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doi:10.18452/21540 (edoc HU Berlin)

Wozu Forschen für Öffentliche Bibliotheken?


Zitiervorschlag
Ulla Wimmer, "Wozu Forschen für Öffentliche Bibliotheken?". LIBREAS. Library Ideas, 37 ().


Wenn wir wüssten, was wir tun, würde man es nicht Forschung nennen.

(Albert Einstein zugeschrieben)

Einleitung

Der Titel dieses Beitrags enthält zwei verschiedene Fragen: Wozu? im Sinne von Warum forschen für Öffentliche Bibliotheken? – also nach Sinn, Zweck, Rolle und Aufgabe von Forschung. Die andere Frage hinter Wozu heißt: Worüber sollte für Öffentliche Bibliotheken geforscht werden? beziehungsweise: Worüber wird tatsächlich geforscht? Um diese beiden Fragen geht es in diesem Text.

In Teil 1 schaue ich mir das Warum? an, also was unter dem Begriff Forschung zu fassen ist: Wo und durch wen Forschung zu (Öffentlichen) Bibliotheken stattfindet, welche Probleme es bei der Forschung zu Öffentlichen Bibliotheken gibt und wie das Verhältnis von ForscherInnen zu PraktikerInnen zu beschreiben ist. Die Methode, die ich hierbei nutze, ist eine hermeneutische Interpretation von Texten,1 der bibliothekarischen Fachpresse, anekdotischer Evidenz und vereinzelten statistischen Daten.

In Teil 2 geht es um das Worüber. Dafür vergleiche ich zunächst historisch, welche Konzepte, Vorstellungen und Aussagen es an einigen kritischen Punkten im 20. und 21. Jahrhundert über Forschung beziehungsweise Wissenschaft für / zu / über Öffentliche(n) Bibliotheken gegeben hat. Als Basis dafür verwende ich Texte zu Wissenschaft und Öffentlichen Bibliotheken. In Bezug auf die aktuelle Forschung werfe ich zum Schluss einen Blick auf die wissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten der letzten zehn Jahre.

Die Fragestellung dieses Textes: Was soll und worin besteht Forschung für / zu / über Öffentliche(n) Bibliotheken? ist in erster Linie für die Öffentlichen Bibliotheken relevant. Denn nur, wenn echte, offene Fragen zu ihnen gestellt werden, kann neues Wissen über sie entstehen und können sie sich damit weiterentwickeln. Das Ziel meines Beitrags ist es aber auch, mehr Klarheit darüber zu bekommen, was Forschung für Öffentliche Bibliotheken bisher hieß, um dann informiert (bewusst) entscheiden zu können, ob es so bleiben soll oder ob wir (BibliothekarInnen und ForscherInnen) etwas daran ändern möchten.

Wie häufig bei Forschung spielen auch biographische Faktoren eine Rolle bei der Entstehung dieses Textes. Zu guter Forschungspraxis gehört es heute, diese Faktoren sichtbar zu machen. Zwei Aspekte wirken auf den vorliegenden Text:

1. Ein grundlegender persönlicher Bias für Öffentliche Bibliotheken: 1987 begann ich aus Überzeugung für Bibliotheken das Studium zur Diplom-Bibliothekarin an Öffentlichen Bibliotheken. Auch im 30. Berufsjahr2 im Bibliotheksfeld3 bin ich immer noch überzeugt davon, dass Öffentliche Bibliotheken eine gute Idee und tolle Einrichtungen sind. (Darf man mit Bias forschen? Siehe unten.)

2. Ein später Rollenwechsel: Nach gut 20 Jahren als Bibliothekarin und Dienstleisterin für Bibliotheken wechselte ich vor sieben Jahren vom Machen zum Forschen und Lehren.4 Durch diesen späten Rollenwechsel kann ich einerseits das Bibliotheksfeld und die Profession (= Bibliotheken und BibliothekarInnen), andererseits das Fach und die Disziplin (= den Hochschul-und Wissenschaftsbetrieb sowie die Bibliotheks- und InformationswissenschaftlerInnen) mit einer gewissen Außensicht betrachten. Durch ihn stellt sich aber auch ganz persönlich-unmittelbar die Frage, wie sich eigentlich Bibliotheksforschung und -praxis (beziehungsweise meine Rollen als Forscherin und als Bibliothekarin) zu einander verhalten. Und zwar ausgehend von der – für mich ausgesprochen überraschenden – Schlüsselerfahrung, dass es zwischen diesen beiden Rollen tatsächlich einen Unterschied gibt.

Teil 1: Warum Forschen für Öffentliche Bibliotheken?

Was ist eigentlich Forschung?

Der populäre Autor Yuval Harari sucht in seinem Buch Eine kurze Geschichte der Menschheit nach dem Grund, warum die moderne Wissenschaft die Welt seit dem 16. Jahrhundert so stark verändern konnte, wie es die vormoderne Wissenschaft in den 1000 Jahren vorher nicht annähernd vermochte. Die wissenschaftliche Revolution war keine Revolution des Wissens, sondern vor allem eine Revolution der Unwissenheit. Die große Entdeckung, mit der die wissenschaftliche Revolution losgetreten wurde, war die Erkenntnis, dass wir Menschen nicht im Besitz der Wahrheit sind, und dass wir auf die wichtigsten Fragen keine Antwort wissen. (Harari 2013: 306) Unsere Forschungsmethode geht daher davon aus, dass alles alte Wissen unzureichend ist. Statt vorhandene Bibliotheken auswendig zu lernen, legt die Wissenschaft daher den Schwerpunkt auf neue Beobachtungen und Experimente. (Harari 2013: 311)

Ausgangspunkt für tiefgreifende, wirkungsvolle Forschung ist nach Harari also das Eingeständnis, nichts zu wissen und die bestehenden Gewissheiten durch echte, also ergebnisoffene Fragen in Frage zu stellen. Diese Fragen werden dann nach einem durch die Wissenschaftscommunity approbierten Prozedere (einer Methodik) systematisch untersucht (zum Beispiel mittels Falsifizierung, Inferenzstatistik, historischer Quellenkritik, qualitativer Inhaltsanalyse, Behandlungs- und Kontrollgruppen).

Eines kann Forschung also auf keinen Fall sein: Festigen/Aggregieren des bestehenden Wissens und Selbstvergewisserung des eigenen Erfolgs. (Das ist ein Problem, denn dies sind die berechtigten Anliegen der Handelnden im Feld, der Bibliothekspraxis.) Mit dem Beantworten von Fragen und dem Aufstellen von Regeln (Theorien) soll nicht etwas geschafft werden, sondern neues Wissen über die Welt generiert werden – mit Hilfe dessen dann später hoffentlich Probleme besser gelöst werden können (aber das weiß man beim Forschen noch nicht). Prägendes Merkmal für eine forschende Haltung ist dabei die wissenschaftliche Distanz zum untersuchten Gegenstand, der quasi aus einer inneren Vogelperspektive heraus betrachtet wird. Entwicklung ist dagegen der Prozess, neue Technologien, Instrumente und Konzepte für ein konkretes Problem zu entwickeln. Forschung und Entwicklung bedeuten als Paar also: Offene Fragen stellen und sie beantworten, Probleme erkennen und theoretische Konzepte zu ihrer Lösung entwickeln.

Von dieser Definition gehe ich im Weiteren aus. Ich verwende außerdem die soziologischen Begriffe Profession, professionell, Handlungsfeld, Management für BibliothekarInnen und die Begriffe Disziplin, Akademie, Wissenschaftsfeld für ProfessorInnen und wissenschaftliche MitarbeiterInnen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

Welche Rolle hat Wissenschaft in einem Fachsystem? Wie verhalten sich Disziplin und Profession zu einander?

Zahlreiche SoziologInnen haben beschrieben, wie sich im Verlauf der Ausdifferenzierung der Gesellschaft seit dem 18. Jahrhundert die berufliche Arbeitsteilung und funktionale Differenzierung der Gesellschaft durchgesetzt hat. Dies betrifft auch die Arbeitsteilung zwischen Beobachten und Reflektieren über die Welt einerseits5 und dem Handeln in der Welt andererseits (Schütz 1971, zitiert nach Veit 2002: 48). Ersteres wurde in die Sphäre der Wissenschaft verlagert, letzteres in den Bereich des Managements. So bedauerlich man diese Trennung finden mag – sie ist realisiert und sie bedeutet, dass BibliothekswissenschaftlerInnen andere Aufgaben und Rollen haben als Bibliothekarinnen. Die einen werden fürs Managen bezahlt, die anderen fürs Fragen und Hinterfragen des derzeitigen Wissensstands. Das heißt nicht, dass BibliothekarInnen nicht reflektieren und dass WissenschaftlerInnen nicht praktisch arbeiten (siehe unten). Das heißt nur, dass beide unterschiedlich nachdenken und eine unterschiedliche Praxis haben, und dass die Prioritäten für beide anders gesetzt sind.

Die explizite Rolle des Forschens ist es also einerseits, eine Frage zu beantworten, etwas herauszufinden, und neue Theorien (Regeln, Konzepte) zu finden. Andererseits ist ihre Rolle die zugehörigen Handlungssphäre (der Bibliotheken und der BibliothekarInnen) zu beobachten, um ihre Eigenheiten sichtbar zu machen, blinde Flecken zu erkennen, Dinge bewusst zu machen, die man nicht erkennen kann, wenn man selbst mitten im Handeln, in der Bibliothekspraxis steckt. Die Rolle der Wissenschaft kann mit einem Spiegel verglichen werden, der es ihrem Untersuchungsgegenstand ermöglicht, sich selbst quasi von außen zu sehen (wie zum Beispiel auch bei Bourdieu, vergleiche Saalmann 2014: 33). Man kann dieses Bespiegeln als Luxus bezeichnen, wenn es dem Handlungsfeld (der Profession) selbst an Ressourcen mangelt. Es tangiert aber auch eine Frage des Selbstverständnisses einer Profession, ob sie glaubt, es nötig zu haben und wert zu sein, dass sich Menschen mit der Reflexion über sie beschäftigen und nicht mit dem Managen selbst. Ebenso kann sich die Bibliothekspraxis selbstverständlich die Praxis der Bibliothekswissenschaft von außen anschauen und kritisch spiegeln; nur eben nicht dafür, dass sie nicht beim Managen hilft oder Erfolgsrezepte gibt – denn das kommt ihr nicht zu.

Was macht Forschung zu Öffentlichen Bibliotheken so schwierig?

Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass Forschung zu Öffentlichen Bibliotheken methodisch schwierig ist – und zwar deutlich schwieriger als zu anderen Bibliotheksbereichen. Forscht man über Hochschulbibliotheken, hat man in Deutschland eine Grundgesamtheit von knapp 90 Universitätsbibliotheken und circa 280 Hochschulbibliotheken zu untersuchen.6 Das sind kommode Größenordnungen, die zum Beispiel eine systematische intellektuelle Recherche über die Grundgesamtheit durchaus möglich machen. Untersucht man Öffentliche Bibliotheken, hat man eine Grundgesamtheit von knapp 2.000 hauptamtlich geleiteten Systemen, die räumlich, organisatorisch und konzeptionell keine gemeinsam Struktur haben.7 Die schiere Menge und Diversität erschweren jede Befragung und Theoriebildung. Von den 6.000 neben- und ehrenamtlich geleiteten Öffentlichen Bibliotheken sprechen wir hier gar nicht erst.8

Noch komplexer ist das Erforschen der NutzerInnen der Öffentlichen Bibliotheken. Untersucht man die Nutzung von Hochschulbibliotheken, hat man es mit einer relativ homogenen Nutzerschaft zu tun: Überwiegend gebildete bis hochgebildete Menschen zwischen 20 und 60, die ein mehr oder weniger bekanntes, gerichtetes Interesse bei der Bibliotheksnutzung verfolgen und selber forschen, mithin auch dem eigenen Beforschtwerden grundsätzlich offen gegenüberstehen. Dem gegenüber besteht die Nutzerschaft von Öffentlichen Bibliotheken unter anderem aus: Krabbelkindern, Rechtsanwälten in Elternzeit, Teenager-Computergeeks, Omas, die ihrem Enkelkind auf Türkisch vorlesen wollen, Diplom-Ingenieuren, die gern angeln, funktionalen Analphabetinnen, syrischen Dachdeckern, Schülerinnen in der Abiturendphase, bildungsbeflissenen Rentnern. So unterschiedlich die demographischen Merkmale, so unterschiedlich sind auch die Nutzungsmotivationen und Nutzungsweisen. Und vor allem: Viele von diesen NutzerInnen wollen oder dürfen nicht einfach befragt, beobachtet, interviewt werden. Forschungsvorhaben zu Öffentlichen Bibliotheken kollidieren mit Wucht mit der gesamten Komplexität unserer Gesellschaft, und es ist kein Wunder, dass sich auch ambitionierte ForscherInnen eher dem Teil des Feldes zuwenden, in dem sie mit weniger Ressourcen leichter zu Ergebnissen kommen.

Der andere hemmende Faktor besteht darin, dass die Welt nicht gerade nach Forschung zu Öffentlichen Bibliotheken ruft. Als feldbezogene Forschung ist sie per se für die allgemeine Öffentlichkeit nur in Ausnahmefällen relevant. Die eigene Fachdisziplin richtet sich aus oben genannten Gründen eher auf andere Bibliotheksfelder – und außerdem ist auch für den/die ForscherIn viel mehr symbolisches Kapital (und Forschungsdrittmittel) zu holen, wenn er/sie sich mit hochspezialisierter Wissenschaftskommunikation und Künstlicher Intelligenz beschäftigt als mit dem Informationsverhalten von Grundschullehrerinnen. Die Profession dagegen ist tendenziell eher misstrauisch, ob hier jemand alles besser wissen will, ob Forschung überhaupt etwas mit ihr zu tun hat und ob es nicht besser wäre, mit anzupacken statt Aufsätze zu schreiben. In dieser Hinsicht ist also jedeR ForscherIn parteiisch für Öffentliche Bibliotheken, der/die die Herausforderung angeht, ein Forschungsprojekt zu ihnen durchzuführen.

Kann man als ForscherIn parteiisch für Öffentliche Bibliotheken sein?

ForscherInnen können sehr wohl parteiisch darin sein, worauf sie ihre Aufmerksamkeit richten, welche Perspektiven sie untersuchen und welche Stimmen und Geschichten sie dabei zu Wort kommen lassen. Insofern ist jede Untersuchung zu Öffentlichen Bibliotheken – egal mit welchem Ergebnis – eine Parteinahme für diesen Bibliothekstyp.

Es gehört aber zur Logik des wissenschaftlichen Arbeitens (Ignorieren von Gewissheiten, offene Fragen, siehe oben), dass ForscherInnen nicht parteiisch sein können, während sie eine Fragestellung untersuchen. Bei echter Forschung kann der Ausgang nur offen sein, und die Herangehensweise in der Haltung interesselos. Auch wenn moderne Wissenschaftstheorie die Möglichkeit der Interesselosigkeit zu Recht in Frage stellt, ist sie als Handlungsmaxime beim Forschen unerlässlich. Genau hier liegt das oben angesprochene Problem beziehungsweise der interkulturelle Konflikt zwischen Profession und Disziplin (Wimmer 2019c: 308): Die Profession braucht zum Handeln intuitive Gewissheiten, die Disziplin muss zum Forschen intuitive Gewissheiten ablehnen. Dieser Konflikt äußert sich so: Wenn aus der Profession / der Berufspraxis heraus Forschung angeregt wird, dann oft mit klar gerichtetem Interesse: Erforschen Sie doch mal, welch wichtigen Beitrag Bibliotheken zur Nachhaltigkeit leistenZeigen Sie doch mal, wie sehr die KollegInnen unter den vielen Teilzeitstellen leidenWeisen Sie doch mal den Bildungsbeitrag der Bibliothek nach. Dies sind alles verständliche Anliegen, aber sie können in dieser Form nicht zu Forschungsfragen werden. Forschung kann fragen, ob Bibliotheken zur Nachhaltigkeit beitragen (oder ob ihr Beitrag zu gering ist, um nachweisbar zu sein), ob BibliothekarInnen unter Teilzeittätigkeit leiden (oder ob manche von ihnen sie vielleicht gerade schätzen), ob die Bibliothek einen Beitrag zur Bildung leistet (oder ob der zugrundeliegende Bildungsbegriff zu hinterfragen ist). Und es kann immer jede mögliche Antwort herauskommen, auch die, die man sich nicht erhofft hat.

Die Zentrale Forschungsfrage der Öffentlichen Bibliotheken

Sehr viele der Anliegen, die von der Praxis an die Forschung gerichtet werden, sollen in irgendeiner Form zur Legitimierung der Bibliotheken gegenüber der Öffentlichkeit und den Trägern beitragen, also ihren gesellschaftlichen Wert wissenschaftlich nachweisen. Diese Frage nach dem Beweis des Nutzens der Bibliothek scheint mir die eine, zentrale Forschungsfrage im Feld der Öffentlichen Bibliotheken zu sein, die in unzähligen ganz unterschiedlichen Themen, Projekten, Arbeiten, Aufsätzen mehr oder weniger offen mitschwingt. Sie hängt natürlich ursächlich zusammen mit der Ob-Frage (Ob es die Bibliothek morgen noch geben wird), mit der jede/r BibliothekarIn im ÖB-Feld aufgrund ihrer fehlenden rechtlichen Grundlage sozialisiert wird. (Wimmer 2019a: 66-67)

Man kann der Zentralen Forschungsfrage nach dem Nutzenbeweis der Öffentlichen Bibliothek nicht ausweichen. Aber angesichts der immensen Komplexität der heutigen Gesellschaft, in der auf jeden gesellschaftlichen Bereich, von der schulischen Bildung über das medienkompetente Handeln der BürgerInnen bis zur Ökobilanz eines Staates, eine ungeheuere Vielzahl von Einflussfaktoren wirkt, muss aus einer distanzierten Außensicht gefragt werden, ob es nicht etwas überhöht ist, nach einem Beweis des Einflusses einer einzelnen Institution (der Bibliothek) auf diese Systeme zu suchen.9 Zumal dieser Beweis vielleicht auch gar nicht die gewünschte Erlösung aus der prekären Situation bringen würde. Die Antwort auf die Frage nach dem ökonomischen Nutzen der Öffentlichen Bibliothek liegt nämlich bereits vielfach wissenschaftlich fundiert vor, sie lautet: Jeder Euro (Dollar/Pfund), der in eine (Öffentliche) Bibliothek investiert wird, ergibt einen Return on Investment (RoI) zwischen 3 und 6 Dollar/Euro/Pfund pro investierter Einheit. (Koop 2017: 135–136) erwähnt Metastudien zu circa 50 (!) RoI-Einzelstudien, die für Öffentliche Bibliotheken im Mittel einen Wert von 4–5 : 1 ergeben. Wenn diese Antwort, die den Wert der Bibliothek in der universellen Währung der Ökonomie bereits bewiesen hat, nicht ein für alle Mal die Ob-Frage aus der Welt schaffen konnte – welcher andere wissenschaftliche Beweis sollte das dann können?

Die Zentrale Forschungsfrage kann – wenn sie zu sehr im Zentrum steht – dazu führen, dass sehr viel Aufmerksamkeit, Energie und Mühe von den Bibliotheken selbst wegfließt, hin zu ihrer Legitimation durch Außenstehende – Öffentlichkeit, Träger, Politik. Diese Legitimation ist wichtig und muss durch die politische Interessenvertretung der Bibliotheken intensiv, kontinuierlich und mit vereinten Ressourcen verfolgt werden. In der Forschung dürfen aber Fragen nicht zu kurz kommen, die die eigentliche Substanz der Bibliotheken betreffen: Welche Ziele sollten Bibliotheken verfolgen? Was braucht die Gesellschaft von den Bibliotheken? Was funktioniert gut, was nicht? Wer sind ihre NutzerInnen und was wollen sie? Wer sind die BibliothekarInnen und was wollen sie? Wo sind die blinden Flecken in diesem System? – Diese Fragen geraten durch die Fixierung auf die Außensicht auf die Bibliotheken aus dem Blickfeld und es wird weniger Energie in das Verstehen und Verbessern der eigenen Arbeit investiert.

Wer forscht zu Öffentlichen Bibliotheken?

In unserer arbeitsteiligen Gesellschaft gibt es, wie oben erläutert, eine Berufsgruppe, die für Forschung zuständig ist – das ist das wissenschaftliche Personal an den Hochschulen, die Mitglieder des Kleinen Fachs Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Sie ist die offensichtliche Personengruppe, die forscht.

Nimmt man zur Forschung auch die Entwicklung hinzu – das Finden von theoretischen Lösungen und Erstellen von abstrakten Konzepten –, dann haben jedoch auch immer die Mitglieder der Profession selbst beigetragen: In der Regel Männer in leitender Funktion in mittleren und größeren Stadtbibliotheken (und mit eigenem akademischen Hintergrund). Ein sehr großer Teil der Entwicklung zu Öffentlichen Bibliotheken kam bis Mitte der 1980er Jahre aus diesem Personenkreis: Johannes Langfeldt zur Konzeption der neuen Public Library Amerika-Gedenkbibliothek, Hans-Jörg Süberkrüb in der Zeit des Bibliotheksplanes, Heinz Emunds mit der Dreigeteilten Bibliothek, Dieter Kranstedt mit der Fraktalen Bibliothek. Später waren es dann auch Frauen: Uta Klaassen mit dem Konzept der konsequenten Nutzerorientierung in der StB Gütersloh GmbH, in neuerer Zeit sind zum Beispiel die Entwicklung von Leseförder-Konzepten wie die Leselatte (Ute Hachmann) oder die Entwicklung von Konzepten wie dem Spiralcurriculum (Ute Hachmann und Helga Hofmann) zu nennen. Auch zentrale historische Forschung zu Öffentlichen Bibliotheken kam immer auch von Bibliothekaren: Nach Wolfgang Thauer vor allem von Engelbrecht Boese, zur Geschichte der Öffentlichen Bibliotheken im Nationalsozialismus, von Harald Pilzer oder Jan-Pieter Barbian.

Ein dritter Kreis besteht aus Einrichtungen, die für Bibliotheken arbeiten, oder Teil ihrer Selbstorganisation sind: Das waren historisch in erster Linie die Verbände, zum Beispiel in Form von An-Instituten wie beim Deutschen Büchereiverband (dbv) die Arbeitsstelle für das Büchereiwesen, die später im Deutschen Bibliotheksinstitut (DBI) verselbständigt wurde. In ihnen wirkte ebenfalls die Praxis in Form von Arbeitsgruppen und Kommissionen mit. Interessant ist in diesem Kontext die Rolle der Fachstellen. Sie übernehmen im Wesentlichen eine Koordinierungs- und Unterstützungsfunktion für ihre Region, wären aber strukturell in einer sehr günstigen Position, um professionsnahe, umsetzungsorientierte Entwicklung zu betreiben. Dass sie es in der Regel nicht tun, ist etwas überraschend und eine vergebene Chance. Einzelne Ausnahmen gehen auf einzelne Persönlichkeiten zurück, die dies vorantreiben und schreibend reflektieren (zum Beispiel Franz Schriewer, Jürgen Seefeldt). Seit der Abwicklung des DBI sind nach und nach verstärkt Unternehmen in den Bereich der Entwicklung für Öffentliche Bibliotheken eingestiegen. Vor allem OCLC und die ekz mit ihren Konferenzen, Konzepten und Publikationen sind hier zu nennen.

Es gehört aber zu den häufigsten Irrtümern, dass Forschung etwas ist, was mit der eigenen beruflichen Praxis nichts zu tun hat und komplett separiert von ihr abläuft (Forschen, das tun andereForschen – für sowas habe ich keine Zeit). Die Vorstellung, dass Forschung nur etwas ist, das mit Extramitteln und Extrapersonal als Sonderprojekt stattfindet, sozusagen vom DFG-Projekt aufwärts, dient vor allem der eigenen Entlastung: Wenn Forschung nur etwas ist, das mit viel Geld im akademischen Kontext stattfinden kann, dann muss man sich damit im Arbeitsalltag nicht selbst beschäftigen, sich nichts fragen. (Ahnlich argumentiert auch Böttger 2005: 296)

Der forschende Geist, die Neugier, der Wunsch einer unerklärlichen Wahrnehmung nachzugehen, einmal einem hartnäckigen Problem auf den Grund zu gehen – dies alles kann aber in der kleinsten Bibliothek anzutreffen sein und ist es auch, auf immer wieder ganz überraschende Art und Weise. BibliothekarInnen stellen interessante und relevante Fragen an sich, die Bibliothekswelt, die Medien, und hinterfragen ihre eigene Arbeit. Bemerkenswert ist aber, dass sie das (meiner Erfahrung nach) fast ausschließlich im informellen Bereich tun: in der Sitzungspause, beim Smalltalk auf dem Bibliothekartag, beim gemeinsamen Weg zum Bahnhof. Diese echten, offenen Fragen, auf die man die Antwort nicht schon weiß (oder vorgibt zu wissen), schaffen es nur sehr selten in die bibliothekarischen Fachzeitschriften. Dort überwiegen Erfolgsberichte und Best Practices – also Berichte über Dinge, die wir schon kennen und die gut laufen.

Forschung im ganz elementaren Sinn macht einE BibliothekarIn, der/die:

  • die Ausleihzahlen des letzten Jahres unter einer neuen Fragestellung auswertet,

  • in regelmäßigen Abständen mal eine Strichliste macht, wie viele Leute in der Bibliothek alleine sitzen und wie viele in Gruppen,

  • regelmäßig beobachtet, wie sich die TeilnehmerInnen an einer Schulung verhalten, dazu Notizen macht und diese reflektiert,

  • sich die Etatdaten anderer Bibliotheken seiner Größenklasse aus der DBS holt und damit Vergleiche anstellt,

  • sich fragt – und dazu recherchiert –, was man bei Veranstaltungen für Vorschulkinder aus entwicklungspsychologischer Sicht beachten sollte,

  • Mini-Interviews bei den BewohnerInnen in einem Altenheim durchführt, die von der Bibliothek beliefert werden.

Schließlich ist das gesamt Konzept der Evidence based Librarianship10 eine Herangehensweise, bei der Praxisentscheidungen auf der Basis von Forschungsergebnissen getroffen werden können.

Teil 2: Worüber forschen für Öffentliche Bibliothek?

Und was heißt nun Forschung zu Öffentlichen Bibliotheken?

Nach den Überlegungen zu Art, Form und Rolle von Forschung ist zweifelsohne die wichtigste Frage: Mit welchen Themen befasst sich Forschung zu, für und über Öffentliche(n) Bibliotheken? Für diese Fragen will ich untersuchen, worin die Forschungsprogramme an einigen entscheidenden Punkten in der Entwicklung der Öffentlichen Bibliotheken bestanden: Was wurde als Forschungsthemen benannt, welche Art von Forschung wurde gefordert und teilweise auch durchgeführt? Die Ausdifferenzierung zwischen Reflektieren und Handeln in einem Berufsfeld zeigt sich zum Beispiel an entsprechenden Strukturen, also Institutionen, die eigens zum Reflektieren, Forschen und Entwickeln eingerichtet werden.

  • Im Bereich der Öffentlichen Bibliotheken kann man so eine Struktur erstmals Mitte der 1920er Jahre im Institut für Leser- und Schrifttumskunde von Walter Hofmann verorten. Deren Ausrichtung ergibt sich aus den Jahresberichten des Instituts beziehungsweise der Zentralstelle für das Büchereiwesen, Leipzig sowie hier insbesondere aus (Boese 1981) und (Reuveni 2013).

  • Als zweiten Entwicklungspunkt betrachte ich die Umwandlung der bibliothekarischen Fachschulen zu Fachhochschulen, also die Akademisierung, die für den Bibliotheksbereich Anfang der 1970er Jahre stattfand. Aus ihrem Anlass wurde in einer Fortbildungsveranstaltung (de facto eher ein Colloquium, das nicht so heißen wollte) intensiv darüber nachgedacht, was Wissenschaft von der Öffentlichen Bibliothek bedeuten könnte: Bibliothekswissenschaft und öffentliche Bibliothek: Referate und Ergebniszusammenfassungen eines Fortbildungsseminars der FHB Stuttgart. (Bibliotheksdienst Beiheft 102/103, 1974)

  • Die Gründung (und Wiederauflösung) von eigenen Forschungs- und Entwicklungsinstituten für Bibliotheken gehört in diese Zeitreihe. Sowohl die DDR (Zentralinstitut für Bibliothekswesen) als auch die BRD (Deutsches Bibliotheksinstitut) haben solche Einrichtungen geschaffen. Sie werden in diesem Beitrag aber nicht näher betrachtet. (Zum DBI vergleiche Schwarz 2018, zum ZIB den Beitrag von Karsten Schuldt in dieser Libreas-Ausgabe.)

  • Kurz nach der Auflösung des DBI (2000) stand wiederum die Abschaffung der Institutionalisierung der Bibliothekswissenschaft im Raum – in Form der (2004–2006) geplanten Schließung des Instituts für Bibliothekswissenschaft der HU. In diesem Zusammenhang wurde 2005 im Rahmen eines Sammelbands unter dem Titel Bibliothekswissenschaft - quo vadis erneut über Bibliothekswissenschaft reflektiert. (Hauke 2005)

  • Die Bibliotheks- und Informationswissenschaft blieb als universitäres Fach erhalten und schlug danach einen Weg zur Informationswissenschaft ein. 2018 kam es erneut zu Diskussionen über den Sinn von Bibliothekswissenschaft. Dies ging einerseits von der der Disziplin aus und verfolgte das Ziel einer Positionierung und Kursbestimmung unter der Fragestellung Warum brauchen wir eine (neue) Bibliothekswissenschaft? (Hobohm 2018). Zum Anderen forderte die Bibliothekspraxis nach mehr Präsenz der Öffentlichen Bibliotheken in Lehre und Forschung. Dies wurde unter dem Titel Wo sind die Öffentlichen Bibliotheken in Forschung und Lehre? in einer Veranstaltung diskutiert, die von der KIBA (und anderem von der Verfasserin) durchgeführt wurde (Paneldiskussion 2018). Der Auslöser war hier der laufende Generationswechsel in einer ökonomisch entspannten Situation bei gleichzeitigem Umbruch des medialen und informatorischen Umfelds.

Jede dieser spezifischen Stationen hätte eine eigene, tiefgehende Analyse verdient (oder sie schon bekommen). Ich habe mich jedoch entschlossen, sie mit dem Ziel eines vergleichenden Überblicks nur zu skizzieren.

Zum Schluss wird den Programmen noch die aktuelle Forschungsrealität gegenüber gestellt. Ich untersuche kursorisch, womit sich die 2010–2019 durchgeführten akademischen Abschlussarbeiten zu Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland beschäftigten.

Die Forschungsabteilung des Instituts für Leser- und Schrifttumskunde (1926–1937)

Im so genannten Richtungsstreit der Lesehallen und Volksbibliotheken in den 1910er und 1920er Jahren wurde um die kulturpolitische Ausrichtung, die gesellschaftlich und bildungsrelevante Aufgabe und die praktische Ausgestaltung der Öffentlichen Bibliotheken gerungen.

In diesen Kontext fällt eine frühe (die früheste?) Institutionalisierung von Forschung zu Öffentlichen (damals: Volks-) Bibliotheken: Das Institut für Leser- und Schrifttumskunde, das der Protagonist der Neuen Richtung, Walter Hofmann, in Leipzig aufgebaut hatte und das 1926 Selbständigkeit von der Leipziger Zentralstelle für das volkstümliche Büchereiwesen erlangte (Boese 1981). Es ist feldtypisch, dass dieses erste systematische Forschungsprogramm nicht von der Wissenschaft ausging, sondern von einer Art Super-Fachstelle. Selbstverständlich gab es auch schon vorher Reflexion über Ausrichtung, Rolle und Aufgabe der Volksbibliothek beziehungsweise Bücherhalle. Aber eine eigenständige Institutionalisierung und expliziter Claim auf Forschung, waren in diesem Feld neu – und eine Herausforderung an die Akademie. Immerhin war der erste Lehrstuhl für Bibliothekswissenschaften (1887 in Göttingen gegründet) seit 1921 suspendiert und wurde erst 1928 (also zwei Jahre nach Verselbständigung des Instituts für Leser- und Schrifttumskunde) im Bibliothekswissenschaftlichen Institut der Universität Berlin wieder für sechs Jahre institutionalisiert (Rohde 2004). Bibliothekswissenschaft bezog sich zu diesem Zeitpunkt ausschließlich auf wissenschaftliche Bibliotheken. Charakteristisch für die Bibliotheksphilosophie Hofmanns war eine explizite Abgrenzung und Gegenposition der Volksbibliotheken von den wissenschaftlichen Bibliotheken (Süle 1972).

Das Institut für Leser- und Schrifttumskunde umfasste drei Abteilungen: Die Deutsche Volksbüchereischule, die Abteilung Literarische Hilfsmittel und die Forschungsabteilung. Um diese geht es hier im Besonderen.

Die Forschungsabteilung hatte drei Forschungsschwerpunkte (Boese 1981: 18–20):

  • Leserkunde – also Forschung zur Kultur- und Bildungssoziologie.

  • Bücherkunde – also Forschung zur Nutzung von Literatur durch unterschiedliche Nutzergruppen, daraus abgeleitet zum inhaltlichen Literaturangebot der Volksbibliotheken und zur pädagogisch-psychologisch ausgerichteten Vermittlung von Textmedien.

  • Büchereikunde – also Forschung zur zielgerichteten Gestaltung des Bibliotheksbetriebs.

Ideologisch basierte dies alles auf Hofmanns Vorstellung von der Rolle der Bücherei für die einigende Volkwerdung: Die ideologische Zersplitterung der Gesellschaft der Weimarer Republik sollte mit Hilfe der Volksbildung (und Volksbüchereien) überwunden werden.

Im Bereich Leserkunde wurde empirisch mit einer aus heutiger Sicht hochmodernen Kombination aus quantitativen und qualitativen Methoden das Leseverhalten von demographisch differenzierten Nutzergruppen untersucht. Eine elaborierte Methodik, aufwändig erstellte Statistiken und eine komplexe Kategorienbildung führten zu einer empirisch fundierten sozialpsychologischen Analyse, deren Relevanz über den Bibliotheksbereich hinaus anerkannt wurde und sogar Aufmerksamkeit bei Soziologen der Universität Chicago fanden. (Boese 1981: 19a) Zu den genutzten Methoden gehörten erstens Statistiken über die Nutzung (Ausleihe) unterschiedlicher Themengruppen, differenziert nach sozialen Klassen, Geschlecht und Alter. Zweitens gehörte dazu der Vergleich der meistgenutzten Titel in drei Lesergruppen mit unterschiedlichem sozioökonomischem Status (Arbeiter, Bürgerliche, Akademiker). Und drittens – als qualitative Methode – die so genannten Lesehefte, eine Art Selbstprotokoll oder Lerntagebuch, in dem die LeserInnen über die gelesen Bücher reflektierten.

Beim Thema Bücherkunde ging es um die Notwendigkeit, den Buchbestand in einer neuen lebensvollen Gliederung an den Bedürfnissen und Neigungen des Lesers zu orientieren (Boese 1981: 19). Als Ziel wurde formuliert, die vorhandene Literatur (die als statischer, abgeschlossener Korpus gedacht wurde) von einer objektiven (= sachlichen) Ordnung in eine psychologische, das heißt am Nutzerinteresse orientierte Ordnung zu überführen, also die Werke bestimmten demographischen Lebenslagen und Bedürfnissen zuzuordnen. Dies erfolgte ebenfalls auf der Basis der statistischen Nutzungsdaten, aber immer in Kombination mit klaren bibliothekarisch-kulturellen Wertvorstellungen, um den Opportunismus zu vermeiden, einfach das zu kaufen, was die Leute am meisten lesen wollten (Boese 1981: 21). Dazu kamen Kataloggestaltung und Buchkritik, also eine Erschließung des Bestandes nach diesen sozialpsychologischen Kriterien und dementsprechenden Anforderungen der Bibliotheken.

Büchereikunde – die Theorie von der Gestaltung der organisatorischen Praxis in den Büchereien – bezog dann die empirischen, theoretischen und auch ideologischen Ergebnisse auf die Organisation der Bibliothekspraxis. Hiermit war laut Boese im Forschungskontext weniger ein Konzept für die konkrete organisatorische Ausgestaltung der Bibliotheken gemeint (diese wurde bereits von der Zentralstelle und durch die Volksbüchereischule entwickelt und verbreitet), als die kontinuierliche Evaluation der Organisationsform und Instrumente. Diese waren gerichtet auf eine Mischung aus Effizienz (die einzelne Bücherei zum Beispiel durch zentrale Dienste von Verwaltungsarbeiten zu entlasten) und Effektivität (die eigentliche Beratungstätigkeit durch geeignete Routinen und Instrumente zu unterstützen).

Zielsystem war bei allen drei Forschungsbereichen selbstverständlich das übergeordnete Bildungsziel der Volksbücherei nach Hofmanns Volksbildungstheorie. Diese Zielsetzung war gegeben und nicht Teil des Forschungsprogramms. Genauso wenig gab es einen Diskurs über die Ausrichtung der Forschung im Institut für Leser- und Schrifttumskunde.

Die Akademisierung des gehobenen Dienstes an Öffentlichen Bibliotheken

Fast 50 Jahre später – und unter völlig anderen politischen, ökonomischen und ideologischen Rahmenbedingungen – wurde die grundständige bibliothekarische Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland akademisiert. An der neu gegründeten Fachhochschule für das Bibliothekswesen in Stuttgart fand 1973 das oben erwähnte Fortbildungsseminar mit dem Titel Bibliothekswissenschaft und Öffentliche Bibliothek statt.

Im Gegensatz zur Ausrichtung von Hofmanns Institut wurde hier diskutiert, was Gegenstand der (wie immer wieder betont wurde: erst entstehenden) Wissenschaft von der Öffentlichen Bibliothek sein sollte. Die Zusammenfassung der Diskussion (o. A. 1974: 124–125) benennt zunächst die folgenden möglichen Forschungsgebiete. Die Reihenfolge stellt dabei eine absteigende Priorisierung dar:

  1. Bibliothekssoziologie

  2. Bibliotheksbetriebslehre

  3. Klassifikationstheorie und Sacherschließung (als möglicher Einsatzort für die neuen Möglichkeiten der EDV und als Hilfsmittel zur Vermittlung)

  4. Bibliotheks- und Buchgeschichte (…dürfte wohl in keiner Sparte bibliothekarischer Arbeit [völlig fehlen].)

  5. Medienkunde (hier bestand kein Konsens, ob dies als separates Wissenschaftsfeld notwendig sei)

Der Rektor der Stuttgarter Hochschule, Hermann Waßner, fasst die Themen der neuen Bibliothekswissenschaft so zusammen:

“1. die betriebliche Seite der Bibliothek;

2. das verwaltete Bibliotheksgut (also das Buch und andere Medien, ihre Geschichte, ihre Systematisierung usw.);

3. die zielspezifischen Aktivitäten der Bibliothek (also der Gesamtbereich der Informationsvermittlung); davon abhängig schließlich

4. der Zielbereich (also der Benutzer und die potentielle Benutzerschaft, die Funktion der Bibliothek in der Gesellschaft).” (Waßner 1974: 9)

Neben diesen allgemeinen Statements umfasst der Tagungsband fünf themenspezifische Aufsätze, die die Relevanz der Punkte 1 und 2 widerspiegeln:

  • Bibliothekssoziologie und Benutzerforschung (also Kultur- und Bildungssoziologie) wurden von zwei Referenten als Desiderata der Bibliothekswissenschaft behandelt (Alois Klotzbücher und Gerhard König-Kurowski, beide Bibliotheksleiter).

  • Bibliotheksbetrieb und Erfolgsmessung waren Gegenstand von zwei Beiträgen mit betriebswirtschaftlicher Ausrichtung (Günter Beyersdorff, Volkswirtschaftler und neu berufener Professor am Institut für Bibliothekarausbildung der Freien Universität Berlin, und Heinz Emunds, Direktor der Stadtbibliothek Münster). Im Bereich Erfolgsmessung sehen wir die Zentrale Forschungsfrage durchscheinen.

  • Die Rolle der Bibliothek im gesellschaftlichen Kommunikationssystem (also Kommunikationswissenschaft). Wolfram Henning, Zeitungswissenschaftler und neu berufener Professor an der Stuttgarter Fachhochschule modellierte die demokratische Gesellschaft als Kommunikationssystem, in der verschiedene gesellschaftliche Gruppen und Funktionssysteme miteinander kommunizieren. Er wies dann theoretisch durchaus ambitioniert der Öffentlichen Bibliothek eine zentrale Rolle in diesem Kommunikationsprozess zu.

Alle Referenten bezogen sich auf die Rolle der Bibliothek im System der demokratischen Gesellschaft, mit Kommunikation als einem zentralen Begriff des zeitgenössischen Diskurses. Dabei ist die Bibliothek nicht als ein Ort gemeint, in dem Menschen sich treffen und reden, sondern weit abstrakter: Als eine Akteurin im gesellschaftlichen Kommunikationsplan, in dem sich Meinungsströme durch Publikationen manifestieren, die in die Bibliothek fließen, so dass die NutzerInnen (durch Lesen und gegebenenfalls spätere Äußerungen zu einem Thema) an dieser gesellschaftlichen Kommunikation teilhaben können.

Obwohl die Terminologie mit dem Abstand von 50 Jahren mit Hofmann nichts mehr gemein hat, obwohl Hofmanns Institut mit keinem Wort erwähnt wird, und obwohl die jeweiligen Ziel- und Referenzrahmen in ihrer inhaltlichen Substanz sehr unterschiedlich sind, zeigen sich Übereinstimmungen in beiden Diskursen:

  • Erstens gibt es eine grundsätzlich an der Gesellschaft (nicht an Bildung oder Kultur) orientierte Zielvorstellung für die Öffentlichen Bibliotheken (Volk-Bildung bei Hofmann, demokratische Kommunikation beim FHB-Seminar).

  • Zweitens lassen sich in beiden Zusammenhängen drei ähnliche, grobe Schwerpunkte feststellen:

    • im Kern die BibliotheksbenutzerInnen (Leserkunde – Bibliothekssoziologie),

    • dazu ein Bereich zu Medien/ Information/ Kommunikation (Bücherkunde – Kommunikationstheorie)11

    • und zum Schluss der Bibliotheksbetrieb als Forschungsgegenstand (Büchereikunde – Bibliotheksbetriebslehre)

  • Gemeinsam ist beiden Programmen eine ausgeprägte empirische Fundierung, insbesondere in Richtung auf quantitative Methoden und Statistik und der damit verbundene Anspruch auf Rationalität und Objektivität – und in beiden Kontexten wird betont, dass die empirische Forschung ohne Theorie- und Wertkontext orientierungslos ist. (Henning 1974: 114; König-Kurowski 1974; Boese 1981: 19)

Ein wichtiger Unterschied: Während die Zielsetzung der Volksbüchereien bei Hofmann ideologisch sehr klar ist, ergab die Diskussion 1973 in Stuttgart das Fazit: Kernpunkt einer jeden Bibliothekswissenschaft ist daher die Definition der Aufgaben der Bibliothek im Rahmen unserer Gesellschaft […]. (o. A. 1974: 123) Ein weiterer struktureller Unterschied besteht darin, dass beim FHB-Colloquium die Bibliothekswissenschaft nicht als quasi-solitär gesehen wird (wie bei Hofmann, der überzeugt war, mit seinem Institut etwas völlig Neues zu entwickeln), sondern dass die drei bibliotheksbezogenen Bereiche je mit einem anderen universitären Fach verknüpft – und in gewisser Weise dadurch auch legitimiert wurden: Die Nutzerforschung mit der Soziologie, die medialen Inhalte mit der Kommunikationswissenschaft und die Effizienz und Effektivität der Abläufe mit der Betriebswirtschaftslehre. Das Fazit konstatierte, dass Bibliothekswissenschaft immer auf engste Kooperation mit einer größeren Zahl von Wissenschaften angewiesen sein [wird] […]. (o. A. 1974: 123)

Gemeinsam ist darüber hinaus beiden Diskursen, dass sie auch von Praktikern und ausschließlich von Männern geführt wurden. Obwohl Frauen zu beiden Zeitpunkten im Fachdiskurs in geringem Umfang aktiv waren, (der Anteil der Beiträge von Frauen am Fachdiskurs betrug 1972 16 % (Wimmer 2019a: 339)), äußern sich Frauen damals (wie heute) kaum zu theoretischen Themen (Wimmer 2019b: 29–34). Abgesehen von dem grundsätzlichen Genderbias, den dies in die Forschung bringt, ist es auch kein gutes Zeichen für die Verbindung von Theorie und Wissenschaft zur Bibliothekspraxis, die ja heute zu 75 % weiblich ist (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 2020), 1973 mindestens zu 80 % (Schätzung auf der Basis von Heidtmann 1974: 89) und auch 1926 bereits zu einem erheblichen Anteil (Vodosek 1981).

Bibliothekswissenschaft – Quo Vadis? (2005) Scheideweg und In-Frage-Stellung der Bibliothekswissenschaft

Als Momentaufnahme in einer dritten Situation möchte ich die Publikation Bibliothekswissenschaft – Quo Vadis? heranziehen. Der Sammelband entstand 2004–2005 am Institut für Bibliothekswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin in einem Projektseminar. In diesem Zeitraum war das Institut – als einziges universitäres bibliothekswissenschaftliches Institut in Deutschland – akut von der Abwicklung bedroht. Es wurde also die Bibliothekswissenschaft existentiell in Frage gestellt. In dieser Situation versammelt der Band Beiträge und Statements von deutschen und internationalen BibliothekswissenschaftlerInnen und BibliothekarInnen zur Ausrichtung und Zukunft des Faches. Von den 31 Beiträgen in dem Band sind sechs (durch Thema oder AutorIn) dem Bereich der Öffentlichen Bibliotheken zuzuordnen.

Auch hier gibt es zwei Texte, die die Ausrichtung der Bibliothekswissenschaft allgemein behandeln und sich insbesondere ihrem Verhältnis zur Praxis (Lux 2005) und zur Öffentlichen Bibliothek (Böttger 2005) widmen. Lux und Böttger waren zu dieser Zeit im Vorstand der beiden Verbände BIB und dbv. Es ist möglich, dass sie in dieser Funktion um ihren Beitrag angefragt wurden.

Vier Texte beschäftigen sich mit einem Themenfokus, der damit als möglicher Gegenstand der Bibliothekswissenschaft konstituiert wird. Das sind

  • die curricularen Inhalte einer Ausbildung für Schulbibliotheken (Dankert 2005),

  • E-Learning für junge NutzerInnen (Ochudlo-Höbing 2005)

  • Kosten-Leistungsrechnung in Bibliotheken (Moeske 2005)

  • im Abschnitt: Bibliothekswissenschaft im Dienst an der Gesellschaft: The Library as a Real - Virtual - Public Place for Networking Ideas, Information and People. (Ulrich 2005)

In seinem Beitrag Öffentliche Bibliotheken und die Bibliothekswissenschaft benennt Klaus-Peter Böttger implizit technologische Entwicklung als Gegenstand der Bibliothekswissenschaft und stellt die Frage, ob Öffentliche Bibliotheken [damit] Gegenstand einer bibliothekswissenschaftlichen Forschung sein können oder müssten. (Böttger 2005: 297). Als zweites Feld nennt er betriebswirtschaftliche Forschung. Hier wird das Verhältnis zwischen Akademie und Praxis aber genau anders herum konzipiert, wie in Teil 1 beschrieben: Den Fachhochschulen wird gerade aufgrund des sehr guten Vertrauensverhältnisses zwischen Bibliothek und bibliothekarischen Hochschulen eine Rolle als idealer Berater und Coach des Bibliotheksmanagements vorgeschlagen. Der Beitrag gibt folgerichtig der Anwendungsorientierung der Forschung in der Berufspraxis die oberste Priorität. In diesem Konzept ist also die autonome Position der Akademie als separates Handlungsfeld neben der Bibliothekspraxis nicht realisiert.

Als Forschungsdesiderate werden zum Schluss noch benannt:

  • “Kundenorientierung und kundenorienterte Entwicklung neuer Dienstleistungen

  • Recherche- und Retrieval-Instrumente für verschiedene mediale Formen

  • Bibliometrie und Informetrie

  • Entwicklung adäquater neuer Lernarrangements, Integration innovativer Lernformen in das Servicespektrum.

  • Weiter-Entwicklung intelligenter Datenbank- und Retrievalsysteme

  • Evaluation, Evaluation, Evaluation: die Auswertung und Bewertung von Leistungen, Qualitäten, Wirkungen” (Böttger 2005: 300)

Finden sich hier und in den Themenaufsätzen die drei Forschungsbereiche von 1926 und 1973 wieder? Nicht in systematischer Form – es stehen hier einzelne konkrete aber unverbundene (und etwas beliebig wirkende) Themen neben einander. In den Sujets Kostenrechnung und Evaluation (Zentrale Forschungsfrage!) findet sich offensichtlich der betriebswirtschaftliche Forschungsansatz wieder. Der Begriff Kundenorientierung und die Zielgruppe junge Nutzer erinnern nur sehr entfernt an das soziologische Paradigma. Die medialen Inhalte des Bibliothekshandelns tauchen nirgends auf, ihre Erschließung scheint entfernt im Punkt Recherche und Retrieval, intelligente Datenbanksysteme durch. Neu ist hier der Begriff des Lernens, der vom früheren, abstrakten Zielsystem Bildung zu einer konkreten unterstützbaren Handlung geworden ist. (Der Übergang von Bildung zum Lernen sollte genauer untersucht werden. Was heißt das? Wann und wie ist das passiert?)

Die Ausrichtung der Bibliothek auf die Gesellschaft als Zielsystem wird hier nur im Beitrag von Paul S. Ulrich thematisiert. Dies ist ein durchaus hellsichtiger, aber ebenso unsystematischer Rundumschlag durch die soziale Funktion der Bibliothek, Gestaltung von Online-Katalogen und Bibliotheks-Webseiten, Schulung von jüngeren und älteren NutzerInnen, politische / gesellschaftliche Rolle der Bibliothek, und einiges andere mehr. Als Tenor kann das Anliegen ausgemacht werden, allen Teilen der Bevölkerung – und damit insbesondere den in ihren Möglichkeiten benachteiligten – die Teilhabe an den Angeboten und Informationen der Bibliotheken zu ermöglichen.

Als Fazit lässt sich vor allem feststellen, dass hier – im Gegensatz zu den beiden vorigen Stationen – etliche arbiträre Einzelthemen angesprochen werden, aber gerade keine systematische Überlegung zu Bibliothekswissenschaft für Öffentliche Bibliotheken zu erkennen ist.

Es sprechen hier – mit Ausnahme von Birgit Dankert, Professorin an der HAW Hamburg – ausschließlich PraktikerInnen12 – und drei der sechs Aufsätze stammen von Frauen. Es findet sich in den Beiträgen kein Bezug auf die Nutzung von oder Kooperation mit anderen Wissenschaften wie der Soziologie, Betriebswirtschaft oder – als neuer Option – Erziehungswissenschaft.

Die Abwicklung der universitären Bibliothekswissenschaft konnte (vor allem durch großes Engagement der Profession im Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken) abgewendet werden. Im Folgenden stellte sich das Institut als iSchool13 neu auf und richtete sich – wie nach und nach die anderen LIS-Hochschulen – in Richtung der internationalen Library and Information Science aus. Diese lässt sich charakterisieren durch eine ausgeprägte Forschungsorientierung, einem Anspruch auf Autonomie vom Handlungsfeld Bibliothek (aber Verbindung zu Gedächtnisinstitutionen) sowie einem stärkeren Fokus auf Informationsverarbeitung, Informationsretrieval und Informationsanalyse mit informatischen Methoden.

2018: Themenheft Bibliothek. Forschung und Praxis und Paneldiskussion

Der letzte Blick in den Fachdiskurs richtet sich auf das Jahr 2018, in dem zweimal die Frage nach Wissenschaft und Öffentlichen Bibliotheken gestellt wurde: Zunächst in einem Themenheft der Zeitschrift Bibliothek. Forschung und Praxis zur Frage Warum brauchen wir eine (neue) Bibliothekswissenschaft?, herausgegeben von Prof. Hans-Christoph Hobohm (FH Potsdam) (BFP 42 (2018), 2). Den Grund für dieses Sonderheft begründet der Herausgeber damit, dass wir eine neue Sicht auf Bibliotheken brauchen und genauer hinschauen müssen, was in ihnen nach dem Informationsparadigma [meine Hervorhebung, U.W.] eigentlich aktuell geschieht (Hobohm 2018: 334). Mit den versammelten Beiträgen wird dann eine sozialwissenschaftlich – medienphilosophisch – erkenntnistheoretisch orientierte Position in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft bezogen, die explizit als Gegenposition zur mittlerweile überwiegend empirisch, informatisch, datenbasiert und datenorientiert arbeitenden (Informations-)Wissenschaft gedacht ist: Dazu reicht es wahrscheinlich nicht, sich mit Informationsverhalten, Information Retrieval und Informationsanalyse zu beschäftigen. Vielmehr müssen Fragen grundlegenderer Natur bearbeitet werden wie die nach der Möglichkeit der Wissensproduktion an diesem Ort oder solche nach der demokratischen Funktion der Institution Bibliothek. (Hobohm 2018: 336)

Das Heft versammelt dann Beiträge von Wissenschaftlern (tatsächlich auch hier wieder ausschließlich Männer, bis auf eine Co-Autorin) aus der Bibliotheks- und Informationswissenschaft (Lankes, Jochumsen, Audunson) aus der Bibliothekspolitik (Bruijnzeels & Sternheim) sowie aus der Medientheorie (Ernst), aus der philosophisch begründeten Informationswissenschaft (Salaün) und aus der Medienphilosophie (Wegmann).

Hierbei beschäftigt sich der Aufsatz des dänischen Bibliothekswissenschaftlers Jochumsen dezidiert mit Themen der Öffentlichen Bibliotheken. (Jochumsen 2018) Er beschreibt mit gehöriger wissenschaftlicher Distanz den bibliothekarischen Fachdiskurs als Krisendiskurs, dem das vom Autor bereits 2015 entwickelte Four Spaces Model für den Bibliotheksraum als sozialem Raum gegenüber steht. Die Bibliothek als Raum ist ein Thema, das seit circa 2012 eine enorme Präsenz im Fachdiskurs gewonnen hat (die Funktion der Bibliothek im Stadtraum war bereits in den 1970er Jahren einmal ein großes Thema (Hohlfeld 1974), zwischendurch verlor sie jedoch wieder an Aufmerksamkeit). Verwendet werden dabei Ansätze von Soziologen wie Zygmunt Baumann, Anthony Giddens und Gerhard Schulze. Dieser Wissenschaftsstrang ist über den spacial turn in der Soziologie ebenfalls der soziologischen Säule zuzuordnen.

Der zweite Beitrag, den man offensichtlich in Bezug zu Öffentlichen Bibliotheken bringen kann (und der auch in Deutschland schon einige Resonanz gefunden hat), ist der von Richard Lankes (Lankes 2019). Er konstatiert zunächst das Ende des Informations-Paradigmas im Bibliothekswesen und setzt an seine Stelle das Wissens-Paradigma (The mission of a library is to improve society through facilitating knowledge creation in the community. (Lankes 2011)). Das Generieren von Wissen geschieht (basierend auf der Theorie von Gordon Parks) durch Kommunikation in einer Gruppe (Community). Der Begriff der Community (eine Gruppe unterhalb der society) wird in dieser Theorie zur zentralen Instanz und die Individuen darin zum Bestand der Bibliothek. Soziologischer ist Bibliothek kaum denkbar, und entsprechend ist hier die soziologische Perspektive dominierend. Fragestellungen zu Medien/ Inhalten oder betrieblich-organisatorischen Aspekten werden weitgehend ignoriert.

Das Themenheft ist insofern genuin wissenschaftlich, als hier tatsächlich erstmals ausschließlich Wissenschaftler und Entwickler sprechen (keine Praktiker), und Bibliotheks- und Informationswissenschaftler theoretisch auf einem Level mit den Wissenschaftlern aus angrenzenden Wissenschaften argumentieren. Insofern ist dies von allen untersuchten Stationen die, in der sich eine eigenständige Disziplin am deutlichsten zeigt. (Dies ist im Übrigen ein Charakteristikum der meisten Wissenschaften – sehr selten äußern sich zum Beispiel VerlagslektorInnen oder DeutschlehrerInnen im germanistischen Fachdiskurs).

In Anbetracht der zentralen Position, die ein (wie auch immer ideologisch ausgerichteter) soziologischer Ansatz bereits in den ersten beiden Wissenschaftsprogrammen innehatte, kann der soziologische Tenor des Themenhefts aber nicht als neuer Blick auf die Bibliothekswissenschaft bezeichnet werden (Objekt der Volksbibliothek ist nicht das Buch, sondern der Mensch. (Hofmann 1911)). Der soziologische Blick wurde im Gegenteil stets postuliert – wenn auch bisher selten in konkreten Forschungsprojekten umgesetzt (da schwierig, siehe Teil 1).

Wenige Monate nach Erscheinen des Themenhefts thematisierte eine Paneldiskussion der Konferenz der informations- und bibliothekswissenschaftlichen Ausbildungs- und Studiengänge (KIBA) das Thema Wo sind die Öffentlichen Bibliotheken in Forschung und Lehre? (Paneldiskussion 2018). Auslöser für dieses Nachdenken über Forschung für Öffentliche Bibliotheken war ein neu erstarktes Selbstbewusstsein der Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland nach zahlreichen Sparrunden. Sie forderten mehr oder weniger öffentlich eine angemessene Repräsentation von Themen, die für sie relevant waren, in einer Zeit relativer Prosperität und der Möglichkeit, Personal einzustellen und Projekte zu entwickeln.

Hier ging es weniger um eine programmatische Verortung von Bibliothekswissenschaft als um konkrete Forschungsfragen und -themen, die benannt werden sollten. Und im Gegensatz zur Fachzeitschrift sprachen hier vorwiegend VertreterInnen aus der Bibliothekspraxis. Sie benannten unter anderem folgende Forschungsdesiderata (Wimmer 2019c: 307):

  • “Wert, Wirkung, soziale Wirkung, Nutzen der Bibliothek und ihrer Arbeit

  • Konzepte, Funktionsweise und Wirkung von Informations- und Lernprozessen im Bibliothekskontext

  • Diversität der Beschäftigten in Bibliotheken

  • Bibliothek als Community Center / Bibliothek als Raum

  • Wirkung von Konzepten wie der Bibliothek der Dinge oder Makerspaces

  • Nachhaltigkeit bzw. den Beitrag der Bibliotheken zu Nachhaltigkeitszielen der UN”

Es zeigt sich, dass die NutzerInnen in diesen Vorschlägen in ähnlicher Form auftauchen wie bei Lankes: als Lernende, als Teil einer Community, als Zu-Vernetzende und so weiter. Die klassische Nutzerforschung kommt hier nicht mehr vor. Die gesellschaftliche Rolle der Bibliothek ist dafür sehr präsent, und auch der Bezug auf ein Kollektiv (die Community). Als Ausprägung des Medien-/ Inhalts-/ Bibliotheksguts-Themas können die Aspekte der Bibliothek der Dinge oder Makerspaces aufgefasst werden. Neu ist das Bibliothekspersonal als zu erforschendes Objekt. Dieser Bereich tangiert tatsächlich einen bisher weitgehend blind gebliebenen Fleck: die empirische – soziologische – Beforschung der eigenen Profession. Der betriebs- oder volkswirtschaftliche Aspekt taucht nur noch einmal auf, dafür aber sehr prominent: im Anliegen, den Nutzen und die Legitimität der Bibliothek nachzuweisen (die Zentrale Forschungsfrage).

Programm versus Realität

Zum Schluss möchte ich die Frage: Wozu forschen zu Öffentlichen Bibliotheken? von einer anderen Seite untersuchen, sozusagen positivistisch, indem ich mir anschaue, wozu in Deutschland realiter in Bezug auf Öffentliche Bibliotheken geforscht wird. Dafür berichte ich erste Ergebnisse aus einer Analyse der Abschlussarbeiten an deutschen LIS Hochschulen mit ÖB-Inhalten in den Jahren 2010–2019.

Es gibt zwar vereinzelte Dissertationen, die sich mit Öffentlichen Bibliotheken beschäftigen, (zum Beispiel Koop 2017, Wimmer 2019a) aber größere Drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte zu Öffentlichen Bibliotheken wie das norwegische AlmPub-Projekt14 sind selten. Der überwiegende Teil der Forschungsarbeiten zu Öffentlichen Bibliotheken erscheint als Qualifikationsarbeit, also Bachelor- oder Masterarbeit.

Es wurden für diese Untersuchung die Titeldaten von Abschlussarbeiten aus sechs Hochschulen aus den Jahren 2010 bis 2019 von Webseiten und Repositorien gesammelt. Kriterium war, dass die Hochschulen den Anspruch vertreten, auch für Öffentliche Bibliotheken auszubilden. Enthalten sind in dieser vorläufigen Auswertung die HAW Hamburg, HdM Stuttgart, FH Köln, HU Berlin, HTWK Leipzig, FH Graubünden/Chur.

Insgesamt wurden rund 2.200 Arbeiten gesammelt und dann intellektuell codiert danach, ob sie einen Bibliotheksbezug aufweisen und wenn ja, ob auf eine bestimmte Sparte. Da die Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist, können hier nur grobe Tendenzen berichtet werden. Zum jetzigen Zeitpunkt stellt sich jedoch heraus, dass sich von den untersuchten Arbeiten ungefähr ein gleich großer Anteil explizit auf Öffentliche Bibliotheken bezieht wie auf explizit auf Wissenschaftliche Bibliotheken – dass Öffentliche Bibliotheken unterrepräsentiert sind, scheint sich zumindest bei den Abschlussarbeiten nicht zu zeigen. Allerdings haben – über alle Hochschulen hinweg – nur knapp zwei Drittel der Arbeiten überhaupt einen direkten Bibliotheksbezug; gut ein Drittel behandelt Bibliotheken nicht (sondern Informationssachverhalte).

Geplant ist weiter, die Arbeiten anhand des Titels thematisch einzuordnen um so die thematischen Schwerpunkte und ihre Entwicklung im Verlauf dieser zehn Jahre ermitteln zu können. Dies ist derzeit noch nicht möglich, aber mit Hilfe IT-basierter Tools kann auch hier ein erster grober Eindruck ermittelt werden. (Abb. 1 – erstellt mit voyant15 aus den Titeln aller Arbeiten mit ÖB-Bezug nach Eliminieren aller generischen und allgemeinen Begriffe)

Wortwolke aus Titeln von ca. 550 Abschlussarbeiten mit ÖB-Bezug 2010–2019

Die Wortwolke weist darauf hin, dass sich die Abschlussarbeiten im Bereich der Öffentlichen Bibliotheken zu einem erheblichen Teil mit Kindern und Jugendlichen und Bibliotheksangeboten für sie beschäftigen und sich im Bereich der Leseförderung, der Medienkompetenz und des Lernens bewegen. Weitere Themen, die in der Wortwolke sichtbar werden, sind besondere Zielgruppen wie Geflüchtete und ausgerechnet Schulbibliotheken, die im Bibliotheksfeld Deutschlands eine ausgesprochene Randlage einnehmen.

Als neuer, zentraler Faktor seit 2000 (der ersten Pisa-Studie) zeigt sich also in der Forschung zu Öffentlichen Bibliotheken (wie auch im Fachdiskurs, vergleiche Wimmer 2019a: 278–279) eine starke Fokussierung auf das Kind als Bibliotheksnutzer. Damit einher geht auch eine neue wissenschaftliche Angrenzung an die Erziehungswissenschaft, die erstmals im Sammelband 2005 auftauchte (Lernarragements) und auch bei Lankes anklingt. Es scheint, dass sich die Öffentlichen Bibliotheken als Einrichtungen für Kinder positionieren.

Überhaupt nicht zu sehen ist hier der betriebswirtschaftliche Aspekt (außer vielleicht in den Termen Öffentlichkeitsarbeit und Kooperation). Nach wie vor präsent – allerdings nur noch in abstrakter Form – ist das Bibliotheksgut: Medien, vor allem in digitalen Medien, zum Beispiel in der Onleihe.

Fazit

Die Untersuchung zeigte, dass sich Forschung zu Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland ursprünglich den drei Bereichen

  • NutzerInnen/ Soziologie,

  • Inhalte/ Medien/ Programme/ Medien- oder Kommunikationswissenschaft und

  • Bibliotheksbetrieb / Betriebswirtschaftslehre

zuordnen ließ. Die meisten der auf Öffentliche Bibliotheken bezogenen Forschungsdesiderate und -programme lassen sich mehr oder weniger offensichtlich einem dieser drei Bereiche zuordnen.

Besonders wichtig ist aber, dass als viertes Zielsystem an allen untersuchten Stationen ein Kollektiv als Zielsystem der Bibliotheksarbeit avisiert wurde: das Volk, die Gesellschaft, und neuerdings die Community. Insofern ist ein soziologischer Ansatz für die Wissenschaft von der Öffentlichen Bibliothek prägend und durchgängig sichtbar (und sie unterscheidet sich dadurch deutlich von den wissenschaftlichen Bibliotheken, in denen der Community-Begriff erst in den letzten Jahren aufgetaucht ist). In den Theorien der 2010er Jahre (Lankes, Aundson und Jochumson) steht ausschließlich der soziologische Ansatz im Mittelpunkt.

Das Bibliotheksgut – also Medien und Inhalte, auch unter kommunikations- und medienwissenschaftlichem Ansatz betrachtet, ist im Lauf der Zeit immer abstrakter und weniger präsent geworden: Vom zentralen Instrument der BibliothekarInnen, zielgerecht eingesetzt zur Bildung der LeserInnen bei Hofmann, zu einem Medium der gesellschaftlichen Kommunikation bei Henning, bis zu Lankes, wo die physischen Medien weitgehend durch Interaktion zwischen Menschen ersetzt werden.

Der betriebs- und volkswirtschaftliche Bereich war in den 1920er und 1970er Jahren als konstitutiver Teil der Bibliothekswissenschaft sehr präsent und auch im 2005er Kompendium noch vertreten. 2018 taucht er jedoch überhaupt nicht mehr auf. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass betriebswirtschaftliche Instrumente seitens der Kommunen seit Anfang der 1990er Jahre flächendeckend eingesetzt wurden. Eine Erklärung könnte darin liegen, dass die Instrumente nun realisiert sind (und nicht mehr besprochen werden müssen), dass dieses Thema in der ökonomisch entspannten Situation der 2010er Jahre nicht drängend ist – oder dass im 2018er Sonderheft keine Praktiker sprechen. Wann immer diese zu Wort kommen, wird die Zentrale Forschungsfrage – nach dem Beweis der Wirkung der Bibliothek – explizit oder implizit geäußert.

Auffällig ist die starke Präsenz des Kindes im Fachdiskurs und in den Abschlussarbeiten seit 2010 – nicht jedoch in den untersuchten Forschungsprogrammen (außer als Lernende).

Aufschlussreich ist auch, welche Themen in den untersuchten Programmen fehlen. Das sind zum Beispiel:

  • technische Entwicklungen

  • Erschließungsthemen (jedoch unter entwicklungspsychologischen Aspekten bei Hofmann)

  • Erwerbungsfragen

  • Sammeln, Erschließen, Bewahren

  • Auch der Begriff Information taucht verhältnismäßig sparsam in allen untersuchten Texten auf.

Die zentralen Punkte der bibliothekarischen Tätigkeit in wissenschaftlichen Bibliotheken und der klassischen Bibliothekswissenschaft im Sinne einer Informationswissenschaft spielen in den Forschungsprogrammen für die Öffentlichen Bibliotheken also praktisch keine Rolle.

In Teil 1 dieses Beitrags wurde auf das Verhältnis zwischen Akademie und Profession, zwischen Forschung und Management eingegangen. Ergebnisse dieser Überlegungen waren unter anderem, dass es sich um zwei unterschiedliche Handlungsfelder mit jeweils anderen Aufgaben und Rollen handelt, und dass Ergebnisoffenheit Primat der Forschung ist, Erfolgsorientierung Primat des Managements. Parteinahme von ForscherInnen für Öffentliche Bibliotheken äußert sich dadurch, dass Öffentliche Bibliotheken und ihre NutzerInnen als Forschungsgegenstand gewählt werden.

Wie verhalten sich diese Überlegungen zu den Ergebnissen aus Teil 2? Zunächst hat sich gezeigt, dass das Konzept der getrennten Handlungsfelder nicht durchgängig beobachtet werden kann. Am klarsten präsent war es in der Situation der Akademisierung (FHB-Colloquium 1974) – hier sprachen Akademiker und Praktiker für Grundlagenforschung – und im Sonderheft 2018 von Bibliothek Forschung und Praxis, in dem es einen (fast) rein akademischen Diskurs gibt. Dagegen zeigt sich aus Sicht der Profession immer wieder ein ganz anderes Modell (besonders explizit im Beitrag von Klaus-Peter Böttger 2005): eine Beratungs- und Unterstützungsrolle der Hochschulen für die Bibliothekspraxis, die auf einer besonders engen und vertrauensvollen Beziehung zwischen beiden beruht. Neben dem Gegensatz zwischen Ergebnisoffenheit und Erfolgsorientierung könnten diese beiden verschiedenen Vorstellungen ein Grund für viele Missverständnisse und Rollenkonflikte zwischen Akademie und Profession sein – und ein Ansatz, um sie zu thematisieren und zu bearbeiten.

Des weiteren fällt auf, dass die aktuellen Abschlussarbeiten an den Hochschulen weit mehr Aspekte behandeln, die der Agenda der Bibliothekspraxis zuzuordnen sind (Kinder, Jugendliche, Neue Medien), als die, die im Themenheft Bibliothek Forschung und Praxis genannt sind. Selbstverständlich wählen sich Mittzwanziger BerufseinsteigerInnen andere Forschungsthemen als Mittfünfziger Akademiker. Aber trotzdem zeigt sich hier, dass der Bezug zwischen beiden Handlungsfeldern nach wie vor stark ist und in viele aktuelle Forschungsprojekte hinein wirkt.

Ausblick

Auf der Basis der Untersuchung können wir die Zuordnung von Forschung zu den drei klassischen Bereichen: Soziologie – Medien/ Inhalt – Betriebswirtschaft nun jeweils genauer untersuchen. Besonders interessant wäre das in Bezug auf den soziologischen Ansatz. Ihm stand die Wissenschaft von der Öffentlichen Bibliothek von Anfang an am nächsten. Die konkrete Ausrichtung dieses soziologischen Ansatzes hat sich aber sehr geändert. Es wäre sinnvoll zu untersuchen, welche Art Soziologie und welche Aspekte und Fragestellungen im Lauf der Zeit sich hinter dem Begriff Bibliothekssoziologie verbargen.

Die Auswertung der Abschlussarbeiten, die hier nur skizziert werden konnte, wird in einem folgenden Beitrag fortgesetzt und vervollständigt.

Auf die Ausrichtung der Forschung zu Öffentlichen Bibliotheken in anderen Ländern (insbesondere Skandinavien, GB und USA) konnte hier nicht mehr eingegangen werden; dies wäre ein relevanter nächster Schritt.

Literatur

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Wimmer, Ulla 2019c. Wo sind die Öffentlichen Bibliotheken in Forschung und Lehre?. In: Hauke, Petra (Hg). Öffentliche Bibliothek 2030: Herausforderungen-Konzepte-Visionen. Bad Honnef: Bock + Herchen Verlag. https://doi.org/10.18452/20169.


  1. Da diese Arbeit während des Corona-Lockdowns 2020 stattfindet, ist der Zugang zu gedruckter Literatur sehr eingeschränkt. Das ist für Forschung, die über die letzten 20 Jahre hinausreicht, ein Problem. Ich bitte um Verständnis für eine Reihe von indirekten Zitaten.↩︎

  2. Examen 1990 als Dipl-Bibl (ÖB) am Institut für Bibliothekarsausbildung und Bibliothekswissenschaft der Freien Universität zu Berlin.↩︎

  3. Davon drei Jahre in einer Bibliothek (Stadtbibliothek Berlin-Neukölln) und 18 Jahre für Bibliotheken im Deutschen Bibliotheksinstitut und beim Deutschen Bibliotheksverband.↩︎

  4. Seit 2012 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin.↩︎

  5. An dieser Stelle muss betont werden, dass Beobachten und Reflektieren selbstverständlich als theoretisches Modell der akademischen Tätigkeit gemeint sind. An der Hochschule liegen Modell und Realität genauso weit auseinander wie in der Bibliothek. In der akademischen Aufgabentrias Lehren – (Selbst-)Verwalten – Forschen ist das Forschen der vulnerabelste Teil. Wer glaubt, an einer Hochschule würde tagsüberbeobachtet und reflektiert”, ist zu einer teilnehmenden Beobachtung des modernen Hochschulmanagements an einer beliebigen Hochschule herzlich eingeladen.↩︎

  6. Quelle: Deutsche Bibliotheksstatistik, 2018.↩︎

  7. Mit Ausnahme der Deutschen Bibliotheksstatistik, an die sie alle melden.↩︎

  8. Noch schwerer ist Forschung nur bei Einrichtungen, die am Rand des Feldes angesiedelt sind, zum Beispiel Schulbibliotheken, von denen nicht einmal ein mehr oder weniger erschöpfendes Verzeichnis existiert.↩︎

  9. Und das sagt eine, die einen beträchtlichen Teil ihres Berufslebens mit dem Quantifizieren von Bibliotheksleistungen verbracht hat.↩︎

  10. https://web.archive.org/web/20200308055040/https://library.usask.ca/ceblip/eblip/what-is-eblip.php↩︎

  11. Während bei Hofmann aber das einzelne literarische Werk noch sehr hohen Stellenwert hat, ist 1973 die Literatur bereits zu Bibliotheksgut (oder dem Kommunikationsfluss) zusammengeschnürt.↩︎

  12. Es wäre zu fragen, warum Konrad Umlauf, zu dieser Zeit Professor am Lehrstuhl Öffentliche Bibliotheken am IB, nicht mit einem Beitrag in dem Band vertreten ist.↩︎

  13. https://ischools.org/↩︎

  14. https://hobohm.edublogs.org/2016/10/04/almpub-demokratischer-diskursraum-und-kultureinrichtungen/↩︎

  15. https://voyant-tools.org/↩︎


Ulla Wimmer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach Abschluss als Diplom-Bibliothekarin (ÖB) an der FU Berlin war sie im Deutschen Bibliotheksinstitut, in der Stadtbibliothek Berlin-Neukölln und beim Deutschen Bibliotheksverband tätig, bevor sie 2012 zur HU wechselte. 2003 MA in Kulturwissenschaft und Betriebswirtschaft. 2018 Promotion am IBI zum Thema “Die Geschichte vom großen Ö: die Position der Öffentlichen Bibliotheken im Bibliotheksfeld und im bibliothekarischen Fachdiskurs”. Lehrgebiete und Forschungsinteressen: Management-, kulturwissenschaftliche, historische und soziologische Aspekte von Bibliothek und Information, Feld- und Professionssoziologie, Genderfragen sowie quantitative Methoden, Messen und Statistik.