> > > LIBREAS. Library Ideas # 33

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Personalentwicklung vor Ort


Zitiervorschlag
Petra Strunk, "Personalentwicklung vor Ort". LIBREAS. Library Ideas, 33 ().


Ortsangabe: Aachen, Berlin, Braunschweig, Darmstadt, Dresden, Hannover, Karlsruhe, München, Stuttgart.

Ortszeit: 13 Uhr. Los geht’s: Acht Bibliotheksmitarbeiter*innen sind zu Gast bei der neunten. Sie haben den Vormittag mit ihrer Anreise aus unterschiedlich weit entfernten Städten verbracht und werden nun mit belegten Brötchen, Obst und alkoholfreien Getränken begrüßt. Sie kennen sich nicht, kommen aber dennoch sehr schnell ins Gespräch miteinander: über die Anfahrt, das Wetter, den Anlass ihres Zusammentreffens. In Berlin ist es eine bunt gemischte Frauengruppe aus Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste, Bibliothekarinnen und einer Fachreferentin. Die ersten 45 Minuten nach der Ankunft dienen dem gegenseitigen Kennenlernen. Jede erzählt kurz, seit wann sie im Bibliothekswesen tätig ist, welche Aufgaben sie aktuell hat und wieso sie hier gerade vor Ort ist. In den Bibliotheken, aus denen sie kommen, arbeiten sie in der Ausleihe, im Team Bestandsentwicklung und Metadaten, im Bereich Elektronisches Publizieren, in der Zeitschriftenbearbeitung, im Auskunftsdienst, in der Medienbearbeitung, in der Bibliothekstechnik und im IT-Service. Die Vorstellungsrunde wird kurz unterbrochen, als Jürgen Christof, der Direktor der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin, herein schaut und die Gäste herzlich begrüßt. Trotz schlechter Lichtverhältnisse wird schnell ein Gruppenbild mit Herr erstellt. Wenig später folgt eine Führung durch die Bibliothek, bei der immer wieder Smartphones gezückt werden, um Eindrücke für die Kolleg*innen in der Heimatbibliothek festzuhalten. Selbstverbucher und Rückgabeautomat, Workbay und Carrel, Bücherbox und Doktorandenwagen werden genauso abgelichtet wie Hinweisschilder, Sitzgelegenheiten und Informationstheken. Danach beginnen die Hospitationen. Jede Teilnehmerin konnte schon Wochen im Voraus angeben, welche Arbeitsgebiete sie besonders interessieren, in welches Team sie hineinschnuppern möchte und auf welche Fragen sie Antworten sucht. Allein, zu zweit oder zu dritt informieren sie sich nun über die Open-Access-Aktivitäten der TU Berlin, die Teaching Library, das Fachreferat Informatik, die Bearbeitung von Periodika und E-Ressourcen sowie RDA in der Praxis. Sie gehen in die Büros und an die Schreibtische der Spezialist*innen zu diesen Themen. Die Fachleute vor Ort zeigen und erläutern ihre Arbeitsprozesse, informieren über beachtenswerte Aspekte ihrer Aufgaben und beantworten Fragen der Gäste. Überraschend schnell vermischen sich Geben und Nehmen, denn die Gäste berichten von ihren eigenen Bemühungen und Erfahrungen, so dass es für beide Seiten zu einem intensiven Austausch von Hinweisen und Tipps kommt. Der mit vielfältigen Eindrücken ausgefüllte Tag endet in einem italienischen Restaurant. Bei Pasta und Prosecco vermischt sich Bibliothekarisches mit Berlintouristischem.

Die tatsächliche Bibliotheksarbeit, die bis hierhin beschrieben wurde, heißt BibHOP TU9-Austauschprogramm. Seit 2006 gibt es den Zusammenschluss der TU91: Neun technische Universitäten haben eine gemeinsame Geschäftsstelle eingerichtet, um ihre Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu koordinieren, um Kontakte zu Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu pflegen sowie ein internationales Marketing zu betreiben. Seit 2014 treffen sich auch die Bibliotheksleitungen dieser TU9-Universitäten. Sie prüfen, welche Pläne und Projekte sich für eine Zusammenarbeit eignen. Im Rahmen dieser Treffen ist unter anderem ein gemeinsames Personalentwicklungsprogramm konzipiert worden: das BibHOP TU9-Austauschprogramm. Im Oktober 2016 trafen sich die Fort- und Weiterbildungsbeauftragten der neun Universitätsbibliotheken in Berlin und entwickelten in zwei halben Tagen dieses Angebot. Sie benannten die Ziele, schrieben die fachliche Ausrichtung der Hospitationen fest, einigten sich auf den Namen BibHOP und vereinbarten den genauen Ablauf von Planung und Durchführung eines möglichen Austauschprogramms. Ihre Arbeitsergebnisse übergaben sie als Beschlussvorlage den Bibliotheksleitungen, die bereits im Folgemonat zustimmten, so dass BibHOP 2017 an den Start gehen konnte.

Das Hospitationsprogramm dient dem fachlichen Erfahrungs-und Informationsaustausch. Es bietet die Möglichkeit, über den Tellerrand zu schauen, sich zu vernetzen und sich gegenseitig zu inspirieren. Der kollegiale Austausch begünstigt den Perspektivwechsel und stärkt in mehrfacher Hinsicht das Zusammengehörigkeitsgefühl: Wir als TU9-Bibliotheken, Wir als Bibliothekspersonal, Wir als Mitglieder des Teams XYZ und so weiter. Über das gegenseitige Kennenlernen wird ein kurzer Draht für Fragen, kollegiale Unterstützung und gemeinsame Projekte geschaffen. Pro Jahr werden insgesamt 72 Plätze angeboten: Jede Bibliothek betreut acht Personen und kann acht Personen in die anderen Bibliotheken entsenden. Das bedeutet, dass jede*r allein unterwegs ist, vor Ort aber neue Kolleg*innen kennenlernt. Ein Aufenthalt dauert inklusive Hin- und Rückfahrt zwei Tage. Vor Ort können sich die Kolleg*innen bei einer Hausführung über die Dienstleistungen der besuchten Bibliothek informieren und zudem in zuvor ausgewählten Arbeitsbereichen hospitieren. Die mittlerweile so genannten BibHopper oder auch BibHopser müssen sich bewerben und angeben, welche Bibliothek sie besuchen möchten und was genau sie dort interessiert. Dafür stellt jede TU9-Bibliothek ein Portfolio zusammen. Bei der Auswahl werden vor allem Mitarbeiter*innen berücksichtigt, die sonst wenig oder keine Gelegenheit zu Dienstreisen haben. Kosten und Aufwand werden so gering wie möglich gehalten. Wir rechnen für die notwendigen Dienstreisen mit insgesamt nicht mehr als 2.640 Euro je Bibliothek pro Jahr. Neben diesen Kosten müssen die durch die Hospitation gebundenen Personalressourcen sowie der Arbeitsaufwand der betreuenden Mitarbeiter*innen beachtet werden.

Nicht unerwähnt bleiben soll die konstruktive und unkomplizierte Zusammenarbeit der Fort- und Weiterbildungsbeauftragten in den TU9-Bibliotheken. Gemeinsam haben wir Bewerbungsformular, Feedbackbogen und Teilnahmebestätigung entwickelt. Wir nutzen als Arbeitsplattform das Confluence-Projects-Wiki der TIB Hannover und als Kommunikationsmittel eine Mailingliste, die in München eingerichtet wurde. Alle Teilnehmer*innen waren nach ihren Aufenthalten begeistert über die offene Atmosphäre, in der Einblicke in Arbeitsabläufe gewährt wurde, die so nicht auf Tagungen oder bei anderen offiziellen Zusammenkünften vermittelt werden können. Fotos und Berichte wurden in den eigenen Teams präsentiert und Vergleiche zur eigenen Situation gezogen. Das Programm ist in allen TU9-Bibliotheken gleichermaßen gut angenommen worden und wird deshalb ein zweites Mal durchgeführt. Ende 2018 werden wir beraten, ob es eine Fortsetzung geben wird. BibHOP – ein echter Ortstermin!


Petra Strunk leitet das Querschnittsreferat Personalentwicklung / Ausbildung der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin.