Dieser Text erschien als LIBREAS Preprint No. 1/2009
- Bibliothekare im Futur
- Die Wissenschaftsproduzenten: „Open Access“ als Proletarisierung
- Die Wissenschaftskonsumenten: „Open Access“ als Entmündigung
- Recht im Leib
- Nachtrag
Die sittliche Einsicht ist auf das
Handeln bezogen.
Aristoteles: Eth.Nic., VI,8
Denn zur Moral gehört die Reflexion
und das bestimmte Bewußtsein über das, was das Pflichtgemäße
ist, und das Handeln aus diesem vorhergegangenen Bewußtsein.
Hegel: Ästhetik
Bibliothekare im Futur
Die Bibliothekare sind ein Berufsstand im reinen Futur: Aus Angst, dass man sie für altmodisch hält, haben sie sich seit den 1970er Jahren auf die Zukunft geworfen und die Bibliotheken zu Agenturen einer Transformation gemacht, deren Ziel der Aufbau einer Informationsgesellschaft ist. [Fn 1]In diesem neuen Typ von Gesellschaft soll, so meint man, die digitale Information ungefähr die Rolle spielen wie in der guten alten Industriegesellschaft die Bodenschätze, so dass die Bibliotheken folglich im Zentrum der zukünftigen digitalen Ökonomie stünden und die Bibliothekare als Informationsvermittler die heimliche Expertenherrschaft über die digitalen Austauschprozesse ausübten. Was das konkret heißt, wurde in den 1990er Jahren von Elmar Mittler, dem damaligen Leiter der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek in Göttingen, immer wieder formuliert: Es heißt, den Wissenschaftlern eine Arbeitsumgebung zur Verfügung zu stellen, in der sie „ohne Medienbruch“ – also ohne Wechsel zwischen analogen und digitalen Medien und mithin vollständig digital – arbeiten können. [Fn 2]
Mit diesem Programm in petto hat sich seither die Göttinger Bibliothek zur Speerspitze der Digitalisierung aufgeworfen, und mit diesem Programm im Kopf wurden die Bibliothekare auch rasch Anhänger der „Google Buchsuche“, die jenseits der Zonen der Wissenschaft eine Digitalisierung von allem Gedruckten für alle Informationsbegierigen dieser Welt verheißt. Dass Google dabei Recht brach und weiter bricht – sehr wahrscheinlich amerikanisches, mit Sicherheit europäisches und deutsches –, nehmen nicht nur die deutschen Bibliothekare hin, denn dieser Rechtsbruch führt zu dem seit mehr als 30 Jahren herbeigewünschten und -geplanten Ergebnis einer digitalen Totalinformation für alle Weltbürger. Also schließt man die Augen vor dem Unrecht und träumt von dem, was bei geschlossenen Augen dank Google in wenigen Jahren endlich erreicht sein wird: die Informationsgesellschaft, deren Kern nun Google und die mit Google kooperierenden Bibliotheken bilden werden. Und damit die digitale Zukunft um so schneller kommt und der „Medienbruch“ bald beseitigt ist, muss man vor Ort in den Universitäten nur noch das „Open-Access“-Paradigma durchsetzen und die Wissenschaftler über deutliche Vorgaben der Forschungsförderungseinrichtungen und Rektorate zwingen, dass sie ihre Publikationen nicht mehr an Verlage geben und gedruckt in Umlauf setzen, sondern gleich in digitaler Form auf den Volltextservern der Hochschulen allen Interessierten zur Verfügung stellen.[Fn 3] Dass auch das nur mit einem Rechtsbruch zu haben ist, nämlich mit der Ausschaltung des geltenden Urheberrechts und damit verbunden der Ausschaltung des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit,[Fn 4] spielt man herunter. Denn auch hier ist man der Meinung, dass nicht der Rechtsbruch von Belang sei, sondern das durch den Rechtsbruch erreichte und erwünschte Ergebnis; das Recht folge dem dann schon noch nach, irgendwann. Und genau so sagte es Claudia Lux, die Präsidentin der International Federation of Library Associations (IFLA), des Weltdachverbandes der Bibliotheksverbände: „Wichtiger als die Klärung, ob hier gegen geltendes Recht verstoßen worden ist, wäre eine Beschäftigung mit der Zukunft.“[Fn 5]
Um so größer war die Aufregung, als der „Heidelberger Appell“ die Öffentlichkeit mit der Feststellung konfrontierte,[Fn 6] dass sowohl Google als auch „Open Access“, wie es seit Jahren durchzusetzen versucht wird, das Urheberrecht brechen und damit auch die vom Grundgesetz verbürgte Freiheit von Forschung und Lehre angreifen. Diese Feststellung bezeichnete man zunächst als unstatthafte „Kampagne“ gegen das hehre Ziel der Informationsgesellschaft, dann warf man den Initiatoren des Appells in Artikeln, Blogs und Kommentaren „Arroganz“ und „Borniertheit“ vor, sprach von „krausem Denken“, sah „Erfüllungsgehilfen“ der Verlagsbranche am Werk, witterte „Feudalismus“, diagnostizierte „Schwachsinn“ und fühlte sich endlich gar von „Parasiten“ befallen. Dabei sprach der Appell nur aus, was die heimliche und unheimliche Agenda vieler in den Bibliotheken leitend agierenden und in den DFG-Gremien planend lenkenden Bibliothekare war und ist: das Globalziel der Informationsgesellschaft über die Teilziele „Google Buchsuche“ und „Open Access“ kann nur erreicht werden, wenn die Autoren um das Recht gebracht werden, selber bestimmen zu können, ob und wo und wie und wann sie publizieren wollen. Diese Agenda hatte man bis zum Februar des Jahres 2009 von der Öffentlichkeit unbeobachtet vorantreiben können. Nun aber musste man zum ersten Mal außerhalb der Verwaltungsgremien und Fachzeitschriften sagen, was man wollte, und man tat es mit wünschenswerter Deutlichkeit am 25. März 2009 durch den gemeinsamen Mund der „Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen“, die öffentlich erklärte: „Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen fordert eine für den Leser entgeltfreie Publikation (Open Access) ausschließlich von Forschungsergebnissen, die durch den Einsatz öffentlicher Mittel und damit zum Nutzen der Forschung und Gesellschaft insgesamt erarbeitet wurden.“ [Fn 7]
Dass diese Forderung mit unserer Verfassung nicht zu haben ist, ist inzwischen hinreichend bekannt, [Fn 8]und zwar so bekannt, dass das Bundesjustizministerium in einer Presseerklärung vom 24. April 2009 mitteilte, man werde die Auswirkungen der „Open-Access“-Bewegung „sorgfältig beobachten“. [Fn 9] Und das heißt: Was die verfassungslosen Bibliothekare zum vermeintlich Besten der Bibliotheksbenutzer und Informationssuchenden bisher unter sich ausgemacht hatten, wurde nun unter den Vorbehalt der Politik gestellt und damit in den Raum der Verfassung zurückgeführt. In diesem Raum geht es keineswegs um ein von oben verfügtes Ende der Debatte, sondern gerade um das, was bislang in den Gremienaktionen und Allianzplänen so eifrig vermieden worden war: erstens um eine öffentliche Diskussion der verfolgten Ziele, zweitens um einen Ausgleich der konfligierenden Interessen und drittens um Diskussion und Ausgleich im Rahmen der Verfassung. Man kann es auch so sagen: An die Stelle der Gremienanarchie tritt nun das rechtsstaatliche Verfahren der öffentlichen Prüfung von Argumenten. Erst danach entscheiden wir alle zusammen, ob wir um der „Google Buchsuche“ und um „Open Access“ willen bereit sind, die Verfassung zu ändern. Bis dahin haben sich auch die Bibliothekare an die geltenden Gesetze zu halten und den Versuch zu beenden, durch das Schaffen von Verwaltungstatsachen ebendiese Gesetze zu unterminieren.
Und das heißt für die Bibliothekare, dass sie vom reinen Futur auf das schmutzige Präsens umschalten müssen. Dort begegnen sie hinfort nicht mehr nur sich selbst, sondern allen anderen, die zur „Google Buchsuche“ und zu „Open Access“ etwas beizutragen haben. Über eben diese anderen, die Wissenschaftsproduzenten und -konsumenten, müssen wir nun sprechen.
Die Wissenschaftsproduzenten: „Open Access“ als Proletarisierung
Ein beliebtes Argument lautet, dass die „Open-Access“-Bewegung „aus den Reihen der Forscher selbst stammt“. Zum Beweis dafür verweist man auf die im Jahre 2003 veröffentlichte „Berliner Erklärung“, in der sich die „Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen“ und einige europäische Forschungsorganisationen zur Förderung von „Open Access“ verpflichtet haben. [Fn 10] Diese „Allianz“ ist nun aber ein Mixtum compositum aus staatlich finanzierten Personenverbandsgesellschaften und Infrastruktureinrichtungen, das keineswegs den Anspruch erheben kann, alle oder doch wenigstens die Mehrheit der deutschen Wissenschaftler zu repräsentieren. Denn die Wissenschaftler sind, sofern sie habilitiert sind, im Deutschen Hochschulverband (DHV) organisiert, der mit seinen 24 000 Einzelmitgliedern der größte Hochschulverband in Deutschland ist.[Fn 11] Und nun muss man schlicht feststellen: Der DHV kommt als Akteur in Sachen „Open Access“ nirgends vor, so dass die Behauptung, „Open Access“ sei „aus der Forschung selbst entstanden“, kassiert werden muss. An die Stelle der Behauptung muss stattdessen das Faktum treten, dass „Open Access“ von den deutschen Wissenschaftsverbänden und ihren Funktionären – und nicht von den Wissenschaftlern – propagiert und durchgesetzt wurde und wird.[Fn 12]
Das ist eine unschöne Entdeckung. Aus ihr folgt unmittelbar, dass nicht mehr diejenigen, die man jetzt als „Wissensproduzenten“ bezeichnet, Herren der Entwicklung ihrer eigenen Wissenschaftsinfrastruktur sind, sondern die Wissenschaftsfunktionäre, die die Wissenschaft an den gerade aktuellen Zeitgeist anpassen. Dieser Zeitgeist schaut aber seit geraumer Zeit nicht nur gebannt auf die Digitalisierung, sondern ist auch zunehmend der Meinung, dass die Wissenschaft wie jeder andere Betrieb Resultate liefern müsse. Und folglich arbeiten die Wissenschaftsfunktionäre dadurch dem Zeitgeist zu, dass sie Wissenschaft verwertbar und konsumierbar machen. Das eine wie das andere läuft darauf hinaus, Wissenschaft massentauglich zu machen und die Wissensproduzenten den Bedürfnissen der Wissenskonsumenten zu unterwerfen.
Diese Unterwerfung bewerkstelligen die Funktionäre der Wissenschaft durch den Aufbau von Kontrollstrukturen. Zu ihnen gehört en gros die Auslobung einer „akademischen Elite“, die an „Exzellenzclustern“ zusammengeführt wird, nicht um dort endlich freie Forschung betreiben zu können, sondern um dort staatliche Vorgaben in Projektforschung umzuwandeln und also staatlich kontrollierte Auftragsforschung zu betreiben. [Fn 13] Dazu setzt man en détail ein rigides Regime der Forschungsüberwachung ins Werk, das unter dem harmlosen Namen der „Evaluation“ über Zitationsindizes – am beliebtesten ist derzeit der „Hirsch-Index“ (h-Index) – die Kennzahlen der wissenschaftlichen Produktion erfasst und die gesamte Wissenschaft über diese Kennzahlen lenken will.[Fn 14] Da man dazu bibliometrische Daten benötigt, deren Rohmaterial die von Bibliotheken und Datenbanken erzeugten und gespeicherten bibliographischen Daten sind, kommen folglich die Bibliotheken als bibliometrische Agenturen ins Spiel. In dieser Rolle übernehmen sie nicht nur die Sammlung und Aufbereitung der Publikationsdaten, sondern sie erleichtern die bibliometrische Forschungsüberwachung ganz wesentlich dadurch, dass sie über ihre „Open-Access“-Server die Wissensproduzenten nicht nur zur Bereitstellung ihrer Texte, sondern auch ihrer bibliometriekonformen Metadaten bringen wollen.
Was die Wissensproduzenten dabei nach dem Willen der Wissenschaftsfunktionäre herzustellen haben, ist Wissenschaft als ein Kollektivgut. Dies meint zum einen, dass nicht mehr innerhalb der Wissenschaft und ihrer vielen Disziplinen über den Weg und das Ziel von Wissenschaft zu streiten ist, sondern ebendiese Wege und Ziele unmittelbar vor der Gesellschaft zu rechtfertigen seien, wobei es jetzt nicht mehr um „Wahrheit“ an sich geht, sondern um den „größten Nutzen für die Gesellschaft“ als dem Hauptfinanzier von Wissenschaft.[Fn 15] Hierbei treten die Wissenschaftsfunktionäre als Vormünder der Gesellschaft auf und bestimmen anhand der bibliometrischen Daten, auf welche wissenschaftlichen Pflänzchen die Gesellschaft ihre Gelder regnen lassen soll, damit möglichst viel kollektiver Nutzen entsteht. Zum andern aber muss Wissenschaft, wenn sie wirklich ein Kollektivgut sein will, die Wissensproduzenten enteignen und das von Ihnen Gedachte, Hergestellte und Geschriebene zum kollektiven Eigentum erklären. Nichts anderes findet unter dem Titel „Open Access“ statt, das einen „freien“ Zugang zu digitalen Wissenschaftsinformationen im Netz nur dann umsetzen kann, wenn zuvor die Wissenschaftsfreiheit ausgeschaltet wurde.
Damit ist es den Wissenschaftsfunktionären nun allerdings bitterernst. Nachdem es im Jahr 2002 ohne größeren Widerstand gelungen war, die Erfindungen von Hochschullehrern zu „Diensterfindungen“ zu erklären, die folglich nicht mehr dem Hochschullehrer, sondern seinem Dienstherrn gehören,[Fn 16] konnte man sich an die Aneignung der wissenschaftlichen Publikationen machen. So versuchte im Jahre 2003 die Universität Cambridge, die Verwertungsrechte der von ihren Wissenschaftlern geschriebenen Texte an sich zu ziehen – vergebens. [Fn 17] Und auch in Deutschland musste sich der DFG-Unterausschuss für elektronisches Publizieren im Sommer 2006 noch darüber beklagen, dass die „Hochschulleitungen, die am ehesten einen gewissen (institutionellen) Druck ausüben könnten“, „bislang allerdings eher zurückhaltend bei der aktiven Propagierung elektronischer Publikationen“ sind.[Fn 18] Dagegen hatte man es an der Universität Zürich im Jahr 2009 per Anstellungsvertrag endlich geschafft, dass sämtliche „im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erstellten Werke, Erfindungen und Computerprogramme“ zum „Eigentum der Arbeitgeberin“ deklariert wurden. [Fn 19] Seither schaut in Deutschland nach Süden, wer als Wissenschaftsfunktionär von der Zukunft träumt.[Fn 20]
Dieser Traum ist der Traum von der Wissenschaft in der Hand des Kollektivs, das besser als die Wissenschaftler weiß, was die Wissenschaftler als Wissenschaft zu wollen haben. Man muß daher in der Mittlerschen Forderung, Wissenschaft endlich „ohne Medienbruch“ zu ermöglichen, den Subtext der Forschungsrationalisierung und -kollektivierung mithören,[Fn 21] der in „Open Access“ seinem Höhepunkt zustrebt, an dem das Rationalisierungs- in ein Kollektivierungsmaximum umschlägt und die Hochschullehrer in der Hand der Wissenschaftsfunktionäre zu einem Produktionsmittel unter anderen werden. Als ein Produktionsmittel sind die Wissenschaftler aber Eigentum des Staates, der sich sehr konsequent daran macht, die Wissenschaftler zu einem Wissenschaftsproletariat umzumodeln,[Fn 22]dessen Tun man mit Stechuhren und Kennziffern überwacht, um ihm am Ende des Arbeitstages abzunehmen, was es geschaffen hat, wofür man ihm einen h-indizierten Stücklohn auszahlt.
Die Wissenschaftskonsumenten: „Open Access“ als Entmündigung
Dass die Wissenschaftler dies alles bereitwillig hingenommen haben und hinnehmen, hat den einfachen Grund, dass die Wissenschaftsfunktionäre ihnen seit Jahren erfolgreich einreden, sie würden für ihre Proletarisierung einen unendlichen Lohn empfangen, nämlich „das weltweite Wissen in digitaler Form ohne finanzielle, technische oder rechtliche Barrieren“. [Fn 23] Das Versprechen ist in der Tat nicht nur großartig, es fügt sich vor allem so perfekt in die aufregenden Theorien ein, die die besonders angesagten Wissenschaftsdisziplinen seit den 1960er Jahren entwickelt haben, dass man den Eindruck einer verwaltungsempirischen Bestätigung fortschrittlicher Theoreme gewinnen muss. Schauen wir uns das kurz an.
Als in den 1960er Jahren der Poststrukturalismus und die Dekonstruktion sich daran machten, den Autor als intentionales Regulativ von literarischen Werken zu beseitigen, [Fn 24] blieben anstelle der Werke nur noch Texte zurück, die miteinander intertextuell irgendwie verwoben waren, aber keine Einheit mehr bildeten. Was es an Einheit noch gab, war nichts weiter als das, was die Leser der Texte in ihren produktiven Lektüren als Sinn schufen; bei jeder Lektüre ein anderer, bei jeder Lektüre ein neuer. Damit hatten die Autoren die Souveränität über ihr Werk verloren, und seither kann jeder Leser, der Kafka liest, sich für den besseren Kafka halten; denn er ist es, der in seiner Lektüre Kafka allererst zu Kafka macht. Als man nun dieses intertextuelle Gewebe seit den 1980er Jahren technisch als „Hypertext“ implementierte und daraus das Internet entwickelte, war das von Beginn an als ein Datenraum angelegt, der desto mehr „Netz“ war, je weniger bedeutungsverantwortliche Autoren es in ihm gab, so dass schließlich das Medium selbst zur Botschaft wurde. Dafür, dass diese Botschaft nicht nur Geisteswissenschaftler anzog, sorgte die Computertechnik, die seit Vannevar Bushs „Memex“ von einer Informationsmaschine geträumt hatte, die die menschlichen Assoziationen abzubilden verstünde und damit besser als alles Papier der Welt geeignet sei, dem Menschen beim Denken zu helfen.[Fn 25] Man mußte dann diese Assoziationen nur noch zum öffentlichen Besitz erklären und den technisch implementierten Text-, Daten- und Assoziationsraum zu einem neuen kollektiven Lebensraum stilisieren, in dem die Evolution des Menschen dadurch fortgesetzt werde, dass der physische Mensch in die digitale Umgebung migriert und dort als reiner Geist in der Form elektrischer Impulse „dieselbe Ausdehnung wie die Erde“ hat,[Fn 26] um endlich dort zu sein, wo wir heute sind: In einer Welt, in der die „Netizens“ das Netz als eine Sphäre reklamieren, in der die ökonomischen, juristischen und politischen Spielregeln keine Geltung mehr haben, weil sie auf eine Welt aus Fleisch und Blut berechnet sind, während das Netz das alles überwunden habe, um allen alles sein zu können.
Nun verstehen wir, warum das Versprechen der Wissenschaftsfunktionäre ein so erfolgreiches Versprechen ist: Das „weltweite Wissen“, das nun endlich im Internet bereitgestellt werden soll, ist nämlich nichts weiter als die technische Umsetzung des intertextuellen Gewebes und des „Memex“, eine Synthese also von Geisteswissenschaften und Technik, die in der Tat auch den evolutionären Aspekt des Netzes dadurch verwirklichen will, dass sie „eine nachhaltige integrierte digitale Forschungsumgebung“ schafft.[Fn 27]
Aber in ebendieser integriert-digitalen Forschungsumgebung wird der Haken sichtbar, der im „weltweiten Wissen“ als Köder steckt. Wenn nämlich diese Forschungsumgebung nicht nur eine „Plattform für netzbasierte kollaborative Arbeitsprozesse“ sein soll, sondern auch „den zentralen Einstieg zu jeweils fachbezogenen Ressourcen, Daten und Dokumenten wie auch die erforderlichen Voraussetzungen für eine inhaltliche Verknüpfung der Informationseinheiten“ zu bieten hat, [Fn 28] dann zeigt sich die integriert-digitale Forschungsumgebung als netzbasierte Vollversorgungsmaschine von Wissenschaft. Als solche kennt sie kein Jenseits des Netzes mehr, so dass das „weltweite Wissen“, das in dieser Vollversorgungsmaschine gespeichert ist, vom Wissen schon deshalb nichts mehr wissen kann, weil ihm die realen Gegenstände, von denen es etwas wissen könnte, abhanden gekommen sind. [Fn 29] Sie sind ihm in derselben Weise abhanden gekommen wie wir Menschen mit unseren Erfahrungen, die Erfahrungen von Gegenständen sind, an denen wir uns abarbeiten. Das aber heißt, dass wir im Netz das „weltweite Wissen“ nur um den Preis finden können und wir in eine „technische Form des Komas“ fallen, das, wie jedes Koma, die Beziehungen zur Außenwelt kappt.[Fn 30] An ihre Stelle tritt die Vollversorgungsmaschine, in der das Wissen und das Kollektiv der Wissenden dieselbe Ausdehnung haben, nämlich eine „weltweite“. Aber es ist eine weltweite Ausdehnung ohne Welt, ein komatöses Dahindämmern, rundum versorgt von einer Maschine.
Das alles ist ein Wissen und eine Wissenschaft für Menschen, die keine mehr sein wollen, weil sie in der Phantasieform körperloser Geister an keinem Ort mehr sein müssen, an dem sie für ihr Handeln Verantwortung zu tragen haben.[Fn 31] Statt dessen ist es ein Wissen und eine Wissenschaft in der Hand derjenigen, die die wissenschaftlichen Versorgungsprozesse organisieren und dabei als Vormünder die Oberaufsicht über alle anderen „gütigst auf sich genommen haben“, um sie genau dort abzuholen (so sagt man das jetzt ja), wo man noch jeden Unmündigen am einfachsten abgeholt hat: bei seiner „Faulheit und Feigheit“, in der es „so bequem [ist], unmündig zu sein“, bis man es endlich dahin gebracht hat, nur noch eine „Maschine“ zu sein.[Fn 32]
Recht im Leib
Wenn also die „Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen“ unter dem Titel „Open Access“ das Programm verfolgt, „das weltweite Wissen in digitaler Form ohne finanzielle, technische und rechtliche Barrieren zugänglich und nutzbar zu machen“ und zu diesem Zweck eine „zukunftsweisende digitale Forschungsumgebung“ aufbauen möchte,[Fn 33] dann können wir das nicht länger mehr als ein unschuldiges Zukunftskonzept lesen. Wir müssen stattdessen darin eine auf dem kalten Verwaltungsweg ins Werk gesetzte Revolution erkennen, die den Sirenengesang vom „Wissen der Welt“ anstimmt, um in diesem Gesang nicht nur das Rudertempo der Wissenschaftsproletarier zu erhöhen, sondern sie zurück zur Höhle der Kirke zu schicken, wo sie sich in genußvoller Entmündigung suhlen sollen.
Es ist nur konsequent, wenn man gleich zu Beginn dieses Entmündigungsprozesses das geltende Urheberrecht als einen „hemmenden Faktor“ zu beseitigen sucht.[Fn 34] Denn das Urheberrecht, so wie es ist, geht nicht von Kollaborateuren aus, die ein Kollektivgut hervorbringen, sondern – auf der Basis der vom Grundgesetz verbürgten Wissenschaftsfreiheit – von individuellen Schöpfern von Werken, die über die Nutzung und Veröffentlichung ihrer Werke selbst entscheiden.[Fn 35] Die in „Open-Access“-begeisterten Kreisen umlaufende Marginalisierung der Wissenschaftsfreiheit als einer bloß noch „theoretische[n] Größe“[Fn 36] und die Denunziation dieses Rechts als „individual-anarchische Auffassung“, die sich darin versehe, dass „kulturelle Produktion [...] immer schon per se gesellschaftlich [ist]“,[Fn 37] setzt daher nicht bei irgendeiner juristischen Marginalie an, sondern polemisiert direkt gegen ein Grundrecht und damit gegen den Kern unserer Verfassung. Dieser Kern ist in der Würde des Menschen verankert, eines Menschen, der als „Person“ gedacht wird,[Fn 38] die nicht in einem digitalen Nirgendwo haust, sondern hier und jetzt in einem Staat, dessen Sphäre durch die Grundrechte begrenzt wird.[Fn 39]
Dass zu diesen Grundrechten auch das Recht auf Eigentum gehört, hat mit der Personhaftigkeit der Rechtssubjekte unmittelbar zu tun. Denn Rechtssubjekte sind wir nur, wenn wir über einen Leib verfügen, der uns welthaft macht und uns in der Welt anderen Menschen begegnen lässt, die wir eben wegen ihrer Leibhaftigkeit als unseresgleichen betrachten und mit denen wir in vielfältige Beziehungen treten können. Diese Beziehungen aber sind – jenseits unmittelbar leiblicher Beziehungen – durch Sachen vermittelt, die unser Eigentum sind oder nicht. Eigentum ist daher in einem doppelten Sinn ein Instrument unserer Freiheit: Es hält den Staat auf Distanz, und es hält die anderen auf Distanz. Und in dieser doppelten Distanz des Eigentums liegt die Notwendigkeit zur Vermittlung, die, jedenfalls im Rechtsstaat, Rechtsform annimmt und sich als rechtförmige Vermittlung gegen jede Form von Willkür wendet. Genau aus diesem Grund ist Eigentum „Mittel zur materiellen Gewährleistung der Freiheit, zur Entfaltung der Persönlichkeit und zur eigenverantwortlichen Gestaltung des Lebens der einzelnen. Eigentum ist der Garant der Menschenwürde.“[Fn 40] Schärfer noch: „Eigentum ist so als Gegenmacht zu verstehen.“[Fn 41]
Das gilt auch und erst recht für das geistige Eigentum. Denn sobald wir uns äußern und anderen etwas von unseren Kenntnissen oder Talenten mitteilen, sind wir in dieser unserer Welt gezwungen, das in der Form einer Äußerung zu tun, die ebendiese Kenntnisse oder Talente veräußerlicht: Was wir sagen wollen, müssen wir mit Hilfe von Zeichen sagen, die ganz konkrete materielle Gestalt besitzen und daher Sachen sind, die wir mit anderen austauschen.[Fn 42] Das Urheberrechtsgesetz bringt deshalb ganz richtig das Veröffentlichen eines Werkes mit seinem materiellen „Erscheinen“ zusammen und regelt ebenso richtig die Beziehung zwischen Urheber und erschienenem Werk auf der Basis des Eigentumsrechtes an dieser erschienenen und folglich materiell greifbaren Werk-Sache.[Fn 43]
Von hier aus wird verständlich, warum die „Open-Access“-Bewegung so zwanghaft an einer Beseitigung des „Medienbruchs“ interessiert ist: Die Verwandlung aller materiellen Werke in Digitalisate hat den Zweck, zusammen mit der Materialität der Werke auch die aus dieser Materialität sich ergebenden Eigentums- und Verfügungsrechte hinter sich zu lassen. Dass man dabei dann auch die im Eigentum liegende Gegenmacht aufgibt, nimmt man gerne in Kauf, weil das, was man im Reich des Digitalen erreichen möchte, auf solche Gegenmächte gut und gerne verzichten kann, ist es doch ein Reich, in dem die Distanz zwischen den Netizens und zugleich die Distanz zwischen den Netizens und dem Staat aufgehoben werden soll, um einem friedlichen Kollektiv Platz zu machen. Was man dabei freilich ignoriert, ist die einfache Tatsache, dass auch dieses digitale Reich von materiellen Bedingungen abhängig bleibt – den Servern, den Kabeln, den Satelliten, den Ingenieuren, die das von außen am Laufen halten –, die, ohne Eigentum als Gegenmacht, auf eine völlige Unterwerfung der digitalen Reichsbürger unter den realen Staat als oberstem Netzbetreiber hinausläuft. Dieser bringt unter dem Deckmantel der „Existenzsicherung“ und des „Weltwissens“ (und beides fällt im digitalen Reich zusammen) seine Netzbürger in eine totale Abhängigkeit von sich und das heißt konkret: in Abhängigkeit von jener Gruppe, „die den Staat und damit die Mittel und Institutionen, den Apparat der Existenzsicherung beherrscht“[Fn 44] – und wir fügen hinzu: die den Apparat der Informationssicherung kontrolliert.
Wer also der Meinung ist, im Reich des Digitalen herrsche ein Ausnahmezustand, in dem die Netizens souverän sind, und wer darüber hinaus der Meinung ist, dass genau dieser Ausnahmezustand notwendig ist, um die reale Demokratie und auch gleich noch die Evolution auf eine neue historische Stufe zu führen, nämlich eine digitale, sieht vor lauter digitalen Nullen nicht mehr, dass in ebendiesem Ausnahmezustand schon längst all jene sich zu Souveränen aufgeworfen haben, die sich als Fachleute der Digitalisierung zweimal im Jahr zu lautlosen Gremiensitzungen treffen, in denen sie ohne alle Gegenmacht und daher längst jenseits der Verfassung entscheiden, wie es mit uns allen weitergehen soll. Vom Volk und seiner Souveränität müssen und wollen diese unauffälligen Damen und Herren längst nichts mehr wissen.[Fn 45]
Nachtrag
Soweit mein Text, wie ich ihn LIBREAS Anfang Juli 2009 zur Verfügung stellte und wie er als „Preprint“ ins Netz gestellt wurde. Ich habe für die hier vorliegende endgültige Version lediglich zwei Fußnoten präzisiert und erweitert, um den Punkt, auf den es ankommt, deutlicher zu machen.
Solche argumentativen Deutlichkeiten sind besonders in dem ideologisch aufgeladenen Kontext von „Open Access“ für manche offenbar so unerträglich, dass die Redaktion von LIBREAS sich veranlasst sah, auf die intellektuelle Selbstverständlichkeit hinzuweisen, dass es bei dieser Debatte – wie bei jeder anderen Debatte, in der die Wahrheit von etwas in Frage steht – nicht darum gehen kann, zum wiederholten Mal zu verkünden, wo man selbst steht, sondern zu erklären, aus welchen nachvollziehbaren Gründen man etwas für richtig und etwas anderes für falsch hält. Wenn man auf solche Selbstverständlichkeiten hinweisen muss, ist im Umfeld etwas geschehen, was mit Argumentation und also Wahrheit nichts mehr zu tun hat, wohl aber mit affektiver Besetzung; und die ist bekanntlich absolut argumentationsresistent.
Die einzige wirksame Antwort auf Argumentationsresistenzen sind Fakten, die das resistent-subjektive Meinen an der Wirklichkeit scheitern lassen. Zwei solcher Fakten hat die von den Initiatoren des Heidelberger Appells in Frankfurt am Main am 15. Juli 2009 veranstaltete Tagung zum Thema „Autorschaft als Werkherrschaft in digitaler Zeit“ ans Licht gebracht.[Fn 46] Das erste Faktum besteht darin, dass die in Frankfurt sprechenden Juristen – gleich, ob sie dem Heidelberger Appell nahe stehen oder nicht – klarstellten, dass es juristisch „ganz herrschende Meinung“ sei und folglich in Urteilen, Gesetzeskommentaren und rechtswissenschaftlichen Gutachten einheitlich vertreten werde, dass die Wissenschaftsfreiheit durch nichts, aber auch gar nichts eingeschränkt werden dürfe. Jene Bibliothekare und Bibliotheksjuristen, die in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren anderes verlautbarten, haben daher guten Grund, sich nicht nur ihre Grundgesetzkommentare noch einmal anzuschauen.[Fn 47]
Das zweite Faktum aber besteht darin, dass in Frankfurt die Vertreterin der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Namen der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen öffentlich erklärte, dass es niemals die Absicht der Allianz gewesen sei, die grundgesetzliche Basis der Wissenschaftsfreiheit in Frage zu stellen und dass es selbstverständlich jedem Wissenschaftler in Deutschland freistehe, zu publizieren, was er wolle und in welchem Medium er wolle. Ein Briefwechsel zwischen dem Präsidenten der DFG und dem Verleger Vittorio Klostermann, dessen Inhalt auf der Frankfurter Tagung publik und der in einem kurzen Auszug inzwischen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht wurde,[Fn 48] bestätigt diese Aussage. Damit hat die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen ihre noch im März erhobene Forderung, die von der öffentlichen Hand finanzierten Wissenschaftler müssten per „Open Access“ publizieren,[Fn 49] ] nun also im Juli wieder kassiert.[Fn 50]
Nach der in Frankfurt erfolgten juristischen Klarstellung und der Kehrtwende der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen steht folglich fest, dass die bibliothekarischen „Entscheider“, Gremien und Verbände, die offenbar glaubten, im Windschatten der allgemeinen Forschungsförderungspolitik und mit dem Segen der Allianz „Open Access“ als Zwangsparadigma des Publizierens an den Hochschulen durchsetzen zu können, sich juristisch blamiert und politisch isoliert haben. Und so darf man sich nicht wundern, dass der Deutsche Bibliotheksverband mit seiner Forderung nach einer „Anbietungspflicht [von Veröffentlichungen] angestellter Wissenschaftler an ihre Trägerinstitution“[Fn 51] nur noch vom politisch bedeutungslosen „Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft‘“ unterstützt wird und ebendieses „Aktionsbündnis“ selbst wiederum stark von Bibliothekaren geprägt ist. In der Tat: Außerhalb der Welt der Bibliotheken sind die Stimmen, die von „Open Access“ als Zwangsparadigma des wissenschaftlichen Publizierens sprechen, sehr wenige und sehr leise geworden. Dass das in der Welt der Bibliotheken und ihrer Verbände immer noch anders ist, hat nicht nur mit den persönlichen Überzeugungen von Bibliothekaren zu tun, sondern weit eher damit, dass „Open Access“ seit vielen Jahren für reichliche Drittmittel von der DFG und anderen Allianzorganisationen und damit zugleich für viele bibliothekarische Karrieren sorgte.
Die Bibliothekare stehen nun vor der Wahl: Sie können weiter von „Open Access“ als einem in ihrer Hand liegenden kommunitaristischen Instrument träumen und in diesem Traum das ihnen von den Wissenschaftlern entgegengebrachte Vertrauen weiter verspielen. Oder sie können aufwachen, der Realität ins Gesicht schauen und das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen versuchen. Das wird freilich ohne eine für die bibliothekarische Umwelt sichtbar werdende inhaltliche und personelle Neuorientierung des bibliothekarischen Berufsstandes nicht zu haben sein.
Fußnoten
[Fn1] Siehe
dazu Uwe Jochum: „Endzeit“. In: Libreas 02/2006
(http://www.ib.hu-berlin.de/~libreas/libreas_neu/ausgabe5/001joc.htm).
(zurück)
[Fn2] Das ist 1995 zu einer ersten DFG-Empfehlung
geronnen: Deutsche Forschungsgemeinschaft / Bibliotheksausschuß
und Kommission für Rechenanlagen: „Neue Informations-Infrastrukturen
für Forschung und Lehre“, 1995 (PDF-Download).
Wiederholt wurde es seither immer wieder, zuletzt in Deutsche Forschungsgemeinschaft:
„Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme“.
In: Bibliotheksdienst 40 (2006), S. 994-1002 (PDF-Download),
hier S. 1001: „Ziel ist die Implementierung einer integrierten
digitalen Umgebung für die wissenschaftliche Informationsversorgung
aller Disziplinen und Fächer in Deutschland bis 2015.“
(zurück)
[Fn3] Siehe das im Sommer 2008 publizierte
Papier Schwerpunktinitiative ‘Digitale Information‘
der Allianz-Partnerorganisationen unter der URL PDF-Download.
(zurück)
[Fn4] GG Art. 5, Abs. 3: „Kunst
und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ (zurück)
[Fn5] „...dass man uns umwirbt
und lockt“. Interview mit Claudia Lux im boersenblatt.net
vom 9.4.2009 (http://www.boersenblatt.net/316291/).
Der Satz fiel anläßlich der Klage des Eugen Ulmer Verlages
gegen die UB Darmstadt; er ist aber in seiner Valenz in größerem
Kontext gemeint. (zurück)
[Fn6] Der Text des Appells, die Unterzeichnerliste
mit derzeit (Mai 2009) über 2500 Unterzeichnern und Hintergrundmaterial
ist zu finden unter der URL http://www.textkritik.de/digitalia/.
(zurück)
[Fn7] Der Text der Erklärung ist
zu finden unter der URL http://www.helmholtz.de/aktuelles/pressemitteilungen/artikel/detail/gemeinsame_erklaerung_der_wissenschaftsorganisationen/.
(zurück)
[Fn8] Uwe Jochum: „Gegen die Verfassung
im Namen der Freiheit“. In: Frankfurter Rundschau,
7. April 2009, S. 40 (http://www.fr-[...]Allianz-der-Wissenschaftsorganisationen-Im-Namen-der-Freiheit.html)
und Volker Rieble: „Forscher sind nicht normale Angestellte“.
In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. April 2009, S.
N5 (http://www.faz.net/[...].html).
(zurück)
[Fn9] Die Presseerklärung ist zu
finden unter der URL http://www.bmj.bund.de/enid/[...]Pressemitteilungen_58.html.
(zurück)
[Fn10] Zur Berliner Erklärung
über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen siehe
die URL http://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Erklärung_über_offenen_Zugang_zu_wissenschaftlichem_Wissen.
Zur Darstellung des Hintergrundes siehe Rainer Kuhlen: Erfolgreiches
Scheitern – eine Götterdämmerung des Urheberrechts?
Boizenburg: Hülsbusch, 2008 (PDF-Downloadf),
Kap. 8.4. (zurück)
[Fn11] http://www.hochschulverband.de/cms1/mitgliederentwicklung.html
(zurück)
[Fn12] Auch die „Göttinger
Erklärung“, die in der Eigengeschichtsschreibung der
„Open-Access“-Bewegung ebenfalls als Beweis für
die von der Wissenschaft selbst getragene Initiativkraft von „Open
Access“ dient (siehe den „Helmholtz Open Access Newsletter“
vom 21.4.2009 unter der URL http://oa.helmholtz.de/index.php?id=250),
ist eine von der „Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen“
und vielen Fachgesellschaften und Institutionen gezeichnete Erklärung,
der sich zwar 7060 Privatpersonen angeschlossen haben (Stand: Juni
2009), die aber mitnichten in ihrer Mehrheit Wissenschaftler sind,
sondern Bibliothekare, Studenten und viele weitere Wissenskonsumenten.
(zurück)
[Fn13] Dazu Richard Münch: Die
akademische Elite. Zur sozialen Konstruktion wissenschaftlicher
Exzellenz. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2007 und ders.: Globale
Eliten, lokale Autoritäten. Bildung und Wissenschaft unter
dem Regime von PISA, McKinsey & Co. Frankfurt am Main:
Suhrkamp, 2009. (zurück)
[Fn14] Dazu und zum Folgenden die Übersicht
bei Frank Havemann: Einführung in die Bibliometrie.
Berlin: Gesellschaft für Wissensforschung e.V., 2009 (http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:101:1-2009041608).
Kritisch Uwe Jochum: „Wissenschaftsranking“. In: Merkur
62 (2008), H. 707, S. 346-349 (http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-opus-57496)
und Jürgen Kaube: „Die bibliometrische Verblendung“.
In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. Juli 2008, S. 36
. (zurück)
[Fn15] Havemann (Anm. 14), S. 55. (zurück)
[Fn16] Wobei man dem erfindenden Hochschullehrer
dreißig Prozent (brutto) der aus der Vermarktung erzielten
Gewinne zugesteht. (zurück)
[Fn17] http://www.admin.cam.ac.uk/reporter/2001-02/weekly/5894/15.html.
(zurück)
[Fn18] Deutsche Forschungsgemeinschaft
/ Unterausschuß für elektronisches Publizieren: Elektronisches
Publizieren im wissenschaftlichen Alltag. Überlegungen zur
Integration elektronischer Publikationsformen in die Geisteswissenschaften.
O.O., Juni 2006 (PDF-Download).
(zurück)
[Fn19] Zitiert nach Michael Hagner:
„Open Access als Traum der Verwaltungen“. In: Frankfurter
Allgemeine Zeitung, 6. Mai 2009, S. N5. (zurück)
[Fn20] So
etwa der Deutsche Bibliotheksverband (dbv), der als bibliothekarischer
Institutionenverband am 15.5.2009 eine Stellungnahme zu den Prüfbitten
des Bundesjustizministeriums zum „Dritten Korb“ des
Urheberrechts abgab. In dieser Stellungnahme will der dbv „eine
Anbietungspflicht [!] angestellter Wissenschaftler an ihre Trägerinstitution“
festgeschrieben wissen. Siehe Stellungnahme des Deutschen Bibliotheksverbandes
e.V. (dbv) zur Anfrage des Bundesjustizministeriums der Justiz vom
19. Februar 2009: Urheberrecht „Dritter Korb“
(PDF-Download),
S. 6. (zurück)
[Fn21] In Göttingen hört
man das nicht nur, man sagt es auch. Siehe Markus Enders / Martin
Liebetruth / Andrea Rapp: „Richtfest im Haus der digitalen
Bibliothek. Methoden, Verfahren, Werkzeuge“. In: Margo Bargheer
/ Klaus Ceynowa (Hrsg.): Tradition und Zukunft. Die Niedersächsische
Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Eine Leistungsbilanz
zum 65. Geburtstag von Elmar Mittler. Göttingen: Universitätsverlag
Göttingen, 2005, S. 9-24, hier S. 9: „An die VDF [Verteilte
Digitale Forschungsbibliothek] werden daher nach wie vor hohe Erwartungen
geknüpft, die nicht nur eine Rationalisierung und Beschleunigung
der wissenschaftlichen Arbeitsweise, sondern auch eine Veränderung
der Forschung selbst im Hinblick auf Methoden und Fragestellungen
beinhalten.“ (zurück)
[Fn22] Frei
nach Karl Marx: Der Wissenschaftsproletarier ist eben darin Proletarier,
dass er „bloßes Zubehör der Maschine“ ist;
siehe Karl Marx / Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen
Partei. Grundsätze des Kommunismus. Stuttgart: Reclam,
1999, S. 27. Nur dass die Maschine heute eben eine sehr softe
ist. (zurück)
[Fn23] So die am 11. Juni 2008 veröffentlichte
Schwerpunktinitiative „Digitale Information“ der
Allianz-Partnerorganisationen (PDF-Download),
S. 1. Dieser Erklärung hat das DFG-Positionspapier Wissenschaftliche
Literaturversorgungs- und Informationssysteme. Schwerpunkte der
Förderung bis 2015. Bonn: Deutsche Forschungsgemeinschaft,
2006 (PDF-Download)
vorgearbeitet. (zurück)
[Fn24] Dazu und zum Folgenden Uwe Jochum:
Kritik der Neuen Medien. Ein eschatologischer Essay. München:
Fink, 2003, S. 91-107. (zurück)
[Fn25] Vannevar Bush: „As we
may think“. In: The Atlantic Monthly, Juli 1945 (http://www.theatlantic.com/doc/194507/bush).
(zurück)
[Fn26] Pierre Teilhard de Chardin:
Der Mensch im Kosmos. München: Beck, 1981, S. 246.
(zurück)
[Fn27] Schwerpunktinitiative „Digitale
Information“ der Allianz-Partnerorganisationen (Anm.
23), S. 1. (zurück)
[Fn28] Deutsche Forschungsgemeinschaft:
Themenorientierte Informationsnetze. Ausschreibung „Virtuelle
Forschungsumgebungen. Infrastruktur und Demonstrationsprojekte“
(31. Mai 2009) (PDF-Download),
S. 1. (zurück)
[Fn29] Siehe
Hegels schönes Wort von der „negativen Gegenständlichkeit“
in der Phänomenologie des Geistes. Frankfurt am Main:
Suhrkamp, 1973, S. 38 f. (zurück)
[Fn30] Paul Virilio: Rasender Stillstand.
München: Hanser, 1992, S. 122. (zurück)
[Fn31] Siehe
dazu die Kritik von Bernard Stiegler: Die Logik der Sorge. Verlust
der Aufklärung durch Technik und Medien. Frankfurt am
Main: Suhrkamp, 2008.
(zurück)
[Fn32] Immanuel Kant: „Beantwortung
der Frage: Was ist Aufklärung?“ In: ders.: Werkausgabe.
Bd. XI. Hrsg. von Wilhelm Weischedel. 4. Aufl. Frankfurt am Main:
Suhrkamp, 1982, S. 53 u. 61.
(zurück)
[Fn33] Schwerpunktinitiative
„Digitale Information“ der Allianz-Partnerorganisationen
(Anm. 23), S. 4.
(zurück)
[Fn34] Ebd., S. 7.
(zurück)
[Fn35] UrhG, §§ 1, 2, 11-14.
(zurück)
[Fn36] Eric Steinhauer: „Open
Access ‘unsittlich und verwerflich‘?“ In: Wissenschaftsurheberrecht,
11.2.2009 (http://www.wissenschaftsurheberrecht.de/2009/02/11/open-access-unsittlich-verwerflich-5553120/).
Die Stelle, auf die ich Bezug nehme, lautet: „Die Rede von
der Freiheit des Wissenschaftlers, zu publizieren, wo er will, macht
nur in den Fächern noch Sinn, wo es keine Dominanz von Impact-Faktoren
gibt. In vielen Bereichen der Naturwissenschaften ist diese Freiheit
nur eine theoretische Größe.“ Hier wird ganz offensichtlich
vom Sein auf das Sollen geschlossen: Weil in den durch Impact-Faktoren
gegängelten Wissenschaften die Freiheit des Wissenschaftlers,
sich seinen Publikationsort selbst auszusuchen, faktisch beseitigt
sei, sei die Wissenschaftsfreiheit nur noch eine „theoretische
Größe“ und also sinnlos. Nun ist das Sollen freilich
niemals empirisch aus dem Sein ableitbar, und wer es versucht, gibt
implizit die moralische und juristische Verbindlichkeit von Normen
auf. Er kann dann als „normwürdig“ nur noch betrachten,
was bereits ist – und zwar ohne weitere Reflexion darauf,
ob das, was ist, nun gut oder schlecht ist. Das läuft auf eine
kritiklose Akzeptanz des Gegebenen hinaus, und im Kontext der „Open-Access“-Debatte
resultiert daraus folglich eine Hinnahme des Abbaus der Wissenschaftsfreiheit,
wie er durch die „Open-Access“-Politik der nationalen
Forschungsförderungseinrichtungen vorangetrieben wird. Das
eben nenne ich eine Marginalisierung der Wissenschaftsfreiheit.
Sie wird bei Eric Steinhauer im Übrigen auch dort deutlich,
wo er die Verpflichtung zu „Open Access“ im Rahmen von
Drittmittelforschung (Forschungen, „für die ganz bestimmte
Gelder bereitgestellt werden“) für grundrechtlich unbedenklich
hält und aller anderen Forschung ein Zweitveröffentlichungsrecht
eingeräumt sehen will. Siehe das „Interview mit Eric
Steinhauer“ im Libreas Podcast Nr. 10 (http://www.ib.hu-berlin.de/~libreas/libreas_neu/podcasts/podcast_10/index.html).
Ebendieses Zweitveröffentlichungsrecht ist freilich erheblich
exklusiver als das jetzige Erstveröffentlichungsrecht, denn
mit dem intendierten Zweitveröffentlichungsrecht à la
Open-Content-Lizenz (Creative Commons, GNU General Public Licence
u. a.) geben die Urheber ihre Verwertungsrechte unwiderruflich
und auf immer preis und scheiden damit als Vertragspartner der Verlage
strukturell aus: Sie halten nichts mehr in Händen, worüber
noch ein Nutzungsvertrag abgeschlossen werden könnte. Kurz:
Mit dem Zweitveröffentlichungsrecht wird per Rechtsform ein
Zustand hergestellt, der die Autoren nach der Erstellung eines Werkes
völlig rechtlos macht, indem sie die Kontrolle über ihr
Werk verlieren und sich einzig noch darüber freuen sollen,
dass das unkontrolliert zirkulierende (und bei manchen Lizenzen
jederzeit veränderbare) Werk auf immer und ewig mit ihrem Namen
verbunden bleibt.
(zurück)
[Fn37] Armin Medosch: „Die Zeit‘
und die intellektuelle Finsternis‘.“ In: The Next
Layer, 4. Mai 2009 (http://www.thenextlayer.org/node/1005).
(zurück)
[Fn38] Siehe GG Art. 2: „Die
Freiheit der Person ist unverletzlich.“
(zurück)
[Fn39] Rudolf Weber-Fas: Freiheitliche
Verfassung und sozialer Rechtsstaat. Pfullingen: Neske, 1975,
S. 9-14.
(zurück)
[Fn40] Ernst Benda / Karl Kreuzer:
„Eigentum und Eigentumsbindung“. In: Zeitschrift für
Sozialreform 20 (1974), S. 1-19, hier S. 12. Kursivierung im Original.
(zurück)
[Fn41] Vgl. nochmals Daniel Leisegang:
Jürgen Habermas zum 80.: Die Rückkehr der Öffentlichkeiten,
in: Carta, http://carta.info/10629/juergen-habermas-die-rueckkehr-der-oeffentlichkeiten/
und Robin Meyer-Lucht: Habermas, die Medien, das Internet, in: Perlentaucher
vom 04.06.2008, http://www.perlentaucher.de/artikel/4686.html
(zurück)
[Fn42] Siehe Georg Wilhelm Friedrich
Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht
und Staatswissenschaft im Grundrisse. Hrsg. von Bernhard Lakebrink.
Stuttgart: Reclam, 1981, § 43.
(zurück)
[Fn43] UrhG, §§ 6, 11, 12,
15 ff. Siehe dazu den Klassiker von Eugen Ulmer: Urheber- und Verlagsrecht.
3., neu bearb. Aufl. Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 1980,
S. 2 u. S. 126 ff.
(zurück)
[Fn44] Benda/Kreuzer (Anm. 40), S. 15. (zurück)
[Fn45] In „Open-Access“-Kreisen wird gerne argumentiert, dass es nicht um die Enteignung der Wissenschaftler und ihre Unterwerfung unter ein Regime des staatsmonopolistischen Wissenschaftskapitalismus gehe, sondern um einen kommunitaristischen Umbau der Wissenschaft zu einer „Wissensallmende“. Das ist freilich eine schiefe Konstruktion, die den realen Prozeß, um den es geht, verschleiert. Denn während eine Allmende die gemeinsame Nutzung eines Naturgutes (Wiese, Wald usw.) ist, das als Naturgut „in sich selbst einen Anfang von Veränderung und Bestand“ hat (Aristoteles: Physik. 1. Halbbd. Hrsg. von Hans Günter Zekl. Hamburg: Meiner, 1987, B1, 192b), gilt das von der „Wissensallmende“ nicht: Sie ist eben kein gemeinsam genutztes Naturgut, sondern eine technische Infrastruktur, deren Bestand und Veränderung davon abhängt, dass diese Infrastruktur von Menschen geschaffen und erhalten wird. Und dabei darf man nicht verkennen, dass diese die Infrastruktur schaffenden und erhaltenden Menschen nicht als philanthropische Verbände unter Einsatz eigenen Kapitals (und freiwillig) agieren, sondern als staatlich bestellte Gremien, die die Allokation von Steuermitteln mit festem Blick auf die Ökonomie der „Wissensgesellschaft“ lenken. So will etwa die „Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen“ durch den Ausbau der digitalen Wissenschaftsinfrastruktur und des „Open Access“ „die Konkurrenzfähigkeit des Wissenschaftsstandortes Deutschland“ steigern und ist damit semantisch schon dort, wo das alles letztlich hinwill: zum „Standort Deutschland“ und seiner „Konkurrenzfähigkeit“. Siehe Schwerpunktinitiative „Digitale Information“ der Allianz-Partnerorganisationen (Anm. 23), S. 1. Ein Beispiel für die hier kritisierte schiefe Konstruktion der Wissensallmende bietet der Beitrag von Joachim Losehand: „Moskenstraumen“. In: Libreas Preprint 03/2009 (http://libreas.wordpress.com/2009/07/28/l[...]-moskenstraumen/), der auf der Basis der Metapher vom Netz als „Meer“ die technische Infrastruktur als natürlichen Lebensraum interpretiert, die Interpretation als blanke Realität nimmt und die Metaphernkonstruktion dann auch noch heilsrhetorisch auflädt. Dieser bestenfalls mythopoetische Umgang mit dem Phänomen des Internets hat mit einer Analyse, die die immanente Dialektik der Begriffe zu entfalten hätte, nichts zu tun. Zur digitalen Heilsrhetorik siehe Uwe Jochum: Kritik der Neuen Medien. Ein eschatologischer Essay. München: Fink, 2003. (zurück)
[Fn46] Das Tagungsprogramm ist zu finden unter der URL http://www.textkritik.de/urheberrechtstagung/index.htm. Eingehende Besprechungen der Tagung in der Presse durch Richard Kämmerlings: „Den Urheber kann niemand entrechten.“ In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.7.2009, S. 33, Volker Breidecker: „Entwarnung nach dem Appell.“ In: Süddeutsche Zeitung, 17.7.2009, S. 13, Joachim Güntner: „Ist das Urheberrecht ein Papiertieger?“ In: Neue Zürcher Zeitung, 21.7.2009, S. 36 und Michael Adrian: „Mein Buch gehört mir.“ In: Tagesspiegel, 17.7.2009 (http://www.tagesspiegel.de/kultur/Urheberrecht-Google;art772,2849650). (zurück)
[Fn47] Das in diesem Zusammenhang in der Blogosphäre oft umgeschlagene Argument, dass technische Innovationen in der Vergangenheit immer auch Konsequenzen für die Rechtssphäre gehabt hätten und uns folglich das Internet zu ganz neuen Rechtsverhältnissen nötige, ist nichts weiter als eine medienmaterialistische Behauptung, die aus bestimmten materialen Medienverhältnissen den ideologischen Überbau abzuleiten versucht und gerade von der sehr gut untersuchten Geschichte der Schrift aufs Schönste widerlegt wird. Siehe etwa Alan K. Bowman / Greg Woolf (Hrsg.): Literacy and power in the ancient world. Cambridge: Cambridge University Press, 1994. Folglich ist der Schluss, dass das Urheberrecht, weil es aus der Zeit der „alten“ Medien stamme, „alte“ Rechtsverhältnisse kodifiziere, die angesichts neuer Medien in neue und dann auch gleich noch kommunitaristische Rechtsverhältnisse umgegossen werden müssten, nichts weiter als ein medienmaterialistischer Trugschluss. Demgegenüber bleibt festzuhalten, dass nicht nur den juristischen Verfassern des Urheberrechts klar war und ist, dass es Medien, die etwas zu sagen haben, nur solange gibt, solange Menschen in diesen Medien etwas Gehaltvolles sagen. Woraus nun allerdings folgt, dass die für den Gehalt sorgenden Urheber zu schützen sind. (zurück)
[Fn48] Lothar Müller: „Die Kuh ist nicht vom Eis. Einlenken der DFG beim Thema Zwangspublizieren?“ In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.7.2009, S. 29. (zurück)
[Fn49] Siehe oben Anm. 7. (zurück)
[Fn50] Damit hat die Allianz eine gewaltige Bringschuld der Wissenschaft gegenüber einzulösen: Auf die öffentlichen Erklärungen müssen Taten folgen, nämlich sehr konkret Änderungen und Streichungen in den Formularen und Handreichungen für die Beantragung von Forschungsmitteln. So heißt es in den DFG-Verwendungsrichtlinien für das Leibniz-Programm (DFG-Vordruck 2.20–2/08, PDF-Download) in Abschnitt 10 derzeit (29. Juli 2009): „Die DFG erwartet, dass die mit ihren Mitteln finanzierten Forschungsergebnisse publiziert und dabei möglichst auch digital veröffentlicht und für den entgeltfreien Zugriff im Internet (Open Access) verfügbar gemacht werden.“ Dieselbe Formulierung findet sich in den Verwendungsrichtlinien für die Exzellenzcluster unter Abschn. 7b (PDF-Download). Und im „Merkblatt Wissenschaftliche Zeitschriften“ wird ausdrücklich vermerkt, dass nur Zeitschriften, „die in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der DFG zum Open Access [...] publiziert werden“, gefördert werden können, was in Abschnitt 6 des Merkblattes unter der Ziffer 6.10 dann so präzisiert wird: „In jedem Fall müssen Herausgeber und ggf. Verlage den Autoren gestatten, ihre Beiträge in disziplinspezifische oder institutionelle elektronische Archive einzupflegen. Daher sind Herausgeber und ggf. Verlage verpflichtet [!], den Autoren in Verträgen ein nicht ausschließliches Verwertungsrecht zur elektronischen Publikation ihrer Zeitschriftenbeiträge zwecks entgeltfreier Nutzung fest und dauerhaft einzuräumen.“ (PDF-Download) Ähnlich sieht es in den Merkblättern und Antragshandreichungen der anderen Allianzorganisationen aus. Erst wenn diese Formulierungen ersatzlos gestrichen sind, ist der von der Allianz unternommene Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit als erledigt zu betrachten. Dazu noch einmal Müller: „Die Kuh ist nicht vom Eis“ (Anm. 48). (zurück)
[Fn51] Siehe oben Anm. 20. (zurück)
Uwe Jochum ist Fachreferent für Allgemeine Literaturwissenschaft, Amerikanistik, Anglistik, Germanistik, Musik, Pädagogik & Philosophie an der Bibliothek der Universität Konstanz.