Okay. Fetzt.(Maxi)
Eine Idee, welche in den letzten Monaten immer wieder einmal in bibliothekarischen Zusammenhängen auftaucht, ist das Storytelling. Man weiss nie wirklich, was man davon halten soll: Ist das ein schlechter Marketing-Witz, ein Versuch unkreativer Menschen sich den Nimbus der Schriftstellerin zu borgen oder eine ernstzunehmende Methode? So oder so: Offenbar lässt sich vieles in zusammenhängenden Stories erzählen, mit klarem Anfang, Ablauf, Höhepunkten und Ende. Auch die letzten zehn Jahre der LIBREAS. Library Ideas liessen sich so fassen. Eine Gruppe Studierender mit einer Idee, die sie durchziehen auf dem Weg durch ihr Leben (ihre Ausbildung, ihr inhaltliches, persönliches, professionelles Wandern durch Karrieren, Lebensentscheidungen und Ortswechsel), ausbauen und dann zu einer Veranstaltung hin führen, die wieder an den Anfang anschliesst. Aber (und hier kommen sehr schnell wieder Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Konzeptes Storytelling auf): So eine klare Geschichte findet sich in schlechten Romanen und Filmen. Gute Geschichten, gute Bücher und Filme, zeichnen sich dadurch aus, solchen einfachen Templates nicht zu folgen. Dies gilt gerade in den postmodernen Zeiten, in denen wir heute leben. In ihnen werden Entscheidungen nicht getroffen, um eine Geschichte weiterzutreiben, sondern weil sie getroffen werden müssen; in ihnen werden Inhalte aufgegriffen, weil es gerade ein Interesse daran gibt, nicht weil sie sich zu einer allumfassenden Schlussmoral aufbauen. Und schöne Bilder sind schön, weil sie sich ergeben, nicht weil sie als überwältigende Bilder geplant sind. Gute Geschichten sind so komplex wie die Welt. Und sie kommen genau wie diese zwanglos und bestenfalls in ihrer Rahmung geplant.
Wie gesagt: Die ersten zehn Jahre der LIBREAS. Library Ideas liessen sich bestimmt, wenn man viel weglässt und geradebiegt, als zusammenhängende Erzählung fassen: Hervorgegangen aus den leicht verbrauchten, wilhelminischen Hallen des Berliner Instituts für Bibliothekswissenschaft mit der Idee, zu fragen, was eigentlich die Idee der Bibliothek ist; über viele, viele Texte, Ausgaben, inhaltliche Entscheidungen, dem Auftauchen von neuen Personen oder teilweise auch wieder dem Verschwinden
von Einzelnen aus der Geschichte, den persönlichen Entwicklungen (wir sind heute nicht nur fertig ausgebildet, sondern teilweise erstaunlich erwachsen
geworden, zum Teil), dann nach zehn Jahren ankommend in modernen, hellen, aufgeräumten Räumen des Berlin Institute for Cultural Inquiry, um in einer Veranstaltung die gleiche Frage wie am Anfang zu stellen: Was ist eigentlich die Idee der Bibliothek?
Ist das überzeugend? Wofür? Was wäre die Moral der Geschichte? Und wo sind dann all die fehlgeplanten Ausgaben, die Artikel, die angedacht, aber nie geschrieben wurden, die unerwachsenen Seiten
der Zeitschrift (und der Redaktion) hin?
Eher ist es so: Die Frage war im Namen der Zeitschrift angelegt, aber auch nach zehn Jahren noch immer nicht beantwortet, deshalb schien es inhaltlich sinnvoll, auf sie zurückzukommen. Die genannte Veranstaltung fand im September 2015 tatsächlich statt, mit Vorträgen, die von der Redaktion so ausgewählt wurden, wie auch seit zehn Jahren mehr oder minder die Zeitschrift entsteht: Nach dem subjektiven Interesse der Redaktion; so, wie wir sie gerne hören oder lesen würden – nicht unbedingt, weil sich damit ein Kreis zum Jahr 2005 schliessen würde. Den Schwerpunkt dieser Ausgabe bilden die Vorträge der Veranstaltung. Sie werden ergänzt durch Artikel, die ähnliches vermitteln, wie die Vorträge, nämlich das Wissen, dass die Frage, was die Idee der Bibliothek ist, immer auch etwas anderes heisst, wenn sie von unterschiedlichen disziplinären Positionen aus gestellt wird. Die LIBREAS. Library Ideas verstand sich immer als eine Publikation, die den Blick aus anderen Disziplinen auf die Bibliothek ermöglicht – die Beiträge dieser Ausgabe zeigen unter anderem, wie differenziert die Bibliothek
von dieser Warte, besser: diesen Warten aussieht.
Oder anders gesagt: Die Frage ist immer noch nicht beantwortet, der Nexus der Bibliothek nicht benannt; aber die Antworten kreisen sehr komplex, anregend und in unterschiedlichen Zeitebenen. In einer überzeugenden Geschichte
wäre das wohl nicht so, aber es gibt kein abschließendes Happy End, nur ein Happy Stage, als Zwischenstufe und in diesem Fall tatsächlich auch als Bühne. Und es gibt einfach weiter ein Interesse daran, eine Zeitschrift zu machen, mit der die Redaktion selber zufrieden wäre. Wir sind sehr zufrieden, gerade mit der Vielfalt der Perspektiven. Wir hoffen, Sie/ihr auch.
Und schließlich spricht noch etwas dagegen, diese zehn Jahre in eine Story zu packen: Geschichten laufen immer auf ein klares Ende zu, bei dem die Personen der Story sich entwickelt haben werden und die Konflikte gelöst sind. Aber das ist nicht, was mit einer Zeitschrift passiert. Die Regel lautet immer: nächste Ausgabe=nächste Ausgabe. Die aktuelle ist eine zu einem Jubiläum. Aber kein Ende. Wir machen weiter und wir hoffen, dass wir das mit Ihnen/euch gemeinsam tun.
Ihre/eure Redaktion LIBREAS. Library Ideas
(Berlin, Bielefeld, Chur, München)