Einleitung
Soziale Roboter stellen einen neuen Typ von Robotern dar, die in der Lage sind, mit Menschen zu kommunizieren oder zu interagieren. Immer mehr Organisationen setzen Roboter für Berufs- und Alltagssituationen ein. So werden sie beispielsweise als Concierge oder Infopoint in Hotels, Einkaufszentren, als Unterstützung bei der Aktivierung von älteren Personen oder als unterstützende*r Lehrer*in bei Schüler*innen oder als Instruktor*in bei Mitarbeitendenschulungen eingesetzt.
In der Bibliothek der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) Campus Brugg-Windisch ist seit Dezember 2019, in der FHNW Campus Muttenz Bibliothek seit September 2020 je ein Roboter des Modells Pepper (Version NAOqi 2.9) im Einsatz. Die Roboter sind Teil eines zweijährigen Entwicklungsprojekts in Zusammenarbeit mit dem FHNW Robo-Lab. Im FHNW Robo-Lab arbeiten mehrere Hochschulen der FHNW gemeinsam an der Frage, wie soziale Roboter nutzenstiftend in Schweizer Unternehmen eingesetzt werden können und testen dafür unterschiedliche Szenarien.
Das Team des Bibliotheksroboterprojekts, bestehend aus wissenschaftlichen Mitarbeitenden der Hochschule für Angewandte Psychologie und der Hochschule für Technik sowie der Bibliothek, arbeitet laufend an der Weiterentwicklung des Roboters. Während der Projektdauer von zwei Jahren werden an der Hochschule für Technik der FHNW in jedem Semester mehrere Projektarbeiten ausgeschrieben, um die Funktionen des Roboters in einem partizipativen Prozess zu erweitern. Zudem wird mit der Softwareentwicklungsfirma raumCode zusammengearbeitet. Die bestehenden Szenarien werden von Studierenden der Hochschule für Angewandte Psychologie evaluiert, um das Verbesserungspotential aufzuzeigen.
Der Roboter in der Bibliothek in Brugg-Windisch beantwortet häufige Fragen, beispielsweise «Wo finde ich die Zeitschriften in der Bibliothek?», «Wie recherchiere ich nach elektronischen Medien?» oder «Wie funktioniert die Abholung der reservierten Medien?». Weiter erklärt der Roboter die Registrierung für die Bibliotheksbenutzung und gibt Tipps zu Verpflegungsmöglichkeiten. Kurz vor der abendlichen Schliessung bittet der Roboter die Anwesenden, die Bibliothek zu verlassen – begleitet von Hinweisen zum Medienangebot, Fahrplan des Öffentichen Verkehrs und Wetter. Während der Corona-Pandemie wird der Roboter zudem eingesetzt, um die Benutzenden auf die Hygiene-Regeln hinzuweisen. In aktuell laufenden Projekten versuchen Studierende, die Navigation sowie die Sprachinteraktion zu optimieren, um weitere geplante Szenarien umzusetzen.
Die Interaktion mit dem Roboter kann über das Tablet, welches auf Brusthöhe des Roboters angebracht ist, oder über Spracheingabe vorgenommen werden. Anders als Sprachassistent*innen wie Siri oder Alexa reagiert der Roboter bei der Spracheingabe nur auf vorgegebene Begriffe und die Spracherkennung bietet Optimierungspotential. Trotz der technischen Limitationen ist es das Ziel, die Interaktion mit dem Roboter so intuitiv wie möglich zu gestalten.
Der Roboter in der FHNW Campus Brugg-Windisch Bibliothek soll die Wahrnehmung der Bibliothek als zeitgemässen und attraktiven Ort fördern. Indem er häufige Fragen beantwortet, soll er einerseits die Bibliotheksmitarbeitenden von repetitiven oder – im Falle der Ankündigung der abendlichen Schliessung – unangenehmen Aufgaben entlasten, wodurch den Mitarbeitenden mehr Zeit für vertiefte Benutzendenanfragen zur Verfügung steht. Die Mitarbeitenden sollen durch den Roboter die Möglichkeiten und Grenzen ihres «Roboter-Kollegen» als Beispiel für den Einsatz moderner Technologien in einer Bibliothek erfahren. Andererseits sollen auch die Benutzenden einen Nutzen durch den Roboter erhalten, indem ihr Informationsbedarf auf spielerische Weise gedeckt wird. Der Roboter beantwortet dieselben Fragen immer wieder und bietet auch Benutzenden, welche den Kontakt zu Bibliotheksmitarbeitenden meiden (Stichwort: library anxiety), zumindest in einem beschränkten Mass die Möglichkeit, innerhalb der Bibliothek die notwendigen Informationen zu erhalten. Durch die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Hochschulen besuchen auch Studierende von Hochschulen, deren Medien hauptsächlich elektronisch zur Verfügung stehen, die Bibliothek. Dort werden sie auf weitere Angebote der Bibliothek aufmerksam. Die Studierenden und das Projektteam sammeln Erfahrung in der Entwicklung, Programmierung, Erforschung und Evaluation sozialer Roboter.
Die erarbeiteten Szenarien sollen also sowohl für die Mitarbeitenden als auch die Bibliotheksbenutzenden einen Mehrwert erbringen. Um nützliche Szenarien zu entwickeln, wird nach dem HCD-Prozess vorgegangen, der nachstehend vorgestellt wird.
Theoretischer Hintergrund
Die Akzeptanz von neuen Technologien
Neue Technologien von Smart-Home-Anwendungen über die Corona-Warn-App bis zu Robotern werden von Nutzenden nur verwendet, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Selbst eine zunehmende Durchdringung von Robotern erhöhe in der Gesellschaft nicht automatisch die Bereitschaft, mit ihnen zu interagieren (de Graaf, Ben Allouch & van Dijk, 2019).
Die Bedingungen, ob eine neue Technologie benutzt oder nicht benutzt wird, beschreiben Technologie-Akzeptanz-Modelle, die auf Basis des von Davis (1993) entwickelten TAM-Modells in verschiedenen weiterentwickelten Versionen existieren. Je nach Modell werden verschiedene Einflussfaktoren wie zum Beispiel soziale Normen, Alter, Geschlecht, Nutzungsfreiwilligkeit, bisherige Erfahrungen und Gewohnheit genannt. Alle Modelle beinhalten jedoch die Aussage, dass die wahrgenommene Nützlichkeit und die wahrgenommene Usability auf die Nutzungsabsicht einen Einfluss haben. Wenn also eine Bibliotheksbenutzerin den Roboter als nützlich ansieht und denkt, dass die Interaktion über eine hohe Usability verfügt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihn auch nutzen wird.
Usability & User Experience für einfach bedienbare Produkte mit gutem Erlebnis
Die Technologie-Akzeptanz-Modelle integrieren Konzepte aus verschiedenen Forschungsgebieten. Wie oben erwähnt, werden in den Modellen Nützlichkeit und Usability als zentrale Einflussfaktoren identifiziert. Usability, auf Deutsch Gebrauchstauglichkeit oder Benutzbarkeit, im Volksmund vielfach auch «Benutzerfreundlichkeit» genannt, bezeichnet das Ausmass, ob bestimmte Nutzende in einem bestimmten Kontext ein Produkt nutzen können, um ein Ziel effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen (DIN EN ISO 9241-210: 2010). Beispielsweise, ob ein Bibliotheksbenutzer, der eine bestimmte Information über die Bibliothek möchte, diese Information effektiv vom Roboter erhalten kann und dafür keine komplizierte und langwierige Bedienung nötig ist. Zufriedenstellend deutet hier schon auf das Erleben der Nutzenden während der Nutzung hin. Ein Begriff, der sich bei der Produktentwicklung etabliert hat, ist die User Experience, auf Deutsch auch Nutzungserlebnis genannt. Die User Experience beschreibt alle Eindrücke und Erlebnisse einer Person vor, während und nach der Nutzung eines Produktes oder einer Dienstleistung (DIN EN ISO 9241-210: 2010). Eine Bibliotheksnutzerin kann also, schon bevor sie mit dem Roboter interagiert, eine Einstellung zu einer Interaktion mit dem Roboter haben, die sich dann nach der Interaktion bestätigt oder verändert. Diese erwartete oder gemachte Erfahrung beeinflusst schliesslich auch die Bewertung von in der Technologie-Akzeptanz erwähnten Einflussfaktoren. Neben den in der Einleitung erwähnten Zielen von Imagebildung und Lernerfahrung für Mitarbeitende und Studierende, soll der Roboter für Bibliotheksbenutzende auch nützlich sein und sie bei gewissen Aufgaben unterstützen.
Der Menschenzentrierte Entwicklungsansatz – Human Centered Design (HCD)
Um nützliche und einfach bedien- respektive nutzbare Produkte und Dienstleistungen mit einer guten User Experience zu entwickeln, hat sich der Human Centered Design-Ansatz etabliert, der ebenfalls in der DIN-Norm DIN EN ISO 9241-210: 2010 beschrieben wird. Bei diesem Ansatz wird die menschliche Perspektive der aktuellen und künftigen Nutzenden und Stakeholder in allen Entwicklungsschritten einbezogen – von der Analyse der Nutzenden, deren Aufgaben und dem Nutzungskontext über die Konzeptualisierung bis zur Entwicklung und Evaluation des Produkts respektive der Dienstleistung. Die Entwicklung erfolgt zudem nicht linear entlang der einzelnen Prozessschritte, sondern iterativ. Dabei werden der Prozess (siehe Abbildung 3) oder einzelne Prozessphasen schrittweise wiederholt, um nützliche und bedienbare Produkte oder nutzbare Dienstleistungen zu erhalten.
In diesem Prozess werden, je nach Phase, verschiedene Methoden eingesetzt. So können zum Beispiel bei der User Research, der Nutzendenforschung, Feldbeobachtungen und Interviews oder bei der Evaluation sogenannte Usability-Tests durchgeführt werden. Bei Usability-Tests werden realistische Tätigkeiten von (potentiellen) Nutzenden des Produktes oder der Dienstleistung durchgeführt. Das Ziel ist dabei, Optimierungsmöglichkeiten herauszufinden oder das Produkt nach bestimmten Kriterien zu bewerten. Solche Kriterien können beispielsweise Usability-Kriterien wie Aufgabenangemessenheit oder Selbstbeschreibungsfähigkeit nach ISO-Normen (EN ISO 9241) sowie User-Experience-Kriterien wie unter anderem Spass, Stimulation, Ästhetik nach bestehenden Fragebögen oder aufgrund empirischer Forschung zu bestimmten Produkten sein. Je nach Produkt oder Dienstleistung und Zielstellung können aber auch weitere Kriterien herangezogen werden. So könnte dies zum Beispiel bei einem Milchaufschäumer für Restaurants die bakterielle Belastung oder bei Robotern die Akzeptanz von neuen Technologien sein.
Im Projekt ist vorgesehen, dass immer wieder mit Stakeholdern wie Bibliotheksmitarbeitenden und -benutzenden die Interaktion mit dem Roboter getestet wird, die Stakeholder dabei beobachtet und anschliessend bezüglich Optimierungsmöglichkeiten und weiteren Bedürfnissen befragt werden. Die Ergebnisse dieser Evaluationen fliessen immer wieder in die Weiterentwicklung der bestehenden und die Entwicklung von neuen Interaktionsszenarien ein, bis einzelne Szenarien als nützlich und einfach bedienbar beurteilt werden und ein positives Nutzungserlebnis auslösen.
Die (Weiter-)Entwicklung des sozialen Roboters in der FHNW
Fragestellung
Bei einem neuen Produkt oder einer neuen Dienstleistung findet nach dem oben genannten HCD-Prozess eine Analyse der Stakeholder statt. Dazu wurden bei der Weiterentwicklung des Roboters in der FHNW Bibliothek in einem ersten Schritt in mehreren Workshops zusammen mit den Mitarbeitenden drei Interaktionsszenarien entwickelt und prototypisch umgesetzt. Aus Zeit- und Ressourcengründen wurden hier Bibliotheksbenutzende noch nicht involviert. Die Mitarbeitenden der Bibliothek sind einerseits selbst Stakeholder und können andererseits auch als Expert*innen für die Anliegen, Fragen und Bedürfnisse der Bibliotheksbenutzenden gelten. Nach dem HCD-Prozess ist es aber unerlässlich, auch die effektiven Nutzenden in den Entwicklungsprozess einzubeziehen. Zum einen können die Bibliotheksbenutzenden Bedürfnisse haben, die den Mitarbeitenden nicht bewusst sind, und zum anderen können nur die Nutzenden für sich selbst beurteilen, ob der Roboter einfach benutzbar oder ob die Interaktion verständlich und nützlich ist. So mag beispielsweise der Begriff “Katalog” für die Bibliotheksmitarbeitenden völlig klar sein, Benutzende könnten den Begriff anders oder nicht verstehen. Deshalb wurde in einem zweiten Schritt eine Untersuchung mit Bibliotheksbenutzenden mit der Frage durchgeführt, wie die Interaktion mit dem Roboter von den Benutzenden akzeptiert wird, wie sie die Usability und User Experience einschätzen und wie die Akzeptanz, die Usability und die User Experience erhöht werden können.
Untersuchungsmethode
Um in einem menschzentrierten Gestaltungsprozess die subjektiven Sichtweisen auf den sozialen Roboter und sein Einsatzgebiet zu erlangen, wurde ein überwiegend qualitatives Vorgehen mit zwei Iterationsschleifen, sprich zwei Datenerhebungen, gewählt. Dabei wurden vor der zweiten Erhebung Anpassungen aufgrund der Erkenntnisse aus der ersten Erhebung vorgenommen.
Die jeweiligen Erhebungen erfolgten in Form eines Usability-Tests mit Benutzenden der Bibliothek. Den Teilnehmenden wurden dabei drei Aufgabenstellungen erläutert, welche sie durch eine Interaktion mit dem sozialen Roboter bearbeiten sollten. Es wurde dabei darauf geachtet, die Teilnehmenden möglichst autonom handeln zu lassen und nur bei expliziten Fragen weiterzuhelfen. Die Erhebungen erfolgten während der üblichen Öffnungszeiten, also in einem realitätsgerechten Setting mit weiteren anwesenden Personen und Bibliotheksbetrieb. In einem darauffolgenden, circa 15-minütigen Interview wurden den Teilnehmenden Fragen zur Usability, User Experience, sozialer Akzeptanz von Robotern und dem Nutzungskontext der Bibliothek gestellt. Sowohl Usability-Tests als auch Interviews wurden aufgezeichnet, um eine spätere Auswertung zu ermöglichen.
Als Grundlage für die Erhebungen wurde der Bewertungsrahmen «Usability, Soziale Akzeptanz, User Experience, Soziale Auswirkungen», kurz «USUS», (Weiss et al., 2011) verwendet. Dieser Bewertungsrahmen wurde in Anlehnung an ein bestimmtes Technologie-Akzeptanz-Modell (siehe oben) entwickelt und hat zum Ziel, soziale Roboter nutzbringend in die Arbeitsumgebung von Menschen einzubringen und Menschen davon zu überzeugen, den Prozess positiv zu unterstützen.
Während der Nutzung des Roboters spielt die Usability eine Rolle (siehe Abbildung 4). Sie wurde nach den im USUS definierten Kriterien wie Effektivität, Effizienz, Lernfähigkeit, Flexibilität, Robustheit und Nutzen bewertet. Die User Experience, welche die Einstellung von Personen vor und nach der eigentlichen Nutzung beschreibt, wurde unter anderem mit verschiedenen Kriterien wie Emotion und Gefühl der Sicherheit bewertet. Die soziale Akzeptanz wurde nach USUS mit Kriterien wie beispielsweise Leistungs- und Aufwandserwartung, Einstellung gegenüber Technologieeinsatz und Selbstwirksamkeit erhoben.
Stichprobe
Für die Usability-Testings wurden Personen, welche die Bibliothek besuchten oder zu einem früheren Zeitpunkt besucht hatten, ausgesucht. Während den Datenerhebungen wurden jeweils sieben Personen befragt, insgesamt also 14 Personen. Diese Anzahl an Testpersonen pro Erhebung wurde aus einem Aufwands-Ertrags-Aspekt gewählt. Mit fünf Personen können im Schnitt über 85 % der gesamten Usability-Probleme gefunden werden, mit zehn Personen im Schnitt bereits über 94 % (Faulkner, 2003, zitiert nach Sardonick & Brau, 2016, S. 174).
Ergebnisse der ersten Erhebung
Während der ersten Erhebung wurde festgestellt, dass die Usability unzureichend war, während die User Experience und die soziale Akzeptanz als gut eingeschätzt wurden.
Die Usability betreffend wurde beispielsweise deutlich, dass Rückmeldungen des Roboters fehlten, wenn dieser Sprachbefehle nicht verstand, es an Flexibilität mangelte in der Art und Weise, wie dem Roboter Fragen gestellt werden konnten, und wie dieser antwortete, dass Anzeige- und Sprechgeschwindigkeiten an einigen Stellen zu langsam und an anderen zu schnell waren, dass gewünschte Funktionen sowie einige Hinweise fehlten – zum Beispiel, dass man überhaupt mit dem Roboter sprechen kann.
Betreffend der User Experience fiel die Bewertung des Roboters besser aus. Seine Verkörperung wurde als positiv angesehen und der Roboter wurde als “süss” beschrieben. Durch seine Gestik wirkte er lebendiger. Als intelligent wurde er aber nicht wirklich wahrgenommen – besonders aufgrund der Fragen, die zwingend richtig formuliert gestellt werden müssen. Eine eigene Persönlichkeit wurde, wenn überhaupt, nur ansatzweise wahrgenommen, und zwar ausgelöst durch das “Blinzeln” des Roboters (LED-Blinken in den Augen) oder durch das Fixieren des Blickkontaktes und Nachblicken durch den Roboter. Obwohl ein weiterer Einsatz durch die befragten Personen in Betracht gezogen wird, unterscheidet sich die Interaktion mit dem Roboter ganz klar von einer menschlichen Interaktion – jedoch auch ein bisschen von einer Interaktion mit einem Tablet oder PC.
Die soziale Akzeptanz wurde ebenfalls besser bewertet als die Usability. Durch den Roboter erhalten die Benutzenden gesuchte Informationen schneller und gezielter, unter der Bedingung, dass technisch alles funktioniert. Selbstwirksamkeitserwartung (die Erwartung, dass man Handlungen aufgrund eigener Fähigkeiten erfolgreich selbst ausführen kann) – als auch Aufwandserwartung (die Erwartung, wie einfach etwas zu nutzen ist) fielen überwiegend positiv aus: Die Bedienung wurde dank der geringen auswählbaren Möglichkeiten und der guten Beschriftung als leicht zu erlernen und zu bedienen angegeben. Die befragten Personen waren dem Roboter gegenüber positiv eingestellt. Der grösste Faktor besteht im Spass, den der Roboter bereitet. Die neue Technologie mache die Bibliothek dadurch interessanter. Negativ wurde der fehlende Mehrwert des Roboters einem Sprachassistenten oder Tablet gegenüber bemerkt. Eine Bindung wurde nur von einer Person aufgebaut, eine zweite Person verspürte Ansätze einer Bindung. Einige Personen sprachen zwar von keiner Bindung zum Roboter, bemerkten aber, dass Unterschiede zu anderen technischen Gegenständen bestehen. Zitat: «Eine Bindung nicht, aber es ist schon anders als z. B. nur der Bildschirm, der nebendran steht. Habe schon das Gefühl, dass er mir wirklich zuhört.»
Änderungen nach der ersten Erhebung
Anhand der erhobenen Daten und Hinweisen aus Theorie und Literatur wurden Änderungen am Roboter vorgeschlagen, welche Usability, User Experience und soziale Akzeptanz verbessern sollten. Die technisch umsetzbaren Vorschläge wurden umgehend angegangen. Folgende Auflistung zeigt eine Auswahl an Änderungsempfehlungen:
- Der Interaktionsstart soll durch den Roboter erfolgen. Dadurch sinkt die Hemmschwelle, eine Interaktion mit dem Roboter einzugehen.
- Da oft nicht klar war, dass mit dem Roboter gesprochen werden kann, soll der Roboter zur Sprachsteuerung auffordern und anleiten.
- Der Roboter soll Fehler anzeigen, beispielsweise wenn er etwas nicht versteht oder der Befehl nicht existiert.
- Flexiblere Eingaben beziehungsweise mögliche Fragen, die dem Roboter gestellt werden können.
- Diversere beziehungsweise alternative Antworten durch den Roboter.
- Passende Gestik und Emotion zur Sprache verwenden. Nichts, was bedrohlich oder hastig wirkt.
- Ausblenden von Steuerelementen auf dem Tablet, wenn diese nicht bedienbar sind.
- Anzeigedauer von Grafiken anpassen, vor allem wenn eine Anleitung aus mehreren Schritten besteht.
- Gestaltung von Grafiken und Anzeigen auf dem Tablet nach psychologischen Gestaltungsmerkmalen (viele Substantive, kein Passiv, Lesegang beachten et cetera).
Ergebnisse der zweiten Erhebung
In der zweiten Erhebung wurden alle Punkte besser bewertet als in der ersten, insbesondere in Bezug auf die Usability, welche als zufriedenstellend eingeschätzt wurde. Die User Experience wurde als gut und die soziale Akzeptanz als sehr gut bewertet. Nachfolgend werden einige die Usability betreffende Punkte aus den Rückmeldungen dargelegt. Die Bedienung wurde als positiv empfunden, da sie einfach erlernbar ist und vom Roboter erklärt und mit Bildern auf dem Tablet beschrieben wird. Die Auswahl an Möglichkeiten sowie die Struktur wurden als hilfreich beschrieben. Als eher negativ wurde die künstliche Stimme genannt, welche teils schlecht verständlich war, und wiederum stellten die Benutzenden Fragen, welche in der Programmierung nicht vorgesehen waren. Ebenfalls wurde ein individuelleres Eingehen durch den Roboter auf die Person gewünscht und die Anzeigen auf dem Tablet des Roboters wechselten an einigen Stellen zu schnell.
Betreffend der User Experience wurden ähnliche Punkte rückgemeldet wie in der ersten Erhebung. Eine spannende Rückmeldung diesbezüglich ist, dass der Roboter nicht als Teil des Personals angesehen wurde, sondern als Hilfsmittel – trotzdem aber nicht als rein technisches Gerät. Durch die Interaktion über das Sprechen und Gestikulieren unterscheide er sich von, zum Beispiel, einem Ticketautomaten. Es sei gut, dass er verbal antwortet und eine Interaktion vorhanden ist, aber es sei kein sozialer Kontakt. Zudem fehle das Zwischenmenschliche und der Fokus der Interaktion falle zu stark auf das Tablet, statt auf das Gesicht des Roboters.
Auch zur sozialen Akzeptanz wurden zur ersten Erhebung ähnliche Aussagen getätigt. Eine spannende Ergänzung stellt hier die negative Einstellung einer Person gegenüber dem Technologieeinsatz dar, aber nur, falls dadurch ein Mensch ersetzt werde (was in diesem Projekt natürlich nicht der Fall ist).
Änderungen nach der zweiten Erhebung
Wiederum wurden anhand erhobener Daten und theoretischer Literatur Änderungen vorgenommen. Auch diese Vorschläge wurden, soweit technisch möglich, zeitnah geplant und umgesetzt. Folgende Auflistung zeigt einige der wichtigsten Änderungsempfehlungen:
- Die verwendeten Begriffe sollen kurz und verständlich sein. Dies gilt sowohl für Begriffe, welche der Roboter sagt, als auch für solche, welche auf dem Tablet des Roboters ersichtlich sind (zum Beispiel Bezeichnung der Auswahl-Buttons).
- Übersichtslisten sollten systematisch geordnet sein, das heisst alphabetisch oder nach Kategorien.
- Der Bildschirm des Tablets soll nicht mit Abbildungen und anderen Elementen überlastet werden.
- Farben für Markierungen (zum Beispiel auf Übersichtskarten) sollten in hohem Kontrast verwendet werden.
- Zwischenmenschliches wie Begrüssung, Verabschiedung oder auch Unerwartetes können integriert werden, um dem Roboter mehr Persönlichkeit zu suggerieren. Ähnlich wie die verwendeten Wörter des Roboters sollten sich auch seine Bewegungen und vorgespielten Emotionen nicht wiederholen. Der Fokus im Einsatz des Roboters soll vor allem auf Unterstützung bei Problemen oder Aufgaben in der Bibliothek liegen, nicht auf Unterhaltung oder Spass. Damit wird einer Nutzungsabnahme nach einer anfänglichen Begeisterung entgegengewirkt.
Als Folge der Untersuchung wurden mehrere studentische Projektarbeiten ausgeschrieben, welche sich mit der Stimmgestaltung, der Navigation des Roboters und der Integration eines Chatbots beschäftigen.
Schlussfolgerungen
Um den Einsatz des sozialen Roboters in der FHNW Campus Brugg-Windisch Bibliothek nützlich zu gestalten, wurde ein menschzentrierter Gestaltungsansatz gewählt. Durch die Zusammenarbeit mit den Bibliotheksmitarbeitenden konnten Szenarien definiert werden, welche sinnvoll in der Anwendung sind. Die Mitarbeitenden lassen die in den Szenarien definierten Tätigkeiten gern durch den Roboter erledigen. Weiter zeigte sich durch die Evaluation mit den Bibliotheksbenutzenden, dass beim Roboter aus Benutzendensicht Verbesserungspotential vorhanden ist. Aus den gewonnenen Erkenntnissen wurden Handlungsempfehlungen abgeleitet, von denen einige umgesetzt werden konnten. Für die zukünftige Entwicklung empfiehlt es sich, den menschzentrierten Gestaltungsansatz weiter zu verfolgen.
Einige Handlungsempfehlungen wurden bereits umgesetzt und die Interaktionen optimiert. Da die Bibliotheken der FHNW aufgrund der Corona-Pandemie für die Benutzenden wiederholt nicht oder nur eingeschränkt zugänglich waren, konnten noch kaum Erfahrungen mit den verbesserten Szenarien gesammelt werden. Der Roboter wird trotzdem laufend weiterentwickelt und soll den Bibliotheksnutzenden und -mitarbeitenden auch künftig Nutzen und nicht zuletzt auch Spass bereiten und die Neugier wecken.
Die Autorin und Autoren dieses Artikels bedanken sich herzlich bei der strategischen Initiative Robo-Lab unter der Leitung von Prof. Dr. Hartmut Schulze, dem Vizepräsidium Hochschulentwicklung unter der Leitung von Prof. Dr. Daniel Halter sowie bei Isabel Dahinden, Leiterin FHNW Bibliothek Brugg-Windisch, Charlotte Frauchiger, Leiterin Team E-Medien FHNW Bibliothek Brugg-Windisch, und Markus Recher, technischer Verantwortlicher im Projekt soziale Roboter in den FHNW Bibliotheken.
Literaturverzeichnis
Davis, F. D. (1993). User acceptance of information technology: System characteristics, user perception and behavioral impact. International Journal of Man-Machine Studies, 38(3), 475–487. https://doi.org/10.1006/imms.1993.1022
de Graaf, M. M. A., Ben Allouch, S. & van Dijk, J. A. G. M. (2019). Why Would I Use This in My Home? A Model of Domestic Social Robot Acceptance. Human–Computer Interaction, 34(2), 115–173. https://doi.org/10.1080/07370024.2017.1312406
Deutsches Institut für Normung e.V. EN ISO 9241-210:2010 (DIN EN ISO 9241-210) (2010). Ergonomie der Mensch-System-Interaktion - Teil 210: Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher interaktiver Systeme (ISO 9241-210:2010). Berlin: Beuth Verlag GmbH.
Sarodnick, F. & Brau, H. (2016). Methoden der Usability Evaluation. Wissenschaftliche Grundlagen und praktische Anwendung (3., unveränderte Auflage.). Bern: Hogrefe Verlag.
Weiss, A., Bernhaupt, R., Tscheligi, M. & Yoshida, E. (2009). Addressing User Experience and Societal Impact in a User Study with a Humanoid Robot (Adaptive and Emergent Behaviour and Complex Systems - Proceedings of the 23rd Convention of the Society for the Study of Artificial Intelligence and Simulation of Behaviour, AISB 2009), 150–157.
Andreas Urech, BSc. Angew. Psych., arbeitet neben dem Master-Studium in Angewandter Psychologie als wissenschaftlicher Assistent an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Olten, wo er sich unter anderem mit sozialen Robotern und Human Centered Design beschäftigt. (Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW, Institut für Kooperationsforschung und -entwicklung, Riggenbachstrasse 16, CH-4600 Olten)
Marisa Eberle, M.A., hat nach dem Studium der Slavischen Sprach- und Literaturwissenschaft den MAS in Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der Universität Zürich absolviert. Sie arbeitet in der FHNW Bibliothek Brugg-Windisch in den Bereichen E-Medien und Informationskompetenz und betreut unter anderem das Roboterprojekt. (Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, Campus Brugg-Windisch Bibliothek, Bahnhofstrasse 6, CH-5210 Windisch)
Roger Burkhard, MSc. Angew. Psych., arbeitet nach mehrjähriger Berufstätigkeit im Bereich der Marketingkommunikation und einem abgeschlossenem Master-Studium in Angewandter Psychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Olten als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Schwerpunkt Human Centered Design und User Experience. (Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW, Institut für Kooperationsforschung und -entwicklung, Riggenbachstrasse 16, CH-4600 Olten)