden kulturpolitische Rahmenbedingungen auf strategischer und konzeptioneller Ebene neu ausgerichtet. Mit einer neuen Förderlinie steht ein umfassendes Förderwerkzeug zur Verfügung. Für die Förderung von Digitalisierungsmaßnahmen spielen dabei institutionelle Digitalstrategien eine Schlüsselrolle. Der Beitrag ordnet die Richtlinie in diesem Kontext kurz ein.


Zitiervorschlag
Ulf Preuß, "Digitaler Wandel in der Kultur – Bibliotheken und Förderung im Land Brandenburg". LIBREAS. Library Ideas, 46 ().


Digitaler Wandel

Aufgrund der vielen technologischen und damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre, wie massenmarkttaugliche Miniaturisierung und Mobilisierung von Digitaltechnik (zum Beispiel Smartphone Apple iPhone 1 von 2007), Social Media (beispielsweise facebook Start 2004) oder praktisch nutzbare KI-Anwendungen (unter anderem Veröffentlichung von ChatGPT in 2022), stehen die Kultureinrichtungen – wie viele Lebens- und Arbeitsbereiche – vor der permanenten Herausforderung der Anpassung an ein rasant verändertes Umfeld. Im Normalfall stehen den Kultureinrichtungen nur geringe Investitionsmittel zur Verfügung, was zu einer weiteren Öffnung der Schere zwischen Anpassungsdruck und Anpassungsfähigkeit führt. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und Fördermöglichkeiten zur Bewältigung der pandemiebedingten Auswirkungen setzte in vielen Bereichen ein kurzfristiger Digitalisierungsschub ein. Plötzlich verfügbare, teils umfangreiche Fördermittel stellten viele Einrichtungen vor neue Herausforderungen. Insbesondere die klare Formulierung von Anforderungen und das Projektmanagement waren – und sind auch sonst oft – unterschätzte Projektbestandteile, welche sich negativ auf die Realisierbarkeit auswirken können.

Kulturpolitik und Förderung im Land Brandenburg

Bereits Ende 2018 veröffentlichte die Landesregierung Brandenburg die Zukunftsstrategie Digitales Brandenburg.1 In dieser ressortübergreifenden Strategie wurden insgesamt 202 Maßnahmen beschrieben, davon für den Kulturbereich:

  • Nr. 126 Sicherung des filmkulturellen Erbes

  • Nr. 127 Kulturelle Bildung

  • Nr. 128 Sicherung und Präsentation des kulturellen Erbes und des Kulturgutes

  • Nr. 129 Entwicklung von Kultureinrichtungen zu modernen Kulturbetrieben

  • Nr. 130 Digitale Vermittlung kultureller Inhalte und kultureller Angebote

Basierend auf den Maßnahmen 127–1302 wurde die Förderlinie Förderung und Begleitung des digitalen Wandels im Kulturbereich im Land Brandenburg (DiWa) durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur entwickelt. Dieses Programm steht Kulturinstitutionen aller Kulturbereiche (Kulturschaffende, kulturbewahrende und kulturvermittelnde Einrichtungen sowie sozio-kulturellen Institutionen) mit Sitz in Brandenburg zur Verfügung. Die Förderlinie ist zudem in die Digitale Agenda3 und die Kulturpolitsche Strategie 20244 des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) eingebettet. Erstmalig konnten Anträge 2021 für eine Förderung im Jahr 2022 gestellt werden.

Die DiWa-Förderlinie umfasste zunächst die Felder:

  • (1) Entwicklung einer Digitalstrategie und Qualifikation,

  • (2) IT-Ausstattung und

  • (3) prototypische Entwicklung neuer künstlerischer Inhalte und Vermittlungsformen.

Bereits seit 2012 werden durch das Land Brandenburg zudem Fördermittel für den Bereich der retrospektiven Digitalisierung von Kulturgut zur Verfügung gestellt. Diese Förderung geht wiederum auf den Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) von 2009 zur Entwicklung der Deutschen Digitalen Bibliothek zurück, welche zudem eine Unterstützung der Einrichtungen durch die jeweiligen Bundesländer vorsah. Im Förderzeitraum 2013–2023 konnten insgesamt 109 Projekte, mit zusammen über 200 Projektbeteiligungen, in Verbund- und Einzelprojekten realisiert werden.5 Ab dem Förderzeitraum 2024 wurde diese Förderlinie in die umfassendere DiWa-Förderlinie6 integriert. Dieses Förderprogramm bietet aktuell somit folgende Maßnahmenbereiche:

  • Modul A) Strategie und Qualifikation,

  • Modul B) Digitale Infrastruktur,

  • Modul C) Retrospektive Digitalisierung und

  • Modul D) Kunst und Vermittlung.

Die zentrale Verwaltung der Förderlinie obliegt dem MWFK. Für die Beratung im Vorfeld der Antragstellung steht die Koordinierungsstelle Brandenburg-digital7 an der Fachhochschule Potsdam zur Verfügung.

Digitalstrategie

Kernelement der Förderung ist die Digitalstrategie der jeweiligen Einrichtung. Falls diese noch nicht vorhanden ist, können Mittel für Beratungsleistungen und Dienstleistungen Dritter oder projektbezogene zusätzliche Personalausgaben zur Erarbeitung einer eigenen Digitalstrategie beantragt werden. Erst mit dem Vorliegen der Strategie können Maßnahmen aus den anderen Modulen beantragt werden, da eine möglichst zielgerichtete und nachhaltige Förderung angestrebt wird.

Aufgrund der sehr unterschiedlichen Kulturbereiche (von Theater, Orchester, Sozio-Kultur, Musik und Kunstschulen bis hin zu Museen, Archiven und Bibliotheken), der zumeist kommunalen oder freien Trägerschaft (zum Beispiel gemeinnützige Stiftungen und Vereine) und oft sehr knappen personal- und finanziellen Ressourcen, sind Art und Umfang der jeweiligen Strategie sehr unterschiedlich. Ausgangspunkt zur Erstellung einer Digitalstrategie ist die jeweilige Aufgabe der Einrichtung. Daraus ergibt sich das Handeln der Einrichtung inklusive der Auswahl und Nutzung von Systemen.

Im Wesentlichen sollte eine Digitalstrategie auf die ganzheitliche Betrachtung der Kultureinrichtung und ihrer digitalen Entwicklungspotentiale abzielen. Ein zentraler Bereich ist die eigene Verwaltung und Organisation der Einrichtung an sich, unter anderem Gebäude-, Personal- und Finanzverwaltung. Ein weiterer Bereich ist der jeweilige inhaltliche Gegenstand der Arbeit der Kultureinrichtung. Dies kann im Kontext einer Bibliothek beispielsweise der eigene und/oder lizenzierte Bestand oder der zur Verfügung stehende öffentliche Raum (Dritter Ort) sein. Zudem haben alle Kultureinrichtungen den Bereich der zielgruppenspezifischen Kulturangebote, welche eine nutzungszentrierte Sicht erfordern. Für Bibliotheken mit historischen Beständen könnte dies unter anderem das Angebot einer digitalen Zugänglichkeit durch ein digitales Sammlungssystem mit webbasiertem Zugriff sein. Durch eine vergleichende Betrachtung der aktuellen Situation mit den digitalen Erfordernissen, lassen sich Entwicklungsbereiche transparent dokumentieren und Prioritäten für die Umsetzung ableiten.

Eine Digitalstrategie beinhaltet, unter Verweis auf gegebenenfalls bestehende Dokumente, im Wesentlichen folgendes:

  • Kurzfassung der Aufgabe der jeweiligen Einrichtung (zum Beispiel der Bibliothek)

  • Kurzfassung der aktuell und mittelfristig verfügbaren Ressourcen (unter anderem Personal und Budget)

  • Kurzfassung dessen, was im Bereich der Digitalität bereits erfolgte (Ist-Stand)

  • Betrachtung der Digitalanforderungen

    • Bereich Verwaltung und Organisation (zum Beispiel Finanzverwaltung)

    • Bereich des jeweiligen Gegenstandes der Einrichtung (was muss im Vorfeld der Kulturangebote vorhanden sein)

    • Bereich Kulturangebote (nutzungszentrierte Sicht)

  • Soll/Ist-Abgleich

  • Übersicht der künftigen Handlungsfelder, inklusive einer Priorisierung

Digitalisierung der Bibliotheken

Bibliotheken können im Zusammenhang mit dem Thema Digitalisierung auf eine sehr lange aktive Entwicklung zurückgreifen. Die digitale Zusammenarbeit im Rahmen der Katalogisierung und übergreifenden Zugänglichkeit ist für die meisten Bibliotheken alltägliches Geschäft. Die Erschließung erfolgt in überregionalen Verbünden, wie dem Gemeinsamen Bibliotheksverbund (GBV), welcher durch die Universitätsbibliothek Potsdam8 genutzt wird. Zusätzliche Rechercheoptionen und weitergehende Funktionalitäten bieten regionale Verbünde, wie der Kooperativen Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV).9 Dieser ist ein Zusammenschluss von Öffentlichen, Wissenschaftlichen und Spezialbibliotheken und bietet Dienstleistungen in den Bereichen Recherche, Archivierung, Katalogisierung und Hosting. Neben den lokalen Beständen bieten Bibliotheken auch Zugriff auf externe Ressourcen. Hierfür entwickelten sich verschiedene Lizenzmodelle, wie zum Beispiel den Nationallizenzen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG),10 dem Angebot onleihe11 für E-Books, Zeitungen und Zeitschriften oder dem Zugriff auf das Portal filmfriends12 für Öffentliche Bibliotheken. Darüber hinaus entwickelten sich im Rahmen der erweiterten Aufgabeninterpretation insbesondere der Öffentlichen Bibliotheken weitere Bereiche mit digitalen Dimensionen. Hierzu gehört das Konzept Dritter Ort,das die Bibliotheksnutzenden stärker in den Fokus rückt. Neben dem sogenannten ersten Ort (dem Zuhause) und dem zweiten Ort (dem Arbeitsplatz) wird als ein solcher dritter Ort ein Sozialraum verstanden. Dieser wird mit bestimmten Eigenschaften, wie Neutralität, Inklusion, Erreichbarkeit und Zugänglichkeit, offene Atmosphäre und kontinuierliche Weiterentwicklung, in Verbindung gesetzt. Die Bedeutung der Arbeit mit Bibliotheksbeständen rückt dabei etwas zugunsten anderer Wünsche und Anforderungen an den realen, öffentlich zugänglichen und nutzbaren Raum, den die Bibliotheken bieten, in den Hintergrund. In diesem Zusammenhang wurden zusätzliche Angebote wie Makerspaces, Gaming-Areas, Medienwerkstätten, Repair-Cafés, Bibliotheksgärten und -cafés oder digitale, analoge und interaktive Veranstaltungsprogramme entwickelt.13 Die Bibliotheken waren und sind daher oft Vorreiter im Kontext Digitalisierung.

Die genannten Ansätze im Bibliothekswesen sind wegweisend, gehen aber auch mit größeren Veränderungsprozessen hinsichtlich der hierfür erforderlichen räumlichen, personellen, IT-infrastrukturellen und letztlich finanziellen Ressourcen einher. Die Formulierung einer ganzheitlichen Digitalstrategie hilft den Einrichtungen, ihre Realsituation für die Mitarbeitenden, den Träger und potenzielle Förderer transparent dar- und Entwicklungsleitlinien und konkrete Handlungsfelder herauszustellen. Hierbei können sich Bibliotheken zudem auf übergreifende Bibliotheksentwicklungskonzepte14 beziehen.

Da die Öffentlichen Bibliotheken in kommunaler Trägerschaft sind, bedeutet dies für die Digitalstrategie, dass eine Einbindung in die strategische (mittel- und langfristige) Entwicklung des Trägers erfolgen muss. Liegt eine entsprechende Strategie vor, so können sich Bibliotheken auch am vorgenannten DiWa-Förderprogramm im Land Brandenburg beteiligen. Förderfähig wären dabei zum Beispiel IT-Anschaffungen zur Umsetzung von Maßnahmen im Kontext des Konzeptes Dritter Ort, die retrospektive Aufbereitung regional bedeutender historischer Bestände inklusive anteiliger, projektbezogener Elemente der Bestandserhaltung, die funktionale Erweiterung der webbasierten Vermittlungs- und Nutzungsangebote und Qualifikationsmaßnahmen zum Aufbau notwendiger eigener Kompetenzen.

Neben dem vorgestellten Förderprogramm stehen den Bibliotheken vielfältige regionale und überregionale Förderangebote zur Verfügung. Auch mit Blick auf diese Fördermöglichkeiten stellt die Digitalstrategie eine sinnvolle Kommunikationsgrundlage zur Verfügung. Bibliotheksspezifische Informationen zu Förderoptionen bieten zum Beispiel die Landesfachstelle für Archive und Öffentliche Bibliotheken Brandenburg15 und der dbv16.


  1. (2018) Landesregierung Brandenburg/Staatskanzlei: Zukunftsstrategie Digitales Brandenburg. URL: https://www.demografie-portal.de/DE/Publikationen/2018/zukunftsstrategie-digitales-brandenburg.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Letzter Aufruf: 1.12.2024)↩︎

  2. Ebenda S. 29f.↩︎

  3. (2021) MWFK: Digital Agenda. URL: https://mwfk.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/MWFK_digitaleAgenda.pdf (Letzter Aufruf: 1.12.2024)↩︎

  4. (2024) MWFK: Kulturpolitische Strategie 2024. URL: https://mwfk.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/Kulturstrategiebf.pdf (Letzter Aufruf: 1.12.2024)↩︎

  5. FH Potsdam: Digitalisierung in der Kultur mit Landesförderung. URL: https://www.fh-potsdam.de/hochschule-karriere/organisation/assoziierte-einrichtungen/koordinierungsstelle-brandenburg-digital/digitalisierungsprojekte (Letzter Aufruf: 1.12.2024)↩︎

  6. (2024) MWFK: Fördergrundsätze des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur zur Förderung und Begleitung des digitalen Wandels im Kulturbereich im Land Brandenburg 2025. URL: https://mwfk.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/FG%20DIWA.pdf (Letzter Aufruf: 1.12.2024)↩︎

  7. FH Potsdam: Koordinierungsstelle Brandenburg-digital. URL: https://www.fh-potsdam.de/hochschule-karriere/organisation/assoziierte-einrichtungen/koordinierungsstelle-brandenburg-digital (Letzter Aufruf: 1.12.2024)↩︎

  8. Universität Potsdam: Über die Universitätsbibliothek. URL: https://www.ub.uni-potsdam.de/de/ueber-uns/ueber-die-universitaetsbibliothek (Letzter Aufruf: 1.12.2024)↩︎

  9. Zuse-Institut Berlin: Kooperativer Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg. URL: https://www.kobv.de/ Aufruf: 1.12.2024)↩︎

  10. DFG: Nationallizenzen. URL: https://www.nationallizenzen.de/ (Letzter Aufruf: 1.12.2024)↩︎

  11. Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlin: onleihe. URL: https://voebb.onleihe.de/ Aufruf: 1.12.2024)↩︎

  12. filmwerte GmbH: filmfriends. URL: https://www.filmfriend.de/ (Letzter Aufruf: 1.12.2024)↩︎

  13. (2020) Bibliotheksportal: Der Dritte Ort. Ein vielbeachtetes Konzept im Bibliothekswesen. URL: https://bibliotheksportal.de/informationen/die-bibliothek-als-dritter-ort/dritter-ort/ (Letzter Aufruf: 1.12.2024)↩︎

  14. dbv: Bibliotheksentwicklungspläne. URL: https://www.bibliotheksverband.de/entwicklungsplaene (Letzter Aufruf: 1.12.2024)↩︎

  15. FH Potsdam: Bibliotheksberatung. URL: https://www.fh-potsdam.de/hochschule-karriere/organisation/assoziierte-einrichtungen/landesfachstelle-archive-und-oeffentliche-bibliotheken-brandenburg/bibliotheksberatung (Letzter Aufruf: 1.12.2024)↩︎

  16. dbv: Fördernewsletter. URL: https://www.bibliotheksverband.de/foerdernewsletter (Letzter Aufruf: 1.12.2024)↩︎


Ulf Preuß (https://orcid.org/0000-0003-0626-1968) studierte, nach einer 14-jährigen Tätigkeit in den Bereichen Personal- und Rechnungswesen als Soldat der Bundeswehr, Bibliotheksmanagement BA und Informationswissenschaften MA an der FH Potsdam. Seit Ende 2012 leitet er die Koordinierungsstelle Brandenburg-digital. Damit verbunden ist die Funktion einer Geschäftsstelle für den informellen, kulturspartenübergreifenden Arbeitskreis Brandenburg.digital. Seit 2013 ist er darüber hinaus in Nebentätigkeit engagiert in verschiedenen Studien- und Weiterbildungsprogrammen der FU Berlin, der HU Berlin, der HTW Berlin, der Donau-Universität Krems (Österreich) und der FH Potsdam, in den Themenfeldern bestandsschonende retrospektive Digitalisierung, digitale Präsentation und digitale Archivierung.