In der Bibliotheksarbeit wird über Communities gesprochen und über Interessen – aber selten über Gefühle – von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder von Nutzerinnen und Nutzern. Über Veränderung und Anpassung, Innovation und Weiterentwicklung wird geredet, aber nicht über die Freuden und Ängste, die während dieser Prozesse auftreten können. Über hunderte von Projekten wird geredet, aber nicht von den durchwachten Nächten der Beteiligten, damit Dinge endlich laufen; nicht über den Zynismus, der sich mit der Erfahrung von dutzenden Projekten und ihren oft geringen Nachwirkungen einstellt; auch nicht über die Freude, wenn etwas doch funktioniert oder wohlmöglich über die Schadenfreude, wenn es das nicht tut. Über Leseförderung und die Unterstützung von Forschenden wird geredet, aber nicht über den Spaß oder Stress, den diese Aktivitäten auslösen können.
Irgendwie, so scheint es, wird die Arbeit, die in Bibliotheken geleistet wird, als von den tatsächlichen Bibliothekarinnen und Bibliotheken entfremdet, mechanisiert, losgelöst verstanden. Über das Budget kann diskutiert werden, aber nicht darüber, ob das Personal durch das, was zu tun ist, emotional belastet oder aufgebaut wird.
Aber das gilt nicht nur für Bibliotheken. In anderen Feldern wird deutlich lauter kritisiert, dass in unserem Zeitalter, in dem plötzlich Kreativität als allgemeiner (und nicht nur in der Kunst verorteter) Wert gilt, gleichzeitig die menschliche Komponente immer mehr in den Hintergrund rückt: So, als könnten Menschen arbeiten und kreativ sein, ohne sich selber mit ihren Erwartungen und Gefühlen einzubringen. Das ist ein Widerspruch.
Gleiches gilt übrigens auch für die (unentgeltliche) Arbeit an Open Access Zeitschriften, auch wenn sie vergleichsweise langsam entstehen, wie die LIBREAS. Library Ideas. Auch das wird – entgegen der funktionalistischen Behauptung, Forschende würden alles tun, um ihre Reputation zu steigern – nicht einfach so oder aus einem Systemzwang heraus gemacht. Ginge es allein um Reputation (und VG-Wort-Vergütungen), würden die Mitgliederinnen und Mitglieder der Redaktion deutlich besser beraten sein, ihre Energie in Praxishandbücher und Sammelbände zu investieren. Sie investieren sie aber an dieser Stelle, mit allem was daraus folgt, also auch den emotionalen Höhen und Tiefen. Redaktionsarbeit, das wissen alle, die es einmal versucht haben, besteht zum überwiegenden Teil aus den Mühen der Ebene, auch aus Enttäuschungen, wenn Dinge wieder länger dauern, nicht erledigt werden, wenn Missverständnisse entstehen, wenn man eine Ausgabe zähneknirschend noch drei Wochen für einen Beitrag liegen lässt, der dann doch abgesagt wird. Zwischendrin jedoch gibt es auch positive Überraschungen – wenn Dinge doch funktionieren, wenn Treffen produktiv und zugleich fröhlich verlaufen, wenn viel Goodwill zu spüren ist oder einfach nur ein wirklich gutes Manuskript im E-Mail-Fach landet. Redaktionsarbeit ist Arbeit, auch emotional labor. Jede Ausgabe zeigt immer neu, dass es nicht damit getan ist, einfach Texte einzuwerben, zu bewerten und zu korrigieren. Sie dann endlich online zu haben ist durchaus eine Art Glücksgefühl.
Ausgabe #31 versucht sich, wie immer nur zu dem Teil, der möglich war, dem Thema zu nähern. Dabei hat uns – Achtung, Emotion – erstaunt, dass das sonst gerne einmal angetönte Unterthema Bibliotheksangst
nicht bearbeitet wurde. Wir hätten uns, wie immer, noch mehr Beiträge und mehr Diversität erhofft und gewünscht. Aber nach der Erfahrung unter anderem von 30+x Ausgaben und auch aus anderen Wahrnehmungsräumen wissen wir um die Gründe hinter der mehr tröpfelnden als rauschenden Diskurskultur im deutschen Bibliothekswesen und der deutschen Bibliothekswissenschaft. Auch das hat mit Emotional Labor zu tun und insbesondere mit dem Phänomen der Leidenschaft. Wir wünschen uns an dieser Stelle mehr Mut, mehr Neugier, mehr Experimentierfreude. Vielleicht auch mehr Gefühl. Warum nicht?
Ihre / eure Redaktion LIBREAS. Library Ideas
(Berlin, Chur, Dresden, Göttingen, München)