> > > LIBREAS. Library Ideas # 23

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Ein neuer Gedenkort in Berlin: Dubček an der Staatsbibliothek [Fn 1]


Zitiervorschlag
Ben Kaden, "Ein neuer Gedenkort in Berlin: Dubček an der Staatsbibliothek [Fn 1]. ". LIBREAS. Library Ideas, 23 ().


„Sie waren damals sechzehn und achtzehn Jahre alt […] Als Frank Havemann und Hans Uszkoreit mit der Farbe in die Stadt zurückkehren, war es weit nach Mitternacht. Die erste Wand, die sie aussuchten, liegt an der Rückseite der Humboldt-Universität. Hans Uszkoreit behielt die dunkle Straße im Blick, Frank Havemann schrieb “Dubček” in eine Ecke. Er war so aufgeregt, dass er sich seinen Parka bekleckerte, er musste ihn wenden, bevor sie weitergehen konnten. Aber die Farbe war noch von weitem zu riechen. Sie beschrieben noch drei Wände, dann liefen sie einem Polizisten in die Arme. Um drei Uhr nachts wurden sie am Schiffbauerdamm verhaftet.”

Im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 21. August 2008, also zum vierzigsten Jahrestag des sowjetischen Einmarschs in die Tschechoslowakei, erinnerte Marcus Jauer in ungewöhnlicher Ausführlichkeit unter der Überschrift Die unbesiegliche Inschrift [Fn 2] an die Inhaftierung von Erika Berthold, Sandra Weigel, Rosita Hunzinger, Thomas Brasch, Florian Havemann, Frank Havemann und Hans Uszkoreit, allesamt Kinder hochrangiger Persönlichkeiten der DDR und alle für ihren Protest gegen die Ereignisse in Prag im August 1968 [Fn 3] festgenommen, im Oktober 1968 zu Haftstrafen verurteilt [Fn 4] und schließlich auf Bewährung in der Produktion entlassen.

Für uns von LIBREAS ist dieses Ereignis über das allgemeine Interesse an historischer Bildung vor allem aus zwei Gründen interessant. Erstens ist die Ecke an der Rückseite der Humboldt-Universität heute die Fassade der Berliner Staatsbibliothek Haus 1 und jeder der von der Friedrichstraße kommend in den neuen Lesesaal möchte, geht derzeit unweigerlich daran vorbei. Damit er sie nicht übersieht, platzierte nun die Staatsbibliothek zu Berlin (bzw. das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung) dort im Juni dieses Jahres eine Erinnerungsstele. [Fn 5]

Zweitens freut uns diese Würdigung deshalb besonders, weil der Bibliothekswissenschaftler Frank Havemann sie jeden Werktag selbst besuchen kann, sofern er den Haupteingang zu seinem Arbeitsplatz, dem schräg gegenüber befindlichen Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, benutzt.

Das ist nichts als bemerkens- und auch angesichts der ansonsten nicht allzu großen Ballung gesellschaftsgeschichtlich strahlender Persönlichkeiten mit bibliothekswissenschaftlichem Bezug unbedingt erwähnenswert. Hans Uszkoreit, der auch schon mal im Berliner Bibliothekswissenschaftlichen Kolloquium vorträgt, ist übrigens seit 1988 Professor für Computerlinguistik in Saarbrücken.

„Die Stasi hat die Losung später mit grüner Farbe übermalt”, zitiert Marcus Jauer in seinem Artikel Frank Havemann. Die Stele zeigt diesen Versuch einer Auslöschung in einem Schwarzweiß-Bild. Und: ”[…] aber hier um die Ecke kommt sie an einer Stelle immer wieder durch.” Die Wand der Staatsbibliothek zeigt dies heute direkt hinter der Stele deutlicher denn je.

Abbildung: Gedenkstele in der Dorotheenstraße.

Abbildung: Gedenkstele in der Dorotheenstraße.


Fußnoten

[01] Der Text ist leicht veränderte Fassung eines gleichlautend betitelten Beitrags im LIBREAS-Tumblr vom 28.08.2013. http://libreas.tumblr.com/post/59618768739/dubcek [zurück]

[02] Marcus Jauer (2008) Die unbesiegliche Inschrift. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ausgabe 21.08.2008, S. 44f. [zurück]

[03] vgl. „Proteste in Berlin”, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung September 2008, www.jugendopposition.de/index.php?id=2893 [zurück]

[04] vgl. http://asciugamano.tumblr.com/post/3799274466/ein-prozess-frankfurter-allgemeine-zeitung-24-8 [zurück]

[05] Staatsbibliothek zu Berlin (2013) Stele mit Aufschrift DUB-ČEK installiert. Pressemitteilung vom 19.06.2013. http://staatsbibliothek-berlin.de/nc/en/aktuelles/presse/detail/article/2012-06-19-6110/ [zurück]


Ben Kaden ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Technik und Gesellschaft (ZTG) der TU Berlin. Er befasst sich im Rahmen einer Projektarbeit mit der Evaluation virtueller Forschungsumgebungen. Ben Kaden ist Mit-Herausgeber und Redakteur von LIBREAS. Library Ideas.