Autorschaft ist nicht gleich Autorschaft
Autorschaft ist vielfältig und wird durch unterschiedliche Motivationen geprägt, die stark von der Art der Texte und dem beruflichen Kontext der Autorinnen abhängen. Autorinnen können literarische, journalistische, dramatische oder wissenschaftliche Texte verfassen, die in unterschiedlichen Kontexten – analog oder digital – verbreitet werden. Die Motivation hinter der Veröffentlichung solcher Werke kann stark variieren: Für manche steht der Wunsch im Vordergrund, Wissen zu teilen und eine breitere Öffentlichkeit oder Fachcommunity zu erreichen. Für andere sind finanzielle Vergütungen zentral, um den Lebensunterhalt zu sichern.
Ökonomisch betrachtet sind Autorinnen als Urheberinnen der Texte an den Verwertungen derselben angemessen zu beteiligen (§ 11 UrhG). Während diese Beteiligung und Vergütung für freie Schriftstellerinnen und Journalistinnen ohne feste Anstellung und festes Gehalt, sowie für Autorinnen von Romanen, Sachbüchern und anderen nichtwissenschaftlichen Texten, die von den Erlösen aus Buchverkäufen und deren (Zweit-)Verwertung leben, eine hervorgehobene Bedeutung hat, gilt das nicht für Autorinnen, die fest in Redaktionen oder Verlagen angestellt sind und wissenschaftliche Autorinnen, die im Rahmen einer (Fest-) Anstellung forschen und publizieren.
Auf die Beteiligung an Einnahmen aus vergütungspflichtigen gesetzlich erlaubten Nutzungen ihrer Texte, zum Beispiel Vergütung für die Anfertigung einer Kopie mit einem Vervielfältigungsgerät, die nur über eine Verwertungsgesellschaft (hier die VG WORT e. V., ohne Datum) geltend gemacht werden können, sind sie erst recht nicht angewiesen. Ist es also gerechtfertigt, dass sie an der jährlichen Ausschüttung der Einnahmen der VG Wort teilnehmen können? Oder sollten Wissenschaftlerinnen der VG WORT gar nicht erst als Mitglied beitreten? Diese Frage stellt sich umso mehr, wenn Wissenschaftlerinnen den im Rahmen der öffentlich finanzierten Tätigkeit entstandenen Text der Allgemeinheit kostenfrei zugänglich gemacht haben und mittels einer freien Lizenz umfassende einfache Nutzungsrechte eingeräumt, also im Open Access publiziert haben und ist regelmäßig Auslöser hitziger Debatten, so beispielsweise einer über die Mailingliste IPOA-Forum von September 2024 (IPOA-Forum, 2024) geführten Diskussion aus Anlass eines Beitrages bei irights.info (Wiese & Lange, 2024), der die Vereinbarkeit der Mitgliedschaft von wissenschaftlichen Autor*innen in der VG Wort mit der freien Lizenzierbarkeit, zum Beispiel mit Creative-Commons-Lizenzen herausgestellt hat.
VG Wort und ihre Rolle in der Wissenschaft
Zunächst kurz zur Rolle der VG Wort in der Wissenschaft: Die VG Wort ist ein rechtsfähiger Verein kraft staatlicher Verleihung, in dem sich Wortautorinnen und deren Verlegerinnen zur gemeinsamen Verwertung von Urheberrechten zusammengeschlossen haben. Sie nimmt als einzige Verwertungsgesellschaft in Deutschland die ihr vertraglich anvertrauten urheberrechtlichen Befugnisse von Wortautorinnen und deren Verlegerinnen wahr (BGH, 2024). Im Wissenschaftsbereich kommt ihr vor allem die Aufgabe zu, Vergütungen für die gesetzlich erlaubten Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen geltend zu machen (§ 60h Abs. 4 UrhG). Die Vergütungen werden nach einem definierten Schlüssel auf die wahrnehmungsberechtigten Autorinnen ausgeschüttet, soweit diese die VG WORT zur Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche und der Geräte- und Speichermedienvergütung mittels eines Wahrnehmungsvertrages (WV VG WORT, 2024) beauftragt haben.
Verwertungsgesellschaften haben aber nicht nur eine ökonomische, sondern auch kulturfördernde und soziale Funktion. Sie vertreten zwar die Interessen ihrer Mitglieder, sollen jedoch nicht einseitig wie Berufsverbände agieren. Stattdessen sind sie verpflichtet, die Rechte ausgleichend wahrzunehmen und ein Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der Urheberinnen und der Gesellschaft herzustellen. Zur Förderung der Wissenschaft beteiligt die VG Wort Herausgeberinnen und den Förderungsfonds Wissenschaft, dessen einzige Gesellschafterin sie ist, entsprechend den Bestimmungen ihres Verteilungsplans und ihrer Satzung an den Einnahmen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Urheberinnen. Der Förderungsfonds Wissenschaft vergibt Druckkostenzuschüsse für das Erscheinen wissenschaftlicher Werke und Fachwerke, Zuschüsse für Forschungen, aus denen wissenschaftliche Werke oder Fachwerke hervorgehen sollen, sowie Zuschüsse für sonstige Maßnahmen zur Förderung des wissenschaftlichen Schrifttums und des Fachschrifttums (Satzung Förderungsfonds Wissenschaft, 2024).
Die Stärkung der Rechteinhaberschaft wissenschaftlicher Autorinnen kann in einem Widerspruch zu den erforderlichen Nutzungsfreiheiten in der Wissenschaft stehen. Das zeigte sich insbesondere im Ringen um die Entfristung von § 52a UrhG, nach dem urheberrechtlich geschützte Inhalte unter bestimmten Voraussetzungen für Unterrichts- und Forschungszwecke einem bestimmt abgegrenzten Personenkreis öffentlich zugänglich gemacht werden durften, etwa indem sie in schulische oder universitäre Intranets eingestellt werden. Somit ist fraglich ist, ob die Ziele von Open Access dadurch konterkariert werden, dass Verwertungsgesellschaften an wissenschaftliche Autorinnen Einnahmen für gesetzlich erlaubte Nutzungen auch dann ausschütten, wenn es sich um eine Open-Access-Veröffentlichung handelt.
Zwischen Gewinn- und Gemeinwohlinteressen
Die Open-Access-Bewegung verfolgt das Ziel, öffentlich finanzierte Forschung für alle frei zugänglich zu machen. Dieses Gemeinwohlinteresse steht jedoch in einem Spannungsfeld mit den ökonomischen Interessen von Verlagen, Autorinnen und den gesetzlichen Vergütungsregelungen.
Nach der Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen aus 2003 soll öffentlich finanziertes Wissen der Öffentlichkeit umfassend (kosten- und barrierefrei) zur Verfügung stehen. Der Begriff umfasst hier die Ermöglichung weitergehender Nutzungsfreiheiten, die über die gesetzlich erlaubten Nutzungen aus Abschnitt 6 des Urheberrechtsgesetzes hinausgehen.
Das rechtliche Instrument für die weitergehende Einräumung von
Nutzungsfreiheiten ist die freie Lizenzierung (unentgeltliche Einräumung
einfacher Nutzungsrechte für die allgemeine Öffentlichkeit gem. § 32
Abs. 3 S. 3 UrhG). Wissenschaftliche Autorinnen machen hiervon im Rahmen
der ihnen grundrechtlich eingeräumten Freiheiten, darüber zu
entscheiden, ob, wie und wo sie ihre Ergebnisse öffentlich zugänglich
machen (Art. 5 Abs. 3 GG), eingeschränkt Gebrauch: in manchen
Wissenschaftsdisziplinen fast umfassend, in anderen, insbesondere der
Rechtswissenschaft, äußerst zurückhaltend. Ob sich hieran etwas ändert,
seit der Kodex zur guten wissenschaftlichen Praxis der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) von 2019 bis Ende Juli 2023
rechtsverbindlich an den Hochschulen in Deutschland, die weiterhin
Drittmittel von der DFG erhalten können wollen, umzusetzen war, bleibt
abzuwarten. Leitlinie 13 des Kodex betont zwar die Publikationsfreiheit,
es wird in der Erläuterung jedoch der Erwartung Ausdruck verliehen, dass
die Publikation wann immer möglich
, den
FAIR-Prinzipien (Findable,
Accessible, Interoperable,
Reusable
) entsprechend in anerkannten Archiven und
Repositorien zugänglich gemacht wird. Durch die weiche Formulierung
unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des betroffenen
Fachgebiets
” werden sich zurückhaltende Disziplinen
voraussichtlich auch weiter zurückhaltend verhalten können.
Die Zurückhaltung in der Rechtswissenschaft ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sie zu den Disziplinen zählt, in denen sich mit Publikationen (selbstständigen Monografien ebenso wie unselbstständigen Periodika) Geld verdienen lässt. Möglich ist das, weil und solange die Publikation nicht nur kostendeckend ist, sondern Gewinne produziert, an denen die Autorinnen beteiligt werden können. In der Regel geschieht dies durch Verkauf von Zugängen oder gedruckten Exemplaren. Zugang hat dann nur, wer sich diesen leisten kann, oder Zugang zu einer Bibliothek hat, die diesen finanziert.
Die Open-Access-Bewegung will unter anderem diese strukturellen Barrieren überwinden und zielt auf einen kostenfreien Zugang für die breite Öffentlichkeit als Minimalkonsens ab. Wenn jedoch keine Zugänge mehr verkauft werden können, dann müssen andere Modelle zur Finanzierung der Publikationskosten gefunden werden. Eine Vielzahl von Transformationsansätzen für die Finanzierung der Publikationskosten hat sich mittlerweile etabliert. Den Transformationsmodellen unter Einbeziehung kommerzieller Verlage ist gemein, dass diese immer auch die Gewinne der Verlagsseite mitfinanzieren. Je mehr Gewinne jedoch für die Open-Access-Transformation mitfinanziert werden müssen, umso schwieriger gelingt diese. Individuelle Gewinn- und Gemeinwohlinteressen stehen hier in einem Spannungsverhältnis.
Es lässt sich hier argumentieren, dass zwar nichts dagegen spricht, wenn Verlage oder/und wissenschaftliche Autorinnen Einnahmen aus Publikationen erzielen, das vorrangige Ziel der Wissenschaft – die freie Verbreitung und Anknüpfbarkeit von Wissen – muss jedoch im Vordergrund stehen und sichergestellt werden und die wissenschaftlichen sowie ethischen Standards dürfen nicht untergraben werden.
Erlöse erzielen Wissenschaftlerinnen für ihre Publikationen auch aus der Teilnahme an Ausschüttungen für gesetzlich erlaubte Nutzungen – selbst dann, wenn sie diese frei lizenziert haben. Fraglich ist, wie das rechtlich und wissenschaftsethisch zu bewerten ist.
Vereinbarkeit freie Lizenzierung und VG WORT Mitgliedschaft
Die Voraussetzungen für die rechtliche Vereinbarkeit der freien Lizenzierung mit dem Abschluss des Wahrnehmungsvertrag der VG WORT (WV VG WORT, 2024) wurden bereits in einem Praxisbericht (Reda, 2024) und einem Leitfaden (Wiese & Lange, 2024) thematisiert und im Ergebnis bejaht. Für Autorinnen mit Wahrnehmungsvertrag mit der VG WORT bleibt festzuhalten, dass Werke unter freier Lizenzierung in allen Varianten (mit und ohne Vorbehalt gegen kommerzielle Nutzungen) bereitgestellt werden können, ohne dass der Anspruch auf eine Vergütung im Bereich der gesetzlichen Vergütungsansprüche verloren geht. Der Wahrnehmungsvertrag mit der VG WORT steht hierzu praktisch nicht in Konflikt. Die VG WORT ist sich der im Wissenschaftsbereich praktizierten Lizenzierungen ohne Vorbehalt gegen kommerzielle Nutzungen bewusst und akzeptiert diese ohne Einschränkungen für durch sie wahrgenommene gesetzliche Vergütungsansprüche, auf die sich freie Lizenzen gerade nicht beziehen. Rechtstheoretische Konkordanz auch im Hinblick auf vertragliche Vergütungsansprüche und laut Wahrnehmungsvertrag ausschließlich eingeräumte Rechte lässt sich durch Ausnehmung dieser Rechte von der Wahrnehmung (gem. § 13 WV VG WORT, 2024) herstellen. Selbst wenn die Wahrnehmung vertraglicher Nutzungen ausgenommen wird, besteht nach dem WV VG WORT weiterhin ein Anspruch auf Teilnahme an den Ausschüttungen für gesetzlich erlaubte Nutzungen (siehe § 4 S. 3 WV VG WORT, 2024).
In der Teilnahme an den jährlichen Ausschüttungen durch wissenschaftliche Autorinnen, deren Publikationen im Rahmen einer öffentlich finanzierten Tätigkeit entstehen, kann losgelöst von der rechtlichen Zulässigkeit ein Widerspruch gesehen werden. Begründen lässt sich diese Ansicht damit, dass hierbei eine Mehrfachvergütung geschehe. So seien die Beiträge schon über die Tätigkeit öffentlich finanziert und wenn gegebenenfalls Open-Access-Publikationsgebühren öffentlich finanziert würden, sowie zusätzlich Einnahmen für gesetzliche Nutzungen aus öffentlichen Haushalten über die VG WORT ausgeschüttet würden, dann sei das wissenschaftsethisch bedenklich. Sieht man sich die einzelnen Kosten an, dann lässt sich nachvollziehbar vertreten, dass mit dem Gehalt für wissenschaftliche Autorinnen neben der Forschung auch die Publikation derselben abgegolten ist. Die Infrastruktur (zum Beispiel IT, Mitarbeitende, Labor etc.) dafür wird ebenso durch den Arbeitgeber bereitgestellt, wie die Arbeitszeit vergütet wird.
Diese rein gemeinwohlorientierte Betrachtung ist nachvollziehbar, versäumt es jedoch, die individuelle Perspektive angemessen zu berücksichtigen, und stellt diese somit in ein unauflösbares Spannungsverhältnis, das es aber gerade aufzulösen gilt, wenn wissenschaftliche Autorinnen die Open-Access-Transformation unterstützen sollen.
Da Wissenschaftlerinnen selten als Autorinnen einer bestimmten Anzahl
an Publikationen oder überhaupt für die Publikation, sondern abstrakt
für die Tätigkeit in Wissenschaft, Forschung und Lehre eingestellt
werden, schulden sie keine konkrete Publikation und ihre grundrechtlich
gewährleistete Freiheit beinhaltet nicht nur die freie Entscheidung
ob
, sondern auch wie
publiziert wird. Ob
Wissenschaftlerinnen durch Satzung der Anstellungskörperschaft
verpflichtet werden können, zusätzlich zur freien Entscheidung über
einen Verlag zu veröffentlichen, dieselbe Publikation auch im
Repositorium der Einrichtung nach einem Embargo von 12 Monaten
öffentlich zugänglich zu machen, ist (für Deutschland) durch das
Bundesverfassungsgericht noch zu entscheiden und gegenwärtig noch offen.
(Fischer, 2023)
Nehmen wir einmal vom Gedanken Abstand, dass Wissenschaftlerinnen qua Satzung oder anderer rechtlicher Vorgaben verpflichtet werden müssen, ihre Ergebnisse Open Access zu veröffentlichen und fragen uns stattdessen, was sie in Anerkennung ihrer grundrechtlich gewährleisten Freiheiten in Wissenschaft, Forschung und Lehre sowie Eigentumsgarantie dazu motivieren könnte, dann müssen wir die individuelle Perspektive und Motivationslage verstehen, die für oder gegen die kosten- und barrierefreie Open-Access-Publikation spricht. Hier müssen wir feststellen, dass diese in den unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen und angesichts der unterschiedlichen Gattungen von Publikationsformaten sehr verschieden ist.
Reputationslogiken, (nicht vorhandene offene) Infrastrukturangebote und Publikationsservices stehen gleichbedeutend neben der individuellen Perspektive, mit verschiedenen Publikationsformaten Gewinne erzielen zu können. So kann zum Beispiel mit qualitativ hochwertigen, innovativen Lehr- und Lernmaterialien fächerübergreifend Gewinn erwirtschaftet werden und manche Disziplinen, die sich spezifisch auch an die Praxis wenden, können mit Fach- und Handbüchern, oder um nochmal auf die Rechtswissenschaften zu sprechen kommen, Rechtskommentaren, Einnahmen generieren. Wissenschaftlerinnen werden nicht konkret und ausschließlich dafür bezahlt, diese Formate zu erarbeiten, und in der Wissenschaft gibt es häufig auch nicht die passenden Infrastrukturen und Publikationsservices, um sie hierbei zu unterstützen. Entstehen diese Formate ohne explizite Einräumung zeitlicher Kapazitäten innerhalb der Arbeitszeit trotzdem, dann nicht selten durch Selbstausbeutung und in Zusammenarbeit mit spezialisierten Verlagen, die wie oben beschrieben, die Wissenschaftlerinnen an ihren durch Verkaufserlöse erzielten Einnahmen beteiligen.
Auflösung
Wie lässt sich nun in einem kapitalistischen Akkumulationssystem das Spannungsverhältnis von individuellen Gewinn- und Gemeinwohlinteressen auflösen?
Bezogen auf die Ausgangsfrage, ob wissenschaftliche Autorinnen, die auf eigene Einnahmen durch Verkauf im Fall der OA lizenzierten kostenfrei bereitgestellten Publikation verzichten, zusätzlich auch auf die Teilnahme an den Ausschüttungen der Einnahmen für gesetzlich erlaubte Nutzungen durch die VG WORT verzichten sollten, ist wichtig zu verstehen, dass die Kosten für Vergütungsansprüche aus vergütungspflichtigen gesetzlichen Nutzungen losgelöst davon entstehen, ob die wissenschaftliche Texte Open Access verfügbar sind oder nicht. Zudem hat der Gesetzgeber eine Entscheidung über die Vergütungspflichtigkeit bestimmter gesetzlicher Erlaubnisse unabhängig davon getroffen, ob die sie geltend machenden Werkurheberinnen die genutzten Werke im Rahmen einer öffentlich finanzierten Tätigkeit geschaffen haben.
Wenn wissenschaftliche Autorinnen, die nicht Open Access veröffentlichen, zusätzlich an der Ausschüttung der VG WORT teilnehmen, sollten hiervon erst recht solche Gebrauch machen können, die Open Access veröffentlichen. Ansonsten würde der Anteil der Ausschüttung, der auf sie entfiele, zusätzlich auf die Ersteren aufgeteilt und diese zusätzlich belohnt.
Erschwerend kommt hinzu, dass auch der Verlag, der gegebenenfalls schon durch eine OA-Publikationsgebühr für entgangene Gewinne entschädigt wurde, als wahrnehmungsberechtigte Gruppe bei der VG WORT an den Ausschüttungen für gesetzlich erlaubte Nutzungen beteiligt wird.
Wenn wissenschaftlichen Autorinnen, die ihre Beiträge Open Access veröffentlichen, nicht nur auf Verkaufserlöse, sondern zusätzlich auch auf die ihnen zustehende Beteiligung an den Einnahmen für gesetzlich erlaubte Nutzungen verzichten, würden davon in dem geltenden System die kommerziellen Verlage und nicht transformationswilligen Wissenschaftlerinnen profitieren. Dies würde transformationswillige Wissenschaftlerinnen doppelt benachteiligen.
Die Entscheidung darüber, ob ein Wahrnehmungsvertrag mit der VG WORT geschlossen wird, ist die individuelle Entscheidung einer jeden publizierenden Wissenschaftlerin. Diese Entscheidung gerade da in Frage zu stellen, wo diese sich für eine Open-Access-Lizenzierung entschieden hat und damit regelmäßig dagegen optiert hat, eigene Erlöse aus der Publikation abseits der Beteiligung an der Ausschüttung für gesetzliche Nutzungen als Ausgleich für entgangene Einnahmemöglichkeiten im Hinblick auf diese Nutzungen zu erzielen, lädt wissenschaftliche Autorinnen nicht dazu ein, an der Open-Access-Transformation teilzunehmen.
Dabei ist es gerade für den Bereich Lehre und Bildung wichtig, dass wissenschaftliche Autorinnen frei lizenzierte und damit veränderbare, aktuelle Lehr- und Lernmaterialien bereitstellen. Wenn aber nicht nur auf die Möglichkeit der Einnahmen für den Verkauf, sondern darüber hinaus auch auf die Vergütungen für die Meldung bei der VG WORT verzichtet werden soll, sinkt die Motivation weiter, diese als Open-Access-Publikation zu veröffentlichen. Viele Autorinnen legen nämlich großen Wert darauf, dass die freie Lizenzierung die Beteiligung an den Ausschüttungen durch die VG WORT gerade nicht ausschließt.
Wenn auch der Ansatz der VG Wort Rechtepositionen von (wissenschaftlichen) Urheberrinnen zu stärken und gesetzliche Nutzungserlaubnisse mithin eng zu fassen und an eine Vergütung zu koppeln, mit dem Ansatz möglichst umfassender Nutzungsmöglichkeiten in der Wissenschaft in einem Spannungsverhältnis steht, so sollte dennoch davon abgesehen werden orthodoxe Korrektheit auf Seiten der Wissenschaftlerinnen zu erwarten, zumal diese in einem Motivationskonflikt stecken.
Eine mögliche Auflösung dieses Motivationskonfliktes könnte darin liegen, Anreizmodelle und Vergütungsstrukturen für Open-Access-Werke aus der Wissenschaft zu entwickeln, die sowohl die Interessen der Autorinnen als auch das Gemeinwohl berücksichtigen – etwa durch eine Reform der VG WORT, die speziell auf die Besonderheiten der Transformation des Wissenschaftsbereichs eingeht und an transformationswillige Autorinnen eventuell besondere Ausschüttungen vorsieht.
Auch Initiativen, die nicht mehr nur das Endprodukt, die OA-Publikation, in den Blick nehmen, sondern vielmehr den Weg dahin innovieren und kollaborative, egalitäre, diverse und gemeinschaftliche Autorinnenschaft in den Vordergrund stellen (siehe hierzu zum Beispiel OpenRewi e. V. (https://openrewi.org/), die durch innovative Publikationsservices unterstützt werden, können innerhalb des existierenden Systems diziplinbezogen zu einer Auflösung des Spannungsverhältnisses individueller Reputations- und Gewinn-, sowie gemeinwohlorientierter Publikationsinteressen beitragen. Der vorliegende Beitrag versteht sich insoweit als ein weiterer Denkanstoß in diese Richtung.
Fazit
Die Frage, ob Wissenschaftler*innen an den Ausschüttungen gesetzlicher Vergütungsansprüche der VG Wort teilnehmen sollten, wenn und obwohl sie ihre Werke unter freien Lizenzen veröffentlichen, bleibt ein umstrittenes Thema im Spannungsfeld zwischen Gemeinwohlinteressen und individuellen Vergütungsansprüchen. Einerseits sollen öffentlich finanzierte Publikationen der Allgemeinheit nicht nur kostenfrei zugänglich, sondern auch kostenfrei nutzbar zur Verfügung stehen, zumindest in dem gesetzlich erlaubten Umfang – ein Grundgedanke, der im Open-Access-Prinzip und der Berliner Erklärung von 2003 verankert ist. Andererseits steht Wissenschaftlerinnen eine finanzielle Entschädigung für die Nutzung ihrer Werke zu, insbesondere wenn diese unter Schrankenregelungen erfolgen, die durch die Creative-Commons-Lizenzen nicht erfasst werden.
Solange es keine klaren, auf die besonderen Bedürfnisse der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen und Werkgattungen zugeschnittenen Anreizmechanismen gibt, welche die Open-Access-Transformationskosten in den Blick nehmen, wird das Spannungsverhältnis zwischen individuellen Gewinn- und Gemeinwohlinteressen bestehen bleiben. Die Teilnahme an den Ausschüttungen der VG WORT schafft zwischenzeitlich im geltenden System eine gewisse Balance der Anreize und gleicht den Motivationskonflikt transformationswilliger wissenschaftlicher Autorinnen zumindest etwas aus.
Literatur
Beiträge
Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen (2003), https://openaccess.mpg.de/Berliner-Erklaerung/
BGH - I ZR 135/23 - Beschluss des I. Zivilsenats vom 21.11.2024
DFG (2019). Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, https://perma.cc/V765-8LQT
Fischer, Georg (2024). Zweitveröffentlichungsrecht und Causa Konstanz: Bundesverfassungsgericht vor Entscheidung. In: iRights info, 17.04.2023, https://perma.cc/3UJV-NX8H
IPOA-Forum (2024). ipoa-forum Archiv, https://lists.fu-berlin.de/pipermail/ipoa-forum/
Reda, Felix (2024). Kein Widerspruch: Open Access und Vergütung durch die VG Wort. In. iRights info, 26.07.2024, https://perma.cc/V975-P7H9
Satzung Förderungsfonds Wissenschaft vom 25. Januar 2024, https://perma.cc/Y6UZ-UJPP
Wiese, Robert ; Lange, Marc (2024). Open Access und die VG Wort: Was es bei wissenschaftlichen Texten zu beachten gilt. In: iRights info, 11.09.2024, https://perma.cc/32MP-2BCR
VG Wort e. V. (ohne Datum). Allgemeines, https://perma.cc/X789-V6JZ
WV VG Wort (2024). Wahrnehmungsvertrag, https://perma.cc/2REX-2L3P
Gesetze
GG - Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, https://www.gesetze-im-internet.de/gg/
UrhG - Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz), https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/
Ellen Euler ist Professorin für Bibliothekswissenschaft – Open Access/Open Data an der FH Potsdam, https://www.fh-potsdam.de/hochschule-netzwerk/personen/ellen-euler.