> > > LIBREAS. Library Ideas # 4

Beständiges Wissen?

How stable can knowledge be? This question is deeply rooted in Western metaphysics. Stable knowledge can be understood in the temporal sense of permanent presence or in the sense of virtual presence, like knowledge in electronic networks. Any kind of knowledge stability (including its signs, meaning, and media) is based on a type of being, ourselves, that has the ability to cast its own being and of being open to the unforeseen. Is the question how stable can knowledge be? as it arises from our present technological cast one that envisages the foreclosure of our ability to cast our being and to remain open to the unforeseen? Should we be committed to technologies that imply this kind of challenge? The paper deals with these questions from the point of view of the stability or instability of objects, subjects and media of knowledge. It argues in favour of a sustainable development of information on the basis of multimedia information cultures.
Kurzfassung:
Wie beständig kann Wissen sein? Diese Frage ist tief in der abendländischen Metaphysik verwurzelt. Beständiges Wissen bedeutet zum einen ständige Anwesenheit, wie zum Beispiel die der Bücher in einer realen Bibliothek, und zum anderen virtuelle Anwesenheit, wie das Wissen in elektronischen Netzwerken. Beständiges Wissen (Zeichen, Bedeutung, Medien) ist aber stets unser Wissen, d.h. das Wissen eines Lebewesens, dessen Existenz gestaltbar und das offen für das Unvorhersehbare ist. Ist die Frage: Wie beständig kann unser Wissen sein?, so wie sie aus unserer technologischen Zivilisation entsteht, eine Frage, die diese Dimensionen ausschließt? Sollten wir Technologien verpflichtet sein, die diese Art von Herausforderungen stellen? Der Beitrag widmet sich diesen Fragen aus der Sicht der Beständigkeit bzw. Unbeständigkeit von Wissensobjekten, Wissenssubjekten und Wissensmedien. Der Autor plädiert für eine nachhaltige Entwicklung von Information auf der Grundlage von multimedialen Informationskulturen.


Zitiervorschlag
Rafael Capurro, "Beständiges Wissen?. ". LIBREAS. Library Ideas, 4 ().


Vortrag im Rahmens des Workshops „Knowledge for the Future – Wissen für die Zukunft“ an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus, Zentrum für Technik und Gesellschaft, 19.-21. März 1997. Der Originaltext wurde ursprünglich in Englisch verfasst und ist online zugänglich unter: < http://www.capurro.de/cottbus.htm >.

Für die deutsche Übersetzung wurden geringfügige Änderungen vorgenommen. Der Autor hat in den darauffolgenden Jahren Beiträge zu den hier aufgeworfenen Fragen geliefert. Siehe:< http://www.capurro.de/publi.htm >

Deutsche Übersetzung: Ben Kaden in Zusammenarbeit mit der LIBREAS-Redaktion.


Einleitung

Wie beständig kann Wissen sein? Der Hintergrund dieser Frage wurde an mich durch Klaus Kornwachs im Rahmen seiner Einladung zu dem Workshop „Knowledge for the Future – Wissen für die Zukunft“ (Technische Universität Cottbus, Zentrum für Technik und Gesellschaft 1997) herangetragen. Sie lässt sich folgendermaßen skizzieren: Die Folgen unseres gegenwärtigen technologischen Handelns, besonders in Bereichen wie Kernenergie und Biotechnologie, können gravierende negative Folgen für kommende Generationen haben. Um ihnen unser aktuelles Wissen über diese Gefahren zu übermitteln, müssen wir dieses Wissen semantisch und technisch nachhaltig machen bzw. stabilisieren.

Wir sind uns heute besonders bewusst, dass Kommunikation nicht etwas ist, was nebenbei zum Wissen gehört. Es gibt kein Wissen an sich, sondern nur geteiltes Wissen (shared knowledge). Wissen ist immer mehr oder weniger informiert oder desinformiert. Mit anderen Worten, Wissen ist das Ergebnis eines Handelns durch das wir auf der Grundlage des Gemeinsamen Unterschiede finden. Wir sind in einem Netzwerk von Bedeutungs- und Verweisungszusammenhängen eingebettet, das wir zunehmend aufgrund der Erfahrung von Anomalien und Differenzen als relativ instabil erfahren.

War man in früheren Epochen der Meinung, man hätte eine feste Grundlage für das Wissen gefunden oder ging man zumindest von der Erreichbarkeit dieser Grundlage aus – Descartes sah dieses Fundament im cogito sum gegeben – so glauben wir heute, dass es eine solche Basis, einen letzten Grund, nicht geben kann und dass nicht nur die Erkenntnisse der Wissenschaft, sondern auch alle anderen Arten in unserer Gesellschaft anerkannter Bedeutungsnetze prinzipiell instabil sind. Dieser Glaube kulminiert in einem Kommunikationssystem, welches im Ephemeren oder Kurzlebigen seinen Mittelpunkt hat und dessen Aufgabe ist, gegenwärtiges Wissen zu teilen.

Diese Situation führt zu folgendem Paradoxon: Unser elektronisch geprägtes Kommunikationssystem führt einerseits zur Universalität eines übergreifenden Forums für die Menschheit. Andererseits wird die Bewahrung des Wissens für künftige Generationen immer schwieriger.

Die Bedeutung des Ephemeren gegenüber dem Beständigen, des Vergänglichen gegenüber dem Haltbaren, der Gegenwart gegenüber der Vergangenheit und der Zukunft, des Neuen gegenüber dem Redundanten wird überbetont. Aber es gibt keine reine Kommunikation oder reine Redundanz. Etwas wie reine Information oder reine Neuheit existiert nicht. Menschliches Wissen ist ein endloser Interpretationsprozess, ein Prozess der Suche nach neuem Wissen auf der Basis von scheinbar stabilen Bedeutungsnetzen.

Dies führt zur zweiten Argumentationslinie im Einladungsbrief von Klaus Kornwachs. Es scheint, als würde die Gestaltung unserer Kommunikationstechniken durch eine Zunahme der elektronischen Möglichkeiten der Speicherung, Verarbeitung und Übertragung von Information Hand in Hand mit einem Nachlassen des Gedächtnisses gehen. Platons Mythos (Phaidros 274c-275c) vom ägyptischen König, der vor einer Schwächung des Gedächtnisses durch die Erfindung des Schrift warnte, könnte nun für die gesamte Menschheit Realität werden.

Diese beiden Argumentationsansätze können dahingehend zusammengefasst werden, dass wir im ersten Fall nach der Beständigkeit der Wissensobjekte und im zweiten nach der Beständigkeit der Wissensmedien fragen.

Wie beständig sind Wissensobjekte? Mein erster Ansatz ist ein metaphysischer und bezieht sich auf verschiedene Arten von Objekten als Quelle und Garantie von Stabilität oder Instabilität ihrer Botschaften. Dieser objekt-orientierte Ansatz wird in einem zweiten Schritt einem subjekt-orientierten gegenübergestellt. Die Frage ist hier, wie dauerhaft der menschliche Träger der Botschaften ist oder wie stabil die Wissenssubjekte als Quelle und Ziel der Codierung und Decodierung von Nachrichten sind. Hier befinden wir uns auf dem Gebiet der Hermeneutik. Schließlich stellt sich die Frage, wie dauerhaft ein Wissensmedium sein kann. Wie stellt sich dieses Problem vor der Annahme der Globalisierung und Computerisierung und speziell vor der aktuellen Entwicklung von Kurzzeitspeichern (short term memory devices) dar?

Das Streben nach Beständigkeit von Wissen im Zusammenhang mit den Folgen unseres technischen Handelns betrifft auf den ersten Blick auch die Sorge für künftige Generationen. Aber richtet sich diese Sorge tatsächlich auf die Freiheit dieser Generationen oder belasten wir sie vielleicht einfach nicht nur mit den technischen, sondern auch mit den semantischen Zwängen unserer Zivilisation? Das Streben nach Wissensbeständigkeit entspringt vielleicht den unethischen Wirkungen unserer Technik und wäre deshalb nur scheinbar Ergebnis ethischer Sorge.

Wie beständig kann Wissen sein? Diese Frage stellt sich zwischen einer Utopie der reinen Nachricht, die keine Einbindung in einen materiellen Prozesse oder ein Kommunikationsmedium besitzt und einer Dystopie des reinen Mediums ohne Nachricht. In der Sprache der platonischen Ontologie handelt es sich um die Frage der Vermittlung zwischen den reinen Formen, also den „Ideen“, und einem reinen Medium, der Chora. (Timaios, S. 49ff), die als eine Art Urraum, in dem aller 'In-formation’ aufgegangen ist, aufgefasst werden kann.

Zunächst wenden wir uns den metaphysischen oder objekt-orientierten Fragen der Beständigkeit von Wissen zu. Zum besseren Verständnis beginne ich mit einem mythischen Vorspiel.

h3>I Mythisches Vorspiel

In der Geschichte des abendländischen Denkens gibt es eine Phase des Übergangs von der vertikalen Struktur der göttlichen Botschaften (griech.: angelia), deren Übermittlung Dichtern und Priestern oblag, hin zur horizontalen Struktur des logos im Sinne einer philosophischen Wahrheitssuche (Capurro, 1996).

Dieser Übergang (by-pass) kann als Streben nach dem beständigen oder wahren Wissen interpretiert werden. Dieses kann durch den Dia-log erreicht werden, d.h. durch das wechselseitige Hinterfragen von logoi, den Objekten des Wissens, die die Vermittler oder Empfänger von vergänglichen Nachrichten, die dem unberechenbaren Willen von Göttern entspringen, ersetzten. Die griechischen Philosophen waren Wahrheitssucher. Der semantische Übergang von angelia zum logos verdeutlicht diesen Perspektivenwechsel. Der logos des Menschen entdeckt oder ent-birgt selbst dauerhafte oder vergängliche Objekte. „Unverborgenheit“ ist die Übersetzung des griechischen Wortes für Wahrheit (aletheia). Lasst uns kurz den Charakter der mythischen Vergänglichkeit analysieren, um seine Ersetzung durch die metaphysische Beständigkeit besser zu verstehen.

Nichts ist weniger vorhersehbar als der Wille der Götter und nichts ist ungewisser als das Schicksal (moira, tyche). Die Moiren sind die drei Töchter des Zeus und der Themis, der Göttin der Gerechtigkeit. Die erste, Klotho, webt den Lebensfaden, die zweite, Lachesis, teilt das Lebenslos zu; Atropos die dritte, die Unvermeidliche, trennt den Lebensfaden ab. Nichts ist für die Griechen tragischer als die uns gegebenen Möglichkeiten, über das Gesetz des Schicksals hinausgehen zu können, ohne klares Wissen über unser Tun, ausgenommen im Falle eines Willens, der das Schicksal herausfordert (hybris).

Die Ungewissheit in Bezug auf das von den Moiren gesponnene Schicksalsnetz beginnt und endet mit unserem Wissen über den Tod, welches allem anderen Wissen den Charakter von Vergänglichkeit und Nichtentrinnbarkeit verleiht. Unser Wissen vom Tod ist ein paradoxes Wissen. Es ist beständig und unbeständig zugleich. Es ist Wissen und Nicht-Wissen. Es ist Teil unserer Lebenszeit und markiert gleichzeitig ihre Grenze. Der inflationäre Gebrauch von Netzwerkmetaphern, der uns heute begegnet, findet seinen mythischen Widerpart in der Vorstellung von Göttinnen, die unser Schicksal weben. Lebensdesign ähnelt dem Design von Wolle. Die Fäden des Glücks sind miteinander verknüpft. Sie haben keine Möglichkeit, das Gewebe als Ganzes zu beherrschen. Der Hauptaspekt, nämlich die Zeit als das, was unvermeidlich während des Prozesses des Spinnens geschieht, reicht immer über das Dasein der einzelnen Fäden und ihres aktuellen Designs im Sinne eines Möglichkeitsrahmens hinaus. Glück und Unglück lassen sich nur bis zu einem bestimmten Grad vorhersagen oder berechnen. Ein Element des Unbestimmbaren gehört immer zum menschlichen Wissen und seiner Übertragung.

II Wie beständig sind Wissensobjekte?

Die Geburt der griechischen Philosophie kann als Gegenmittel zur Begrenztheit des menschlichen Lebens in seiner Abhängigkeit vom Schicksal und dem Willen der Götter aufgefasst werden. Platon und Aristoteles versuchten, den Unterschied zwischen unserem Wissen vom Vergänglichen – von den vergänglichen und endlichen Dingen (ta phthora) – und unserem Wissen von einem Seienden, das immer existiert (aei on), rational zu begreifen.

Die griechische Auffassung eines beständigen Seienden und eines beständigen oder wahren Wissens ist unmittelbar mit Zeit, Dauer und Anwesenheit verbunden. Diese Erkenntnis ist einer von Heideggers epochalen Schlüsseln seiner Interpretation der abendländischen Metaphysik. In den Vorlesungen über Platon und Aristoteles aus den Jahren 1924/25 zeigt er auf, dass für Aristoteles der menschliche logos eine Ent-deckung (a-letheia) der Wahrheit entweder durch die Ausbildung der idea des Vergehenden oder durch die episteme (Wissenschaft) und sophia (Weisheit) als dem Begreifen dessen, was dauerhaft ist, darstellt (Heidegger, 1992).

Eine Besonderheit des Wissens, welches Aristoteles als episteme, und mutadis mutandis als techne bezeichnet, ist das Wissen z.B. von der Herstellung künstlicher Dinge, welches weitergegeben oder kommuniziert werden kann. Wissenschaftliches oder epistemisches Wissen (episteme) verfügt über das Ent-borgene – zum Beispiel im Falle mathematischer Axiome – derart, dass wir uns nicht dauerhaft davor aufhalten müssen (Heidegger 1992, 35-38). Hier liegt der Unterschied zur sophia als einer dauerhaften, reinen Einsicht (theorein) in das „ewig“ Seiende. „Ewig“ ist in diesem Zusammenhang in Anführungszeichen gesetzt, da, wie Heidegger anmerkt (Heidegger 1992, 34), die griechischen Begriffe aion und aidia nicht mit dem christlich geprägten Begriff der Transzendenz verwechselt werden sollten, sondern sich eher auf eine Art des Gegebenen beziehen, welches nicht gezählt oder gemessen werden kann. Damit ist ein „für immer“ oder sempiternitas und nicht die transzendente Ewigkeit (aeternitas) gemeint.

Heidegger betont ferner, dass für Aristoteles dieses Verhalten des permanenten Bei-Seins, beständiges Wissen im Sinne einer dauerhaften Präsenz, die sich dem Dauerhaften gegenübersieht, das höchste Ziel des Menschen sei, welches aber unerreichbar bleiben muss, da die menschliche Existenz immer von dem abhängig bleibt, was auch anders sein könnte. Hierin liegt für Aristoteles der Grund, warum die Rückkopplung zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten (praxis) relevanter für uns ist als göttliches Verhalten oder sophia. Da sich die Dinge, die Zeit und die Menschen immer verändern, zielt der Prozess der vorsichtigen Beratung (phronesis), des Abwägens von Alternativen, nicht auf ein beständiges, dauerhaft gültiges Wissen, sondern auf eine jeweils adäquate Entscheidung in einer konkreten Situation. Ein solcher vorsichtiger Diskurs ist ursprünglich instabil.

Ethik ist nicht als Wissenschaft (episteme), sondern nur als techne möglich. Sophia, das Wissen vom Beständigen in Gestalt einer dauerhaften und reinen Einsicht, und phronesis als das Wissen vom Veränderlichen, haben scheinbar nichts gemein. Aber tatsächlich, wie Heidegger weiter ausführt, sehen wir uns in beiden Fällen mit etwas Einfachem oder Gegebenem, ob ewig bleibend oder sich ewig ändernd, konfrontiert, das nur ohne logos, also einzig durch reine Einsicht (nous) oder durch sinnliche Wahrnehmung (aisthesis) erfasst werden kann. Mit anderen Worten: Wir müssen die Dinge erst auf uns zukommen lassen, bevor wir über sie reden können.

Dies bezieht sich z.B. auf die Einzelaspekte einer bestimmten Situation im Rahmen der vorsichtigen Beratung oder auf die Grundannahme, dass medizinische Versorgung dem Ziel der Heilung diene. Zugleich ist die Art des Wahrnehmens, die die vorsichtige Beratung voraussetzt, nicht eine schlichte Wahrnehmung dessen, was sich verändert, sondern schöpft ihre Grundausrichtung aus der sophia (Weisheit) als der höchsten, aber in einer Lebensspanne nur beschränkt erreichbaren Erfüllung des geglückten menschlichen Handelns (eudaimonia).

In dieser Interpretation von Platons Sophistes befasst sich Heidegger mit der platonischen Argumentation für die Legitimität von unbeständigem oder sophistischem Wissen. Platons Gegenspieler ist primär nicht der Sophist im Allgemeinen, sondern Parmenides, der die These vertritt, dass es nur beständiges Wissen von dem gibt, was ist, und kein Wissen über das existiert, was nicht ist, d.h. über das sich Verändernde.

Der Sophist ist die absolute Personifikation des Sichverändernden, denn er produziert ununterbrochen Argumente und Gegenargumente zu Allem. Um zu demonstrieren, dass Parmenides’ Definition dessen, „was sich ändert“ und dessen, „was sich nicht ändert“ keineswegs stichhaltig ist – da es sowohl sich ändernde Gegenstände (natürliche und artifizielle) als auch das von den Sophisten verkörperte sich verändernde Wissen gibt –, führt Platon eine neue Interpretation des Seins ein, die es erlaubt, zu sagen, dass Veränderliches Seiendes ist, wenn auch nicht im Sinne einer ständigen Anwesenheit.

Dementsprechend kann es ein Wissen von dem geben, was sich verändert, das unwahr (falsch, verschleiernd, vorgebend, täuschend,...) ist (logos pseudes) – jeweils in Abhängigkeit der mimetischen Beziehung zu den Ideen. Veränderliches Wissen kann also wahr oder falsch sein. Seine Seinsart wird von der Möglichkeit einer wirklichen gegenüber einer bloß simulierten Unverborgenheit bestimmt. Heidegger nimmt an, dass dieser späte platonische Dialog unter dem Einfluss von Platons Diskussionen mit Aristoteles über dem Begriff der Möglichkeit (dynamis) stand.

Wie beständig kann Wissen sein? Vom Standpunkt der platonischen und aristotelischen Metaphysik kann die Antwort auf diese Frage nicht in der Beständigkeit des wissenden Subjekts, sondern in der Beständigkeit der möglichen Wissensobjekte gefunden werden. Anders gesagt, es handelt sich um eine prämoderne Antwort. Ihr gegenüber steht die Instabilität der Postmoderne. Aber die Extreme treffen sich. Irgendwo dazwischen befindet sich die moderne Suche nach der Beständigkeit des unbeständigen oder historischen Subjekts (Descartes, Kant, Hegel).

In einem Beitrag (vom 24. Juli 1996) zu einer Online-Discussion-Group über Heidegger führte der australische Philosoph Michael Eldred aus, dass es ein Unterschied ist, ob wir Phänomene als in einer permanenten oder beständigen Anwesenheit ansprechen, wie z.B. einen Stapel Bücher, und der Art von Beständigkeit, die wir uns vorstellen, wenn wir z.B. von einem Standing Committee oder von der schnell in elektronischen Netzen zirkulierenden Information sprechen. Daraus können wir die Unterscheidung zwischen faktischer oder konstanter Anwesenheit einerseits und virtueller oder dauernder andererseits ableiten. Hierin liegt der Grund, warum das Ideal der prämodernen Beständigkeit des Wissens in der Nähe der postmodernen Instabilität von Information zu vermuten ist, da wir es in beiden Fällen mit Anwesenheit zu tun haben.

Die beständigen Wissensobjekte wie Platon und Aristoteles sie sich dachten, erscheinen uns heute entweder (meistens) virtuell, nämlich in der Form von Vorannahmen der Wissenschaft (episteme) oder (seltener) als eine beständige Anwesenheit für einen weisen Wissenden oder Beobachter. Dieser vermag aber nicht dauerhaft in diesem Zustand zu verbleiben, da er auch immer selbst ein Handelnder ist, als jemand der zwischen Handlungsmöglichkeiten abwägen muss.

Die Art und Weise wie heute elektronische Information existiert, entspricht einer bestimmten Struktur, die in Anschluss an Heidegger „Informations-Gestell“ genannt werden kann und deren ständige Verfügbarkeit von der Art einer virtuellen Anwesenheit ist.

Aber im Gegensatz zu den Objekten der Metaphysik gibt es hier keine ewige göttliche Anwesenheit, die sich hinter dem „Informations-Gestell“ befindet.

Noch grundlegender als die zeitliche Beständigkeit in Rückgriff auf das griechische Konzept des Anwesendseins erscheint, nach Heideggers und Eldreds Interpretation, der Begriff der Grenze. Anwesenheit bedeutet demnach in erster Linie nicht bloß die virtuelle oder reale Dauerhaftigkeit in der Zeit, sondern eine beständige Form, die eine solche Dauerhaftigkeit zulässt. Es ist diese Form der Begrenzung, die Platon als idea und Aristoteles als morphé bezeichnen. Wir nennen sie Information. Es war Carl-Friedrich von Weizsäcker der schon sehr früh eine Verbindung zwischen den klassischen philosophischen Begriffen von idea bzw. morphé und dem modernen Informationsbegriff annahm (Weizsäcker 1974: 51; Capurro 1978).

Beständiges Wissen basiert auf einer 'idealen’ Begrenzung dessen, was geschieht. Ideen sind ewig und stabil, da sie reine Begrenzungen darstellen. Sie können sowohl virtuell als auch real entborgen werden. Ihre zeitliche An- oder Abwesenheit bezieht sich dann nicht bloß auf die Beständigkeit oder Vergänglichkeit des menschlichen Subjektes als eines Wissenden. Es ist nicht der Wissende, der ihnen Halt gibt, sondern die Erfüllung des eigenen Seins, das endgültig zu einem Ende oder zur Perfektion (telos) angekommen ist. Ideen sind ewig und endgültig, weil ihre Begrenztheit eine endgültige ist. Als Entsprechung können wir annehmen, dass die Beständigkeit von Information in ihrer digitalen Begrenzung gründet. Die ideale Begrenzung ist aber, wie wir sehen werden, abhängig von dem jeweiligen technischen Medium.

III. Wie beständig sind Wissenssubjekte?

Wie beständig sind Wissenssubjekte? Wie bereits gezeigt wurde, ist menschliche Existenz durch ihre Vergänglichkeit charakterisiert. Das ist nicht nur in Bezug auf unsere Sterblichkeit wahr, sondern auch auf unsere Seinsweise selbst. Wir sehen uns und die Dinge um uns herum unter veränderlichen und wechselnden Bedingungen oder Definitionen. Vilém Flusser spricht von der menschlichen Existenz als einem Projekt anstelle eines Subjekts, d.h. als etwas, das einem vorbestimmten Plan oder Regel unterworfen wird. Nach Flusser macht die Erfahrung existentieller Instabilität den Unterschied zwischen der Suche nach einer stabilen Subjektivität in der Moderne und in der Postmoderne aus (Flusser, 1994).

Aber die menschliche Existenz ist nicht bloß instabil, denn sie gründet in soziokulturellen Zusammenhängen, die ein gewisses Maß an Beständigkeit ermöglichen, was die Griechen ethos nannten, d.h. ein Leben innerhalb gegebener Normen und Traditionen. Ethische Projekte implizieren Regeln, nach denen etwas als seiend oder nicht seiend angesehen wird. Diese metaphysischen Regeln bleiben meistens unthematisch. Sie sind das Resultat von mehr oder weniger gravierenden Anpassungen über einen langen Zeitraum hinweg, mit komplexen Ursachen und Motivationslinien – ähnlich dem Kuhnschen „paradigm shift“ bzw. revolutionären Wandel (im Falle wissenschaftlicher Theorien).

In der bereits erwähnten Internet-Diskussion wurde von Michael Eldred der englische Ausdruck casting (Entwurf) anstelle von Projekt in die Diskussion eingebracht. Gemeint ist unsere Fähigkeit zum Gestalten oder, besser, zum Entbergen von verschiedenen Seinsregeln. Damit haben wir die Möglichkeit, metaphysische Netzwerke zu schaffen, mit denen wir nicht nur die Dinge begreifen, sondern auch uns selbst entwerfen.

Die Moderne suchte eine allgemeingültige Struktur des wissenden Subjekts hervorzubringen, zum Beispiel durch originäre a priori Kategorien (Kant), nach denen wir unwiderruflich die Seienden und uns selbst von einer beständigen Perspektive betrachten können. Dieser philosophische Entwurf war eng verknüpft mit dem Newtonschen Entwurf der Natur. Der gegenwärtig technisch geprägte Entwurf ist nicht weniger ein Ergebnis des langen und komplexen Prozesses, der bis zu Platons idea, über die Leibnizsche characteristica universalis, die moderne formale Logik, Turings Maschine usw. reicht und zu dem führt, was wir als den elektronischen oder digitalen Entwurf (digital casting) bezeichnen können. Michael Heim hat einige dieser historischen Wegmarken analysiert (Heim 1994).

In Abwandlung des „esse is percipi“ des Bischof Berkeley lässt sich formulieren: „esse ist computari“. Diese Aussage bedeutet nicht, dass wir nicht an der Existenz materieller Dinge glauben. Esse ist computari bedeutet, dass wir das Sein des Seienden als etwas verstehen, das digital entworfen ("cast") und übertragen („broadcast“) werden kann. „Bits are Bits“ und nicht Atome, schreibt Nicholas Negroponte (Negroponte 1995), aber Atome können in ihrem Sein als Bits entworfen werden „Being digital“ (Negroponte) ist in der Tat eine Sache des Seins in einem doppelten Sinne: Sein ist eine Sache der Bits und Bits sind die Sache des Seins. Dies bedeutet auch, dass der Wissende selbst digital wird. Die Frage nach der Beständigkeit des Wissenden wird zu einer Frage der Beständigkeit des Mediums, in dem sich die Bits befinden. Laut Negroponte sind alle Medien digital. Diese digitale Ontologie ist so allgegenwärtig oder durch den Rundfunk weit verbreitet („broadcast“), dass sie in der Regel als selbstverständlich angesehen wird.

IV. Wie beständig sind Wissensmedien?

Information ist die Art und Weise, wie Realität auf der Grundlage des digitalen Seinsentwurfs präsent wird. In diesem Realitätsentwurf befindet sich ein gigantisches Reservoir von virtueller digitaler Anwesenheit. Information existiert, im Gegensatz zur Negentropie bei der Energie, im Überfluss.

Michael Benedikt zufolge wird die virtuelle Realität einige Objekte, die wir für die Speicherung und Übertragung von Wissen an künftige Generationen verwenden, nicht ersetzen („replace“), wohl aber verschieben („displace“). Sie wird den „Ballast der Materialität“ („ballast of materiality“) als die letzte Stufe von Poppers „Welt 3“ wegwerfen („cast away“) (Benedikt 1994: 4).

Mit anderen Worten, die Metaphysik der virtuellen Realität basiert auf dem digitalen Seinsentwurf, der eine neue, immaterielle Form der Informationsverbreitung („information broadcasting“) ermöglicht. Platon und der Cyberspace. Die Extreme berühren sich.
Der nach Wahrheit strebende metaphysische Dialog hat die göttlichen Botschaften (angelia), ebenso wie die heiligen Geschichten (hieros logos) über die durch mündliche und/oder schriftliche Erzählungen der Priester übertragenen (paradosis) Mysterien, ersetzt (Burkert, 1990: 58-61).

Die griechischen Philosophen suchten nach einer idealen Beständigkeit und einer Beständigkeit eines idealen Mediums. Dieses Medium war für Platon nicht die geschriebene, sondern die gesprochene Sprache. Das ist, besonders nach Gutenberg, eine etwas eigenwillige Sicht! Für Platon war nur der lebendige logos das adäquate Medium, in welchem der höchste oder beständige Inhalt des Wissens (ta timiotera) übermittelt werden konnte und sollte. Ein Grund für seine Ablehnung der Schrift als ein beständiges Medium kann in der Diskrepanz zwischen der Form einer durch das Schreiben gegebenen virtuellen Anwesenheit und der ewigen Anwesenheit der Ideen gefunden werden.

Nur der lebendige logos, d.h. der Dia-log kann den reinen Definitionen oder Ideen entsprechen und „ent-sprechen“. Wir sind in der Lage, auf der „logischen“ Grundlage von lebendigen logoi die Differenz (dia) oder das fremde Medium zwischen dem Wissenden und dem Objekt zu überwinden. Aufgrund der unmittelbaren Anwesenheit des lebendigen logos zu seinem „logischen“ oder idealen Objekt sind wir nicht durch eine vergängliche Substanz von diesem getrennt, sondern in einer gemeinsamen logischen Form mit ihm vereinigt. Das ist das Ideal der Platonischen in-formation, d.h. des reinen logischen Mediums. Dieses ideale Medium ist für Platon die Botschaft. Angelia ist logos.

Die Moderne hat diesen metaphysischen Entwurf durch den Ansatz eines wissenden Subjekts als stabiles Medium ersetzt. Die Informationstechnologie verwandelt das moderne Subjekt in ein Objekt der in-formation. Diese Entwicklung führt nicht zwangsläufig zu einer Dominanz der Informationstechnologie über die Menschheit. Sie ermöglicht ebenfalls die Transformation des modernen Subjekts in ein Projekt (Flusser). Das Medium unserer Projektionen ist ein digitaler Entwurf. Sein logos ist nicht primär auf ein stabiles Objekt orientiert, sondern besteht aus instabilen Nachrichten. Die angelia verschiebt den logos.

Die Informationstechnologien stellen ein hochgradig instabiles Medium dar, durch das wir von einer Fülle virtueller Nachrichten umgeben sind. Diese Fülle führt einerseits zu einer neuen Form von Stabilität. Eine dezentrale Netzwerkarchitektur, wie z.B. das Internet, bietet mehr Stabilität bei Aus- oder Störfällen. Wir haben es hier mit eine brillanten Idee, die ihren Ursprung im Militärischen hat, zu tun. Innerhalb dieser Fülle sehen wir uns jedoch zunehmend mit dem Problem einer Spaltung zwischen den Informationsarmen und -reichen konfrontiert (Capurro 1996a).

Wie beständig ist der digitale Entwurf von Information?, fragt Nicholas Negroponte in einem gedruckten Buch (!). „Digitale Bücher sind niemals vergriffen. Sie sind immer da.“ (Negroponte 1995: 13) Sind sie das wirklich? Natürlich sind sie es, wenn wir diese Aussage als eine metaphysische Aussage verstehen. Sie postuliert eine übergeordnete (virtuelle) Stabilität, die der eines materiellen Mediums wie dem realen Buch entspricht. Aber tatsächlich gibt es weder eine reine Botschaft noch ein reines Medium. Beides, Medium und Botschaft, sind unwiderruflich auf den menschlichen Entwurf bezogen. Menschliches Gedächtnis, Steine, Papier, elektronische Geräte … Hinter der technischen Frage der Haltbarkeit eines spezifischen Mediums steht unsere Frage: Was heißt es eigentlich, Wissen zu archivieren? Die metaphysische Frage ergibt sich aus einer existentiellen heraus.

Vor diesem Hintergrund nähern wir uns einem Problem, welches Jacques Derrida als „mal d’archive” („das Böse/die Krankheit des Archivs”) bezeichnet (Derrida 1995). Nach Derrida ist das Prinzip der Archivierung – und „Archivierung“ ist, wie das Wort arche schon ausdrückt, ein Grundprinzip – gleichzeitig entgegengesetzt und eng verbunden zu dem, was Sigmund Freud als „Todestrieb“ bezeichnet. Etwas archivieren bedeutet auf der einen Seite, den Tod und das Vergessen abzuwehren. Archive sind Werkzeuge des Erinnerns bzw. des Wiedererinnerns, wie es das griechische Wort hypomnema ausdrückt. Der griechische Begriff mneme (Speicherung) verhält sich komplementär zum Prozess des Wiedererinnerns (anamnesis).

Speicherung und Wiedererinnerung basieren auf einer Verkündung (angelia), die diesen vorausgeht. Der Tod ist, so Derrida, ein anarchischer Engel, der sowohl die Botschaft wie auch deren Archiv zerstört. Andererseits sind Archive der Vernichtung durch den Tod, dem mal d’archive, ausgeliefert.

Derrida zeigt auf, dass der klassische philosophische Wissenschaftsbegriff (epistme, theoria) unabhängig von der Frage nach der Archivierung stand. Unser gegenwärtiger Begriff von Technowissenschaft hat sich davon entfernt. Er ist grundlegend mit allen Formen von Archivierungstechniken verbunden. Das Medium ist die Botschaft. In der Tat. Aber welches Medium? Wir sehen uns mit einer Pluralität von Medien konfrontiert, wie auch mit einer Pluralität von Botschaften. Die Medien sind die Botschaften. Uns fehlt aber noch immer eine Theorie der Botschaft, die alle möglichen Formen in Wissenschaft, Mythologie, Kunst usw. einschließt.

Wie Wolfgang Welsch anmerkt (Welsch 1996: 317), können Medien universell sein, aber sie sind niemals absolut. Sie können alles enthalten, wie im Falle unseres digitalen Selbstentwurfes, aber nur in einer jeweiligen Hinsicht. Jedes Medium hat seine eigene Spezifität. Der Wunsch zu Archivieren, als Gegenstück zum Vergessen und zum Tod, durch das mal d’archive hat zu vielen technischen Werkzeugen geführt, aber er ist, so Derrida, der Freud interpretiert (Derrida 1995: 59), grundsätzlich sowohl in einem genetischen als auch in einem kulturellen transgenerationellen Gedächtnis begründet. Die Frage der Archivierung ist eine Frage nach unserer Sorge für künftige Generationen. Aber was wissen wir tatsächlich über die Zukunft?

Fazit: Nachhaltige Entwicklung von Information

Unter den Bedingungen der Technowissenschaft ist das Primat der klassischen (griechischen) Auffassung von Wissenschaft im Sinne einer archiv-unabhängigen Überlieferung nicht mehr haltbar. Die Konsequenz dieses klassischen Ansatzes war die Idee eines reinen Archivs, wie es z.B. Leibniz in seiner lingua universalis erträumte und die in etwas, was wie heute als Computer kennen, implementiert wurde. Der Computer ist aus dieser Perspektive ein metaphysisches Medium.

Wenn wir uns fragen, was ein Archiv ist, dann tun wir dies, weil wir, so Derrida, am mal d’archive leiden. Gegen die Unendlichkeit der Destruktion können wir nur unsere endlichen Botschaften und spezifischen Medien stellen. Die Frage des Archivierens führt nicht zu einer endgültigen Antwort, sondern zu einem Aufgehen in der Pluralität der Medien und dessen, was wir Informationskulturen („information cultures“) nennen können. Die Preisgabe der metaphysischen Ideo-logien bedeutet nicht, dass wir Rationalität oder logische Konsistenz oder gar die moderne Technik über Bord werfen sollten, sondern sie sollte uns unsere Entwurfsmöglichkeiten und die der künftigen Generationen bewusst machen.

Menschliche Seinsentwürfe basieren auf einer Pluralität von Sprachen, auf verschiedene Weisen der Kommunikation, auf religiösen Traditionen – als einem der ältesten Muster einer die Generationen übergreifenden Vermittlung von Kultur –, auf historischen und politischen Prozessen usw. Die Instabilität von Medien ist gleichzeitig eine Bedrohung und eine Chance für kommende Generationen, sich über die Möglichkeit ihrer eigenen Seinsentwürfe zu informieren. Wir sollten ihnen nicht die Möglichkeit für eigene Entwürfe vorenthalten wollen oder, was noch schlimmer wäre, ihnen die Möglichkeit nehmen, unsere Entwürfe zu verwerfen, falls diese Preisgabe zugleich ihre eigene Auflösung bedeuten würde. In einem solchen Fall wären die von uns erzeugten Archive Archive des Todes („archives of death“) und unsere Botschaft wäre eine apokalyptische.

Logoi sind entweder wahr oder falsch – mit vielen Möglichkeiten dazwischen. Botschaften sind relevant oder irrelevant – ebenfalls mit vielen Möglichkeiten dazwischen. Es gibt keine Relevanz an sich. Botschaften sind relevant in Bezug auf Situationen und Umstände. Eine Theorie der Botschaft (eine Angeletik) berücksichtigt die situationsbezogene (linguistische, kulturelle, historische, politische,...) Relevanz der logoi. Sorge für die logoi zu tragen, bedeutet nicht nur, sich über die Relativität ihrer Wahrheit bzw. Stabilität innerhalb einer Pluralität von Objekten, Projekten und Medien wahrzunehmen, sondern sich vorrangig über die Instabilität ihrer Übertragung bewusst zu werden. An diese Vergänglichkeit im Kontext einer Pluralität von Objekten, Projekten und Medien zu erinnern, ist die Aufgabe einer nachhaltigen Entwicklung von Information. Sie schließt ein, mit anderen Worten, die Möglichkeit verschiedener Seinsentwürfe für künftige Generationen abzusichern.

Wie beständig kann Wissen sein? Entspringt diese Frage unserem aktuellen technologischen Entwurf, der den Ausschluss unserer Fähigkeit, unser Leben zu entwerfen und die Offenheit gegenüber dem Nichtvorhersagbaren ins Auge fasst? Sollten wir uns für Technologien einsetzen, die diese Herausforderung implizieren? Eine Alternative zu dieser Perspektive ist nicht nur die Eindeutigkeit und Beständigkeit der Metaphysik, sondern auch die Vieldeutigkeit und Instabilität von Objekten, Projekten und Medien, d.h. der Begriff von Informationskulturen, der auf der Grundlage einer Theorie der Botschaft untersucht werden kann und eine Ähnlichkeit zu dem aufweist, was Flusser „Kommunikologie“ nennt (Flusser 1996).

Literaturverzeichnis


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Rafael Capurro ist Professor für Informationswissenschaft und Informationsethik an der Hochschule der Medien (HdM). Ausserdem ist er als Herausgeber der International Review of Information Ethics (IRIE)