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Wie vielfältig kann und sollte Open Access sein?

Bericht zu den Open-Access-Tagen 2018 in Graz


Zitiervorschlag
Sophie Schneider, "Wie vielfältig kann und sollte Open Access sein?. Bericht zu den Open-Access-Tagen 2018 in Graz". LIBREAS. Library Ideas, 34 ().


Das Motto Vielfalt von Open Access bildete den Rahmen für die diesjährigen 12. Open-Access-Tage vom 24. bis 26.09.2018 in Graz. Die Konferenz richtete sich dabei vor allem an Expert*innen aus dem Bereich Open Access (OA), die sich mit den Möglichkeiten, Bedingungen und Perspektiven des wissenschaftlichen Publizierens befassen1. Die Folien der Beiträge können in der Zenodo-Community Open-Access-Tage 2018 abgerufen werden.2

Der langsam fortschreitende Transformationsprozess von Closed zu Open Access war ein zentraler Gegenstand der Open-Access-Tage 2018. Dieser gegenwärtig stattfindende Wandel hat eine stark zunehmende Facettierung zur Folge, welche verschiedenste Modelle zur Finanzierung, Publikation, Vermittlung und schlussendlich Durchsetzung von Open Access in Forschung, Politik und Gesellschaft beinhaltet. Zusammengefasst: […] vielfältige Strömungen fächern das Themenfeld Open Access zusehends auf3. Einen Ursprung dieser Diversität könnten womöglich die beteiligten Akteure selbst darstellen: Entscheidungsträger aus Politik und Gesellschaft, Verlage, Bibliotheken und anderen Informationseinrichtungen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verfolgen sehr unterschiedliche Ziele und für die Erreichung von Fortschritten in der gemeinsamen Schnittmenge ist eine gegenseitige Annäherung dieser Akteure und ihrer Ziele unabdingbar.

Die Vielfalt von Open Access zeichnete sich daher auf den Open-Access-Tagen insbesondere in folgenden Bereichen ab:

  1. Vielfalt von Wissenschaft als Ausgangslage

  2. Vielfalt von existierenden Publikationsformaten

  3. Vielfalt von Open Access Policies und Strategien

  4. Vielfalt in der Finanzierung von Open Access und den daraus hervorgehenden Publikationsmodellen

Vielfalt von Wissenschaft

Open Access muss als fachübergreifendes Modell zur Publikation wissenschaftlicher Ergebnisse auch auf die diversen Ausgangslagen eingehen, etwa auf unterschiedliche Publikationskulturen in den naturwissenschaftlichen sowie geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereichen. Neben fachspezifischen sollten in diesem Kontext auch gesellschaftliche und kulturelle Einflussfaktoren berücksichtigt werden. In Bezug auf Open Science, eines der Schwerpunktthemen der diesjährigen Open-Access-Tage, sollten solche Unterschiede in die entsprechenden Richtlinien für die Umsetzung einfließen, sodass die damit verbundenen visionären Vorstellungen nicht als solche stagnieren. In einem Vortrag wurde exemplarisch der Matthew Effect in Open Science 4 besprochen, bei dem es sich um ein ursprünglich von Robert K. Merton formuliertes Prinzip handelt, nach welchem der Erfolg eines Autors bzw. einer Autorin von umstrittenen Wertvorstellungen wie Prestige (zum Beispiel der Affiliation oder der Zeitschrift, in der publiziert wurde) sowie persönlichen Einstellungen und Eigenschaften abhängig sei. Die Referenten kritisierten, dass wenngleich neuartige Strömungen wie Open Science diese Unausgeglichenheit versuchen zu umgehen, die verschiedenartigen Voraussetzungen der Autor*innen, wie zum Beispiel der reine Zugang zum Internet oder die historisch bzw. gesellschaftlich geprägte Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Personen, auch bei Open Access und Open Science noch nicht in ausreichendem Maße bedacht werden.

Vielfalt von Publikationsformaten

Bei Open Access stehen nicht mehr nur Zeitschriften und Bücher im Vordergrund, OA lässt sich inzwischen auf diverse Publikationsformate beziehen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Open Educational Resources (OER), welche ebenfalls im Fokus der 12. Open-Access-Tage standen. OER, das sind jegliche Bildungsressourcen (einschließlich Lehrplänen, Kursmaterialien, Lehrbüchern, Streaming-Videos, Multimedia-Anwendungen, Podcasts sowie jegliches weitere Material, welches zu Lehr- und Lernzwecken entwickelt wurde), die Lehrenden und Lernenden frei zur Verfügung stehen, ohne dass diese für die Anwendung Nutzungs- oder Lizenzgebühren zahlen müssten5. Die vielfältigen Arten von Ressourcen, die als OER in Frage kommen, bedeuten gleichermaßen vielfältige Möglichkeiten der Entwicklung von und Arbeit mit solchen Ressourcen. Diese müssen aktuell noch viel kommuniziert und weiterentwickelt werden. In einer Session zum Projekt Open Education Austria (OEA) wurde insbesondere auf die Relevanz der Bekanntmachung von OER sowie die entsprechende Unterstützung Lehrender bei der Produktion und Bereitstellung solcher Ressourcen eingegangen. Sogenannte E-Producer*innen helfen im Rahmen von Open Education Austria zum Beispiel bei der Erstellung von Animationsvideos zu didaktischen Zwecken. Auch das Open Science Training Handbook6 wurde auf den Open-Access-Tagen vorgestellt. Dieses präsentiert sich nicht nur als eine idealtypisch kollaborativ entstandene, frei zugängliche und nachnutzbare Ressource, sondern fällt auch inhaltlich mit Anregungen zur Vermittlung von Kompetenzen im Umgang mit offenen Ressourcen auf.

Vielfalt von Strategien und Policies

Die Liste an Strategien und Policies zur Umsetzung von Open Access und Open Science ist lang und zeigt ein gestiegenes Interesse an diesen Themen, gerade auch aus Sicht der Politik und Trägerinstitutionen. Dabei sind die bislang entwickelten Strategien keineswegs konträrer Natur, vielmehr lassen sie sich als einzelne, sich gegenseitig ergänzende Bausteine auf dem Weg zu einer offeneren Wissenschaft betrachten.7 Sowohl nationale als auch internationale Open-Access-Initiativen standen auf den Open-Access-Tagen 2018 wiederholt im Fokus, darunter

  • die Berliner Erklärung als eine konsensfähige und grundlegende Definition von Open Access,

  • Open Access im Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020,

  • die European Open Science Agenda,

  • Jussieu Call for Open Science and Bibliodiversity,

  • das DEAL-Projekt sowie

  • cOAlition S.

Auch Kriterien wie FAIR (Findable, Accessible, Interoperable, Reusable)8 und die Vienna Principles9 wurden besprochen. Diese können unter anderem zur Evaluierung genutzt werden. Dass Metriken wie der Journal Impact Factor (JIF) vor dem Hintergrund solcher Kriterien allein aufgrund fehlender Offenheit überkommen sind und Alternativen gefunden werden müssen, wurde beispielsweise in dem Vortrag Der Journal Impact Factor auf dem Prüfstand […]10 sowie in der Keynote Open Science: Where do we go from here?11 herausgestellt. In diesem Zusammenhang könnten auch grundlegende Fragen erneut aufgeworfen werden, zum Beispiel ob quantitative Metriken generell als Maß genutzt werden dürfen, wenn es über die reine Popularität von Zeitschrift oder Autor*in hinaus um das Treffen qualitativer Aussagen geht. Was ist dann textuelle Qualität, und wie kann Wissenschaftlichkeit in diesem Sinne gemessen werden? An solche Fragen anknüpfend wurde in den Diskursen die Entwicklung vergleichbarer und aussagekräftiger, wenngleich kontrastierend zum JIF transparent gemachter Metriken gefordert.

Vielfalt von Finanzierungs- und Publikationsmodellen

Ebenfalls als relevant angesehen wurde die Generierung neuer Modelle zur Finanzierung und Publikation von OA-Ressourcen, denn – diesbezüglich waren sich die Teilnehmer*innen der Tagung größtenteils einig – die entstehenden Kosten in Form einer sogenannten Article Processing Charge (APC) sollten weder von den Leser*innen noch den Autor*innen getragen werden müssen. Einen Ausweg dafür stellen Publikationsfonds dar, sie gelten als das am weitesten verbreitete Open-Access-Förderinstrument für Zeitschriftenartikel innerhalb Deutschlands.12 Auch Services wie DeepGreen13, welches das automatisierte Hochladen von Dokumenten mit Zweitveröffentlichungsrecht in OA-Repositorien nach dem Ablauf der entsprechenden Frist ermöglicht, können einen maßgeblichen Beitrag zum Wachstum des OA-Anteils und zur Etablierung von OA als Zugriffsparadigma leisten. Die Vielfalt in den zur Verfügung stehenden Abstufungen von Grün und Gold OA wurde dabei auf den Open-Access-Tagen eher als Chance für die Durchsetzungs- und Anpassungsfähigkeit von Open Access und weniger als Risiko im Sinne eines höheren organisatorischen und strukturellen Aufwands angesehen.

Ausblick

Die Vielfalt ist somit ein Aspekt, der vor dem Kontext aktueller Entwicklungen im Bereich OA nicht zu stark in den Hintergrund rücken darf. Man könnte diese Vielfalt allerdings auch als Risiko für die Offenheit sehen, falls die verschiedenen Strömungen und Akteure nicht in ausreichendem Maße aufeinander eingehen und sich damit in den einzelnen Entwicklungen zu stark voneinander isolieren. So ruft beispielsweise Katja Mayer in ihrer Keynote dazu auf, dass sich die OA-Community mehr in die Entwicklung von Strategien einmischen sollte, da es aktuell nur wenig der aktiven Arbeit innerhalb der Community in die offiziellen Policies schafft. Genau deshalb sind Veranstaltungen wie die Open-Access-Tage so wichtig, da sie in vorbildlicher Weise Personen aus den verschiedensten Ebenen, Organisationen und Disziplinen zusammenbringen und Kommunikation über solche Hürden hinweg ermöglichen.

Abschließend möchte ich mich ganz herzlich bei LIBREAS und beim LIBREAS-Verein für die Unterstützung in Form der Reise zu und Teilnahme an den Open-Access-Tagen 2018 bedanken. Dadurch erhielt ich nicht nur den Zugang zu aktuellen Diskussionen rund um Open Access, sondern gleichermaßen die Möglichkeit, mich bereits als Studentin aktiv in diese einzubringen.

Literatur

Butcher, Neil (2013) Was sind Open Educational Resources? Und andere häufig gestellte Fragen zu OER. Deutsche Fassung bearbeitet von Barbara Marina und Jan Neumann. Bonn: Deutsche UNESCO-Kommission. Bearbeitete Übersetzung von: Butcher, Neil (2011) A Basic Guide to Open Educational Resources (OER). Commonwealth of Learning und UNESCO, S. 1-22.

Schäffler, Hildegard (2018, 25. September) Projekt DEAL: Open-Access-Transformation im Publish & Read-Modell. Keynote bei den Open-Access-Tagen 2018, Technische Universität Graz. [Eigene Mitschrift]

TU Graz Bibliothek und Archiv (2018) Open Access Tage 2018; Vielfalt durch Open Access. Verfügbar unter: http://diglib.tugraz.at/open-access-tage-2018-graz-vielfalt-durch-open-access-technische-universitaet-graz-24-26-september-2018–2018.


  1. https://open-access.net/AT-DE/community/open-access-tage/open-access-tage-2018-graz/ (Abgerufen am 04.10.2018).

  2. https://zenodo.org/communities/oat2018/ (Abgerufen am 04.10.2018).

  3. Ebd.

  4. Ross-Hellauer, Tony, & Wieser, Bernhard. (2018): The Matthew Effect in Open Science. https://doi.org/10.5281/zenodo.1441267.

  5. Butcher, Neil (2013), S. 6.

  6. Vgl. https://open-science-training-handbook.gitbook.io/book/ (Abgerufen am 04.10.2018).

  7. Schäffler, Hildegard (2018).

  8. Vgl. https://www.go-fair.org/fair-principles/ (Abgerufen am 04.10.2018).

  9. Vgl. https://viennaprinciples.org (Abgerufen am 04.10.2018).

  10. Wohlgemuth, Michael, Adam, Michaele, & Musiat, Jutta. (2018): Der Journal Impact Factor auf dem Prüfstand: Grenzen und Potentiale in der Qualitätsbewertung von OA-Zeitschriften. https://doi.org/10.5281/zenodo.1441258.

  11. Mayer, Katja. (2018): Open Science: Where do we go from here?. https://doi.org/10.5281/zenodo.1443171.

  12. TU Graz Bibliothek und Archiv (2018), S. 35.

  13. Vgl. https://deepgreen.kobv.de/de/deepgreen/ (Abgerufen am 04.10.2018).


Sophie Schneider war die erste Stipendiat*in des LIBREAS. Verein