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Scholarly Makerspaces – Ein Zwischenbericht zum DFG-Projekt FuReSH


Zitiervorschlag
Ben Kaden, Michael Kleineberg, "Scholarly Makerspaces – Ein Zwischenbericht zum DFG-Projekt FuReSH". LIBREAS. Library Ideas, 35 ().


An der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin wird aktuell eine Konzeptstudie zur Idee der so genannten Scholarly Makerspaces erarbeitet. Mit diesem Ansatz soll die Vermittlung von Bausteinen der digitalen Forschung in den Kultur- und Geisteswissenschaften auch über den Kernbereich der Digital Humanities hinaus auf lokaler Ebene verbessert werden. Aus bibliothekarischer Sicht versteht sich die Idee zugleich als ein Angebot, um die Rolle von Universitätsbibliotheken in ihrem jeweiligen Bedingungs- und Wirkungsrahmen explizit als Partner der Forschung zu untersuchen und Möglichkeiten einer differenzierten Vermittlung so genannter digitaler Literarizitäten über den sehr allgemeinen Begriff der Informationskompetenz hinaus auszuloten. Aus Sicht der Entwicklung von digitalen Forschungswerkzeugen ermöglichen Scholarly Makerspaces einen besseren Zugang zu Zielgruppen in der Breite und damit neue Vermittlungs- und Kommunikationsmöglichkeiten für Anbietende. Der Bericht dokumentiert den Zwischenstand anhand ausgewählter Aspekte. Die Gesamtstudie wird Ende des Jahres 2019 vorgelegt.

1 Projektziel

Das DFG-Projekt Future e-Research Support in the Humanities (FuReSH)1, angesiedelt an der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin, erarbeitet eine Konzeptstudie zur Implementierbarkeit von sogenannten Scholarly Makerspaces in das Dienstleistungsangebot von Universitätsbibliotheken. Den Ausgangspunkt bildet die Annahme, dass das traditionelle, primär auf bestandsbezogene Bereitstellung und Erschließung fokussierende Serviceverständnis Wissenschaftlicher Bibliotheken nicht ausreicht, um datenintensive und toolbasierte digitale Arbeits- und Forschungsformen organisatorisch, fachlich und technisch in der notwendigen Breite zu unterstützen.

Im Bibliothekswesen greifen digitale Technologien auf Traditionslinien beispielsweise der Online-Datenbanken, Verbundkatalogisierung oder auch digitaler Dokumentenlieferung zurück, die seit den 1990er Jahren unter dem Begriff der Digitalen Bibliothek erheblich erweitert einen großen Teil des Aufgabenfeldes der Bibliotheken prägen. Selbst wo der Schwerpunkt auf der Versorgung mit Printmaterialien verbleibt, sind Nachweis und Retrieval in den überwiegenden Fällen digital. Spätestens mit der Open-Access-Bewegung und dem Aufkommen von Publikationsservern und Repositorien werden Wissenschaftliche Bibliotheken und damit auch Universitätsbibliotheken zu Infrastruktur- und Serviceanbietern für die digitale Wissenschaft.

Die Konzeption von Scholarly Makerspaces schließt an diese Tradition an und verknüpft sie mit der Idee der Wissenschaftlichen Bibliothek als einem Labor der Geisteswissenschaften, in dem Materialien und Werkzeuge für geisteswissenschaftliche Forschung an einem Ort direkt vermittelt werden. Hierbei werden digitale Inhalte und Ressourcen nicht mehr nur nach traditionellem Verständnis als „lokal” vorgehaltene Bibliotheksbestände gesammelt, erschlossen und für die Nutzung zur Verfügung gestellt. Vielmehr müssen bestandsübergreifend digitale Quellenmaterialien beziehungsweise Forschungsdaten für ihre Nutzung und Nutzbarkeit in vernetzten Forschungskontexten von Bibliotheken aufbereitet und kuratiert werden.

Zur Unterstützung digitaler geistes- und kulturwissenschaftlicher Forschung ist damit also nicht nur die Vermittlung digitaler Forschungsdaten (beispielsweise Text- und Bildmaterialien beziehungsweise Korpora), sondern auch der entsprechenden Analyse- und Bearbeitungswerkzeuge, basaler Verständnis- und Nutzungskompetenzen sowie relevanter übergeordneter Kontexte notwendig. Da entsprechende Nutzungskompetenzen aufgrund der technischen Anforderungen, der Spezifik der Lösungen sowie wissenschaftsstruktureller Bedingungen in vielen Fällen nicht vorausgesetzt werden können, liegt ein Schwerpunkt auf der Vermittlung einer grundlegenden digital literacy, die ausdrücklich auch die Reflexion über die digitale Transformation in den Geistes- und Kulturwissenschaften einschließt beziehungsweise auf eine solche hinleitet.

Der Ansatz der Scholarly Makerspaces ist durch die bislang hauptsächlich in Öffentlichen Bibliotheken etablierten Makerspaces als Arbeits- und Experimentierräume inspiriert. In diesen wird eine ergebnisoffene und Community-orientierte Auseinandersetzung mit physischen und digitalen Werkzeugen und Technologien in offenen sozialen Räumen angeregt und ermöglicht. Die Idee der Scholarly Makerspaces spezifiziert diesen Ansatz dahingehend, dass sie sich erstens primär auf digitale Werkzeuge bezieht und zweitens dezidiert auf Forschungskontexte richtet, insbesondere auf die infrastrukturelle Unterstützung von e-Research in den Geistes- und Kulturwissenschaften.

Zusammengefasst bieten Scholarly Makerspaces offene, dynamische und auf Rückkopplung orientierte Infrastrukturen für digital geprägte geistes- und kulturwissenschaftliche Forschung mit den Schwerpunkten:

  • Ausrichtung der Serviceinfrastruktur von Universitätsbibliotheken sowohl technologisch als auch konzeptionell auf die Bedürfnisse vorwiegend der lokalen digitalen Wissenschaftspraxis in den Kultur- und Geisteswissenschaften;
  • Zugänglichmachung und Kuratierung bestehender digitaler Werkzeuge und anderer Ressourcen für die Forschung und Lehre;
  • Zugänglichmachung und Kuratierung geeigneter digitaler Forschungsmaterialien;
  • Kompetenzvermittlung durch Schulungen, Tutorials und weitere Veranstaltungen;
  • Aufbau eines Kontakt- und Kooperationsnetzwerkes zur Vermittlung von Expertise externer Ansprechpartner;
  • Stetige Erhebung der Bedarfe und Ansprüche der Fachwissenschaften zur künftigen Infrastruktur- und Serviceentwicklung mit den Zielstellungen a) der weiteren iterativen Entwicklung des Angebotes und b) der Kommunikation an im Betrachtungsfeld generell aktive Stakeholder;
  • Fortlaufendes Monitoring von Trends und neuen Angeboten2 sowie Prüfung auf ihre jeweilige Relevanz und Integrierbarkeit mit dem Serviceprofil der Scholarly Makerspaces.

Das Ziel der Konzeptstudie besteht darin, die Realisierbarkeit von Scholarly Makerspaces unter Einschluss der dafür notwendigen Aufwände und Bedingungen zu analysieren und die Chancen einer tragfähigen Umsetzung zu bewerten. Ergebnis der Studie wird ein Prozess- und Organisationsmodell zur Umsetzung der Scholarly Makerspaces unter Berücksichtigung von Aufwands- und Kostenkalkulation zur Vorbereitung einer prototypischen Entwicklung von Scholarly Makerspaces an der Humboldt-Universität zu Berlin sein.

2 Verfahren und Zwischenauswertung

Um die Projektziele zu erreichen, verfolgt FuReSH mehrere Verfahren zur Datenerhebung und -auswertung. Als Grundlage einer Bedarfs- und Anforderungsanalyse werden neben einer Literatur- und Quellenanalyse einschließlich einer Sammlung von Best-Practice-Lösungen, Testläufe mit bestehenden digitalen Werkzeugen vollzogen sowie eine Reihe von qualitativen Leitfadeninterviews mit Expertinnen und Experten sowohl der geisteswissenschaftlichen Fach-Communities als auch des Infrastrukturbereiches durchgeführt. Zudem stellt das FuReSH-Projekt die Konzeption von Scholarly Makerspaces auf Veranstaltungen zur Diskussion und führt Workshops durch, in denen offene Fragen diskutiert werden. Zu den Kooperationspartnern des Projektes zählen unter anderen die Forschungsverbünde CLARIN-D3 und DARIAH-DE4, die insbesondere bei der Auswahl und Vermittlung von digitalen Werkzeugen und Diensten mit ihrer Expertise zur Verfügung stehen.

2.1 Beispiele digitaler Forschungswerkzeuge

Das Angebot an Ressourcen und Werkzeugen für die digitale Forschung in den Geistes- und Kulturwissenschaften ist mittlerweile sehr groß und wird oft als unübersichtlich empfunden.5 Einen generellen Überblick bieten das nach Forschungsprozessen angeordnete Verzeichnis Digital Research Tools6 sowie die noch umfangreichere Database of Scholarly Communication Tools7. Allgemein ist es sinnvoll zwischen allgemeinen digitalen Werkzeugen (zum Beispiel Textverarbeitungsprogramme, Literaturverwaltungssysteme, Cloudspeicher, Etherpads, Wikis, Repositorien) und dezidierten digitalen Forschungswerkzeugen zu unterscheiden, die zur Analyse von Forschungsobjekten eingesetzt werden. Allgemeine digitale Werkzeuge werden in den Scholarly Makerspaces dort für die Vermittlung berücksichtigt, wo sie einen sinnvollen Mehrwert für die digitale kultur- und geisteswissenschaftliche Forschung bieten.

Welche konkreten Angebote an digitalen Forschungswerkzeugen in Scholarly Makerspaces integriert werden, hängt von mehreren Leitkriterien ab:

  • den Anforderungen der Zielgruppen,
  • der Entwicklungsreife der Werkzeuge,
  • der Relevanz und einer eventuellen Etablierung in den Communities,
  • den lokalen Vermittlungsressourcen
  • und gegebenenfalls die Berücksichtigung und Unterstützung der Ansprüche offener Wissenschaft.

Zudem sollen die Ansprüche und Bedarfe der jeweils lokal anzutreffenden Zielgruppen besonders berücksichtigt werden. Nachfolgend werden kurz einige Beispiele bewährter digitaler Forschungswerkzeuge benannt.

CATMA

Ein zentrales Anwendungsfeld digitaler Forschung in den Geistes- und Kulturwissenschaften besteht im Bereich der Annotation. Hierfür steht mittlerweile eine große Vielfalt von unterschiedlichen Werkzeugen zur Verfügung, oft Open Source, die je nach Szenario direkt über die Scholarly Makerspaces angeboten oder vermittelt werden könnten. Ein Beispiel dafür ist CATMA (Computer Assisted Text Markup and Analysis), das webbasierte und kollaborative Funktionen zur Korpuszusammenstellung, Annotation, Analyse und Visualisierung von Texten ermöglicht.8 Die Software erweist sich hinsichtlich der Funktionalität und Usability als besonders weit entwickelt und hat zudem niedrige Zugangshürden.

Hypothes.is

Eine weitere niedrigschwellige Anwendung im Bereich der Annotation ist der so genannte Conversation Layer des Hypothes.is-Projekts.9 Er ist rein browserbasiert und bildet eine Art Verbindung zu Social-Media-Anwendungen. Die Lösung ermöglicht es, Komponenten auf beliebigen Webseiten zu annotieren und über Tags zu erschließen. Sie bietet sich insbesondere zur Erzeugung eines grundlegenden Verständnisses des Prinzips der digitalen und vernetzenden Annotation an. Die Lösung ist dank ihrer Niedrigschwelligkeit insbesondere als Ausgangspunkt für die methodologische Reflexionsarbeit geeignet.

Voyant Tools

Voyant Tools bieten eine niedrigschwellige Arbeitsumgebung, die digitale Werkzeuge bereitstellt, um Texte quantitativ zu analysieren und zu visualisieren.10 Die Angebote stehen für eine Nachnutzung zur Verfügung. Sie bieten sich auf Workstations oder auch als Plattformdienste vor allem zu didaktischen Zwecken an und ermöglichen nach einer methodologischen Einführung die Analyse eigener Korpora.

Stereoscope

Stereoscope ist eine Visualisierungslösung für hermeneutische Annäherungen an Texte über Annotationen.11 Die Anwendung ist funktional und hinsichtlich der Usability auf einem für die Anwendung in den Scholarly Makerspaces geeigneten Entwicklungsstand. Zudem ist sie browserbasiert und offen nutzbar und bietet Im- und Exportschnittstellen für JSON-Daten.

DARIAH Topics Explorer

Ein weiteres wichtiges Anwendungsfeld ist das Topic Modeling, das es ermöglicht aus großen Textkorpora wichtige Themenfelder zu identifizieren und zu visualisieren. Das Werkzeug DARIAH Topics Explorer eignet sich für Textdateien in den Formaten TXT oder XML und kann Ergebnisse in unterschiedlichen Dateiformaten ausgeben.12

Stylo

Für textorientierte Geistes- und Kulturwissenschaften bieten stylometrische Analyseverfahren ein weiteres Anwendungsfeld. Das Werkzeug Stylo ermöglicht durch stilistische Vergleichsanalysen Fragen der Autorschaftsattribution, Genre- oder Epochenklassifikationen sowie stilistische Entwicklungen eines Gesamtwerkes zu bearbeiten.13

Transkribus

Um handschriftliche Quellen digital nutzbar zu machen, müssen diese digitalisiert und aufbereitet werden. Das Werkzeug Transkribus wurde für das manuelle Transkribieren und die automatisierte Handschriftenerkennung (HTR) entwickelt. Zudem wird eine optische Zeichenerkennung (OCR) für Druckschriften angeboten. Das Werkzeug eignet sich auch zur Erstellung digitaler Editionen.14

ConedaKOR

Das webbasierte Werkzeug ConedaKOR dient der Verwaltung und Präsentation akademischer Objektsammlungen aus den bildbasierten Kultur- und Geisteswissenschaften.15 Es beruht auf der Technologie einer Graphdatenbank, die semantische Informationen in einer Netzstruktur verknüpft und für eine interaktive Recherche nutzbar macht.

In den Testläufen mit einer Reihe von Digital-Humanities-Tools wurde jedoch auch deutlich, dass es insgesamt nur wenige aus der Community stammende dezidierte Forschungswerkzeuge gibt, die ohne tiefere Vorkenntnisse beziehungsweise ohne Betreuung und Schulung nutzbar sind. Entsprechend sind die Scholarly Makerspaces in jedem Fall als Ort der Kompetenzvermittlung und des Angebots regelmäßiger Schulungen zu planen. Im Sinne der Grundidee einer integrativen, interaktiven und niedrigschwelligen Maker-Kultur ist außerdem eine Schwerpunktsetzung auf Community-Bildung zu empfehlen, also das Angebot eines Kommunikationsrahmens, in dem sich Nutzende mit unterschiedlichen Interessen und Kompetenzstufen begegnen und austauschen können. Scholarly Makerspaces werden in dieser Richtung als facilitator gedacht.

2.2 Interviews

Die im Projekt durchgeführten qualitativen Leitfadeninterviews mit einem Convenience-Sample von 16 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Digital Humanities und Informationsinfrastrukturen dienten der Anforderungsanalyse, um konkret feststellbare Bedarfe und wahrgenommene Desiderate zu erheben. Zwar sind die Ergebnisse wegen des Zuschnitts der Stichprobe nicht repräsentativ, jedoch erlauben sie aufgrund der Fachkompetenz der Befragten tiefere Einblicke in die gegenwärtige Ausgangslage sowie die Berücksichtigung kritischer Aspekte für die Umsetzung von Scholarly Makerspaces.

Die befragten Personen zeigten sich durchgehend interessiert am Konzept der Scholarly Makerspaces und begrüßten die aktive Rolle von Universitätsbibliotheken bei der Vermittlung von Digital-Humanities-Tools und entsprechenden Kompetenzen. Gleichzeitig wurde mehrfach betont, dass eine deutliche Abgrenzung zu bestehenden Digital-Humanities-Zentren beziehungsweise DH Labs erfolgen sollte.16 Insbesondere sollten Universitätsbibliotheken nicht mit der Entwicklung von digitalen Forschungswerkzeugen befasst sein, da dies fachwissenschaftliche Expertise und umfangreiche Ressourcen benötige. Vielmehr bestünde das Potenzial von Scholarly Makerspaces in einer erhöhten Sichtbarkeit und verbesserten Zugänglichmachung von DH-Tools und damit auch dem Erreichen neuer Zielgruppen. Eine engere Kooperation und Arbeitsteilung zwischen DH-Communities und Universitätsbibliotheken wurde in diesem Zusammenhang als unabdingbar angesehen.

Einigkeit bestand auch über den Befund, dass die digital literacy allgemein sowohl bei den Studierenden als auch bei den Forschenden und Dozierenden der Geistes- und Kulturwissenschaften vergleichsweise gering ausgeprägt ist und stark von der persönlichen Motivation, dem Vorwissen und der Lernbereitschaft abhängt. Digital literacy bezieht sich hierbei auf wissenschaftsspezifische digitale Anwendungen und Strukturen, wozu unter anderem auch Informationsinfrastrukturen und digitale Forschungsdaten zählen. Gerade in diesen Bereichen wird von Universitätsbibliotheken eine aktive Vermittlungsrolle eingefordert. Die Scholarly Makerspaces lassen sich daher als direkte Reaktion auf diese Erwartung sehen.

Weiterhin findet eine systematische Methodenausbildung für computergestützte und werkzeugbasierte digitale Verfahren im Vergleich zu eher technikaffinen Wissenschaftsbereichen wie den MINT-Fächern kaum statt. Scholarly Makerspaces können und sollen dieses Desiderat nicht auffangen. Sie können jedoch einen Anlaufpunkt sowie Kommunikations- und Koordinierungsraum für Akteure und Initiativen in diesem Bereich sein. Darüber können Universitätsbibliotheken als Infrastruktur- und Serviceanbieter einen Beitrag leisten, indem sie zielgruppenorientiert und niedrigschwellig Angebote schaffen, die sich auch für den Erstkontakt mit digitalen Forschungswerkzeugen eignen.

Folglich wird generell die Bedeutung der Scholarly Makerspaces als Explorationsraum betont, in dem vorinstallierte Forschungswerkzeuge sowie digitale Forschungsmaterialien in unterschiedlichen Aufbereitungsstufen im Sinne einer Sandbox angeboten werden, um sich mit den Möglichkeiten und Grenzen digitaler Verfahren praktisch und ergebnisoffen auseinanderzusetzen. Für eine direkte Verbindung mit der Lehre sind Implementierungsoptionen in vorhandene E-Learning-Umgebungen (zum Beispiel Moodle an der Humboldt-Universität zu Berlin) vorgesehen.

Mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass Scholarly Makerspaces einen offen und flexibel nutzbaren physischen Raum anbieten sollten, in dem physische Werkzeuge (wie Buchscanner, Objekt-Scanner, 3D-Drucker, Plotter) zur Verfügung stehen, Schulungen und weitere Veranstaltungen stattfinden können sowie ein direkter Kontakt vor Ort ermöglicht wird.

Bei der Auswahl der angebotenen digitalen Werkzeuge sollten transparente Kriterien angewendet werden, um Nutzenden die Orientierung zu erleichtern. Vorgeschlagen wurden unter anderem folgende Aspekte:

  • Aktualität beziehungsweise Stand der Wissenschaft und Technik
  • Pflegegrad und Nachhaltigkeitskonzept
  • Akzeptanz in der Fach-Community
  • Installationsaufwand und Usability
  • Interoperabilität (zum Beispiel Exportformate, Datenstandards)
  • Ansprechpartner auf Seiten der Entwickler
  • Schulungsangebote durch die Scholarly Makerspaces.

Auch die konkrete lokale Nachfrage sollte berücksichtigt werden. Allgemein wird ein Grundstock an vergleichsweise generischen und exemplarischen Lösungen erwartet, der je nach lokaler Situation um spezifische Lösungen ergänzt werden kann.

Allerdings wurde darauf hingewiesen, dass aufgrund der Vielzahl und dynamischen Entwicklung von DH-Tools nicht das einzelne Forschungswerkzeug im Fokus stehen sollte, sondern die entsprechende Funktion von Werkzeugen innerhalb typischer Forschungsprozesse. Die TaDiRAH-Taxonomie bietet hier eine erste Orientierung (beispielsweise Erfassen, Erzeugen, Anreichern, Analyse, Interpretation, Speicherung, Dissemination).17 Idealerweise bieten Scholarly Makerspaces zu jeder Funktion eine Auswahl an Werkzeugen mitsamt Evaluation und Nutzungsbeschreibung, eventuell sogar einem Tutorial an. Dabei sollten durchaus auch kommerzielle Angebote berücksichtigt werden, die gegebenenfalls für die Hochschule lizenziert werden können. Ein Beispiel wäre der in der DH-Community weithin etablierte XML-Editor Oxygen.18

Im Unterschied zu bloßen Linklisten für DH-Tools sollten Scholarly Makerspaces die Angebote kuratieren und didaktisch aufbereiten. Ein konkreter Vorschlag ist eine Art geführte Tour, die von Nutzenden auch eigenständig absolviert werden kann. Diese Tour sollte einen idealtypischen Arbeits- und Forschungsprozess mit den entsprechenden werkzeugbasierten Verfahren abbilden, sodass sich Nutzende mit neuen Forschungsverfahren über praktische Erfahrungen, beispielsweise über Demos oder Testdaten, vertraut machen können. Am Beispiel der Textanalyse würde eine solche geführte Tour beispielsweise folgende Schritte umfassen:

  • Erstellung eines Digitalisates,
  • Handschriftenerfassung beziehungsweise Texterfassung,
  • XML-Strukturierung,
  • Normalisierung,
  • Anreicherung beziehungsweise Annotation,
  • Textanalyse,
  • Visualisierung,
  • Export zur Ausgabevorbereitung in Druck und digital,
  • Export zur Langzeitarchivierung und Bereitstellung zur Nachnutzung.

Weiterhin wurde in den Interviews hervorgehoben, dass die Anbieter von Scholarly Makerspaces über hinreichende DH-Kompetenzen verfügen müssen, um Schulungen und Beratungen vor Ort durchführen beziehungsweise koordinieren zu können. Da diese Kompetenzen oftmals nicht im vorhandenen Personalbestand vorausgesetzt werden können, sollte bei Personalentscheidungen auf entsprechende Qualifizierungen geachtet werden, beispielsweise mit dem Profil eines Data Librarian beziehungsweise von Absolventinnen und Absolventen eines DH-Studienganges.

Schließlich wurde empfohlen, die Umsetzung eines Scholarly Makerspaces in das strategische Gesamtkonzept der jeweiligen Universitätsbibliothek beziehungsweise Universität zu integrieren und bei der Einführung auf Marketing-Strategien wie Branding und gezielte Öffentlichkeitsarbeit zur Etablierung vor Ort zu setzen.

2.3 Expertenworkshop

In einer Diskussion mit Expertinnen und Experten im Rahmen des FuReSH-Workshops Scholarly Makerspaces – Bibliotheken als Vermittlungsplattform von Digital-Humanities-Tools19 wurden weitere Aspekte konkretisiert und diskutiert. Beispielsweise sollten Scholarly Makerspaces mit bereits bestehenden Serviceangeboten der jeweiligen Hochschule integriert werden, sodass Infrastrukturlösungen (zum Beispiel Cloud-Speicher, Umgebungen zum kollaborativen Arbeiten, Medienrepositorien, Mediatheken, Publikationsserver) und weitere digitale Werkzeuge (zum Beispiel Literaturverwaltungsprogramme) bis hin zu physischen Werkzeugen (zum Beispiel 3D-Drucker, Plotter) in einem größeren Zusammenhang sichtbar werden.

Ein weiterer angesprochener Aspekt war die Orientierung an den Curricula mit Schnittmengen zu digitaler Forschung an der jeweiligen Hochschule. Da die Kompetenzvermittlung zur digitalen Forschung in den Kultur- und Geisteswissenschaften vornehmlich die Aufgabe der Fach-Communities und damit der einzelnen Fakultäten und Institute ist, sollten die Infrastrukturangebote auf deren Aktivitäten und Bedarfe zugeschnitten sein. An der Humboldt-Universität zu Berlin könnten beispielsweise für Studierende der digitalen Geschichtswissenschaft entsprechende Annotations- und Analysewerkzeuge auf arbeitsfähigen Workstations bereitgestellt werden, die eine seminarbegleitende Methodenvermittlung ermöglichen.

Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass verschiedene Konzeptionen von sogenannten Labs (Library Lab20, DH Lab, Data Lab und andere) zwar der Idee von Scholarly Makerspaces ähneln, jedoch andere Schwerpunkte aufweisen und daher eher arbeitsteilig als Ergänzung oder Partner verstanden werden sollten. Während es zum Beispiel bei dem geplanten SBB Lab der Staatsbibliothek Berlin vorrangig um die Kuratierung des eigenen digitalen Bestandes geht und bei der Konzeption des Human-Centered Data Laboratory an der Freien Universität Berlin um die kritische Reflexion über die Mensch-Maschine-Interaktion, steht bei den Scholarly Makerspaces vor allem ein forschungsbegleitender und didaktischer Ansatz im Vordergrund. Sowohl das SBB Lab als auch das Data Laboratory können aber im Netzwerk der Scholarly Makerspaces aktive Rollen übernehmen – das erste, in dem es digitalisierte Quellen zur Beforschung bereitstellt; das zweite, in dem es aktiv beispielsweise über Veranstaltungen die Reflexion zu den Bedingungen digitaler Forschung anregt.

In der Diskussion wurde auch erwogen, ob für die angebotenen Schulungen in den Scholarly Makerspaces nicht auch als anrechenbare Leistung im Rahmen des Studiums vergeben werden könnten, um einen höheren Anreiz für Studierende zu schaffen. Allerdings gab es hierbei unterschiedliche Meinungen. Da es nicht Aufgabe von Universitätsbibliotheken ist, über Studienordnungen und Kreditierungen zu entscheiden, können solche Erwägungen nur im Gespräch mit den entsprechenden Fakultäten und Instituten substanziiert und allenfalls mittel- oder langfristig umgesetzt werden. Der Schwerpunkt der Scholarly Makerspaces sollte nicht die Übernahme einer Methodenausbildung sein, sondern ein Beratungs- und Motivationsangebot für die reflexive und im Ergebnis forschungsorientierte Beschäftigung mit digitalen Werkzeugen, Daten und Verfahren.

Einigkeit bestand über die Herausforderung, dass sich die Umsetzung von Scholarly Makerspaces an Universitätsbibliotheken in einem Spannungsfeld zwischen personellen Ressourcen und der Komplexität der Aufgaben befindet. Allgemein wurde die dauerhafte Betreuung eines Scholarly Makerspaces mit ein bis zwei Vollzeitstellen als realistisch angesehen.

Für die Implementierungsphase sollten schon aus pragmatischen Gründen Arbeitsschwerpunkte klar definiert und priorisiert werden. Für das Umsetzungsmodell wurde daher eine Differenzierung zwischen festen Aufgaben im Sinne der Grundidee und variablen Schwerpunkten in Abstimmung mit den jeweiligen lokalen Bedingungen und Anforderungen diskutiert. Zu den festen Diensten zählt neben der Kuratierung digitaler Angebote und der Bereitstellung eines Raumes mit anwendungsbereiten Workstations, der zugleich Schulungs-, Explorations-, Kommunikations- und Reflexionsraum sein soll, vor allem der Schwerpunkt Vernetzung und Kooperation mit weiteren Partnern. Somit muss im Idealfall gerade bei Beratungen keine vollumfassende Expertise vor Ort vorhanden sein. Wichtig ist, den Beratungsbedarf eindeutig zu bestimmen und die passenden Expertinnen und Experten vermitteln zu können.

3 Konkretisierung des Zielszenarios

3.1 Eingrenzung und Beschreibung des Angebots

Als zentrale Herausforderung wurde in der Erhebung festgestellt, dass ein Angebot wie die Scholarly Makerspaces zu stark in Richtung der Fachwissenschaften und insbesondere der Digital Humanities streben könnte und damit das eigentliche Angebots- und Leistungsprofil von Universitätsbibliotheken überschreiten würde. Daher müssen der bibliothekarische Hintergrund und der kollaborative Ansatz des Angebotes klar herausgestellt werden. Hinter der Idee der Scholarly Makerspaces steht die Prämisse, dass eine Universitätsbibliothek ihre Nutzenden grundsätzlich befähigen muss, die für die Wissenschaft notwendigen Bestände und bibliothekarisch vermittelten Bezugsmaterialien angemessen rezipieren zu können.

In dem Maße, in dem die lange dominierenden narrativen Publikationsformen (zum Beispiel Zeitschriftenaufsatz, Monografien, Sammelbände) erweitert beziehungsweise digital überformt werden (zum Beispiel Datenbanken, Forschungsdatenpublikationen, Enhanced Publications, Korpora) und oft nur mit bestimmten Anzeige-, Zugangs- und Verarbeitungsmitteln genutzt werden können, muss die Bibliothek folglich Angebote schaffen, die den Nutzenden eine grundlegende Anwendung dieser Mittel ermöglicht.

Hinzu kommt, dass die Auseinandersetzung mit derartigen Materialien nicht mehr in einer linear modellierbaren reinen Rezeption erfolgt, sondern häufig über dynamische Interaktion. Ein Desiderat bleibt dabei, dass die Nutzung solcher Formen der digitalen Forschung bestimmte neue Literarizitäten (zum Beispiel digital literacy, data literacy, tool literacy) voraussetzt. Diese beschränken sich nicht auf die reine Bedienungsfähigkeit, sondern umfassen den eigentlich wichtigeren Aspekt eines Verstehens der Funktionsweise, Möglichkeiten und Grenzen digitaler Forschungsverfahren und -technologien. Dies wird als Forschungsagenda teilweise in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft und in den Konzepten der Science Technology Studies abgedeckt, ist jedoch von derart grundlegender Relevanz, dass entsprechende Reflexionsschritte Teil jeder digital beeinflussten Methodologie sein sollten. Dieser Schritt soll und muss in der Tiefe den Fachwissenschaften überlassen werden. Da sich diese jedoch, wie auch die Erhebung ergab, bislang sehr heterogen, oft nicht systematisch, teils auch sogar nur implizit mit diesen Fragen auseinandersetzen, ergibt sich für Universitätsbibliotheken als Dienstleister der wissenschaftlichen Informationsversorgung die zumindest vorübergehende Aufgabe, gezielt angleichende Vermittlungen von Basiskompetenzen zur Nutzung digitaler Formen wissenschaftlicher Information und Kommunikation anzubieten beziehungsweise anzuregen.

Für die Forschenden der Hochschule umfasst das Angebot neben einer ebenfalls nachgefragten allgemeinen Kompetenzvermittlung auch eine Beratung mit dem Ziel der Forschungsoptimierung und -qualitätssicherung. In Entsprechung zu bereits vorhandenen Beratungsdiensten zum Forschungsdatenmanagement und zum elektronischen Publizieren schließen Scholarly Makerspaces die Lücke für die Auswahl von Verfahren und Werkzeugen. Sie helfen sicherzustellen, dass Forschende für ihre Projekte den jeweils aktuellen Stand entsprechender Lösungen und Standards kennen und berücksichtigen. Die Scholarly Makerspaces sind demnach nicht nur Arbeits- und Trainingsort, sondern auch Anlaufpunkt für einen systematischen Überblick zum aktuellen Entwicklungsstand zu digitalen Forschungsverfahren und -werkzeugen für die Kultur- und Geisteswissenschaften, etwa in Entsprechung zur Rolle von Fachreferentinnen und -referenten.

3.2 Serviceangebote

Das Serviceportfolio von Scholarly Makerspaces bietet infrastrukturelle Lösungen sowie Angebote zur Schulung, Beratung und Community-Bildung. Zu den Infrastrukturangeboten gehören ein physischer Raum sowie die Workstations mit einsatzbereiten digitalen Werkzeugen beziehungsweise Schnittstellen zu weiteren digitalen Ressourcen. Die Angebote der Schulung und Beratung umfassen neben einer Webpräsenz (zum Beispiel Webseite, Weblog, Wiki) eingebundene oder verlinkte Tutorials in verschiedenen medialen Formen sowie die direkte Kommunikation in Form von Kompetenzschulungen, Beratungen und weiteren Veranstaltungen vor Ort. Die Community-Bildung wird aktiv durch die Etablierung und Pflege eines Netzwerkes unterstützt. Die Angebote sind so konzipiert, dass sie sich ergänzen und in Wechselwirkung stehen.

3.3 Zielgruppen

Allgemein sollen sich in den unmittelbaren Zielgruppen potenziell alle Nutzenden der Universitätsbibliothek finden können. Für die Operationalisierung und den Zuschnitt entsprechender Angebote und Kommunikationsstrategien sind diese jedoch konkreter zu differenzieren. Neben der Gruppe der allgemein Interessierten sind dies im Bereich der Geistes- und Kulturwissenschaften vor allem:

  • Forschende,
  • Projektplanende,
  • Lehrende,
  • Studierende.

Dabei wird ein Schwerpunkt besonders bei der Kooperation mit der jeweiligen Einrichtung gezielt auf der Nachwuchsförderung liegen, da hier aus den Erhebungen das größte Vernetzungspotenzial und zugleich eine besonders ausgeprägte thematische Aufgeschlossenheit und Dynamik ermittelt werden konnte.

Mittelbare Zielgruppen sind zudem Stakeholder, für die Scholarly Makerspaces selbst ein Mittel zum Entwicklungsmonitoring, zur Bedarfsermittlung und zur Kommunikation werden:

  • Anbieter von Werkzeugen und Verfahren (zum Beispiel Showcasing, Schulungen, Testläufe),
  • Akteure der Forschungsplanung21 (zum Beispiel Antragstellung für Drittmittel),
  • Akteure aus der Hochschuladministration zur Bedarfsfeststellung und Hochschulentwicklung.

Langfristig ist auch eine Erweiterung des Angebots auf außerakademische Zielgruppen angedacht:

  • Wissenschaftsvermittlung,
  • Bürgerwissenschaft,
  • Kreativ- und Digitalwirtschaft.

Weitere Zielgruppen bilden diverse und in ihren Interessen heterogene externe Akteure aus dem breiten Feld der digitalen Auseinandersetzung mit Kulturobjekten.22 Dem offenen und inklusiven Prinzip der Makerspaces folgend wäre auch denkbar, dies im Rahmen von Vermittlungsaktivitäten eines public understanding of science besonders zu fördern. Dieser Aspekt wurde in den Interviews mehrfach erwähnt. Allerdings berührt er die prinzipielle Ausrichtung der Universitätsbibliothek beziehungsweise der Hochschule im Sinne eines Leitbilds. Er soll daher hier nur als Option benannt, jedoch vorerst nicht weiter differenziert werden. Gleiches gilt für die in Interviews ausdrücklich angeregte Kooperation mit der lokalen Kreativ- und Digitalwirtschaft. Auch hierfür müssten mögliche Kontakt- und Kooperationsszenarien gezielt erstellt werden, deren Detaillierung jedoch nicht im unmittelbaren Fokus der Konzeptstudie liegt.

3.4 Nutzungsszenarien

Unabhängig vom jeweils konkreten Anwendungsfall wird zur besseren Strukturierung der Materialien als Grundlage der Kompetenzbewertung ein vierstufiges Vermittlungskonzept gewählt. Es bezieht sich jeweils auf Verfahren und Werkzeuge. Die vier Stufen sind:

  1. Kennenlernen – mit einem allgemeinen, unspezifischen Interesse als Motivation,
  2. Lernen – mit der Motivation, bestimmte Verfahren beziehungsweise Werkzeuge gezielt zu lernen,
  3. Forschungsvorbereitung – Auswählen, Beurteilen, Anpassen von Verfahren bzw. Werkzeugen im Zuge der Planung eines Forschungsprojektes,
  4. Forschung – Durchführung von direkten Forschungsschritten in Scholarly Makerspaces oder in Begleitung durch die Angebote der Scholarly Makerspaces.

Für jede dieser Stufen gibt es spezifische Anforderungen an die Vermittlungs- und Kommunikationsstrategien, also die Aufbereitung der Materialien. Die Differenzierung ermöglicht es, Anfragen, Annäherungen, Ziele und Bedarfe vorzuordnen, um sie im Anschluss angemessen adressieren zu können. Damit wird das Ziel einer weitreichenden Inklusivität erreicht. Die Angebote dieser Stufen sollen den Nutzenden auch helfen, eigene Ziele, Bedarfe und Kompetenzen klarer bestimmen zu können.

Digitale geistes- und kulturwissenschaftliche Forschung

Aus den Interviews und der Analyse der jeweiligen Forschungsfelder ergab sich, dass eine Orientierung auf die Texterschließung und -strukturierung einer der primären Ansatzpunkte für das Aufsetzen eines solchen Angebotes darstellt. Dies erklärt sich unter anderem dadurch, dass in diesen Bereichen ein besonders hoher Entwicklungsgrad sowie eine breite und sehr aktive Community vorliegen. So ist TEI-XML ein weithin anerkannter Standard zur Textauszeichnung. Dies wirkt sich folgerichtig auf Workflows und Analyseverfahren sowie auf die Werkzeugentwicklung aus. Beispielsweise liegt mit dem Oxygen XML-Editor eine stabile Lösung vor, die auch in den Interviews fast durchgängig als essenziell benannt wurde. Zugleich sind die Komplexität und der Anspruch an die Datenhaltung und -verarbeitung bei Texten im Vergleich zu anderen medialen Repräsentationsformen weniger ausgeprägt.

Als Bezug für die Angebote der Scholarly Makerspaces wird daher ein idealtypischer Verarbeitungsvorgang von Textmaterialien beginnend bei der Digitalisierung über die Textauszeichnung und Erschließung bis zur Ausgabe zum Beispiel als Edition gewählt.23 Die Prozesskette ist nicht geschlossen, sondern berücksichtigt diverse Ein- und Ausstiegspunkte. Sie dient zugleich dazu, einen weitgehend lückenlosen Ablauf zu erfassen. Die Schwerpunkte liegen dabei auf den bibliothekarischen und bibliothekswissenschaftlichen Kompetenzfeldern des Information Retrievals, der Datenaufbereitung, -erschließung, -dissemination und -archivierung. Für die spezifisch fachlichen Aspekte werden in Kooperation mit Fach-Communities grundlegende Einführungen entwickelt. Parallel ist angedacht, im Rahmen der Exportschnittstellen auch die Idee der offenen Wissenschaft und damit der offenen Bereitstellung von Daten zu unterstützen. Die tiefergehende Beratung muss über Expertinnen und Experten mit jeweils dezidiert fachlichem Hintergrund erfolgen. Hierfür wird ein Kontaktnetzwerk aufgebaut und gepflegt. Die Aufgabe der Scholarly Makerspaces als Bibliotheksangebot liegt an dieser Stelle in der Vermittlung von Expertise entweder über Kontakte oder auch bei breiterem Bedarf über die Organisation und Durchführung von Vermittlungsveranstaltungen mit Expertinnen und Experten.

Nach dem Vorbild textorientierter digitaler Forschung werden auch für bild-, objekt-, und raumorientierte sowie andere multimodale und multimediale Forschungsformen ähnliche Ansätze aufgebaut. Sofern Lösungen ermittelbar sind, wird auf diese verwiesen und gegebenenfalls ein Kontakt vermittelt. Inwieweit auf Nachfrage auch stärker spezialisierte Werkzeuge auf den Workstations installiert und gegebenenfalls auch lizenziert werden können beziehungsweise sollen, ist von dem jeweiligen Bedarf der Forschungseinrichtung abhängig.

Beratung und Unterstützung für die Lehre

Für das Ziel einer nachhaltigen Vermittlung vor allem hinsichtlich der Zielgruppe der Nachwuchsforschenden, insbesondere Promovierenden, leisten Scholarly Makerspaces eine aktiv unterstützende Rolle bei entsprechenden Lehrangeboten. Dies wurde ausdrücklich in den Interviews als Desiderat benannt. Ein solches Angebot kann jedoch nur kooperativ mit den jeweiligen die Lehre anbietenden Instituten sowie Dozierenden realisiert werden. Das Vermittlungs- und Beratungsangebot umfasst für diesen Zweck zwei Portfolios – ein infrastrukturelles und ein didaktisches. Im infrastrukturellen Portfolio werden bestehende Infrastrukturangebote24 sowie die Angebote der Scholarly Makerspaces (zum Beispiel Raum, Workstations, digitale und physische Werkzeuge, Retrieval-Möglichkeiten) abgebildet. Ziel ist, die Dienste im Rahmen des Lehrangebots als Bausteine digitaler Forschung zu vermitteln und damit eventuelle Nutzungshürden gezielt abzubauen. Für die didaktischen Angebote wird eine Best-Practice-Sammlung für in der Lehre besonders geeignete digitale Werkzeuge und Verfahren zusammengestellt und Lehrenden zur Nachnutzung bereitgestellt. Dabei wird mit institutionellen Akteuren wie CLARIAH kooperiert. Lehrende können also über die Scholarly Makerspaces grundlegende Materialien für die Planung und Durchführung von Lehrveranstaltungen abrufen sowie den Raum der Scholarly Makerspaces direkt nutzen oder den Studierenden zur veranstaltungsbegleitenden individuellen oder Gruppenarbeit anbieten. Idealerweise werden diese Angebote in bestehende E-Learning-Plattformen eingebunden.

Scholarly Makerspaces als Raum

Eine Stärke der Scholarly Makerspaces liegt darin, dass sie zieloffen nutzbar sind. In diesem Sinne wird das Prinzip der Serendipität unterstützt, bei dem sich aus einer offenen Auseinandersetzung mit einem Inhalt oder hier auch den Möglichkeiten eines Werkzeugs oft ungeplant neue Ansätze, Einsichten, Impulse und Lösungen ergeben. Dies soll zudem über den Community-Aspekt, also den Makerspace als Begegnungs- und Kommunikationsraum bewusst gefördert werden. Die Aufgabe der Betreiber ist dabei, entsprechende Prozesse zu unterstützen, zu moderieren und gegebenenfalls zu verstärken und zu dokumentieren. Als Einstieg liegt der Schwerpunkt auf der oben benannten Stufe des „Kennenlernens”.

Es soll jedoch ausdrücklich auch die Möglichkeit konkreter Forschungs- und Spin-Off-Ansätze berücksichtigt und gefördert werden. Neben der Vermittlung und Beratung sind Anregung und Unterstützung, Steuerung von Reflexionsprozessen über Aspekte digital geprägter Kultur- und Geisteswissenschaften zentrale Anliegen der Scholarly Makerspaces. Sie umfassen eine technologische Perspektive ebenso wie wissenschaftssoziologische, -ökonomische und -ethische Aspekte, medientheoretische Überlegungen und epistemologische Fragen. In den Erhebungen zur Studie wurde die Erwartung formuliert, dass gerade über das Zusammenwirken von Akteuren aus Universitätsbibliotheken, der Informationsinfrastruktur, den Digital Humanities und kultur- und geisteswissenschaftlichen Communities neue methodologische und technologische Perspektiven eröffnet werden können.

Einen besonderen Schwerpunkt übernimmt die Förderung eines interdisziplinären Dialogs. Perspektivisch soll dieser auch außerakademische Zielgruppen einschließen und somit eine stärkere Verbindung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft fördern. Die Scholarly Makerspaces stellen für diese Kommunikationen informelle und stärker formalisierte Strukturen bereit. Der informelle Austausch kann über entsprechende Rahmungen wie beispielsweise die Organisation von Barcamps oder Hackathons unterstützt werden.

Zugleich werden Fragestellungen und Entwicklungen mit Zuschnitt auf besondere Forschungs- und Erkenntnisinteressen über regelmäßige Veranstaltungen adressiert. Ausgewählte Ergebnisse der Reflexionsarbeit sollen in angemessener Form dokumentiert und publiziert werden. Die Scholarly Makerspaces betreiben zu diesem Zweck ein Weblog.25

Scholarly Makerspaces als Kooperationspartner der DH-Forschung

Von Seiten der befragten Akteure aus dem Bereich der Tool-Entwicklung in den Digital Humanities wurde ein großes Potenzial für das Angebot im direkten Kontakt zu lokalen Communities mit jeweils spezifischen Ansprüchen gesehen. Die Scholarly Makerspaces bieten diesen Anbieter- und Entwicklergruppen den Raum, um neue Werkzeuge und Lösungen gezielt zu vermitteln oder auch testweise anzubieten und zu evaluieren.

Scholarly Makerspaces werden also gerade nicht als Labs im Sinne von DH-Labs, Digital-Humanities-Zentren oder der an vielen Stellen entstehenden Library Labs verstanden. Ihr inhaltlicher Schwerpunkt liegt vor allem in der grundlegenden Kompetenz- und Zugangsvermittlung im Sinne der oben ausgeführten Beschreibung. Es geht also primär um Vermittlungsstrategien und Möglichkeiten einer stärkeren und bedarfsnäheren Zusammenführung von Tool-Entwicklung und Tool-Nutzung. Im Organisationsmodell sind dafür Grundlagen in den Bereichen Monitoring und Netzwerk zu schaffen.

Antrags- und Forschungsberatung

Ein weiterer Baustein und eine Erweiterung der Ursprungsidee liegt in der Operationalisierung des in den Scholarly Makerspaces vorhandenen Wissens zu Entwicklungen und Möglichkeiten digitaler Forschung mit dem Ziel einer Optimierung der Forschungsplanung. Hierbei wird direkt das Desiderat adressiert, dass Entscheidungen zur Tool-Auswahl bei Forschungsprojekten und -planungen häufig nicht auf Basis einer systematischen Übersicht, sondern in Rückgriff auf subjektives Erfahrungswissen getroffen werden. Scholarly Makerspaces helfen, dieses zu kontextualisieren und auf diesem Weg auch Vernetzungs-, gegebenenfalls sogar Kooperationsmöglichkeiten und denkbare Alternativen aufzuzeigen sowie Machbarkeits- und Komplexitätsabschätzungen zu unterstützen.

4 Ausblick

Die Laufzeit dieser Konzeptstudie ist bis Ende Oktober 2019 vorgesehen. Idealerweise schließt sich ein Projekt zur prototypischen Implementierung eines Scholarly Makerspaces an der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin zeitnah an.

In den nächsten Schritten werden Berichte zur Kostenstruktur sowie zum Perspektivkonzept erarbeitet. Für die Kostenstruktur wird anhand eines idealtypischen Szenarios ein konkretes Kostenmodell erstellt, das als Orientierungsgrundlage sowohl für die Implementierung an der Humboldt-Universität zu Berlin als auch für andere Universitätsbibliotheken dienen soll. Im Perspektivkonzept werden zudem die Nachnutzungsoptionen für andere Einrichtungen sowie Aspekte der Nachhaltigkeit über drittmittelgeförderte Implementierungsphasen hinaus erörtert.

Ein weiterer Bericht betrifft die Konkretisierung der Kooperationsstrukturen. Ausgangspunkt sind hierbei die FuReSH-Projektpartner einschließlich Vertreterinnen und Vertretern der Forschungsverbünde DARIAH und CLARIN. Zusätzlich werden weitere Kooperationsmöglichkeiten vorrangig mit lokalen Institutionen und Netzwerken der Berliner DH-Community geprüft und integriert. In diesem Zusammenhang wird ein weiterer Workshop stattfinden, bei dem das bisherige Konzept der Scholarly Makerspaces vorgestellt und um weitere Kooperationen geworben wird.

Schließlich wird das Konzept des Integrierten Monitoring erstellt, mit dem Erkenntnisse des Projektes systematisch fortlaufend dokumentiert, aufbereitet und kommuniziert werden. Da auch für die Implementierungsphase ein integriertes Monitoring im Sinne eines Beobachtungs- und Wissensmanagements stattfinden soll, werden zudem entsprechende Definitionen von Beobachtungs- und Analyseprozessen erarbeitet.

Bislang befindet sich das FuReSH-Projekt im Zeitplan. Nach einer ersten Bilanz wird die Umsetzbarkeit von Scholarly Makerspaces an der Humboldt-Universität zu Berlin positiv bewertet. Im Zuge einer deutlicheren Abgrenzung von Digital-Humanities-Zentren und Konzepten sogenannter Library Labs gewinnt die Idee der Scholarly Makerspaces deutlich an Kontur. Insbesondere die spezifischen Zielgruppen und Nutzungsszenarien sind ein Alleinstellungsmerkmal für Universitätsbibliotheken, das folglich passgenaue Lösungen erfordert, um digitale Forschung in den Geistes- und Kulturwissenschaften effektiv und zukunftsorientiert zu unterstützen.


  1. Projektwebseite: https://www.ub.hu-berlin.de/de/ueber-uns/projekte/furesh.

  2. Beispielsweise die auch der Logik des Enhanced Publishing folgenden Entwicklung hin zu Social Linked Data (Solid), vergleiche https://en.wikipedia.org/wiki/Solid_%28web_decentralization_project%29.

  3. https://www.clarin-d.net/de/.

  4. https://de.dariah.eu/, mittlerweile CLARIAH, siehe https://www.clariah.nl/en/.

  5. Dies bestätigten beispielsweise Aussagen aus den FuReSH-Interviews.

  6. https://dirtdirectory.org/.

  7. https://blogs.lse.ac.uk/impactofsocialsciences/2015/11/11/101-innovations-in-scholarly-communication/.

  8. http://catma.de/.

  9. https://web.hypothes.is/.

  10. https://voyant-tools.org/.

  11. http://stereoscope.threedh.net/.

  12. https://fortext.net/tools/tools/dariah-topics-explorer.

  13. https://fortext.net/tools/tools/stylo.

  14. https://fortext.net/tools/tools/transkribus.

  15. https://coneda.net/kor/.

  16. Vergleiche Cologne Center for eHumanities http://www.cceh.uni-koeln.de/; Göttingen Centre for Digital Humanities http://www.gcdh.de/en/; Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung (Köln) http://www.hki.uni-koeln.de/; Kallimachos – Zentrum für digitale Edition und quantitative Analyse (Würzburg) http://kallimachos.de/kallimachos/index.php/Hauptseite; Computerlinguistik und Texttechnologie (Bielefeld) http://www.uni-bielefeld.de/lili/studium/faecher/texttechnologie/arbeitsbereich.html; Trier Center for Digital Humanties https://www.kompetenzzentrum.uni-trier.de/de/; Austrian Centre for Digital Humanities (Graz) https://informationsmodellierung.uni-graz.at/en/.

  17. https://github.com/dhtaxonomy/TaDiRAH/blob/master/deu/aktivitaeten.md.

  18. https://www.oxygenxml.com/.

  19. Vergleiche Bericht zum Workshop im FuReSH-Projektblog: https://blogs.hu-berlin.de/furesh/2019/03/12/bericht-zum-workshop-scholarly-makerspaces-bibliotheken-als-vermittlungsplattform-fuer-digital-humanities-tools/.

  20. Vergleiche British Library Labs https://www.bl.uk/projects/british-library-labs; ETH Library Lab https://www.librarylab.ethz.ch/; Harvard Library Lab https://osc.hul.harvard.edu/liblab/.

  21. Zum Beispiel Forschungsabteilungen, Sonderforschungsbereiche und Exzellenzcluster.

  22. Ein Kontaktpunkt wäre dafür zum Beispiel das Coding-Da-Vinci-Projekt beziehungsweise die daran beteiligten Akteure siehe https://codingdavinci.de/.

  23. Vergleiche das Beispiel einer Prozesskette für die digitale Textanalyse im Abschnitt „Interviews”.

  24. Für die Humboldt-Universität zu Berlin beispielsweise die HU-Box, das Medienrepositorium, die Angebote des edoc-Servers.

  25. Weblog des FuReSH-Projekts: https://blogs.hu-berlin.de/furesh/2018/05/14/scholarly-makerspaces/.


Ben Kaden ist Bibliothekswissenschaftler und Mitherausgeber von LIBREAS. Er beschäftigt sich aktuell an der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin mit der Entwicklung von Möglichkeiten, einer Optimierung von Bibliotheksangeboten für die digital geprägte Forschung. ORCID iD: https://orcid.org/0000-0002-8021-1785

Michael Kleineberg arbeitet im FuReSH-Projekt an der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin. ORCID iD: https://orcid.org/0000-0002-6313-6795