Soziologie, so der Call for Paper für diese Ausgabe der LIBREAS. Library Ideas (Redaktion LIBREAS 2022), fragt danach, wie die Gesellschaft funktioniert, also zum Beispiel wie das Handeln unterschiedlicher Individuen dazu führt, dass Institutionen funktionieren oder gesellschaftliche Strukturen reproduziert werden. Von einem solchen Wissen können die betreffenden Institutionen profitieren, weil so zum Beispiel verständlicher wird, warum die Institution so genutzt wird, wie sie es jeweils wird oder auch, weil Zielsetzungen der Institutionen realistisch gesteckt werden können. Sicherlich ist dafür dann eine Transformation des Wissens notwendig: Aus dem in der Forschung produzierten Wissen darüber, wie gesellschaftliche Strukturen sich im Handeln einzelner Individuen niederschlagen, müssen von der jeweiligen Institution Schlüsse gezogen und dann umgesetzt werden, um wirksam zu werden. Diese Transformation ist nicht Thema des vorliegenden Textes. Vielmehr wird sich hier auf den ersten Aspekt fokussiert, nämlich dem Thema, wie die Nutzung einer Institution – die Öffentliche Bibliothek – funktioniert. Dabei wird hier auch nicht von einer durchgeführten Studie oder empirischen Daten berichtet – sondern von einem Schritt vor einer solchen Studie. Aus Beobachtungen über die Nutzung der Öffentlichen Bibliotheken wird ein konzeptionelles Modell über diese Nutzung erstellt. Dieses Modell kann dann in Zukunft forschend widerlegt, bestätigt oder auch angepasst werden.
Der Text versteht sich unter anderem als Test dafür, ob es möglich ist, Überlegungen zur Nutzung der Öffentlichen Bibliotheken in ein solches Modell zu fassen. Und gleichzeitig als Nachweis darüber, dass eine solche Systematisierung zu Wissen führen kann, welches für die Praxis Öffentlicher Bibliotheken Relevanz hat. Er ist in gewisser Weise auch als Aufruf an andere zu verstehen, sich solchen Systematisierungen zu widmen.
Aufgebaut ist der Text wie folgt: Im ersten Kapitel (1.) wird die These genannt und anschliessend (Kapitel 2.) Evidenzen dafür versammelt, welche diese These stützen. Daraufhin (Kapitel 3.) wird diskutiert, welche Konsequenzen sich für die Bibliothekspraxis ergeben könnten, wenn sich die These als richtig herausstellt. Dieses Kapitel hat hier die Aufgabe, zu zeigen, dass ein soziologisch orientiertes Nachdenken darüber, wie Bibliotheken funktionieren, nicht praxisfern wäre. Kapitel 4. wird dann ein konzeptionelles Modell präsentieren, welches die These und die vorhergehend diskutierten Evidenzen so strukturiert, dass sich daraus Vorhersagen ziehen lassen, welche empirisch überprüft werden können und damit die These entweder falsifizieren und stützen. Vor dem Fazit (Kapitel 6.) wird in Kapitel 5. noch ein potentielles Forschungsprogramm, welches sich auf das konzeptionelle Modell stützt, entworfen. Dieses soll am Beispiel der hier besprochenen These zeigen, wie eine soziologisch aufgebaute Forschung über Bibliotheken organisiert werden kann.
1. These von den zwei Gruppen
Die These, welche in diesem Text begründet werden und für die dann anschliessend überlegt werden soll, wie sie untersucht werden kann und welche Konsequenzen es für Öffentliche Bibliotheken hätte, wenn sie bestätigt würde, ist folgende:
In der Öffentlichen Bibliothek stellen die Nutzer*innen des Raumes der Bibliothek und die Nutzer*innen der Medien zwei unterschiedliche Gruppen dar. Die Interessen und Verhaltensweisen dieser zwei Gruppen unterscheiden sich, auch wenn sie nicht vollständig distinkt sind und Individuen über einen längeren Zeitraum hinweg gesehen zwischen diesen Gruppen wechseln können.
2. Evidenzen
Die genannte These steht – darum wird es gehen, wenn weiter unten die möglichen Konsequenzen diskutiert werden – dem entgegen, wie im Öffentlichen Bibliothekswesen und der dazugehörigen Literatur in den letzten Jahren reale und potentielle Veränderungen in der Nutzung von Bibliotheken diskutiert und wahrgenommen werden. Dort scheint es – zumindest im DACH-Raum – einen gewissen Konsens darüber zu geben, dass die Nutzung von Medien, insbesondere physischer Medien, an Bedeutung verliert, während die Nutzung des Raumes der Bibliotheken zunehmen würde. (Vergleiche zum Beispiel die Schwerpunkte der Ausgabe 01/2022 und 05/2022 der BuB: Forum Bibliothek und Information.) Diese oft geäusserten Vermutungen werden selten mit Daten unterlegt, aber oft in einer Weise berichtet, als ob klar wäre, dass diese postulierten Entwicklungen fraglos in einem engen Zusammenhang stehen würden. Die Nutzer*innen von Bibliotheken werden als eine zusammengehörige Gruppe verstanden, welche insgesamt ihr Verhalten und ihre Nutzungsweisen von Medien und Räumen ändern würde.
So sind dann beispielsweise auch Umfragen, die von Bibliotheken durchgeführt werden, oder partizipative Projekte, mit denen über die Weiterentwicklung von Bibliotheken entschieden werden sollen, aufgebaut. Immer wieder scheint es, als würde – obgleich ansonsten in der bibliothekarischen Literatur oft von unterschiedlichen Zielgruppen gesprochen wird – zumindest implizit davon ausgegangen, dass sich die Interessen von Nutzer*innen insgesamt verändern würden und als könnte man diese deshalb als eine zusammengehörige Gruppe beschreiben. Diese Überzeugung lässt sich implizit als These über die Nutzer*innen als zusammengehörige Gruppe beschreiben.
Aber ein genauerer Blick auf die – zugegeben wenigen – vorhandenen Daten über die tatsächliche Nutzung Öffentlichen Bibliotheken im DACH-Raum legt zumindest eine mögliche andere Deutung nahe, aus der die oben schon genannte These formuliert wurde.
In einer Studie aus der University of Nebraska-Lincoln, vor einigen Jahren publiziert, aber in ihrer Relevanz offenbar nicht so richtig erkannt, untersuchten Allison et al. (2019), wie sich die Einrichtung eines Learning Commons in der dortigen Universitätsbibliothek auf die Nutzung des Bestandes und Raumes auswirkt. Dabei referierten sie zuerst, dass sich in der Literatur zu Learning Commons und ähnlichen Umbauten von Wissenschaftlichen Bibliotheken immer wieder Aussagen finden, die den oben zu Öffentlichen Bibliotheken im DACH-Raum angeführten ähneln. In dieser Literatur wird angenommen, dass es grundsätzlich weniger Nutzung von Medien und dafür mehr Nutzung des Raumes von Bibliotheken gäbe und daraus oft geschlossen, dass Bibliotheken recht daran tun, auf diese Trends mit der Einrichtung von Lernzentren und dem Abbau von physischen Medienbeständen zu reagieren. Es gibt dazu, wie Allison et al. (2019) angeben, auch Beiträge, die sich kritisch äussern. Aber – und das ist der hier wichtige Punkt – fast alle diese Beiträge zum Thema kommen ohne Daten aus.
Was Allison et al. (2019) in ihrer Studie dann tun, ist, solche Daten nach der 2016 erfolgten Eröffnung der Learning Commons in Lincoln zusammenzustellen. Das methodische Vorgehen und die genauen, sicher auch von lokalen Bedingungen beeinflussten, Daten lassen sich im Artikel nachvollziehen. Relevant ist hier das grundsätzliche Ergebnis: Es zeigte sich kein Zusammenhang zwischen der Nutzung des Lernzentrums und der Bestände. Auf der einen Seite wurden die neu eingerichteten Lern- und Arbeitsplätze intensiv genutzt. Damit stieg auch die Zahl der gezählten Nutzer*innen. Aber gleichzeitig veränderte sich die Nutzung der Bestände praktisch nicht, obgleich sogar eine grosse Anzahl von Medien aus der Bibliothek entfernt wurden. Auch die Zahl der Fernleihen zeigte keine grosse Veränderung.
Allison et al. (2019) schliessen nun aus ihren Daten, dass zumindest in Lincoln zwei Gruppen von Nutzer*innen existieren: Diejenigen, welche durch die Eröffnung der Learning Commons zu einer häufigeren Nutzung der Bibliothek als Arbeitsort (oder zumindest als Aufenthaltsort, die konkrete Tätigkeit wurde nicht gemessen) gebracht werden. Und diejenigen, welche die Medien nutzen und sich dabei (zumindest im Zeitraum, für den Daten gesammelt wurden) nicht durch die Einrichtung der Learning Commons und den Abbau der physischen Bestände erkennbar beeinflussen lassen.
Sicherlich ist diese Studie von Allison et al. (2019) nicht einfach übertragbar. Sie bezieht sich auf eine Wissenschaftliche Bibliothek in den USA, nicht auf Öffentliche Bibliotheken im DACH-Raum. Zudem ist es genau eine Studie, bei der naturgemäss nicht einfach geklärt werden kann, welchen Einfluss die lokalen Gegebenheiten auf die Daten haben oder, umgekehrt, wie sehr diese Daten verallgemeinert werden können. Was die Studie trotzdem zeigt, ist, dass es sich lohnt, sich danach zu fragen, ob und, wenn ja, wie Veränderungen in der Nutzung des Raumes von Bibliotheken mit Veränderungen der Nutzung des Bestandes zusammenhängen. Grundsätzlich zeigte sie ja für die Bibliothek in Lincoln, dass die Entscheidung, einen Teil des physischen Bestandes aus dem Bibliotheksraum zu entfernen und ein Lernzentrum einzurichten, eine produktive Entscheidung war, die zu einer insgesamt höheren Bibliotheksnutzung führte, aber in einer anderen Weise, als man das auf Basis der bibliothekarischen Fachliteratur hätte erwarten können.
Eine weitere Evidenz dafür liefert ein aktueller Artikel von Lori Cisney (2023). In diesem wird – für Medizinbliotheken in den USA – von einer Studie berichtet, in der danach gefragt wurde, ob die Bibliothekar*innen, welche in den befragten Bibliotheken für die Veranstaltungen zur Informationskompetenz zuständig sind, und die Bibliothekar*innen, welche in den gleichen Bibliotheken Aufgaben im Bereich des Bestandsmanagements übernehmen, ihre Arbeit aufeinander abstimmen. Cisney (2023) zeigt, dass dies fast nicht passiert, sondern dass in der Praxis Veranstaltungs- und Beratungsarbeit auf der einen Seite und Bestandsmanagement auf der anderen Seite relativ losgelöst voneinander betrieben werden. Dies kann man als problematisch ansehen, wenn man davon ausgeht, dass die Arbeit einer Bibliothek möglichst eng koordiniert sein sollte, also in diesem Falle, dass im Bestandsmanagement darauf geachtet werden sollte, Medien zu erwerben, die mit dem übereinstimmen, was in den Veranstaltungen zu Informationskompetenz thematisiert wird. Eine alternative Deutung ist aber auch möglich: Eventuell zeigt sich hier eine Praxis, die sich im Alltag der Bibliotheken als sinnvoll und effizient etabliert hat, weil die beiden Bereiche – auf der einen Seite Veranstaltungen, auf der anderen der Bestand – sich an verschiedene Gruppen von Nutzer*innen richten, die unterschiedliche Erwartungen haben und in der Bibliothek auch unterschiedliche Dinge tun. Eine enge Koordination der Aufgabenbereiche in der Bibliothek würde dann Sinn machen, wenn es sich um die gleiche Gruppe von Nutzer*innen handeln würde, also wenn diese das, was sie in den Veranstaltungen zur Informationskompetenz lernen, auch bei der Nutzung der Medien verwenden würden. Aber wenn das nicht der Fall ist, dann kann eine Koordination in der Praxis auch eine unnötige, eventuell auch ineffiziente Arbeit darstellen.
Im DACH-Raum werden Bibliotheksstatistiken geführt, in denen ebenso Ausschau nach Evidenzen dafür gehalten werden kann, ob es Parallelen zu den von Allison et al. (2019) festgestellten unterschiedlichen Nutzungsgruppen gibt. Hierzu verwende ich Daten, die ich für eine andere Fragestellung schon einmal ausgewertet habe. (Schuldt 2022) Die Daten beziehen sich aufgrund der originalen Fragestellung auf Öffentliche Bibliotheken und stammen aus den Bibliotheksstatistiken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz für die Jahre 2018–2020. Sie stellen also nicht mehr die jeweils neusten Daten dar. Ich verwende sie trotzdem, da in Ihnen meiner Meinung nach schon bei der ersten Auswertung eine ähnliche Dynamik sichtbar wurde, wie sie Allison et al. (2019) gefunden haben.
Im Artikel, für den ich die Daten zuerst versammelt habe, wurde danach gefragt, ob die Covid-19 Pandemie einen krisenhaften Einfluss auf die Öffentlichen Bibliotheken im DACH-Raum hatte. Ausgangspunkt war eine Arbeit, die eine solche Krise für die Public Libraries in Grossbritannien zeigte. (McMenemy et al. 2023) Für den DACH-Raum liess sich eine solche Entwicklung nicht nachweisen. Vielmehr zeigten hier die Öffentlichen Bibliotheken relativ stabile Nutzungszahlen, zumindest über alle Bibliotheken hinweg gemessen, wenn auch mit nationalen Unterschieden. Als Beispiel sei folgende Tabelle (Tabelle 1) zu den aktiven Nutzer*innen (also denen, die im jeweils angegebenen Jahr mindestens ein Medium aus einer Bibliothek entliehen haben) angeführt. Praktisch die gleichen Entwicklungen zeigen sich auch bei der Medienausleihe.
Land | 2018 | 2019 | 2020 |
---|---|---|---|
Deutschland | 7.076.280 | 7.141.002 | 6.307.585 |
Österreich | 798.109 | 813.074 | 755.220 |
Schweiz | 890.919 | 835.941 | 897.591 |
Tabelle 1: Anzahl aktive Nutzer*innen, 2018–2020
Der Bereich, in dem sich diese Entwicklung nicht zeigt, ist die Zahl der aktiven Besuche. Hier, dargestellt in Tabelle 2, zeigt sich ein expliziter Einbruch der Zahlen, der wohl auf die Verhaltensänderungen von Menschen und die von den Behörden erlassenen Beschränkungen während der Frühphase der Covid-19 Pandemie zurückgeführt werden können.
Land | 2018 | 2019 | 2020 |
---|---|---|---|
Deutschland | 112.602.769 | 114.850.449 | 69.236.498 |
Österreich | 10.250.026 | 10.422.581 | 7.115.664 |
Schweiz | 9.890.886 | 10.324.575 | 8.071.941 |
Tabelle 2: Anzahl Besuche, 2018–2020
Eine Deutung dieser Zahlen wäre, sie grundsätzlich auf die Covid-19 Pandemie zurückzuführen: Menschen hätten einerseits mehr Zeit gehabt, Medien zu konsumieren und gleichzeitig weniger Möglichkeiten, Bibliotheken vor Ort zu nutzen.
Aber es ist auch eine alternative Deutung möglich, welche eher zur oben genannten These passt. Eventuell zeigen diese Zahlen die Verhaltensänderung verschiedener Gruppen, welche von der Pandemie und den Massnahmen gegen ihre Verbreitung erzwungen waren. In dieser alternativen Deutung zeigt sich in der einen bestandsbezogenen Gruppe, welche vor allem Medien aus Bibliotheken ausleiht (und dann wohl nutzt), dass sie dies auch 2020 stark taten und in der anderen ortsbezogenen Gruppe, dass sie 2020 die Bibliotheken weniger nutzten. Sicherlich: So wie in den Bibliotheksstatistiken Besuche gezählt werden (also als jeweils ein Eintritt in die Bibliothek, im Idealfall durch einen Zähler am Eingang festgehalten), finden sich in den Zahlen zu den Besuchen immer alle Personen, die die Bibliothek betreten, egal zu welchem Zweck und egal für wie lange. Also immer auch die, welche die Bibliothek nur zur Rückgabe und Ausleihe von Medien nutzen.1 Aber die Daten können dennoch dahingehend gedeutet werden, dass sie vor allem die geringe Nutzung durch die Gruppe von Personen, welche die Bibliothek vor allem als Ort nutzen, andeuten.
Ein letzter Punkt sei als zumindest schwache Evidenz noch angeführt: In Öffentlichen Bibliotheken gibt es seit Jahrzehnten Überlegungen, immer wieder neue Angebote einzuführen. Makerspaces, Debatten um den «Dritten Ort» oder die Bibliothek als «Zentrum des Dorfes» sind da nur die letzten in einer langen Reihe von jeweils neuen Angeboten. Insbesondere am Anfang der jeweiligen Zyklen, wenn diese Angebote tatsächlich für das Bibliothekswesen noch recht neu sind, gibt es wohl immer wieder die Hoffnung, mit diesen auch die Nutzung «traditioneller Angebote» – womit zumeist die Ausleihe physischer Medien gemeint ist – zu erhöhen. Nachdem die Angebote dann relativ normal geworden sind, werden diese kaum noch mit diesen «traditionellen Angeboten» in Verbindung gebracht. Dafür kann es verschiedene Gründe geben, aber es drängt sich die Vermutung auf, dass dieser erhoffte Zusammenhang einfach in der Realität kaum zu beobachten ist.2 Eine mögliche Erklärung dafür wäre, dass es sich wieder nicht um eine Gruppe von Nutzer*innen handelt, sondern dass die Personen, welche von den jeweils «neuen Angeboten» angesprochen werden, eine andere Gruppe darstellen, als die, welche physische Medien entleihen – und zwar immer wieder so distinkt, dass es auch nach der Etablierung der jeweiligen neuen Angebote nicht zu nennenswerten Überschneidungen kommt. Ob das so ist, liesse sich selbstverständlich nur klären, wenn man dies explizit untersucht. Aber solche Untersuchungen scheint es praktisch nicht zu geben. Sie müssten erst geplant werden und dazu auch einem konzeptionellen Modell folgen – wie dem, welches im vorliegenden Artikel erst skizziert werden soll.
Es geht also auch um einen gewissen Zirkelschluss: Die notwendigen Untersuchungen, um die oben genannte These zu testen, existieren nicht, weil die These selbst nicht verbreitet ist. Dabei hätte die These, wenn sie bestätigt würde, möglicherweise eine Anzahl von Konsequenzen für die Bibliothekspraxis. Um diese soll es im nächsten Kapitel gehen, bevor dann im darauffolgenden endlich das angedeutete Modell für potentielle Untersuchungen der These erstellt wird.
3. Mögliche Konsequenzen
Die oben aufgestellte These hätte, wenn sie sich als korrekt herausstellen würde, einige Konsequenzen für die Arbeit und strategische Planung von Öffentlichen Bibliotheken. Selbstverständlich müssten diese Konsequenzen von den Bibliotheken und deren Leitungen selbst gezogen werden. Untersuchungen können für solche Entscheidungen immer nur Daten und Argumente liefern. Aber – und deshalb soll hier einmal genauer darauf eingegangen werden – die hier präsentierte These ist ein gutes Beispiel dafür, welche Auswirkungen soziologisch orientiertes Denken auf die Bibliothekspraxis haben könnte.
Grundsätzlich würde es bedeuten, dass bei strategischen Planungen andere Schwerpunkte gesetzt werden sollten. Bisherige Bibliotheksstrategien fokussieren oft darauf, was an Bibliotheken und deren Angeboten verändert werden sollte.3 Im Mittelpunkt stehen wohl oft Neuentwicklungen, Um- und Neubauten oder neue Aufgaben für das Bibliothekspersonal, die vor allem darauf zielen, neue Angebote – zumindest für die konkrete Bibliothek – aufzubauen. Seltener geht es um eine andere, effektivere Gestaltung der schon getätigten Arbeit, aber auch dann zumeist mit dem Ziel, neue Angebote zu ermöglichen. Die meisten dieser neuen Angebote zielen nun darauf ab, neue oder erweiterte Nutzungen des Bibliotheksraumes zu ermöglichen, ob mit Makerspaces, Bibliothekscafés, Urban Gardens, Lernzentren oder auch erweiterten Öffnungszeiten. Falls sich die These von den zwei Gruppen als korrekt herausstellt, würde damit aber nur eine Gruppe angesprochen und die zweite Gruppe mehr oder minder übersehen.
Sollte sich tatsächlich zeigen, dass zwei Gruppen – eine bestandsbezogene und eine raumbezogene – Öffentliche Bibliotheken stark nutzen, dann würde das die Bedeutung des Bestandsmanagements verändern gegenüber dem Nachdenken über neue Angebote von Bibliotheken und der Ausgestaltung des Bibliotheksraumes. Ein kursorischer Blick in die Fachliteratur, welche auf das Öffentliche Bibliothekswesen zielt – also vor allem die BuB: Forum Bibliothek und Information, die Büchereiperspektiven und die bibliosuisse info, die Zeitschriften der Börromäusverbände und des Evangelischen Literaturportals, aber auch die Publikationen und Fortbildungsprogramme von verschiedenen Fachstellen –, zeigt heute, dass die eigentliche Arbeit mit dem Bestand – ausser in den Buchbesprechungen der konfessionell organisierten Büchereivereine – sehr selten thematisiert wird. Grundsätzlich sollte aber, wenn sich die These als richtig herausstellt, nicht nur über Angebote für die Gruppe der «raumbezogenen» Nutzer*innen, sondern auch der «bestandsbezogenen» nachgedacht werden.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist das Öffentliche Bibliothekswesen unter anderem damit beschäftigt, die unterschiedlichen Öffentlichen Bibliotheken zu differenzieren, in Gruppen einzuteilen und über die mögliche Zusammenarbeit unterschiedlicher Öffentlicher Bibliotheken nachzudenken. Die angedachten und auch umgesetzten Lösungen dazu waren im Laufe der Zeit sehr unterschiedlich – beginnend bei der Akzeptanz von Unterschieden über die eher lose Verkoppelung von Bibliotheken, insbesondere durch die übergreifende Beratung von Fachstellen, bis hin zu streng zentralistischen Lösungen in gegliederten Netzwerken. Aber was sich immer wieder zeigte, war, dass Bibliotheken unterschiedlicher Grösse unterschiedliche Angebote machen und dass die Grösse von Bibliotheken in gewisser Weise von der Grösse der jeweiligen Gemeinden abhängt. Tendenziell haben grössere Gemeinden auch grössere Bibliotheken (oder in einigen Fällen grössere Bibliotheksnetze inklusive Zentralbibliotheken) und gleichzeitig haben grössere Bibliotheken ein breiteres Angebot. Gerade letzteres ist relevant, weil sich in der Praxis oft die Frage stellt – und auch vor Ort in kleinerer Gemeinden dazu Vermutungen angestellt werden –, dass sich der Aufwand an Ressourcen und Zeit für bestimmte Angebote nur in bestimmten, grösseren Bibliotheken «lohnen» würde. Wenn sich die These von den zwei Gruppen bestätigen würde, dann könnte dies einen weiteren Faktor hinzufügen, um diesen Unterschied zu erklären. Eventuell ist die zweite, raumbezogene Gruppe an Nutzer*innen kleiner als die erste, bestandsbezogene, und es bedarf erst einer gewissen Gemeindegrösse, damit sich unter den Bewohner*innen der jeweiligen Gemeinde auch genügend potentielle Mitglieder dieser zweiten Gruppe finden, damit von der jeweiligen Bibliothek zum Beispiel ein Makerspace oder ein Urban Garden erfolgreich und kontinuierlich betrieben werden kann. Eine solche Frage lässt sich stellen, wenn das Vorhandensein von zwei Gruppen akzeptiert wird und nicht implizit den jetzigen Nutzer*innen unterstellt wird, sie hätten gesamthaft Interesse an raumbezogenen Angeboten.
Grundsätzlich liesse sich der Einsatz von Ressourcen und Personal, inklusive der Weiterentwicklung von Personal, besser planen, wenn klar wäre, ob es die beiden Gruppen aus der These gibt, wie sich deren Interessen verteilen und wie gross ihre Anteile sind. Es gibt Hinweise darauf, dass dies in der Praxis implizit auch schon teilweise gemacht wird. Der Einsatz von Medienpädagogik*innen in deutschen Bibliotheken, deren Aufgaben sich grob – in der Unterteilung, wie sie in der These gemacht wird – den raumbezogenen Angeboten zuordnen lassen, während Bibliothekar*innen in den betreffenden Bibliotheken eher die bestandsbezogenen Aufgaben wahrnehmen, liesse sich so erklären. Würde sich bestätigen, dass es sich um Aufgaben für zwei unterschiedliche Gruppen von Nutzer*innen handelt, dann müsste so ein Personaleinsatz nicht negativ gesehen werden, sondern könnte aktiver gesteuert werden.
Zuletzt liesse sich auch die Bewertung der Arbeit von Bibliotheken fairer durchführen. Bislang wird diese – egal, ob sie anhand von Kennzahlen und Bibliotheksstatistiken durchgeführt wird oder verbal mit der Darstellung der Arbeit, beispielsweise in Jahresberichten – implizit unter der Prämisse vorgenommen, dass es sich bei den (potentiellen) Nutzer*innen von Bibliotheken um eine Gruppe handeln würde, deren Interesse an bestands- und raumbezogener Nutzung ungefähr gleich verteilt wäre. Sicherlich werden heute Unterteilungen der Nutzer*innenschaft anhand von Alter und – abnehmend – Geschlecht gemacht (und ohne Frage gab es während des 20. Jahrhunderts noch weit mehr Kriterien, nach denen die Nutzer*innenschaft unterteilt wurde, beispielsweise dem sozialen Stand). Was allerdings bei all diesen Differenzierungen beibehalten wird, ist die Vermutung, dass es keinen statistischen Unterschied innerhalb dieser Gruppen mit Bezug darauf gibt, ob sie die Bibliothek eher wegen des Bestandes oder wegen des Raumes nutzen. Sollte sich aber zeigen, dass es die zwei postulierten Gruppen gibt, dann wäre es sinnvoll, diese nicht nur bei der Planung des Ressourceneinsatzes von Bibliotheken zu beachten, sondern auch bei der Bewertung.
4. Konzeptuelles Modell
Nach den vorausgegangenen Überlegungen wird in diesem Kapitel ein (erstes) konzeptionelles Modell präsentiert, mithilfe dessen die aufgestellte These überprüft werden kann. In einem solchen Modell wird versucht, Elemente und Verbindungen, die sich aus einer These ergeben, so darzustellen, dass Ansätze sichtbar werden, welche untersucht werden können, um die jeweilige These widerlegen oder bestätigen zu können. Im Idealfall ergeben sich aus einem solchen Modell Vorhersagen über bestimmte Zusammenhänge oder Ergebnisse, die dann überprüft werden können.
Das hier vorgestellte konzeptionelle Modell fasst zusammen, was bislang über die beiden postulierten Gruppen gesagt wurde. Beide Gruppen haben einen anderen Fokus auf die Bibliothek. Die erste Gruppe – wobei dies nicht als hierarchische Wertung verstanden werden sollte – ist vor allem am Bestand interessiert, die zweite Gruppe am Raum. Dieser Fokus ist nicht exklusiv. Zu vermuten ist, dass die bestandsbezogene Gruppe auch explizit die Bibliothek nutzt, weil sie als Raum so aufgebaut ist, wie sie es ist. Und gleichzeitig, dass die raumbezogene Gruppe explizit einen Medienbestand erwartet – ansonsten könnte sie auch andere Räume nutzen, beispielsweise statt den Makerspaces in Bibliotheken solche Makerspaces, die von Vereinen oder als kommerzielles Angebot betrieben werden. Aus diesen unterschiedlichen Fokussen ergeben sich verschiedene Erwartungen an das Personal (auf der einen Seite das Management des Bestandes, auf der anderen Seite das Management des Raumes und weiterer Angebote) sowie unterschiedliche Informationsbedürfnisse (wieder, auf der einen Seite auf den Bestand bezogen, beispielsweise die Nachfrage nach Katalogen, und auf der anderen Seite auf den Raum und Angebote bezogen, beispielsweise auf Öffnungszeiten oder Veranstaltungstermine).
Aus diesen unterschiedlichen Interessen ergeben sich nun, theoretisch gefasst, auch zwei unterschiedliche Nutzungsweisen der Bibliotheken, welche die beiden Gruppen unterscheiden und welche empirisch (beispielsweise durch Umfragen oder strukturierte Beobachtungen) überprüft werden können. Die erste, bestandsbezogene, Gruppe hält sich in Bibliotheken wohl eher kurz, dafür aber vergleichsweise oft auf und weist eine hohe Frequenz an Medienausleihen aus. Anders gesagt: Diese Nutzer*innen kommen oft, um Medien auszuleihen und zurückzugeben, gehen dann aber auch schnell wieder. Die zweite, raumbezogene Gruppe, hält sich in der Bibliothek eher lange auf, für jeweils einige zusammenhängende Stunden. Dafür ist ihre Besuchsfrequenz wohl eher unregelmässig, da sich Gründe für die Nutzung der Bibliothek in dieser Art unregelmässig ergeben, beispielsweise bei Veranstaltungsreihen oder wenn von ihnen auf bestimmte Tests hin gelernt wird. Von diesen Nutzer*innen werden Medien auch selten und nicht regelmässig ausgeliehen. Diese Aussagen sind als Tendenzen zu verstehen – sicherlich lassen sich immer Fälle konstruieren, in denen einzelne Nutzer*innen anders handeln, beispielsweise über Jahre hinweg jeden dritten Tag in die Bibliothek kommen, um zu lernen, egal, ob Tests anstehen oder nicht. Oder aber solche, die die Medienausleihe jeweils mit einem Besuch im Bibliothekscafé verbinden. Doch im Durchschnitt sollten sich die genannten Unterschiede in der Nutzung zeigen.
5. Potentielle Forschungsfragen
Das präsentierte konzeptionelle Modell sowie die vorhergehende Diskussion impliziert eine Reihe von Forschungsfragen, die sowohl durch Forschende – also solche, die an Einrichtungen wie Hochschulen angestellt sind, aber zum Beispiel auch Studierende in ihren Abschlussarbeiten – als auch durch Personen aus der Bibliothekspraxis angegangen werden können. Grundsätzlich ist die Forschung für und über Bibliotheken im DACH-Raum so aufgestellt, dass sie grösstenteils nicht frei – im Sinne von ohne Finanzierungsdruck oder finanziert über Forschungsförderer – durchgeführt werden kann, sondern eigentlich fast nur, wenn sie von Bibliotheken finanziert oder im Rahmen der Ausbildung organisiert wird. Insoweit bietet sich eine, vielleicht auch lose – also nicht abgesprochene, aber über Publikationen von Ergebnissen von getrennten Studien miteinander verbundene –, Kooperation von Forschung und Praxis an.
Als erster Punkt stünde an, die Vorhersagen, welche im konzeptionellen Modell gemacht wurden, empirisch zu überprüfen und zwar nicht nur in einer Bibliothek – deren Ergebnisse ja immer durch die lokalen Umstände bedingt wären – sondern in möglichst vielen. Hierfür bieten sich Umfragen und Beobachtungen explizit an, in denen Aufenthaltsdauer und Mediennutzung von Personen in Öffentlichen Bibliotheken erhoben werden. Im Idealfall sollten verschieden grosse Bibliotheken, in verschiedenartigen – also vor allem unterschiedlich grossen – Gemeinden untersucht werden. Dies würde ermöglichen, nicht nur die Voraussagen zu überprüfen, sondern auch, die jeweiligen Ergebnisse zu vergleichen. Falls sich die beiden Gruppen tatsächlich «in den Daten zeigen», könnte man dann zum Beispiel fragen, ob sie sich in unterschiedlich grossen Bibliotheken in unterschiedlichem Masse zeigen oder ob bestimmte Angebotsformen wie Bibliothekscafés oder Makerspaces einen Unterschied zu machen scheinen. Hilfreich für einen solchen weitergehenden Vergleich wäre, wenn für diese empirische Überprüfung jeweils die gleichen Messinstrumente, also beispielsweise die gleiche Frage- oder Beobachtungsbögen, verwendet würden. Dies könnte erreicht werden, indem sie im Vorfeld zwischen verschiedenen Forschenden oder Bibliotheken abgestimmt oder aber, indem diese Instrumente offen publiziert und dann nachgenutzt werden.
Eine weiterführende Frage wäre die, ob Bibliothekar*innen diese unterschiedlichen Gruppen in ihrer täglichen Arbeit wahrnehmen und wenn ja, wie sie auf diese reagieren. Im Kapitel 2 wurde angeführt, dass es Hinweise darauf gibt, dass die Arbeit in Bibliotheken zum Teil schon so organisiert ist, als wenn dies der Fall wäre. Insoweit könnte unter Umständen schon weiterführendes Wissen aus der Praxis erhoben werden. Dies wäre wieder vor allem dann sinnvoll, wenn es in mehreren unterschiedlichen Bibliotheken getan wird.
Im Kapitel 3 wurde postuliert, dass das Vorhandensein der beiden Gruppen auch bedeuten würde, dass der Einsatz von Ressourcen in Bibliotheken und die Bewertung von Bibliotheksarbeit effektiver geplant werden könnte. Hilfreich wäre wohl, dies konkreter auszuarbeiten, damit die mögliche Bedeutung der These sichtbarer wird. Was genau würde sich ändern? Wie genau könnte der Einsatz von Personal, die Entwicklung von Angeboten oder die interne Verteilung von Aufgaben vorgenommen werden, wenn sich die Existenz der beiden Gruppen zeigen liesse?
Wie in der These angedeutet, ist ein «Wechsel» zwischen diesen Gruppen für Menschen möglich. Auch das könnte man untersuchen, beispielsweise indem man den Wandel der Bibliotheksnutzung während der «Bibliotheksbiographie» von Menschen betrachtet. Sinnvoll wäre dann zum Beispiel danach zu fragen, was einen solchen Wechsel bedingt. Ist es zum Beispiel so, dass Menschen in einem bestimmten Alter oder in einer bestimmten sozialen Situation – zu denken ist wohl daran, ob sie aktuell eine Bildungseinrichtung besuchen oder nicht – eher zu einer der beiden Nutzungsweisen tendieren? Oder ist es eine rein individuelle Entscheidung?
Weiterhin ist das konzeptionelle Modell, auch da es als Beispiel gedacht ist, noch relativ einfach. Es wird nur von zwei Gruppen ausgegangen. Aber es liesse sich wohl mit guten Gründen weiterführen. Man kann gut nach möglichen Differenzierungen innerhalb der beiden Gruppen fragen (unter anderem danach, ob Jugendliche der raumbezogenen Gruppe grundsätzlich anderes tun als junge Erwachsene oder Personen der gleichen Gruppe, die aber aufgrund ihres Alters ausserhalb der formalen Bildungssysteme stehen) und man kann fragen, ob es nicht noch weitere Gruppen gibt. Dies kann forschend aus zwei Richtungen angegangen werden. So liesse sich das Modell mit weiteren Überlegungen und Evidenzen theoretisch erweitern und differenzieren. Gleichzeitig liesse sich eine Erweiterung aber auch aus empirischen Daten herausarbeiten, falls diese erst einmal erhoben würden, um das Modell überhaupt – wie in diesem Kapitel unter Punkt eins erwähnt – zu überprüfen.
6. Fazit
In diesem Text wurde dargelegt, wie sich ein soziologisch orientiertes Denken, das danach fragt, wie Institutionen funktionieren, konkret auf die Öffentlichen Bibliotheken anwenden lässt. Das erarbeitete konzeptionelle Modell sollte dabei nicht nur als mögliches Beispiel verstanden werden, sondern als ernsthafter Beitrag dazu, die konkrete Arbeit von Bibliotheken zu verstehen.
Aber gleichzeitig ist der Text auch in der Hoffnung geschrieben, dass er in der bibliothekarischen Praxis und der auf Bibliotheken bezogenen Forschung in dem Sinne aufgegriffen wird, dass sich weitere solcher Gedanken gemacht werden. Es gab im Laufe der Bibliotheksgeschichte im DACH-Raum schon mindestens zweimal – in den 1920er und 1930er Jahren und dann noch einmal in den 1970er Jahren – Ansätze dazu, soziologisches Denken in das Bibliothekswesen zu integrieren. Beide sind gewissermassen «ausgelaufen» und wurden jeweils durch ein Denken über Bibliotheken ersetzt, das recht wenig mit empirischen Daten und theoretischer Modellierung der Bibliotheksnutzung arbeitet.4 Das hier dargestellte konzeptionelle Modell hat hoffentlich gezeigt, dass es weiterhin sinnvoll, möglich und auch vorteilhaft für die Planung der bibliothekarischen Arbeit sein kann – neben den intellektuell anregenden Herausforderungen, die sich stellen – soziologisch orientiert über Bibliotheken nachzudenken.
Literatur
Allison, Deeann ; DeFrain, Erica ; Hitt, Brianna D. ; Tyler, David C. (2019). Academic library as learning space and as collection: A learning commons’ effects on collections and related resources and services. In: The Journal of Academic Librarianship 45 (2019) 3: 305–314, https://doi.org/10.1016/j.acalib.2019.04.004
Cisney, Lori (2023). Active learning: a consideration in collection developement in health sciences libraries? In: Collection and Curation 42 (2023) 2: 41–45, https://doi.org/10.1108/CC-02-2022-0009
Kroski, Ellyssa (edit.) (2020). Ready-to-use Gaming Programs for Libraries. Chicago: ALA Editions, 2020
McMenemy, David ; Robinson, Elaine ; Ruthven, Ian (2022). The Impact of COVID-19 Lockdowns on Public Libraries in the UK: Findings from a National Study. In: Public Library Quarterly 42 (2023) 1, https://doi.org/10.1080/01616846.2022.2058860
Nicholson, Scott (2010). Everyone Plays at the Library: Creating Great Gaming Experineces fo All Ages. Medford: Information Today, 2010
Nicholson, Scott (2013). Introduction. In: Library Trends 61 (2013) 4: 751–754,
Redaktion LIBREAS (2022). CfP #43: Soziologie der Bibliothek. In: Weblog LIBREAS.Library Ideas, 18.11.2022, https://libreas.wordpress.com/2022/11/18/cfp-43-soziologie-der-bibliothek/
Schuldt, Karsten (2022). Waren Öffentliche Bibliotheken im DACH-Raum 2020 in einer Krise?: Ein Blick auf die Bibliotheksstatistiken. In: Informationspraxis 8 (2002) 1, https://doi.org/10.11588/ip.2022.1.89240
Aber selbstverständlich nicht die, welche nur die elektronischen Angebote von Bibliotheken nutzen. Wie die Auswertung der vorhandenen – allerdings für elektronische Medien nicht vollständigen – Daten zeigte, ist diese Nutzung aber weiterhin, wenn auch nicht unbedeutend, so doch nicht die Hauptnutzungsart von Öffentlichen Bibliotheken. Die Ausleihe physischer Medien ist weiterhin wichtiger.↩︎
Ein herausgegriffenes Beispiel dafür ist das Thema Spiele (sowohl Computer- und Konsolengames als auch Brettspiele) in Public Libraries. Anfang der 2010er Jahre wurde dieses Thema in den USA regelrecht kampagnenartig als mögliches Angebot beworben. Scott Nicholson – der damals das heute eingestellte «Library Game Lab» an der Syracuse University, New York betreute – schrieb zum Beispiel in der Einleitung zu seinem Buch «Everyone plays at the library» explizit ein Kapitel zu der Frage, «What Do Games Have to Do With Books?» (Nicholson 2010: 5–12), in welchem er den Zusammenhang von Spielen und Lesen benannte. In der drei Jahre später von ihm herausgegebenen Schwerpunktnummer der Zeitschrift Library Trends zu «The Impact of Gaming on Libraries» (Nicholson 2013) kommt diese Verbindung praktisch nicht mehr vor, obwohl sie bei dem Schwerpunkttitel eigentlich zu erwarten wäre. Heute, wo Spiele als Angebot von Public Libraries in den USA etabliert sind, kommen betreffende Handbücher (siehe zum Beispiel Kroski 2020) praktisch ohne Erwähnung der «traditionellen Angebote» aus.↩︎
Die meisten Bibliotheksstrategien werden nicht veröffentlicht, insoweit ist diese Aussage schwer empirisch zu bestätigen. Allerdings ist der Autor im Rahmen seiner Arbeit immer wieder in unterschiedlichen Rollen in Strategieprozessen von Bibliotheken verschiedener Grössen eingebunden und denkt deshalb, diese grobe Aussage machen zu können.↩︎
Es ist hier nicht der Ort, darüber nachzudenken, warum dies passiert ist. Aber eine Durchsicht der bibliothekarischen Zeitschriften aus dem DACH-Raum zeigt erstens sehr schnell, dass sich in den 1920er und 1930er Jahren (inklusive der ersten Jahre des Nationalsozialismus) und dann noch einmal in den 1970er Jahren in ihnen verstärkt soziologisch orientierte Arbeiten finden, die sich beispielsweise durch die Darstellung von empirischen Daten, Strukturdiagrammen und Modellen auszeichnen, welche gesellschaftliche Zusammenhänge darzustellen versuchen. Vergleichbare Texte finden sich in den anderen Jahrzehnten in der deutschsprachigen bibliothekarischen Fachliteratur, die seit 1900 erschien, fast nicht. Zu vermuten ist aber, dass die «Politisierung» der jeweiligen soziologischen Ansätze – in den 1930er Jahren hin zu rassistisch-völkischen Fragestellungen und in den 1970er Jahren zu Fragen, wie mit den gesellschaftlichen Antagonismen umgegangen werden kann – damit zu tun hat, dass diese Ansätze später nicht mehr aufgegriffen wurden. Es scheint aber, dass dies heute nicht mehr der Fall sein muss und deshalb wieder neu soziologisches Denken in das Bibliothekswesen integriert werden könnte.↩︎
Dr. Karsten Schuldt, Wissenschaftlicher Projektleiter am Schweizerischen Institut für Informationswissenschaft, FH Graubünden und Redakteur LIBREAS. Library Ideas.