Am 13. Juni 2018 veröffentlichte John Sherer von der Open Access Monography Initiative einen Blogpost, der sich der Zukunft der wissenschaftlichen Monographien und deren Finanzierung in der Geschichtswissenschaft widmet (Sherer 2018). Unterstützt von der Andrew W. Mellon Foundation untersucht das Projekt, welche Strategien Bibliotheken nutzen können, um langfristig die Finanzierung von Buchpublikationen sicherstellen zu können.
Dabei kommt das Projekt zu folgendem Schluss:
we’ve determined that a standard 312-page book that sells 450 copies at a price point of $40 incurs a loss to the Press of almost $14,000.
In anderen Worten: Bei Erlösen von 18.000 USD beträgt der Verlust immer noch 14.000 USD. In der Produktion kostet der Titel also 32.000 USD (28.000 EUR). Das kann man nun in Arbeitszeit umrechnen. Bei TVÖD E-11 ergeben sich ungefähr sechs Monate Vollbeschäftigung. Diese Zahlen versetzen Uneingeweihte regelmäßig in Erstaunen. Was könnte man in einem halben Jahr nicht sonst noch alles anstellen! Das Projekt Open Access History Monograph Initiative
ist in dieser Hinsicht aber keine Einzelfall. Maron et al. (2016) fanden bei Universitätsverlagen Gestehungskosten zwischen 15.000 und 129.000 USD pro Titel.
Bei kommerziellen Verlagen sieht es ähnlich aus. Der Brill-Verlag nimmt zum Beispiel 18.500 EUR für einen unter CC-BY zu veröffentlichenden Titel.1
Intuitiv wird nicht sofort klar, was diese hohen Kosten bedingt. Kosten von circa 100 EUR pro Seite würden ja in erster Näherung eine durchaus eingehende Beschäftigung mit dem Drucksatz, der Auswahl des Papiers oder auch des Versandes erlauben. Wie genau sich diese Kosten zusammensetzen, erfährt man jedoch nicht. Selbst wenn es einige Überblicksstudien gibt (Maron et al. 2016, Ferwerda et al. 2017), so weisen diese doch stets nur die aggregierten Kosten aus. Der Stand 2018 ist, dass die Kostenstruktur von wissenschaftlichen Büchern für die Allgemeinheit ein Buch mit sieben Siegeln ist.
Im Zuge der Bewegung von New Scholarly Presses beziehungsweise Academic-Led Presses (Adema & Graham 2017) soll die Hoheit über den Publikationsprozess von den Verlagen wieder zurück in den akademischen Bereich verlagert werden. Die Probleme im kommerziellen Verlagsbereich sind offensichtlich (Preisgestaltung, Zugänglichkeit). Andererseits stellt sich die Frage, welche Institution strukturell alle Veröffentlichungen mit einem fünfstelligen Betrag bezuschussen möchte. Wenn die Buchproduktion in der Tat in den heimatlichen akademischen Hafen geholt werden soll, muss klar sein, wer dafür mit wieviel in den Ring steigt. Oder aber, es muss, alternativ, klar werden, wie die Kostenstruktur nun eigentlich wirklich ist, und ob man wirklich all diesen Aufwand betreiben muss, um ein Buch von 300 Seiten ordentlich zu produzieren und zu vertreiben. Mit anderen Worten, die Verlage müssten sich, man verzeihe mir das Wortspiel an dieser Stelle, in die Bücher schauen lassen. Dann könnte man feststellen, wieviel nun eigentlich wirklich der Satz kostet, wieviel der Vertrieb, wieviel die Akquise, und ob all diese Ausgaben sinnvoll erscheinen.
Was zu tun ist
Inventarisierung der Tätigkeiten
Was bedeutet Offene Buchhaltung in diesem Kontext? Als nullter
Schritt muss erstmal expliziert werden, was eigentlich genau erstellt werden soll. Welches Produkt oder welche Dienstleistung soll für wen angeboten werden, und welche Wünsche oder Anforderungen können damit erfüllt werden? Von dieser abstrakten Darlegung aus kann man sich dann auf konkreteres Terrain begeben und die einzelne Produkte/Dienstleistungen mit damit verbundenen Aufgaben versehen. Dadurch ergibt sich eine Liste mit Tätigkeiten. Berühmt-berüchtigt ist in diesem Kontext die Liste n things which publishers do
von Scholarly Kitchen (Anderson 2018). Der derzeitige Wert für n ist in dieser Liste 102.
Bezifferung der Kosten
Ausgehend von einer derartigen Liste (die auch durchaus eine geringere Länge haben kann) können dann die damit assoziierten Kosten ermittelt werden. Im Zeitschriftenbereich gibt es jetzt mit TTOA eine entsprechende Initiative:2
A fully transparent publication fee (PF) is key in our approach: participating publishers have agreed to provide a breakdown of the per-article costs of publishing.
Veröffentlichung der Kosten
Der wesentliche Vorteil von nicht gewinnorientierten Verlagen liegt darin, dass sie freigiebig ihr Wissen teilen können. Das bezieht sich einerseits auf Methoden, aber andererseits auch auf Zahlenmaterial. Traditionelle Verlage haben jahrzehnte- bis jahrhundertelange Erfahrung in der Buchproduktion. Um dagegen bestehen zu können, müssen nicht gewinnorientierte Verlage ihr Wissen und ihre Erfahrungen teilen.
Language Science Press hat 2015 einen Blogpost veröffentlicht, der eine erste Näherung ermöglicht (Nordhoff 2015). Es wurden zwei verschiedene Modelle zur Kalkulation der Kosten vorgestellt: Im Top-Down-Ansatz nimmt man einfach alle angefallenen Kosten eines Jahres und teilt sie durch die Anzahl der Bücher. Im Bottom-Up-Ansatz erstellt man eine umfangreiche Liste aller mit der Buchpublikation verbundenen Aufgaben und schätzt die zur Erfüllung jeweils notwendige Zeit.
Der Top-Down-Ansatz ergab für das Jahr 2015 bei Einrechnung aller Kosten circa 30.000 EUR/Titel. Darin waren die Kosten für den Aufbau von Language Science Press inbegriffen, im wesentlichen Programmierkosten zur Anpassung der Software Open Monograph Press. Die Projektion für den laufenden Betrieb (ohne weiteren Programmieraufwand) unter der Top-Down-Analyse waren 7.500 EUR.
Im Bottom-Up-Ansatz ergaben sich damals geringere Kosten, ungefähr 3.500 EUR/Titel. Der Unterschied zwischen Top-Down und Bottom-Up kann darauf zurückgeführt werden, dass im Jahr 2015 die Einreichungsdichte noch nicht sehr hoch war und nicht kontinuierlich zu bearbeitende Titel vorrätig
waren. Die freie Zeit wurde zur Dokumentation und für verschiedene Verfeinerungen genutzt, die aber für die eigentliche Buchproduktion streng genommen nicht notwendig waren. Dazu gehören zum Beispiel das Nachzeichnen von geographischen Karten im Vektorformat, um ein schöneres Druckbild zu erhalten.
Im Buchbereich hat Rupert Gatti ebenfalls 2015 für Open Book Publishers (OBP) einige Zahlen veröffentlicht (Gatti 2015). Die kalkulatorischen Kosten eines Titels sind dort 10.512 USD. Dies ist mit den projizierten Kosten von Language Science Press für den laufenden Betrieb vergleichbar. Gatti gibt auch eine Aufschlüsselung der Kosten an. Dabei beschränkt er sich aber auf eine sehr grobe Einteilung in title setup (6.369 USD), cost of sales (1.657 USD) distribution (1.015 USD) und overhead (1.471 USD). In dieser geringen Granularität hilft das natürlich nicht recht weiter. Was beinhaltet denn nun title setup genau, und zu welchen Anteilen? Bei Language Science Press werden immerhin 17 verschiedene Tätigkeitsfelder prozentual ausgewiesen, von denen die Autorenbetreuung mit 40 % den Löwenanteil ausmacht.
Inventarisierung der Einnahmequellen
Analog zu den Ausgaben kann man auch bei den Einnahmemöglichkeiten verfahren. Auch hier ist als erstes eine Inventarisierung der möglichen Einnahmearten angebracht. Wer soll wie an den Kosten beteiligt werden? Leser über Freemium, Autoren über Gebühren, Bibliotheken über Mitgliedschaften, Forschungsförderer über Projektmittel?
Bezifferung der projizierten Einnahmen
In gleicher Weise können nun den einzelnen Einnahmequellen Größen zugeordnet werden. Hierbei handelt es sich zuerst um Schätzungen, die dann später mit den tatsächlich erzielten Einnahmen abgeglichen werden können.
Veröffentlichung der Einnahmen
In dem Blogpost von OBP finden wir folgende Einnahmen:
- Sales (82.873 USD),
- Title grants (68.396 USD),
- Library membership (30.986 USD) und
- OBP grants (15.708 USD).
Ungefähr 40 % entfallen also auf den Verkauf, während fast der gleiche Wert auf Grants entfällt.
Zusammenfassung offene Buchhaltung
Um für die allgemeine Öffentlichkeit Transparenz hinsichtlich der Kosten der Monographieproduktion herzustellen, müssen also Kosten sowie Einnahmen erstmal gelistet werden, dann beziffert, und schließlich zur Nachnutzung veröffentlicht werden (idealerweise als CC0-lizenzierter Datensatz). Die Auflistung der verschiedenen Kosten/Einkommensarten läuft im allgemeinen gut, bei der Bezifferung und Aufschlüsselung sieht es schon anders aus. Verschiedene Universitätsverlage weisen diese zum Beispiel noch nicht einmal intern aus. Die Veröffentlichung derartiger Zahlen schlussendlich ist eindeutig noch ein Desideratum, und nur vereinzelt finden sich etwas genauere Aufschlüsselungen, wie zum Beispiel von OBP.
(Offensichtliche Analogien ergeben sich hier zu dem OpenAPC-Projekt im Zeitschriftenbereich: https://treemaps.intact-project.org/)
Das Projekt Full Disclosure
Das OpenAire-Programm der EU hat im letzten Jahr einen Call zu Alternative Funding Mechanism for non-author fee based Open Access Publishing veröffentlicht. In dessen Rahmen wurde das Projekt Full disclosure: replicable strategies for book publications supplemented with empirical data
von Language Science Press mit 18.500 EUR gefördert. Ziel ist hier, das Geschäft von Language Science Press genau zu beschreiben, um so eine Nachnutzung/Replizierung zu ermöglichen. Dies umfasst sowohl die qualitative Perspektive, wie zum Beispiel Arbeitsabläufe, wie auch die quantitative Perspektive: Geschäftszahlen.
Folgende Dokumente liegen nun vor:
- Das Geschäftsmodell von 2015 mit einer Evaluation aus dem Jahr 2018
- Die Geschäftszahlen aus dem Jahr 2017
- Eine granulare Tabellenkalkulation über fünf Jahre mit insgesamt 100 Variablen für Kosten und Einnahmen
- Ein
Kochbuch
für die qualitativen Aspekte, von der Rechtsform bis zum Community Building.
Geschäftsmodell
Im Jahr 2015 entwickelte eine Betriebswirtschaftlerin ein Geschäftsmodell für die Verstetigung von Language Science Press über fünf Jahre, das zur Vorlage an die Leitung der Freien Universität Berlin bestimmt war. Dieses Geschäftsmodell folgt einer üblichen Blaupause mit Analyse des Produkts, der Kunden, des Wertversprechens, der Einnahmearten. Weiterhin werden Aufwände in Zeit und Geld, Personalbedarf und Kostendeckungsbeiträge verschiedener Einnahmearten projiziert.
Das Modell hat den Vorteil, dass es auf einer qualitativen Grundlagen die erwarteten Werte in Bezug auf Kosten und Einnahmen quantifiziert. Rückblickend kann man sagen, dass die Erwartungen weit von der Realität entfernt waren. Beispielsweise stehen im Geschäftsmodell Spendeneinnahmen von 9.600 EUR, realisiert wurden jedoch nur 2.500 EUR. Aber gerade durch die quantifizierten Vorhersagen ergeben sich hier interessante Erkenntnisse. Die einzelnen Abschnitte des Geschäftsmodells werden mit den tatsächlich realisierten Kosten/Einnahmen verglichen und mögliche Alternativen werden aufgezeigt.
Geschäftszahlen aus dem Jahr 2017
Die folgenden Zahlen stehen als csv-Dateien zum Download zur Verfügung:
- Zugriffszahlen auf der eigenen Webseite, GoogleBooks, DOAB
- Printverkäufe
- Spendeneinnahmen
- Mitgliedschaftseinnahmen
- Ausgaben (Personal, Reisen, Rechtsbeistand, …)
Die Personalausgaben sind allerdings nicht den einzelnen Tätigkeitsfeldern zugeordnet, da eine entsprechende granulare Zeiterfassung nicht vorgenommen wurde.
Tabellenkalkulation
Um die Personalausgaben besser Tätigkeiten zuordnen zu können, wird die interne Tabellenkalkulation mit 100 Variablen veröffentlicht. Die Variablen beginnen mit der projizierten Anzahl Veröffentlichungen pro Jahr und gehen dann über die erwarteten Printverkäufe, die Anzahl Spender und den durchschnittlichen Spendenbetrag zu dem zeitlichen Aufwand, der verschiedenen Aufgaben zugemessen wird: Autorenbetreuung, Korrektorat, Textsatz, Koordination mit Dienstleistern, Dokumentation, Lobbying et cetera. Die einzelnen Aufgaben sind jeweils einer Beschäftigtengruppe zugeordnet (Professur, Postdoc, Sekretariat, Hilfskraft). Aus dem tariflichen Gehalt können so die Personalkosten ermittelt werden, die dann auf die veröffentlichten Bücher umgelegt werden. So ergibt sich ein kalkulatorischer Preis pro Buch. Ebenfalls können Korrektorat und Satz outgesourct werden. Dadurch verringert sich der interne Personaleinsatz, aber die externen Kosten pro Buch erhöhen sich. Die Tabellenkalkulation läuft über fünf Jahre. Die Annahme ist, dass kein Projekt länger als fünf Jahre defizitär betrieben werden wird.
Kochbuch
Das Kochbuch beinhaltet Grundlagen der Community-basierten Buchproduktion, Tipps und Tricks, Fallstricke sowie Lessons Learned und ist als qualitative Ergänzung der Kalkulationen gedacht.
Einsichten
Der Vorteil eines quantifizierten Modells ist, dass man es mit der Realität abgleichen kann. Hier der Abgleich für das Jahr 2017:
Quelle | Soll | Ist |
---|---|---|
Printmarge | 24.000 € | 5.977 € |
BPCs | 48.000 € | 2.500 € |
Institutionelle Mitgliedschaften | 56.000 € | 0 € (85.000 €²⁰¹⁸) |
Spenden | 9.600 € | 2.500 € |
Mitgliedsbeiträge | 13.200 € | 120 € |
Kontext: veröffentlichte Titel | 48 | 26 |
Man erkennt mühelos, dass das ursprüngliche Modell überhaupt in 4/5 der Fälle überhaupt nicht tragfähig war. Die 85.000 EUR durch Institutionelle Mitgliedschaften fallen ebenfalls erst im Jahr 2018 an, übertreffen aber die kalkulierten Einnahmen und stellen für sich allein mehr als siebenmal soviel wie alle anderen Einnahmearten zusammen.
Verglichen mit den Zahlen von OBP aus 2015, die 40 % Kostendeckungsbeitrag durch Printverkäufe zeigten, ergibt sich hier also ein vollkommen anderes Bild: Die Printmarge kann keinen wesentlichen Beitrag leisten. Die eindeutige Schlussfolgerung aus diesen Zahlen ist, dass eine Finanzierung über Institutionelle Mitgliedschaften/Konsortialmodelle am vielversprechendsten ist. Man kann darüber hinaus durchaus die Frage stellen, ob man auf die anderen Einkommensarten nicht komplett verzichten kann, um das Modell noch weiter zu vereinfachen. Diese Erkenntnis ist intern bei Language Science Press schon länger verbreitet, durch die Veröffentlichung der Zahlen können jetzt aber auch andere Projekte davon profitieren. Die Soll-Ist-Analyse ist allerdings nur möglich, weil das Soll vorher bereits beziffert wurde.
Auf der Ausgabenseite finden sich 76.054 EUR an Personalkosten. Verglichen damit sind alle anderen Ausgabenarten nebensächlich. Eine Erhöhung/Senkung der Personalkosten hat also einen wesentlichen Einfluss auf die Kosten pro Titel. Eine minutengenaue Aufschlüsselung der Tätigkeiten der Angestellten liegt nicht vor, wie schon oben erwähnt entfällt aber der Löwenanteil auf die Autorenbetreuung. Jede Vereinfachung in diesem Bereich schlägt sich also signifikant nieder. Dazu gehören deutlichere Dokumentation (Handreichungen, Screencasts), bessere Templates, Tools zur Unterstützung der Autoren bei der richtliniengetreuen Erstellung von Manuskripten. Ein nicht zu unterschlagender Aspekt ist, dass der Koordinator von Language Science Press die wesentlichen Bereiche Autorenbetreuung, Textsatz und Serveradministration aus einer Hand abdecken kann und daher keine Koordinationskosten oder Reibungsverluste zwischen Teammitgliedern anfallen.
Im Jahr 2017 veröffentlichte Language Science Press 26 Titel. Auf Basis der vorliegenden Zahlen ergeben sich aufs Neue kalkulatorische Kosten pro Titel zwischen 3000 und 4000 EUR. Ab 2018 wird Raummiete als Kostenposten dazukommen, so dass die Zahl sich den 4000 nähern wird.
Als abschließende Erkenntnis sei noch angemerkt, dass fast alle verlagsseitigen Kosten bei der Aufbereitung des Manuskripts für den Druck anfallen:
- Die Forschungsleistung kostet den Verlag nichts.
- Die Erstellung der eingereichten Version kostet den Verlag nichts.
- Die Begutachtung wird von den Reihen organisiert und kostet den Verlag nichts.
- Die Überarbeitung des Manuskripts durch die Autorin kostet den Verlag nichts.
- Die Aufbereitung des Manuskripts in Zusammenarbeit mit der Autorin verursacht wesentliche Kosten.
- Die digitale Distribution kostet pro Buch minimal (Aufwand 1–2 Stunden).
- Druck und Vertrieb kosten den Verlag in Zeiten von print-on-demand quasi nichts (Aufwand <1 Stunde).
- Lagerhaltung entfällt.
- Archivierung bei Zenodo kostet den Verlag nichts.
Warum kostet ein wissenschaftliches Buch denn nun 28.000 EUR?
Die Eingangsfrage dieses Artikels war Warum kostet ein wissenschaftliches Buch 28.000 EUR?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir wissen, was eigentlich genau produziert wird, welche Tätigkeiten damit verbunden sind, und mit wieviel diese Tätigkeiten zu Buche schlagen. Die Frage, warum ein Buch nun 28.000 EUR kostet, kann vermutlich nur John Sherer beantworten, ich hoffe aber, dass ich in diesem Artikel darlegen konnte, warum Language Science Press auf kalkulatorische Kosten von 3.500 EUR pro Buch kommt.
Durch die Veröffentlichung des Geschäftsmodells, der Kalkulationsmethode und der Zahlen können andere Projekte jetzt feststellen, was sie gleich/anders machen, und wie sie daher auf höhere/niedrigere Kosten kommen. Hierbei ist das Ziel allerdings nicht Pfennigfuchserei, sondern ein realistischer Einblick in die Unterschiede zwischen Disziplinen. Meine Vermutung wäre, dass zum Beispiel in der Philosophie die Texte im Allgemeinen typographisch weniger anspruchsvoll sind als in der Sprachwissenschaft und daher der Aufwand pro Buch auch geringer sein sollte. Auf der anderen Seite würde ich bei der Kunstgeschichte von höheren Kosten pro Band ausgehen. Um diese Vermutung zu belegen, brauchen wir aber ebenfalls vergleichbare Zahlen aus diesen Disziplinen.
Mit TTOA gibt es diese Bestrebungen bereits für den Zeitschriftenbereich auf Verlagsseite (interessanterweise bei Kosten von 1.400 EUR pro Artikel), mit dem OpenAPC-Projekt als Widerpart bei den Bibliotheken. Ziel ist, ähnliches auch für die Buchproduktion zu etablieren. Ubiquity Press oder Open Book Publishers weisen bereits gewisse Zahlen aus. Für einen Open-Access-Verlag sollte es selbstverständlich sein, neben den Büchern und der verwendeten Software auch die Geschäftsprozesse und Workflows zur Nachnutzung freizugeben, ergänzt um die tatsächlichen Geschäftszahlen. Jean-Sébastien Caux hat hierfür in Abgrenzung zu Gold OA
und APC-freiem Platinum OA
den Begriff Palladium OA
geprägt (Caux 2017). Ein Palladium-OA-Verlag wird von ihm definiert als
Palladium [Pd] publisher runs a purely not-for-profit public enterprise: none of its activities generate any profit, and all financial statements are publicly disclosed
Wie im vorigen Abschnitt dargelegt, entstehen eigentlich nur bei der Aufbereitung des Manuskripts wesentliche Kosten im Verlag. Wenn Verlage nun also auf kalkulatorische Kosten von bis zu 129.000 USD kommen, haben sie also entweder eine sehr aufwendige Aufbereitung, oder aber sie geben Geld in anderen Bereichen aus, wo das aus meiner Sicht nicht angezeigt ist, beispielsweise Lagerhaltung oder Vertrieb über einen eigenen Webshop. Auch hier kann Transparenz helfen. Die Entscheidung, dass die Kostenstruktur veröffentlicht wird, sollte recht automatisch zu einem Überdenken der einzelnen Posten führen.
Warum kostet ein wissenschaftliches Buch nun 28.000 EUR? Ich weiß es nicht und es erschließt sich mir nicht. Ich weiß aber, dass alle Open-Access-Verlage davon profitieren werden, wenn sie ihre Kostenstrukturen im Rahmen von Offenen Büchern teilten. Mit dem Projekt Full Disclosure ist hier ein Anfang gemacht. Es ist nicht davon auszugehen, dass Language Science Press mit seinem Modell im ersten Anlauf den Stein der Weisen gefunden hat, daher bitte ich um rege Kritik des Ansatzes und um die Veröffentlichungen weiterer Zahlen, auf dass sich ein empirischer Vergleich anstellen lasse.
Dokumente
Das Geschäftsmodell von Language Science Press steht auf PaperHive zum Collaborative Reading
bereit: https://paperhive.org/documents/items/fDiLi_1bkqDQ.
Das Kochbuch findet sich auf https://paperhive.org/documents/items/RoiQzwhr4uRT.
Die Geschäftszahlen finden sich auf https://github.com/langsci/opendata.
Literatur
Adema, Janneke & Stone Graham. 2017. Changing publishing ecologies: A landscape study of new university presses and academic-led publishing. http://repository.jisc.ac.uk/6666/1/Changing-publishing-ecologies-report.pdf
Anderson, Kent. 2018. Focusing on Value — 102 Things Journal Publishers Do (2018 Update). Scholarly Kitchen, 06.02.2018. https://scholarlykitchen.sspnet.org/2018/02/06/focusing-value-102-things-journal-publishers-2018-update/.
Caux, Jean-Sébastien. 2017. Noble metals for a noble cause. 20.09.2017. https://jscaux.org/blog/post/2017/09/20/noble-metals-noble-cause/.
Ferwerda, Eelco et al. 2017. A landscape study on open access and monographs: policies, funding and publishing in eight European countries. Knowledge Exchange. https://doi.org/10.5281/zenodo.815932.
Gatti, Rupert. 2015. Introducing Data to the Open Access Debate: OBP’s Business Model (Part Three). Open Book Publishers Blog, 15.10.2015. https://doi.org/10.11647/OBP.0173.0016.
Maron, Nancy L. et al. 2016. The costs of publishing monographs: Toward a transparent methodology DOI: https://doi.org/10.18665/sr.276785 .
Nordhoff, Sebastian. 2015. What’s the cost of an open access book? Language Science Press Blog, 29.09.2015. https://userblogs.fu-berlin.de/langsci-press/2015/09/29/whats-the-cost-of-an-open-access-book/.
Sherer, John. 2018. Open Access History Monograph Initiative. Longleaf Services Blog, 13.06.2018. http://www.longleafservices.org/blog/oa-monographs/.
Sebastian Nordhoff ist promovierter Linguist und Geschäftsführer von Language Science Press. Vor dem Aufbau von Language Science Press lag sein Schwerpunkt auf Sprachkontakt in Paraguay und Sri Lanka. Im Rahmen von Open Access, Open Science, Open Data, Open Everything hat er unter anderem zu Linguistic Linked Open Data gearbeitet sowie die bibliographische Web-Plattform glottolog.org zu sprachlicher Diversität mitentwickelt. Kontakt: mailto:sebastian.nordhoff@langsci-press.org