V. Geske: Wir sprechen heute über den Discord-Server DACH-Bibliothekswesen
und Sie sind drei der Admins, die diesen versorgen und pflegen. Wir möchten erst einmal mit einer allgemeinen Frage einsteigen: Was machen Sie und Ihre User auf diesem Server?
D. Brenn: Die Idee war, eine Plattform zum fachlichen Austausch für das Bibliothekswesen im DACH-Raum zu schaffen, und das ist im Grunde auch das, was wir auf dem Server machen. Das heißt, wir versuchen eine Diskussionskultur zu schaffen und eine Plattform zu bieten, auf der man sich zu fachlichen Fragen auf einem niedrigschwelligen Niveau austauschen kann.
H. Wiesenmüller: Auf dem Server gibt es verschiedene fachliche Kanäle. Je nach Interesse für bestimmte Themen kann man regelmäßig im jeweiligen Kanal nachschauen oder einstellen, dass man bei Aktivitäten eine Benachrichtigung bekommt. Der fachliche Austausch ist auch ein Instrument zum Community-Building: Es können auch mal Leute miteinander sprechen, die das sonst vielleicht nicht täten. Und ein Anlass, den Discord-Server zu erstellen, war natürlich die Pandemie-Situation, in der viele normale Bereiche zur Begegnung von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren über Institutionen hinweg weggefallen sind. Das war auch verbunden mit der Diskussion über virtuelle Konferenzen, die ganz unterschiedlich aufgezogen werden. Manche sind so wie Fernsehen und man sitzt passiv davor. Ein sehr gutes Gegenbeispiel war die SWIB-Konferenz im letzten Herbst, bei der ein ähnliches Tool wie Discord (Mattermost) parallel für Diskussionen genutzt wurde. Das war so der Ausgangspunkt, den Discord-Server aufzusetzen.
V. Geske: Also eine Plattform, die schriftliche und auch mündliche Kommunikation vereint?
D. Brenn: Das war auch ein wichtiger Faktor, auf jeden Fall.
B. Mattmann: Gewissermaßen die Fusion von Forum und Zoom. Ursprünglich hatten wir auch die Idee, dass man sich spontan in der Mittagspause oder bei Tagungen in der Pause treffen kann, um die Beiträge zu diskutieren.
D. Brenn: Es gab beispielsweise beim Bibliothekstag einen Punkt, an dem die Plattform abstürzte und wir uns kurzfristig in einem der Discord-Channels sammelten und warteten, bis alles wieder funktionierte.
H. Wiesenmüller: Wir haben auch Audiochannels, zum Beispiel einen, der Großraumbüro
heißt und so intendiert ist, dass man eintreten und arbeiten kann und sich dann vielleicht auch zwischendurch mit anderen unterhält – das wird aber nicht so häufig genutzt. Darüber hinaus gibt es den Direktchat (auch als Audio- oder Video-Chat). Also mag es viele Begegnungen geben, die wir nicht mitbekommen, weil sie nicht im öffentlichen Raum stattfinden.
D. Brenn: Und ich stelle, auch bei anderen Discord-Servern, auf denen ich unterwegs bin, fest, dass die meisten Leute eher still mitlesen oder nur mal reinlesen. Es ist auch normal, dass nicht die ganze Zeit Leute in Audiochannels hängen, sondern eher sporadisch oder seltener. Bei den Gamebrarians1 ist das auch ähnlich und beim DHall-Server2, den ich auch mit administriere, ist das exakt das Gleiche. Also das schätze ich nicht als ungewöhnlich ein.
V. Geske: Das hält mit Sicherheit die Kommunikation am Laufen, auch seitens der Mitglieder. Vielleicht fühlen sich stumme Leser*innen bei einem der Themen mehr angesprochen. Ist denn der Server neben Bibliotheks- und Informationswissenschaftler*innen auch für fachlich Außenstehende offen?
B. Mattmann: Der Fokus liegt natürlich auf Bibliotheken und Bibliotheksmitarbeiter*innen, wobei wir nicht zwischen wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken unterscheiden, oder Menschen, die einfach in diesem Sektor arbeiten. Der Server per se ist offen, das heißt wir geben den Einladungslink heraus. Teilweise sind auch schon Links unterwegs, die endlos gültig sind. Insofern können sich auch Interessierte dazugesellen.
H. Wiesenmüller: In einigen Fällen sind interessierte Menschen aus angrenzenden Bereichen mit auf dem Server, zum Beispiel eine Kollegin, die früher im Bibliotheksbereich beschäftigt war und nun im Museum tätig ist – da sind wir ganz offen. Studierende sind übrigens auch gerne gesehen. Inzwischen sind schon ziemlich viele aus verschiedenen Hochschulen mit dabei.
Y. Paulsen: Es gab im Februar sehr schnell sehr große Beitrittszahlen. Wie haben Sie diesen starken Zuspruch wahrgenommen. Haben Sie überhaupt damit gerechnet?
D. Brenn: Nach der Ankündigung über Inetbib ging es relativ flott, dass die Nutzungszahlen so anstiegen. Wir hatten den Server bereits ein oder zwei Wochen vorher, um im ganz kleinen Kreis zu testen und dann hat Heidrun es mit großem Trommelwirbel über Inetbib verbreitet. Wir haben auch ein Begrüßungsevent veranstaltet, bei dem etwa 80 Personen auf dem Server waren, die ihn ausprobiert haben. Gerechnet haben wir damit nicht unbedingt.
H. Wiesenmüller: Interessanterweise sind auch Leute gekommen, für die das wirklich ein Erstversuch war. Ich kann aus meiner eigenen Entwicklungsgeschichte sagen, dass ich Discord auch erst seit letztem Jahr kenne, weil wir es zur internen Kommunikation in meinem Studiengang unter den Professor*innen und Mitarbeitenden nutzen. Es gab viel Neugierde auf diese Art von Tool – Discord ist ja eines von verschiedenen dieser Art. Wir haben hier sicherlich auch ein bisschen Entwicklungshilfe bei Leuten höheren Alters geleistet.
B. Mattmann: Für diese Leute war der erste Abend eingeplant, an dem wir Vieles erklärt haben. Wir haben auch einen Channel eingerichtet, in dem wir die FAQ haben, etwa welche Einstellungen relevant sind. Aber die Beitritte kamen in den ersten Tagen schubweise. Heidrun, Daniel und ich haben es beispielsweise über Twitter angekündigt und dann etwas später über Inetbib, die Schweizer Mailingliste swiss-lib und ForumÖB geteilt. In Wellen traten mehrere Hundert Personen in kurzer Zeit bei und anschließend wurde der Server zusätzlich gezielt in Arbeitsgruppen verbreitet.
Y. Paulsen: Auch wenn diese hohen Beitrittszahlen nicht erwartet wurden, war es schon eine bewusste Entscheidung zu sagen Wir wollen jetzt nicht in diesem privaten Kreis bleiben, sondern es sollen mehr Leute zu uns kommen
?
B. Mattmann: Ja, der Ursprungskreis bestand wirklich nur aus ein paar Admins. Wir hatten aber von Beginn an diese große Vision und wir fanden uns zuerst nur in dieser kleinen Runde zusammen, um unsere Idee im Kleinen zu testen. Dazu zählte auch, die ganzen Einstellungen mit den Benachrichtigungen und Rechten zu prüfen, bevor wir den Server dann auf die große Masse losließen.
Y. Paulsen: Bibliotheksmenschen muss man nicht wirklich in den Austausch zwingen, da gibt es natürlich die Mailinglisten, aber auch eine sehr aktive Twitter-Community und man trifft sich regelmäßig auf Konferenzen. Was macht Discord aus, was man vorher nicht schon konnte, was jetzt der Anreiz für Leute ist, auf eine neue Plattform zu wechseln?
H. Wiesenmüller: Es ist schon auffällig, dass viele, die auf Twitter aktiv sind, jetzt auch aktiv auf Discord sind. Insofern sieht man vielleicht schon eine gewisse Affinität zu dieser Art von Kommunikation, wobei Twitter öffentlich ist. Der Discord-Server ist zwar auch offen, aber er ist trotzdem ein gewisser geschützter Raum. Es gab zu Beginn Fragen, ob wir da irgendetwas für die Ewigkeit speichern. Das haben wir verneint, Discord hat einen anderen Charakter. Es ist eben mehr eine Unterhaltung, man hört zu, schaltet sich ein. Da ist eine Mailingliste doch sehr viel sperriger.
D. Brenn: Und wir haben sozusagen den Vater der Inetbib-Mailingliste mit in unserem Adminkreis, den Michael Schaarwächter. Wir würden uns für die Zukunft wünschen, dass einige dieser Mailinglisten-Diskussionen stattdessen auf Discord stattfinden würden, weil man da eben doch anders diskutieren kann. Und wenn man feststellt, dass man sich im Text missversteht, kann man auf einen Voice-Channel ausweichen, um das ein bisschen präziser durchzusprechen.
H. Wiesenmüller: Es muss nichts anderes komplett ablösen, aber es kann sich gut ergänzen. Und um nochmal auf den Punkt Konferenzen zurückzukommen: Es wird ja gerade sehr viel darüber diskutiert, insbesondere was die Anteile von realer und virtueller Konferenz sein sollen. Für mich ist etwa besonders attraktiv, auch während einer realen Konferenz, nicht nur mit meiner Nebenfrau oder meinem Nebenmann oder wem ich zufällig begegne im Vortrag ein bisschen zu schwätzen, sondern auch gezielt jemanden kontaktieren und während eines Vortrags in einem geschützten Raum chatten zu können. Es gab öfter Konferenzsysteme, die das ermöglichen wollten, beispielsweise Konferenzapps, aber so richtig eingeschlagen sind die eigentlich nie. Und da könnte so eine Parallelität von realer und virtueller Begegnung schon ganz interessant sein – ein zusätzlicher Kanal, eine zusätzliche Dimension von Kommunikation und Begegnung.
D. Brenn: Ein Vorteil gegenüber solchen Konferenzapps ist auch, dass man im Idealfall auf dem Server bereits angemeldet ist. Wir hatten Fälle, bei denen auf Discord gefragt wurde, ob da gerade jemand im selben Panel ist oder ob sich jemand mit dem jeweiligen Thema beschäftigt, um Rückfragen zu stellen. Gerade der Bibtag hat gezeigt, wo die Vorteile liegen. Mir hat dieser Austausch auf dem Discord-Server und auf anderen Kanälen einen guten Teil dieses Konferenzfeelings gegeben, dass man mit Kolleg*innen auf der Konferenz unterwegs ist. Wohingegen man bei Videokonferenzen ohne kollegialen Austausch nur fernsehmäßig davor sitzt und konsumiert.
Y. Paulsen: Das ist auf jeden Fall ein sehr attraktives Gesamtsystem, was sich da anbietet. Denken Sie, dass sich eine Art Discord-Trend entwickelt? Herr Brenn hat zum Beispiel letzten Donnerstag auf dem Bibliothekartag den Digital-Humanities-Server vorgestellt. Wir haben jetzt nicht im Blick, wie das bei anderen Fachdisziplinen aussieht, ob sich da auch Discord-Server entwickeln, aber es könnten zum Beispiel einzelne Bibliotheken versuchen diese für ihre Communities zu nutzen. Gibt es da Potenzial?
H. Wiesenmüller: Man kann schon sagen, dass es einen gewissen Discord-Trend gibt. Es gibt die Gamebrarians, den großen Digital-Humanities-Server und jetzt auch unseren DACH-Server. Für uns war ein sehr großer amerikanischer bibliothekarischer Discord-Server vorbildgebend, beispielsweise bei der Frage der Woche
. Das haben wir von den amerikanischen Kolleg*innen übernommen: Sie posten einmal in der Woche eine Frage, wobei alle benachrichtigt werden und man die ganze Woche lang darüber diskutieren kann. Das empfanden wir als eine sehr gute Idee, dass die Menschen jede Woche etwas von uns hören und sie dazu eingeladen sind, sich unter anderem zum wöchentlichen Thema zu äußern.
D. Brenn: Da kommen wir zu einem Teil, bei dem uns Kritik für den Bibliothekswesen-Server entgegen gebracht wurde: Das ist ja datenschutzrechtlich alles hoch fragwürdig, warum könnt ihr das nicht Open-Source machen? Schon wieder so eine geschlossene Lösung!
Ich würde einer Bibliothek nicht empfehlen, das als offizielles Angebot zu nutzen, eben weil der Datenschutz da durchaus verbesserungswürdig ist. Und wir würden uns auch für den Bibliothekswesen-Server eine institutionelle gehostete Lösung wünschen, die einerseits Open-Source ist, aber andererseits diese Funktionalitäten mitbringt. Leider gibt es keine Open-Source-Lösung, die das out-of-the-box mitbringt.
B. Mattmann: Wir Admins haben mit Element
3 vor etwa zwei Monaten einen Testlauf gemacht, aber gemerkt, dass damit viele Funktionalitäten einfach wegfallen würden. Bezüglich des Trends ist es eine Mischung aus der Pandemie und dass sich viele Menschen virtuelle Ersatzwelten gesucht haben. Discord selbst ist in der Gaming-Community sehr verbreitet, aber auch in der Streaming-Community. Im Zuge der Pandemie sind sehr viele Twitch-Kanäle entstanden, die sich nicht nur mit Gaming beschäftigen, sondern mit vielen unterschiedlichen Themen. Mit diesen Communities ist meist ein Discord-Server für den Austausch verbunden und so verbreitet sich das Tool natürlich in sämtliche Kreise. Wenn man dann ein Community-Tool sucht, stützt man sich auf das Bekannte und da Discord so populär ist, wird es sich in vielen Bereichen durchsetzen und präsent sein. Wir selbst haben bei der Universitätsbibliothek Basel projektintern Discord als Kommunikationsmittel verwendet, im Austausch mit mehreren Partnern, die an einem Entwicklungsprojekt beteiligt waren. Weil wir einfach eine Lösung brauchten, die nicht mit einer Authentifizierungshürde versehen war, die wir für Externe lösen müssen. Solange man nicht sensible Informationen teilt, ist Discord als leicht und offen zugänglicher Dienst nützlich.
H. Wiesenmüller: Ich weiß nicht, ob dieser Server in fünf Jahren noch auf Discord laufen wird. Es gibt jetzt schon verschiedene Produkte, unter anderem Mattermost
als Open-Source-Lösung und Slack, was auch viele in der Businesswelt nutzen. Der Trend zu einer ungefähr so aussehenden Kommunikationsplattform ist meines Erachtens nicht zu stoppen und wird auch für diejenigen, die sowas im Moment noch nicht nutzen, in den nächsten Jahren zum Standard werden. Wie es genau aussehen wird, weiß ich nicht, aber diese grundsätzliche Art einer Plattform geht so schnell erstmal nicht weg. Sie wird eher noch an Bedeutung gewinnen.
D. Brenn: Ein Vorteil, den Discord außerdem im Vergleich zu einer Open-Source-Alternative hat: Wenn man einmal einen Discord-Account hat, kann man damit auf jeden beliebigen Discord-Server joinen. Mit Open Source ist das nicht so einfach hinzubekommen.
V. Geske: Wir werden also sehr wahrscheinlich eine ganze Weile mit Discord zu tun haben, wenn es mit dem Trend so weitergeht und jetzt interessiert uns natürlich auch, wie es hinter den Kulissen abläuft. Wie organisieren Sie sich als Admin-Team? Haben Sie bestimmte Aufgaben oder Aufgabenbereiche, die aufgeteilt sind oder steuert so jeder seins bei?
B. Mattmann: Wer sich zuerst regt, muss die Aufgabe übernehmen. (lacht)
H. Wiesenmüller: Das Geniale ist wirklich, dass es ein sich selbst organisierendes System ist. Wir haben einen gemeinsamen Bereich, das Admin-Sofa
, das ist unser geschlossener Kanal und wir haben eigentlich auch einen geschlossenen Voicechannel, den wir aber nie ernsthaft nutzen, und da passiert alles. Regelmäßig zu bearbeiten ist die Frage der Woche und da fragt immer irgendeine*r aus dem Admin-Team am Tag vorher, ob jemand eine Idee für die neue Frage der Woche hat. Wir sammeln natürlich auch schon einige Ideen in einem Dokument, aber es ist eigentlich nicht abgestimmt. Einmal fängt der Eine und einmal fängt die Andere an. Ähnlich ist es mit Wünschen nach neuen Kanälen. Wir haben einen eigenen Kanal Vorschläge und Wünsche
, wo dann manchmal etwas kommt und irgendjemand reagiert zuerst. Aber letztlich diskutieren wir in der Runde – wer dabei ist, diskutiert mit. Wenn sich mal jemand gerade ausgeklinkt hat für ein paar Tage, ist das auch nicht schlimm. Wir sind genügend, sodass immer jemand da ist, um zu reagieren, ohne dass wir genaue Zuständigkeiten verteilen müssten. Im Vergleich zu den vielen oft streng durchorganisierten Sachen, die man so im normalen Leben hat, finde ich das ausgesprochen angenehm.
B. Mattmann: Wir hatten zu Beginn etwa fünf Personen in der Administrationsrunde, mit denen wir nach der Pilotphase starteten. Als dann das Wachstum so stark war und die ÖBs im Zuge dessen mit verschiedenen neuen Wunschthemen sehr präsent wurden, haben wir auch festgestellt, dass wir eigentlich nur WB-Vertreter*innen sind. Daraufhin haben wir gezielt Personen, die aus dem ÖB-Umfeld kommen, gesucht und eingeladen, unsere Adminrunde zu vergrößern.
H. Wiesenmüller: Aber das Lustige ist, dass wir zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten kommunizieren. Heute hatten wir etwa um 6:30 Uhr schon die ersten Chatanfragen zu unserer Frage der Woche.
V. Geske: Wenn ich das richtig verstehe, ist das ein eher lockerer Workflow. Mit wie viel Aufwand müssen Sie denn ungefähr rechnen, schließlich leisten Sie das ehrenamtlich nebenbei?
B. Mattmann: 15 Stunden die Woche (scherzhaft). Nein. Auf dem Server sind knapp 1200 registrierte User, aber wie viele tatsächlich aktiv sind, kann man nicht genau sagen. Man kann in Discord Aktivitätsabfragen machen. Ich habe das mal getestet und die Hälfte der User war in den letzten 30 Tagen mindestens einmal auf dem Server aktiv. Anfangs gab es einen recht starken Peak, aus dem ganz viele Vorschläge zu Kanälen kamen und Fragen offen waren. Da hatten wir Einiges zu tun, diese Fragen zu beantworten und das Ganze in gute Bahnen zu lenken. Ich persönlich schaue mindestens einmal täglich durch all meine Discord-Server durch und gucke, was ansteht, bringe auch mal Anliegen ein. Für mich sind das 5-10 Minuten am Tag für den DACH-Server. Manchmal eine Stunde, je nachdem, ob eine Diskussion aufkommt.
H. Wiesenmüller: Ja, wobei wir sicher noch mehr tun könnten. Den Server am Laufen zu halten, nachdem es sich eingespielt hat, ist nicht sehr aufwändig. Am Anfang hatten wir die Idee, öfter mal eine Art Event zu veranstalten, zum Beispiel einen Stammtisch in einem Audiochannel. Das haben wir, abgesehen von dem Einstiegsevent, bisher noch nicht gemacht. Ich denke auch, dass es eine größere Gruppe gibt, die auf den Server gekommen ist, um nur mal zu gucken, die vielleicht ein bisschen überfordert war und mehr aktive Hilfestellung bräuchte. Da könnte man noch Zeit investieren und eventuell eine ausführlichere Anleitung schreiben oder eben im Voicechannel zu bestimmten Zeiten für Einführungen und Erklärungen zur Verfügung stehen.
D. Brenn: Ein regelmäßiges Beisammensein wie bei einem Stammtisch ist auf jeden Fall etwas, was in Zukunft auch kommen wird. Und bezüglich des Zeitaufwandes: Eine gute Community managt sich selbst. Ich habe bereits diverse Communities miterlebt und wenn nur einzelne Personen eine Community am Leben halten und vorwärts ziehen, weil sie immer wieder etwas posten, dann ergibt es irgendwann keinen Sinn mehr. Das trifft hier nicht zu, aber was ich damit meine: Wenn nur die Admins diejenigen sind, die da am Server ständig etwas anschieben, dann läuft etwas falsch. Ich denke, wir sollten aktiver Communitymeetings veranstalten, um eben auch diese Diskussionskultur mehr aufzubauen. Von der Sache her läuft es aber.
Y. Paulsen: Inzwischen gibt es ja auch einige permanente Zutrittlinks. Es könnte deswegen durchaus sein, dass Sie zum Beispiel Probleme mit irgendwelchen Trollen haben oder vielleicht auch Bots, die versuchen, sich auf den Server zu stehlen. Ist sowas schon vorgekommen?
D. Brenn: Auf diesem Server ist mir das erstaunlicherweise noch nicht aufgefallen. Auf DHall ist uns das tatsächlich passiert. Aus diesem Grund vergeben wir da keine permanenten Zugriffslinks, aber auf dem Bibliothekswesen-Server war bisher nichts – die Bibliothekswesen sind alle fantastisch.
H. Wiesenmüller: Was ich mir noch wünsche, ist, dass, wie in unserer Netiquette beschrieben, alle unter Klarnamen schreiben oder zumindest mit einem Vornamen, wenn man sich nicht wirklich outen will. Das klappt nicht hundertprozentig, aber wir haben es auch nicht forciert. Insgesamt bevorzugen wir es, wenn wir uns, ähnlich wie wenn man sich bei einer Konferenz begegnet, nicht anonym unterhalten.
B. Mattmann: Insbesondere, da Discord die Möglichkeit bietet, selbst wenn wir auf mehreren Servern unterwegs sind, je nach Server den Anzeigenamen anzupassen. Man kann in anderen Communities trotzdem anonym unterwegs sein, auch wenn man sich auf dem DACH-Server mit dem Vornamen sozusagen outet.
Y. Paulsen: Ich würde jetzt einen Blick in die Zukunft werfen. Der Discord-Server hat zum Beispiel seit April einen eigenen Twitter-Account, deswegen interessiert uns, wo Sie vielleicht noch mit dem Projekt hin möchten. Gibt es da irgendwelche Zukunftspläne oder Ziele, abgesehen von dem regelmäßigen Stammtisch, über den wir schon geredet haben?
D. Brenn: Der Twitter-Account sollte auch noch ein bisschen aktiver bespielt werden. Wir hatten da die Überlegung, die Frage der Woche und ein paar Antworten öfter zu teilen. Das haben wir, glaube ich, einmal gemacht.
H. Wiesenmüller: Ich würde unseren Server gar nicht als Projekt
bezeichnen. Er ist eine Graswurzelinitiative. Es war ein konkretes Bedürfnis da und es haben sich Leute gefunden, die das umgesetzt haben. Insbesondere Daniel Brenn, der die Sache einfach in die Hand genommen und den Discord-Server aufgesetzt hat und dann ein paar Leute ansprach, von denen er schon ahnte, dass diese Interesse haben würden. Ich denke, wenn wir akute Bedürfnisse haben, wird es sich in die entsprechende Richtung weiterentwickeln. Es ist aber nicht so, dass wir uns in regelmäßigen Admin-Treffen den Kopf zerbrechen würden, welche Ziele wir für die nächsten fünf Jahre haben.
B. Mattmann: Der Twitter-Account war eine spontane Maßnahme. Nicht aus PR-Gründen, sondern weil wir uns fragten, wie man am leichtesten zu uns auf den Server kommt. Im Zuge dessen haben wir kurz über eine Webseite oder Ähnliches nachgedacht, aber schließlich einen Twitter-Account, über den man sich melden und einen Link bekommen kann, beziehungsweise ein Posting auf Twitter mit einem Einladungslink als einfachste Variante empfunden. Das war die Initialzündung für den Twitter-Account, den wir anschließend noch etwas ausgebaut haben.
Y. Paulsen: Die Stärke liegt aus Ihrer Sicht also eher in der jetzigen Struktur des Servers und er soll nicht auf eine offiziellere Ebene gehoben werden?
H. Wiesenmüller: Es ist alles sehr, sehr spontan und das ist eigentlich auch das Schöne. Gerade weil es so anders ist als das, was wir aus unserem normalen Berufsalltag kennen, macht es uns auch so viel Spaß.
B. Mattmann: Das beste Beispiel ist der Bibliothekartag. Zwei Tage vorher hatten wir die Idee, dass wir die Parallelkanäle zur Verfügung hätten, um die Tagung zu begleiten. Wir haben nochmal über Twitter und so weiter erinnert und das einfach kurz vorher rausgehauen. Und ich denke, so funktioniert es im Moment wirklich am besten – auch mit den Personen, die Teil des Admin-Teams sind, weil wir doch sehr unterschiedliche Belastungen haben. Manche sind in der Lehre tätig, manche in Leitungsfunktionen, andere regulär angestellt. Auch unterscheiden sich die Arbeitsverhältnisse in Teilzeit, Vollzeit, Dienste an Wochenenden et cetera.
H. Wiesenmüller: Richtig. Und man sieht letztlich diesen Wahnsinnsvorteil von so einer Chatplattform – es geht eben blitzschnell. Ein wöchentliches oder 14-tägliches Meeting ist nicht nötig. Wenn jemand einen Gedanken hat, chattet er*sie das, und es reagiert immer irgendjemand. Nicht alle äußern ihre Meinung, was aber auch nicht sein muss, weil man eben auch mal offline ist. Zwei, drei Leute melden sich eigentlich immer und teilen sich mit, sei es per Daumen hoch oder sie geben einen Verbesserungsvorschlag. Aus diesem Grund können wir so fluide Entscheidungen treffen.
B. Mattmann: Genau, so werden unter anderem Ideen zur weiteren Entwicklung, mit der Frage, ob das ok ist, einfach mal in die Runde geworfen. Entweder fallen sie gerade auf fruchtbaren Boden und man diskutiert darüber oder man schaut sich das später noch einmal an, wenn man mehr Zeit und einen freien Kopf hat, um darüber zu sprechen.
V. Geske: Damit sind wir auch schon fast am Ende angelangt. Möchten Sie den Leser*innen noch etwas mitgeben, was nicht erwähnt wurde?
D. Brenn: Wenn Sie Interesse haben, die Türen stehen immer offen.
H. Wiesenmüller: Genau. An jene, die es noch nicht probiert und eine gewisse Scheu haben – es kann nichts passieren. Man kann einfach mal hereinschnuppern und wir helfen auch gerne weiter, wenn es anfangs Schwierigkeiten geben sollte.
B. Mattmann: Man muss auch nicht mit offiziellen Mails an uns herantreten, sondern kann jemandem von uns schreiben oder auf Twitter kontaktieren mit der Frage, ob sich jemand Zeit nehmen und eine Einführung geben könnte. Da sind wir ganz unkompliziert. Falls man sich vielleicht fürchtet, sich in die große Community zu begeben, können in der sicheren Umgebung von zwei Personen alle möglichen Anfänger*innenfragen gestellt werden. So kann man sich in Ruhe durch alles hindurchführen lassen.
D. Brenn: Eine Sache, die mir noch einfällt: Das ist natürlich sehr pathetisch und sehr beladen, aber: Ohne Kommunikation, ohne Vernetzung, nicht nur unter Bibliothekar*innen, kommt man am Ende nicht weit. Es hilft natürlich, Leute zu kennen, die was wissen. Es hilft aber auch, den Ort zu kennen, wo man Leute antrifft, die man fragen kann, die was wissen. Das ist im Grunde das, was wir mit dem Server erreichen wollten – einen Ort zur Vernetzung, zur Kommunikation bieten zu können. Auch unabhängig von dem Server kann ich die Wichtigkeit von Kommunikation nicht überbetonen.
V. Geske: Ein tolles Schlusswort. Wir danken Ihnen noch einmal herzlich für das Interview sowie für die Zeit, die Sie sich genommen haben und wünschen Ihnen weiterhin viel Freude und Erfolg.
Victoria Geske und Yannick Paulsen studieren am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin und haben für LIBREAS das folgende Interview mit drei Initiator*innen des Discord-Servers “DACH-Bibliothekswesen” geführt. Heidrun Wiesenmüller, Daniel Brenn und Beat Mattmann waren bei diesem Discord-Projekt von Beginn an dabei und sind Teil des vielköpfigen Adminteams.