Die Bibliografie in der Lyrik ist schwer zu finden, ähnlich wie artverwandte Themen der Ordnung, auch wenn das Gedicht an und für sich ordnet, Klänge sortiert, Bedeutungen aneinanderreiht und in Beziehung setzt.
Doch was die Lyrik kann, das thematisiert sie selten, sie ist Nutznießerin der sprachlichen Möglichkeiten, der Grammatik, Rechtschreibung, Phonetik und Semantik. Wenn sie über die Grundlagen spricht, die ihr diese Sinnes- und Klangweite ermöglichen, dann setzt sie diese in einen Kontext, der aus der Theorie in eine fließende Lebenswelt schlüpft und dort ein neues Gewand erhält. Auch das ist ein Merkmal der Lyrik, sich dem Fremden annähern, mit dem Bekannten fremdeln.
So handelt New Orleans Bibliography
1 der amerikanischen Autorin und Professorin der Literatur Tonya M. Foster nicht von Artikelsammlungen und Verzeichnissen, sondern lässt ein Leben der Eindrücke und Sprache alphabetisch vor unseren Augen die Stationen ablaufen. Von Flora und Fauna, Kultur und Mythos, Sagen und Sprichwörtern zur Geographie und Geschichte hin zu den Dingen, die Kindheit, Erwachsensein, die Jugend und das Alter, Frau sein, Mann sein und in New Orleans sein ausmachen.
dark-skinned, daughters, dead-end, Desire Projects, desire unmet is desire multiplied, dirty rice, do, Dorothy, due
Elysian Fields, Erato, etouffe, Euterpe, Ezekiel
Father John’s cough syrup, filé, first born, first born done died, fleur de lys, flood, front porch,
fur true?
Die Bibliografie dokumentiert dabei, ohne Dinge zu referenzieren, die man in Bibliotheken findet. Kein Stück Papier kann I like coffee; I like tea; I like a colored boy and he likes me
so ins Leben rufen, wie es die erröteten Wangen auf dem Schulhof können, kein light-skinned, lighter than a paper bag
kann schwarz auf weiß die Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß wiedergeben. New Orleans Bibliography
ist ein Verzeichnis der Erinnerung und es erzählt eine Geschichte, die nur teilweise zugänglich für denjenigen wird, der sie liest.
Im Gegensatz zur wissenschaftlichen Bibliografie händigt sie uns nicht jede Referenz klar dokumentiert mit Jahreszahl, Verlag und Format aus, sondern versteckt sich immer wieder auch hinter der Sprache und dem Erlebten einer Stimme, die uns fremd ist. Katie, kickback, kick your ass
wird niemand in einem Lexikon nachschlagen können. Das Bild hinter der Alliteration bleibt verschwommen, ungenau. Ebenso wie Miss Myrtle, Miss Tit
, das Persönliche neben dem Profanen. Wie sehr sie miteinander vertraut waren, wie sehr sie einander berührt haben, ob sie ein und dieselbe Person waren, nur aus anderen Augen gesehen, aus anderen Mündern gerufen im Leben der Erzählerin, das bleibt uns verborgen. Diese Bibliografie ist die Assoziationskette einer eigenen Geschichte, einer einzigartigen Geschichte. Sie ist so nicht nur eine Aneinanderreihung von Wörtern, die dem Leser oft in ihrer wahren Bedeutung verloren bleiben, sondern auch eine Referenz auf unsere eigene Bibliografie, unser morning, mosquitos, mourning
, unsere Klänge, Namen, Bilder und Wörter, die weitergereicht werden, um ein Leben zu ordnen, von A bis Z.
a girl who looks like her father is born for luck
Foster, Tonya M. (2002)
New Orleans Bibliography
ausCallaloo
, Volume 25, Number 1, Winter 2002. https://muse.jhu.edu/article/6713↩