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Moderne Subkulturen und der kulturelle Auftrag Öffentlicher Bibliotheken


Zitiervorschlag
Karsten Schuldt, "Moderne Subkulturen und der kulturelle Auftrag Öffentlicher Bibliotheken. ". LIBREAS. Library Ideas, 13 ().


Old School | New School | Subkulturforschung | Subkulturen als Mediennutzungsgruppen im Internetzeitalter | Aufgabenstellungen für die bibliothekarische Arbeit | Medienformen als Fetisch | Literatur

Es ist für einen großen Teil der Bevölkerung vollkommen egal, was ein Bibliothekar oder eine Bibliothekarin selbst vom Web 2.0 hält, ob eine Bibliothek mit einem Weblog arbeitet, ein Wiki aufsetzt oder den OPAC mit Möglichkeiten sozialer Software anreichert oder auch nicht. Das sind bibliothekarische Debatten, die geführt werden müssen. Doch daneben entwickelt sich die Gesellschaft weiter. Sie differenziert sich kulturell aus. An dieser Ausdifferenzierung hat das Internet, insbesondere seit seinem Upgrade zum Web 2.0, seinen Anteil. Das hat Einfluss auf die Aufgaben von Öffentlichen Bibliotheken als Einrichtungen, die nicht einfach Medien verleihen, sondern Kultur vermitteln wollen. Dieser Anspruch ist in den bibliothekarischen Debatten etwas in den Hintergrund getreten, aber nicht verschwunden. Bibliotheken wurden unter diversen Vorzeichen seit dem Bestehen der modernen Gesellschaft immer auch als Einrichtung wahrgenommen, Menschen einen Zugang zur Kultur zu eröffnen. Mit der Entwicklung der Bibliotheken zu demokratischen Einrichtungen mit gesamtgesellschaftlichem Anspruch hat sich diese Aufgabe dahingehend erweitert, dass nicht nur eine sogenannte Hochkultur oder die Kultur des Trägers der Bibliothek vermittelt werden soll, sondern potentiell die Gesamtheit der Kulturen und Szenen einer Gesellschaft. Gerade dort, wo Öffentliche Bibliotheken die einzige kulturelle Einrichtung einer Gemeinde darstellen und ansonsten eine kulturelle Eintönigkeit vorherrscht, ist eine solche Vermittlungsleistung auch Teil der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die Chancen zur Teilhabe an Lebensqualität nicht vom Wohnort abhängig zu machen. Der potentielle Zugang zu allen Subkulturen ist Teil einer Lebensqualität insbesondere junger Menschen, die bisher vor allem für große Städte reserviert schien und zum Beispiel dazu führte, dass es einen anhaltenden Zuzug dieser in Großstädte gibt.[Fn2]

Doch die Entwicklung moderner Kommunikationsmittel hat auch dies verändert. Der potentielle Zugang zu Subkulturen wird einfacher, zugleich nimmt die Bedeutung von Subkulturen[Fn3] beständig zu. Im Folgenden soll für die musik-basierten Subkulturen diskutiert werden, welche Herausforderungen auf Bibliotheken zukommen werden, wenn sie ihren Anspruch, eine kulturelle Einrichtung zu sein, aufrechterhalten wollen.

Das Internet, genauer die Möglichkeit, relativ unkompliziert und kostengünstig Musik und Informationen verbreiten und finden zu können sowie virtuelle Netzwerke zu etablieren, die elektronisch elaborierter funktionieren als herkömmliche Internet-Foren, hat dazu geführt, dass Subkulturen virtuell konstituiert und verbreitet werden. Bis in die 1990er Jahre entwickelten sich Subkulturen in regionalen Zentren und verbreiteten sich von dort aus relativ langsam. Demgegenüber entstehen sie heute mithilfe der modernen Kommunikationsmittel auf der Basis regionaler Gegebenheiten und werden so für Menschen aus anderen Gebieten leicht nachvollziehbar. Diese Nachvollziehbarkeit führt dazu, dass Subkulturen sich ohne Probleme an unterschiedlichen Orten gleichzeitig entwickeln können, wobei sie in ihrer Ausprägung an verschiedenen Orten jeweils den lokalen Gegebenheiten und Einflüssen ausgesetzt sind. Ihre Realisierung außerhalb des Internets in Form von Partys, Konzerten, Treffpunkten, kulturellen Aktivitäten und Lebensstilen, ist aber zumeist erst der zweite Schritt. An den unterschiedlichen Entstehungsgeschichten von HipHop und Grime lässt sich diese Veränderung beispielhaft nachzeichnen.

HipHop entstand in den 1970er Jahren in den ärmeren Bezirken New Yorks.[Fn4] Zwischen 1973 und 1976 begann sich eine Form des DJing zu entwickeln, bei der die eingesetzten Plattenspieler als Instrumente genutzt sowie die gespielten Stücken in Samples zerlegt und – vorerst live – wieder zusammen gesetzt wurden.[Fn5] Diese Technik wurde mit einer Form des Sprechgesangs, dem Rap, verbunden. HipHop entwickelte sich in einem überschaubaren urbanen Umfeld, welches durch starke räumliche Segregation und zahlreiche leer stehende Häusern und Freiflächen geprägt war. Zudem überwog bei der dort ansässigen Bevölkerung das Gefühl einer individuellen Perspektivlosigkeit. Spätestens seit 1976 wurden die räumlichen Gegebenheiten von der HipHop-Kultur – zumeist illegal – als Ort für Partys benutzt.[Fn6] Während dieser Zeit verband sich die Musik mit den beiden Elementen Breakdance und Graffiti zu einer bis in die 1990er Jahre nicht zu trennenden Einheit, die gemeinhin als eine Subkultur wahrgenommen und gelebt wurde.

Come together. So wie sich die Rapmusik freimütig aus Versatzstücken anderer Stilrichtungen bedient, hat auch die Graffitikultur den eigenen ästhetischen Horizont der verschnörketen Schriftzüge längst überwunden und zitiert gern die Bildsprache anderer Kunstformen.
Die des Comics ist sicher eine naheliegende, dabei jedoch bereits meilenweit von der Wild-Style-Orthodoxie entfernt.

Old School

HipHop war dabei hauptsächlich eine Livekultur. Erst mit der langsamen Etablierung erster Clubs entstanden Aufnahmen und Mixtapes. Insbesondere diese Mixtapes – Musik-Kassetten, auf denen sich die Crews präsentierten und welche hauptsächlich direkt bei Konzerten verkauft wurden – prägten die HipHop-Kultur nachhaltig. Sie machten es möglich, relativ billig ein eigenes Medium zu verwenden, welches innerhalb der Subkultur zirkulieren konnte.

Kolportiert wird, dass eines dieser Mixtapes von der Soul- und R'n'B-Produzentin Silvia Robinson gehört wurde, welche erst daraufhin die Sugarhill Gang gründete, produzierte und damit eine neue Phase des HipHop einleitete. 1979 veröffentlichte die Sugarhill Gang den Song „Rapper's Delight“ auf Vinyl. Diese Platte gilt gemeinhin als erst HipHop-Platte, welche außerhalb New Yorks beachtet wurde. Selbstverständlich gab es zu diesem Zeitpunkt Vorwürfe, dass die Subkultur zum Mainstream gemacht und ausverkauft würde. Seitdem hat sich HipHop weiterentwickelt. Spätestens mit dem 1988er Album „Straight Outta Compton“ von N.W.A. aus Compton/L.A. und dem 1989er „As Nasty As They Wanna Be“ der Two Live Crew aus Florida ist HipHop keine von New York aus dominierte Kultur mehr. Es haben sich zahlreiche Untergenres entwickelt, die sich seit den 1990er Jahren auch noch national ausdifferenzierten. Die drei Kulturen HipHop, Breakdance und Graffiti entwickelten sich auseinander und bilden heute keine Einheit mehr. Graffiti gilt als eigenständige Subkultur, Breakdance wird kaum noch betrieben.

HipHop basierte darauf, sich in einem überschaubaren urbanen Raum mithilfe von Partys, Mixtapes, und einer eigenen Kultur über einen Zeitraum von rund sechs Jahren entwickeln zu können. Die Kommunikationsstrukturen innerhalb der Szene beschränkten sich praktisch auf drei New Yorker Stadtbezirke – Bronx, Brooklyn, Queens – als Zentrum des HipHop und konzentrierte sich dort auf einige feste Orte wie Plattenläden, Clubs und später auch kleinere Studios.


New School

Während HipHop davon profitierte, sich als Subkultur in einem begrenzten Rahmen entwickeln zu können, entstehen die meisten Subkulturen heute auf der Basis moderner Kommunikationsstrukturen in einem globaleren Rahmen. Grime ist dafür ein Beispiel.[Fn7] Diese Musik entstand etwa 2002 in London als Mischung aus härterem HipHop, Dancehall und Drum'n'Bass, mit einem stark punkigen Einfluss.
Mitsamt der dazugehörigen Subkultur verbreitete sich Grime innerhalb weniger Monate über mehrere britische und andere europäische Städte. Spätestens seit 2005 kann man von einer eigenständigen Berliner Szene reden, die 2006 auf andere deutsche Städte übergriff und ab 2007 einen eigenständigen Berliner Sound etablierte, welcher die elektronischen Elemente des Grime stark betonte. Dabei gab es schon seit der Etablierung der Berliner Grime-Szene bedeutende Unterschiede zu anderen Szenen, insbesondere der in London. Auffällig wurde dies am positiven Bezug auf die stark schwul/lesbisch-geprägte Clubszene in Berlin. Die Londoner Szene hingegen hielt einen gewissen Abstand von dieser Clubszene und orientierte sich eher am Dancehall und HipHop und den dort akzentuierten maskulinen Diskursen und zumindest zum Teil auch homophoben Einstellungen.

Grime war eine der ersten Subkulturen, die zu einem großen Teil über das Internet möglich wurde. Sowohl die Promotion als auch die Kommunikation der entstehenden Subkultur fand hauptsächlich auf MySpace.com, in Weblogs und auf dem Black-Music-Sender BBC1Xtra, der selbstverständlich im Internet gestreamt wird, statt.[Fn8]

Geprägt war die Wachstumsphase von 2002 bis 2006 davon, dass immer zahlreichere Musiker und Musikerinnen anfingen, eigene Tracks über ihre persönlichen Homepages und Profile bei MySpace.com zu verbreiten. Gleichzeitig fand sich in Londoner Clubs die Szene auf betreffenden Partys zusammen. Wichtig für den Erfolg wurde neben der Fähigkeit, sich auf der Bühne und bei den szeneinternen Streitigkeiten durchzusetzen, die eigene Internetpräsenz. Neben einzelnen Tracks wurden Mixtapes zum Ausdruck der künstlerischen Produktivität. Bedeutsam für den Status in der Szene waren die Diskussionen um diese Mixtapes und Tracks. Auf ihnen präsentierten sich die Künstlerin, der Künstler und die Künstlernetzwerke, gleichzeitig wurden über diese Tapes und Live-Auftritte die Auseinandersetzungen innerhalb der Szene ausgetragen.

Obwohl eigentlich wie beim HipHop für einen lokalen Zusammenhang – hauptsächlich London – hergestellt und dort teilweise in einigen Plattenläden verkauft, wurden diese Mixtapes als digitale Medien virtuell global verfügbar. Es bildete sich ein Netzwerk aus Verweisen und Bezugnahmen, welches über die lokalen Zusammenhänge hinausreichte. So partizipierten Menschen mit eigenen Tracks oder Diskussionsbeiträgen, bevor auch nur eine Grime-Party in ihrem Lebensumfeld stattgefunden hatte. Obwohl dieses Netzwerk quasi von Beginn an von drei MCs – Wiley, Dizzee Rascal und Kano – und einer Crew – Roll Deep – dominiert wurde, war es offen genug für zahlreiche weitere Partizipierende. Die prinzipielle Offenheit ermöglichte es zudem, dass sich in anderen Städten Szenen bilden konnten, welche sich auf dieses virtuelle Netzwerk bezogen.
Die Fixierung auf das Internet führte so weit, dass Partys nur noch zweitrangig mit gedruckten Medien beworben und stattdessen Ankündigungen in Blogs zum wichtigsten Promotionsmedium wurden.[
Fn9]


Subkulturforschung

Szenen und Subkulturen, die in diesem Text als synonym verstanden werden, wurden lange Zeit in der Öffentlichkeit und Forschung hauptsächlich als Gefahr, Ergebnis von Individualisierungs- bzw. Atomisierungsprozessen und als anti-gesellschaftliche Abgrenzungen verstanden, obwohl sich immer wieder zu einzelnen Szenen auch positive Bezüge fanden. Insbesondere im Anschluss an Ulrich Becks Darstellung der zeitgenössischen Gesellschaft als reflexive Moderne begreift zumindest die deutschsprachige Forschung Subkulturen hingegen heute vorrangig als Ort der Vergemeinschaftung in einer Gesellschaft, in welcher zahlreiche strukturelle Gegebenheiten unsicher und moralische Vorgaben größerer Gemeinschaften bestreitbar und teilweise auch obsolet geworden sind.[Fn10] Subkulturen bieten eine temporäre und nicht exklusive Gemeinschaft, in der Mitbestimmung geübt, individuelle Identitäten ausgeprägt und soziale Praxen erproben werden können. Zudem vermitteln sie den Partizipierenden Sinnangebote und die Möglichkeit, Kompetenzen in der teil-autonom organisierten Freizeitgestaltung zu erwerben. Allerdings ist die Szeneforschung in Deutschland ein relativ marginales Feld sozialwissenschaftlicher, pädagogischer und ethnographischer Forschungen.[Fn11]

Mit ihrer Studie „Leben in Szenen“ legten Hitzler, Bucher und Niederbacher (2005) einen ersten umfassenden Systematisierungsversuch vor. Sie gehen davon aus, dass sich Szenen beschreiben lassen als

[t]hematisch fokussierte kulturelle Netzwerke von Personen, die bestimmte materiale und/oder mentale Formen der kollektiven Selbststilisierung teilen und Gemeinsamkeiten an typischen Orten und zu typischen Zeiten interaktiv stabilisieren und weiterentwickeln.[Fn12]

Diese Szene beschreiben sie anhand von zwölf Thesen, welche seitdem als Grundannahmen der Szeneforschung gelten können:[Fn13]

  • Szenen sind Gesinnungsgemeinschaften.
  • Szenen sind thematisch fokussierte soziale Netzwerke.
  • Szenen sind kommunikative und interaktive Teilzeit-Gesellungsformen. Sie werden also in kommunikativen Prozessen erst hergestellt und erheben gleichzeitig nur selten den Anspruch, dass Leben eines Mitglieds vollständig zu strukturieren. Das unterscheidet sie beispielsweise von radikalen religiösen oder auch früheren politischen Gemeinschaften[Fn14], die ihren moralischen Anspruch total durchsetzen wollen oder wollten.
  • Szenen dienen der sozialen Verortung.
  • Szenen haben ihre je eigene Kultur. Diese Kultur bilde sich anhand eines „Wissen[s] von den 'richtigen' Verhaltensweisen, Attributierungen, Codes, Signalen, Emblemen, Zeremonien, Attitüden, Wissensbeständen, Relevanzen, Fertigkeiten usw.“[Fn15] und einer Aneignung dieses Wissens aus.
  • Szenen sind labile Gebilde. Man kann sie jederzeit wieder verlassen, da es keine Möglichkeit gibt, Ein- und Austritte zu sanktionieren.
  • Szenen haben typische Treffpunkte. Bei Hitzler, Bucher und Niederbacher werden diese Treffpunkte noch ausschließlich als reale Orte verstanden. Dies hat unter anderem damit zu tun, dass ihre Forschungen – die erste Auflage ihrer Studie erschien 2001 – zu einer Zeit unternommen wurden, in der das Internet zwar den Zugang zu Informationen ermöglichte, aber die Etablierung sozialer Netzwerke und Verarbeitung solch großer Datenmengen, wie dies im Web 2.0 möglich ist, weit schwieriger war. Die Idee, ein virtuelles Netzwerk zu etablieren, auf der die Nutzerinnen und Nutzer umfangreiche Profile anlegen, untereinander kommunizieren und dabei Musikfiles in Audioqualität oder gar Videos hinterlegen können, die beim Aufruf automatisch gespielt werden, war damals wegen der noch langsamen Datenleitungen eine utopische Vorstellung. Heute ist dies bei MySpace.com und anderen sozialen Netzwerken Standard, so dass virtuelle Treffpunkte möglich sind.[Fn16]
  • Szenen sind Netzwerke von Gruppen. Es wäre beispielsweise falsch, eine Gruppe von Skatern eines Ortes als vollständige Szene zu bestimmen.[Fn17] Diese Gruppe steht immer im Kontakt mit anderen Gruppen, welche derselben Szene angehören. Gleichzeitig wäre es auch falsch, diese Szene als monolithisch wahrzunehmen. Subkulturen sind durchgehend intern differenziert, obwohl die Auseinandersetzungen und Abgrenzungen für Außenstehende häufig nicht nachvollziehbar sind.
  • Szenen sind vororganisierte Erfahrungsräume. Sie sind alle von szenetypischen Events geprägt, welche zumindest als eine Aufgabe die Herstellung und Aktualisierung eines Wir-Gefühls haben.
  • Szenen strukturieren sich um Organisationseliten. Diese Elitenfunktion bezieht sich immer auf die jeweilige Szene. Hitzler, Bucher und Niederbacher differenzieren Szenen in den Szenekern (Organisationselite), Friends / Heavy-User und 'Normale'? Szenegänger. [Fn18]
  • Szenen sind dynamisch.
  • Szenen liegen quer zu bisherigen Gesellungsformen und großen gesellschaftlichen Institutionen. Insbesondere diese These hat Kritik erfahren, da Szenen zwar theoretisch offen sind, sich jedoch meist in Verbindung mit Gesellungsformen – also Klassen und Schichten – konstituieren. Wenn auch die Durchlässigkeit höher ist und in einer Szene Menschen aus unterschiedlichen Schichten zusammenkommen können, sind sie zumeist von einer Schicht geprägt. Die Zugehörigkeit ist oft von der Verfügbarkeit über ökonomische Mittel, von einem bestimmten Bildungshintergrund oder Habitus abhängig. Gleichwohl propagieren die meisten Szenen den utopischen Anspruch einer voraussetzungslosen Zugänglichkeit.


Subkulturen als Mediennutzungsgruppen im Internetzeitalter

Subkulturen in ihrer heutigen Bedeutung als mehr oder minder akzeptierte soziale Zusammenhänge sind spätestens seit der Mitte des 20. Jahrhunderts Bestandteil westlicher Gesellschaften.[Fn19] Gibt es deshalb überhaupt einen Grund für Bibliotheken, sich mit den aktuellen Veränderungen bei der Verbreitung und Konstitution von Subkulturen zu befassen? Selbstverständlich, immerhin stellen Bibliotheken Medien zur Verfügung und haben einen kulturellen Auftrag. Medien entstehen nicht kontextlos und werden auch nicht kontextlos rezipiert, sondern sind Ausdruck und Gegenstand kultureller Prozesse.

In Zeiten der sich beständig ausdifferenzierenden Gesellschaft bedeutet Kultur vor allem eine wachsende Anzahl von Subkulturen. Sich als Bibliothek mit diesen Subkulturen auseinander zu setzen, bedeutet erstens nachzuvollziehen, welche Subkulturen bestehen und sich entwickeln und zweitens einen Zugang zu den von Subkulturen produzierten Medien zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass die Grenzen zwischen Subkulturen und Mainstream immer durchlässiger werden. Nicht nur haben einzelne Acts, die im Mainstream erfolgreich sind, heute mehr Einfluss auf Subkulturen, als dies zu Zeiten einer scheinbar radikalen Trennung von Underground und Mainstream der Fall war. Zudem werden in immer kürzeren Abschnitten Tracks, die eigentlich für eine Subkultur produziert wurden, vom Mainstream aufgenommen und zu veritablen Hits.[Fn20]

Ein Grund dafür ist der aktuell stattfindende Zusammenbruch des herkömmlichen Geschäftsmodells der Musikindustrie, welches hauptsächlich auf dem Verkauf von Medien basierte und die Liveauftritte von Künstlerinnen und Künstlern als Nebengeschäft führte.

Dies hat sich in den letzten Jahren gedreht: Musikmedien produzieren immer weniger Gewinn und gelten teilweise nur noch als Promotionsprodukt, hingegen steigt die Bedeutung der Liveauftritte.[Fn21] Diese Situation eröffnet Künstlerinnen und Künstlern mit großer Bühnenausstrahlung neue Chancen, während reine Studiomusiker und -musikerinnen ins Hintertreffen geraten.

Man könnte argumentieren, dass eine Auseinandersetzung mit Subkulturen durch die Bestände an Tonträgern und Jugendzeitschriften in Bibliotheken bereits passieren würde, insbesondere dort, wo Jugendliche in die Auswahl der Medien einbezogen werden.[Fn22] Das ist nicht ganz falsch. Allerdings ist die Veröffentlichung der ersten Alben im offiziellen Tonträgerhandel heute nicht mehr der Beginn einer Subkultur. Konnten noch vor einigen Jahren Subkulturen als sich gerade über einen lokalen Rahmen hinaus etablierend gelten, wenn aus ihnen Medien produziert und diese auch von einem größeren Publikum konsumiert wurden, markiert heutzutage die Veröffentlichung solcher ersten Alben eher das Ende der ersten Phase einer Subkultur. Während die ersten kommerziell erfolgreichen Alben des HipHop ab 1979 den Auftakt der Verbreitung dieser Subkultur über New York hinaus bedeuteten, fand die Veröffentlichung der ersten kommerziell beachteten Alben des Grime ab 2007 – „Public Warning“ von Miss Sovereign, „Maths and English“ von Dizzee Rascal, „Playtime's over“ von Wiley und „London Town“ von Kano – in einer Phase statt, in der sich Grime als Subkultur in vielen Städten soweit etabliert hatte, dass es schon zu szeneinternen Differenzierungen kam und in der das erste Mal innerhalb der Szene von einem endgültigen Ende der Subkultur die Rede war.

Subkulturen sind heute potentiell einfacher nachzuvollziehen, zumindest deren kulturelle Produkte und Debatten sind virtuell für alle erreichbar. Das war nicht immer so. In Zeiten, als die wichtigsten Mixtapes aus anderen Städten nur erworben werden konnten, wenn Kontakte zu jemand bestanden, der oder die dort an der jeweiligen Szene partizipierte und diese Medien erwerben und weitergeben konnte, gehörte dieser Wettlauf nach Originaldokumenten zu jeder Subkultur dazu. Das ist bei Subkulturen, die in der ersten Welt entstehen, nicht mehr nötig. Sicherlich lässt sich das spezifische Flair des Entstehungsortes einer Musik nicht vollständig transportieren. Deswegen werden weiterhin Menschen beispielsweise Seattle als Zentrum des Grunge besuchen[Fn23], andere werden in New York die letzten Originalplätze des frühen HipHop besichtigen. Bei einigen subkulturell bedeutsamen Orten an den Rändern der ersten Welt, wie Jamaika für Reggae und seine Abarten oder Sao Paulo und Rio de Janeiro für den Favela-Funk, ist es heute noch relativ wichtig, in dortigen Plattenläden nach verborgenen Schätzen zu suchen. Große Teile der dort produzierten Musik liegen nicht digital vor oder erreichen den europäischen und nordamerikanischen Markt nicht. Von diesen Fällen abgesehen gibt es heute keine logische Grenze mehr beim Zugriff auf subkulturelle Produkte und deshalb auch keinen Grund, dass Bibliotheken nicht auch den Zugang zu diesen ermöglichen sollten.

Daneben ergibt sich aus der digitalen Verbreitung subkultureller Produkte eine neue Anforderung an den Sammelauftrag von Bibliotheken. Es ist nicht einzusehen, warum Medienformen, welche den Medien- und Kommunikationsalltag eines relevanten Teils der Bevölkerung prägen, nicht von Bibliotheken in ihrem Bestand abgebildet werden sollten. Diese Medien werden allerdings, obwohl sie für die Entwicklung der Gesellschaft relevant sind und ihre Erwerbung relativ kostengünstig möglich wäre, bei der Bestandsentwicklung zumeist ignoriert. Abgesehen davon ist der Anspruch von Bibliotheken, zur Ausprägung von Medienkompetenz beitragen zu können, nicht haltbar, wenn die reale Nutzung von Medien durch die Bevölkerung nicht im Bestand und der Arbeit des Personals reflektiert wird. Nicht zuletzt sind Subkulturen immer auch Vorreiter kultureller Veränderungen. Man kann davon ausgehen, dass deren Nutzung von Medien mit einer gewissen Verzögerung Einfluss auf die allgemeine Mediennutzung hat und dass ein Nachvollziehen dieser Praktiken Hinweise darauf geben kann, mit welchen Ansprüchen und Kompetenzen ein wachsender Teil potentieller Nutzerinnen und Nutzer zukünftig an Bibliotheken herantreten wird.

Dies bedeutet, dass die bisherige Praxis Öffentlicher Bibliotheken, vor allem kommerziell erfolgreiche Alben zu erwerben, nicht mehr ausreicht. Diese bilden – falls sie dies überhaupt je taten – nicht mehr die Entwicklung der Subkulturen ab. Teilweise lässt sich dies mit der Entwicklung im Rahmen wissenschaftlicher Publikationen parallelisieren. Bekanntlich hat sich in der Physik die Bedeutung von Veröffentlichungen in Zeitschriften in den letzten Jahren rasant geändert. Die Publikation von Forschungsergebnissen als Preprint ist in diesem Fach die bevorzugte Form der wissenschaftlichen Kommunikation und die Veröffentlichung in Zeitschriften eine nachträgliche Anerkennung von Bestleistungen. Eine wissenschaftliche Bibliothek, welche keinen Zugang zu relevanten Preprint-Servern ermöglicht, sondern nur physikalische Zeitschriften halten würde, könnte deshalb keine wissenschaftliche Diskussion abbilden, sondern nur noch Endergebnisse physikalischer Debatten. Dies würde die Bibliothek als Infrastruktur gebende Institution für die wissenschaftliche Arbeit überflüssig machen. Ähnliches gilt in Bezug auf Subkulturen für Öffentliche Bibliotheken, die einzig erfolgreiche Alben in ihren Medienbestand aufnehmen. Sie würden die Ergebnisse von Subkulturen dokumentieren, wenn diese zumeist als eigenständige Szenen längst untergegangen sind.

Die Parallele lässt sich weiter verfolgen. Physikerinnen und Physiker werden sich auch ohne Bibliotheken einen Zugang zu Preprint-Servern verschaffen, wenn sie diesen benötigen. Ebenso werden sich Menschen, die ein Interesse an einer Subkultur haben, sich ihren Zugang zu dieser ohne Bibliotheken verschaffen. Dies macht oft gerade den Reiz der Zugehörigkeit zu einer Szene aus: Einer Subkultur anzugehören, heißt letztlich immer über einen abrufbereiten, feldspezifischen Wissensschatz zu verfügen, der Menschen außerhalb der Subkultur nicht zugänglich ist.[Fn24]

Bibliotheken sollten es als ihre Aufgabe verstehen, ein solches Wissen Menschen zu Verfügung zu stellen, die sich für eine spezifische Subkultur interessieren oder von einem solchen Wissen profitieren können, ohne schon Mitglied dieser Szene zu sein oder es jemals werden zu wollen.

Je kulturell eintöniger das Einzugsgebiet einer Bibliothek, umso mehr müsste sie diese Aufgabe erfüllen. In Berlin, Hamburg oder Frankfurt am Main werden sich Menschen mit einiger Anstrengung selber den Zugang zu unterschiedlichen Subkulturen und dem dazugehörigen Wissen verschaffen können. Außerhalb dieser subkulturellen Zentren wird dies schon schwerer, obwohl paradoxerweise ein Großteil dieses Wissens im Internet verfügbar ist. Für das Entdecken von Subkulturen bedarf es eines Anstoßes und bei vielen Menschen auch einer ersten Einführung in die szenespezifischen Strukturen und Wissensbestände. Zu den Zeiten, in denen die meisten Subkulturen erst wirklich relevant wurden, als die ersten kommerziell erfolgreichen Alben erschienen, war dies weit einfacher zu bewerkstelligen, beispielsweise über den Konsum von Jugend- und Popmusikzeitschriften.

Anders und kürzer ausgedrückt: Jugendliche außerhalb der Städte müssen die Möglichkeit erhalten, aus der oft vorherrschenden kulturellen Einseitigkeit auszusteigen. Dies werden nur Wenige eigenständig unternehmen können. Bibliotheken müssten in der Lage sein, vor allem den restlichen Jugendlichen den Weg zu einer Anzahl von Subkulturen zu ermöglichen.


Aufgabenstellungen für die bibliothekarische Arbeit

Martina Claus-Bachmann beschäftigte sich in ihrer empirisch angelegten Studie über die musikkulturelle Erfahrungswelt Jugendlicher mit den Aufgaben, die sich aus modernen Subkulturen für Schulen, insbesondere für den Musikunterricht, ergeben. Sie kommt dabei zu einer Einschätzung, welche sich grundsätzlich auf Bibliotheken übertragen lässt:

Wenn Schule mehr sein soll als eine unvermeidbar abzuhakende Zertifikationsanstalt zur weiterführenden Ausbildung, wenn Schule wirklich Lebens-, Erfahrungsraum und Entfaltungssphäre bieten soll, dann muss sie sich den gesellschaftlichen Realitäten des Pluralismus und der Multikulturalität mit all ihren Facetten, den unbequemen und den interessanten öffnen, muss ein neues flexibles Instrumentarium im Umgang mit Fremdem, Andersartigem nicht nur im Hinblick auf vordergründige Fremdheit entwickeln.[Fn25]


Abschließend leitet sie aus ihrer intensiven Beschäftigung mit der jugendlichen Rezeption subkultureller Angeboten folgende pädagogischen Ziele ab:[
Fn26]

  1. Gewinn und Förderung von Gestaltungskompetenz für die eigene Identitätskonstruktion der Jugendlichen.
  2. Respekt vor der Identitätskonstruktion des Anderen.
  3. Bewusstsein für die Notwendigkeit friedlicher Koexistenz kultureller Systeme.

Die Beschäftigung mit Subkulturen ist nach Claus-Bachmann also kein Selbstzweck, sondern auch ein Beitrag zu einer von individueller Freiheit und Toleranz geprägten Gesellschaft. Allerdings stellen sich mit der Aufgabe, wenn sie denn für Bibliotheken akzeptiert wird, Subkulturen soweit als möglich abzubilden, größere Probleme. Eine grundlegende Herausforderung bestünde darin, die existierenden Subkulturen zu verfolgen. Das versuchen Bibliotheken heute zumeist, wie weiter oben angedeutet wurde, indem sie Musikzeitschriften aus ihrem Bestand auswerten. Problematisch ist dabei, dass diese Zeitschriften die Entwicklungen von Subkulturen nicht zeitnah abbilden und, wenn überhaupt, nur einen kurzen Einblick in schon relativ etablierte Kulturen ermöglichen. Trendsetter im Bereich der Subkulturen sind Zeitschriften, die zu abonnieren sind, schon länger nicht mehr. Dies ist bei szeneinternen Fanzines etwas anders, jedoch werden diese von Bibliotheken selten gesammelt.

Um den eigenen Nutzerinnen und Nutzern einen Einblick in Subkulturen zu ermöglichen, müssen Bibliotheken dort Informationen über Subkulturen einholen, wo diese sich konstituieren: in der Blogosphäre, aktuell noch auf Myspace.com, gewiss demnächst auch auf anderen Plattformen. Dabei müsste es ebenfalls darum gehen, die jeweilige Szene und ihre Gepflogenheiten zu kennen. Im besten Fall also, einigen szeneinternen Diskussionen beizuwohnen und für einige Veranstaltungen beobachtend in sie einzutauchen. Das ist schwierig, weil sich Subkulturen, wenn sie sich außerhalb des virtuellen Raumes konstituieren, zumeist sehr jugendlich geprägt sind und einem oder einer ab einem bestimmten Alter das Eintauchen in die Szenen schwer fällt.[Fn27]

Erschwert wird die Sache weiterhin, wenn einem die jeweilige Musik und Attitüde der meisten Subkulturen überhaupt nicht zusagt. Nicht zuletzt, da jede Subkultur mit bestimmten Drogen in Zusammenhang steht. Das Verhalten der Angehörigen einer Subkultur, ihr Habitus und die Wirkung von Musik ist zumeist nur verständlich, wenn man den jeweiligen Drogenkonsum – also sowohl die Wirkung der Drogen selber als auch die spezifischen Rituale des Konsums – mit einbezieht. Im Rahmen einer Recherche lässt sich selbstverständlich nicht fordern, diese selbst einzunehmen, es ist bei den meisten Substanzen zudem verboten.[Fn28]

Andererseits ist ein Zugang zu einer Subkultur notwendig, um diese nachvollziehen zu können. Zumindest muss für die unterschiedlichen Entwicklungen ein Interesse entwickelt werden. Sicher ist es dafür von Vorteil, selbst Teil einer Subkultur zu sein.

Letztlich wird man einen Geschäftsgang entwickeln müssen, der sich auf subkulturelle Medien spezialisiert. Eine der Aufgabe wird das Verfolgen von Subkulturen und deren Medien sein. Dies wird eine einzelne Bibliothek niemals ausreichend leisten können, obwohl sie es – ihrer Aufgabe entsprechend – tun sollte. Die Lösung hierfür muss wohl in einer übergreifenden Kooperation bestehen, was allerdings bei elektronischen Medien, die zudem größtenteils frei verbreitet werden, relativ einfach möglich sein sollte. Nicht zuletzt sollte für Personal gesorgt werden, welches diese Aufgabe übernehmen kann, was heißen wird, regelmäßig neues Personal einzustellen, einfach weil eine Grundbegeisterung für aktuelle Subkulturen vorhanden sein muss, wenn diese nachverfolgt werden sollen. Andere Vorgehensweisen, bei denen für die Beobachtung von möglichst vielen Subkulturen immer wieder das gleiche Personal eingesetzt wurde, haben sich schon im Rahmen der Musikindustrie als ineffektiv erwiesen.

Bei all dem wird man die reale Entwicklung der Subkulturen nie vollkommen aktuell abbilden können. Ein Merkmal jeder sich entwickelnden Subkultur ist es, sich so schnell zu entwickeln, dass man ihr einen großen Zeitanteil widmen muss, um den jeweiligen Entwicklungen direkt folgen zu können. Subkulturen sind für ihre Angehörigen zumeist ein Hauptinhalt ihres Lebens. Allerdings wird eine Bibliothek auch nie als grundlegendes Repository für die Elite einer Subkultur dienen. Jede Subkultur bildet eigene Einrichtungen und Informationsinfrastrukturen aus, eine Bibliothek wird hingegen immer als eine Einrichtung wahrgenommen werden, die einer anderen Sphäre angehört. Die Elite einer Subkultur kann deshalb nicht das Ziel bibliothekarischer Arbeit sein, sondern hauptsächlich diejenigen Menschen, welche sich für Subkulturen interessieren, ohne fester Teil einer Szene zu sein. Diese Menschen werden unter Umständen später selber Teil der jeweiligen Subkultur werden. Vielleicht werden sie diese aufgrund der Medien, die sie in Bibliotheken finden, auch selber vor Ort aufbauen können. Zumindest könnten sie die Möglichkeit erhalten, ein ausreichendes bibliothekarisches Angebot vorausgesetzt, eine selbst bestimmte kulturelle Identität auszuprägen.

In diesem Artikel wurde bislang vorrangig von elektronischen Medien gesprochen. Dies ist stark vereinheitlichend. Es handelt sich dabei nicht nur um Audiodateien in unterschiedlichen Formaten und Größen, sondern auch um Profile bei verschiedenen Webportalen, ganze Weblogs und Homepages, Graphiken, Logos, Flyer und Fanzines im PDF-, HTML- oder Flash-Format. Zumal gerade die Audiodateien sich inhaltlich je nach Subkultur weiter differenzieren. Gerade in Subkulturen, in denen Mixtapes und Remixe eine große Rolle spielen – etwa die gesamte elektronische Tanzmusik, HipHop, Grime, Dancehall – ist nicht nur das einzelne Medium, also der eine Track, von Bedeutung. Wichtiger ist meist, wer wen wie und warum mixt oder inhaltlich aufgreift. Ist es ein Remix, der Respekt bezeugen soll? Soll er jemand angreifen? Und wenn ja, wer soll angegriffen werden: der Originaltrack? Der Künstler, die Künstlerin? Ein anderer Remix? Oder ist der Mix dazu da, dass Können des Remixenden zu beweisen? Das Problem ist aus der Bibliometrie bei der Bestimmung und Wertung unterschiedlicher Zitationsgründe in wissenschaftlichen Texten bekannt. Notwendig ist zudem die Entwicklung technischer Lösungen, um diese Medien zu sammeln, zu erschließen und zu verleihen.[ Fn29]

Die da sind's. Oder nicht?
Wenn man nicht in mittendrin steckt, ist es mitunter nicht ganz einfach, die Codes und Verhaltensweisen der jeweiligen Subkulturen adäquat zu entschlüsseln. Auch wenn Bibliotheken dies nicht immer ganz auf Augenhöhe vermögen, so können sie doch wenigstens mögliche mediale Zugangspunkte berücksichtigen.

Subkulturen konstituieren sich immer durch eine jeweils szenespezifische Aneignung unterschiedlicher Medienformen im Sinne von kulturellen Artefakten, nicht nur als Auseinandersetzung mit einzelnen Informationen. Auch deshalb ist es falsch anzunehmen, eine Subkultur mit einem Bestand an populären Medien dieser Subkultur schon abgebildet und verständlich gemacht zu haben. Wer eine Subkultur nachvollziehen und dokumentieren will, wird sich dem Problem stellen müssen, szeneinterne Zusammenhänge und Verweise, die über Medien vermittelt werden, abzubilden.

Nicht zuletzt müssen rechtliche Probleme geklärt werden. Subkulturen setzen sich in der Regel über das Copyright hinweg. Dies ist der einzige Weg, die Kreativität einer Subkultur überhaupt zu ermöglichen. Teilweise wird die kreative Mediennutzung sogar zu einem Definitionsmerkmal von Szenen und erfährt beispielsweise in der Fan-Art, die sich letztlich auch beständig über das Copyright hinwegsetzt, große Beachtung.[Fn30] Mixe entstehen zumeist, indem bedenkenlos Originalstücke verwendet werden, ohne das zuvor die Rechte eingeholt würden. Dieses Vorgehen ermöglicht, dass Mixe relativ schnell und kostengünstig entstehen können und ist innerhalb einer Subkultur oft akzeptiert. Zudem wird in allen musik-basierten Subkulturen Musik Anderer bei Liveauftritten verwendet. Dies ist Teil der Konstitution und Selbstvergewisserung einer Szene. Allerdings wird dies nicht für Bibliotheken möglich sein.
Hinzu kommt die Angewohnheit von Szeneangehörigen, sich Musik, die in Deutschland noch nicht veröffentlicht ist, anderswo aber schon, herunterzuladen. Dies ist nachzuvollziehen, da der Zugang zur jeweils neuesten Medienproduktion für die Entwicklung von Subkulturen notwendig ist. Rechtlich findet dieses Vorgehen in einer Grauzone statt, da letztlich bis zu einer Veröffentlichung in Deutschland niemand durch dieses Herunterladen geschädigt wird.[
Fn31] Ob und in welcher Form Bibliotheken dies ebenfalls tun dürfen und sollten, scheint noch geklärt werden zu müssen.


Medienformen als Fetisch

Subkulturen zeichnen sich durch einen spezifischen Mix von präferierten Medienformen aus. Welche Medienform bevorzugt wird, ist in den Subkulturen unterschiedlich, doch in jeder sind bestimmte Medienformen akzeptiert und werden andere tendenziell abgelehnt. Falls Bibliotheken die Aufgabe übernehmen sollen oder wollen, Subkulturen abzubilden, müssen sie diese Präferenzen bei der Bestandsentwicklung reflektieren.

Für musik-basierte Subkulturen heißt dies, dass die Konzentration auf CDs, die in den meisten Beständen von Bibliotheken heute vorherrschen, kontraproduktiv ist. Diese Medium hat seine Vormachtstellung, die es in den 1990er Jahren erlangt hatte, längst verloren. Ein überwiegender Anteil der Musik wird heute elektronisch verbreitet und genutzt, auch von den Nutzerinnen und Nutzern von Bibliotheken. Ob, und wenn ja, wie Bibliotheken sich auf diesen Medienwandel einstellen können, wird nur selten thematisiert.

Daneben nimmt allerdings die Bedeutung von Vinyl-Platten wieder zu, obwohl diese im Bereich der Popmusik kaum noch in Bibliotheken vorhanden sind. In den 1990er Jahre schien es, als ob Vinyl keine Rolle mehr spielen würde. Zwar gab es immer Subkulturen, die von DJs und DJanes geprägt waren, welche hauptsächlich Vinyl auflegten. Doch schien dies nur eine temporäre Erscheinung. Die Entwicklung war jedoch eine andere. Heute werden Schallplatten in einer weit besseren mechanischen Qualität als in den späten 1980er Jahren hergestellt und in großer Zahl verkauft. In einigen Musikbereichen haben die Verkaufszahlen von Vinyl die Verkaufzahlen der CDs überstiegen. Szenen, die sich erst langsam den CDs geöffnet hatten, haben diese praktisch schon wieder ausgeschlossen. Wieso das so ist, ist eine interessante Frage, die hier nicht beantwortet werden kann. Unter Umständen hat es damit zu tun, dass Vinyl als Fetisch weit mehr taugt, als eine CD. Dies ist parallelisierbar mit Büchern, die extra schwer produziert werden, um im Buchhandel und dem Buchregal den Eindruck zu vermitteln, inhaltlich wertvoll zu sein. Ein anderer Grund könnte im Erfolg von Musik aus karibischen Ländern liegen.[Fn32] In diesen Ländern hat sich die CD nicht so durchgesetzt, wie dies in der ersten Welt der Fall war, sondern stand und steht beständig mit Vinyl in Konkurrenz.

Es gibt zudem eine wachsende Zahl von ernstzunehmenden Vorhersagen, die davon ausgehen, dass die nächsten großen kulturellen Trends aus Afrika kommen werden. Kwaito hatte vor einigen Jahren schon einmal ein nicht nachhaltiges Hoch in Europa und Nordamerika. Allerdings kommt Kwaito zumeist aus Südafrika, dem reichsten und am stärksten europäisch geprägten Staat Afrikas. Dort sind CDs relativ weit verbreitet.[Fn33] Erwartet wird allerdings, dass Musik aus anderen afrikanischen Staaten demnächst in Europa eigenständige Subkulturen motivieren könnte, ähnlich wie es Dancehall und Soca in den letzten Jahren getan haben. Im Zuge einer solchen Etablierung wird mit großer Wahrscheinlichkeit neben Vinyl auch die Musikkassette wieder zu einem wichtigen Medium werden. Kassetten stellen in Afrika, angesichts der dortigen schlechten Internetinfrastruktur, weiterhin das zuverlässigste und billigste Medium für die Musikverbreitung stellen.

Digitale Musikfiles, Online-Portale, gedruckte und nicht gedruckte Fanzines, Vinyl, Musikkassetten und CDs – auf diese Medienvielfalt werden sich Bibliotheken wieder einstellen müssen, da dies der Medienmix sein wird, mit dem die zukünftigen potentiellen Nutzerinnen und Nutzer von Bibliotheken leben werden.

Literatur

Binder, Jana (2001) Is' ja net jeder der vom Kaff kommt gleich e'n Bauer: Jugendkulturelle Praxen in ländlichen Regionen. Münster, Hamburg, London, LIT. (Volkskunde; 10)

Chang, Jeff / Kool DJ Herc (2005) Can't Stop Won't Stop: A History of the Hip-Hop Generation. New York : St. Martin’s Press

Claus-Bachmann, Martina (2005) Die musikkulturelle Erfahrungswelt Jugendlicher: Ein kulturwissenschaftlicher Deutungsansatz und seine musikpädagogische Relevanz. Giessen, Umle Mini Verlag. (Musikpädagogik als Kulturwissenschaft)

Dany, Hans-Christian (2008) Speed. Eine Gesellschaft auf Droge. Hamburg, Edition Nautilus

De:bug (2006) Titelthema Grime. In: De:bug 97/Januar 2006
http://www.de-bug.de/texte/index.php?ausgabe=97

Fischer, Arthur / Fritzsche, Yvonne / Fuchs-Heinritz, Werner / Münchmeier, Richard (2000) Jugend 2000: 13. Shell Jugendstudie. 2 Bände. Opladen, Leske + Budrich

Fritzsche, Bettina (2003) Pop-Fans: Studie einer Mädchenkultur. Opladen, Leske + Budrich. (Geschlecht und Gesellschaft ; 31)

Gelder, Ken (2007) Subcultures. Cultural histories and social practies. London, New York, Routledge

Hitzler, Ronald / Bucher, Thomas / Niederbacher, Arne (2005) Leben in Szenen: Formen jugendlicher Vergesellschaftung heute. 2. Auflage. Wiesbaden, VS. (Erlebniswelten ; 3)

Hurrelmann, Klaus / Albert, Mathias / TNS Infratest Sozialforschung (2006) Jugend 2006: 15. Shell Jugendstudie: Eine pragmatische Generation unter Druck. Bonn, Bundeszentrale für politische Bildung

Hurrelmann, Klaus / Albert, Mathias / infratest Sozialforschung (2002) Jugend 2002: 14. Shell Jugendstudie. Bonn, Bundeszentrale für politische Bildung

Kinder, Katharina / Kretschmer, Dirk / Pallmer, Bodo (2004) Living Trekism. Welche Folgen hat die Entdeckung intelligenter Lebensformen vor dem Fernsehschirm? In: Kirschner, Lutz / Spehr, Christoph (Hrsg.) (2004) Out of this world! Reloaded. Neue Beiträge zur Science-Fiction, Politik & Utopie. Berlin, Karl Dietz Verlag (Rosa-Luxemburg-Stiftung, Manuskripte ; 49), S. 39-54 http://www.rosalux.de/cms/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Manuskripte/manuskripte_49.pdf

Kösch, Sascha (2008) Der neue Jamba-Frosch. Lützenkirchen ist nicht „3 Tage wach“. In: De:bug, 123/Juni 2008, S. 40-41

Masakazu, Yamazaki (2002) Die Entstehung eines sanften Individualismus. Zur Ästhetik der Konsumgesellschaft. München, Iudicium Verlag. (Japan und sein Jahrhundert)

Mhlambi, Thokozani (2004) 'Kwaitofabulous': The study of a South African urban genre . In: Journal of the Musical Arts in Africa, 1. Jg., S. 116-127.
http://www.jmaa.uct.ac.za/pdfs/JMAA_Vol1_Kwaitofabulous.pdf

Toop, David (2000) Rap attack 3. African rap to global hip hop. London: Serpent's Tail

Fußnoten

[Fn 1] Ich danke Evelyn Rahm für die intensive kritische Lektüre früherer Versionen dieses Textes. (zurück)

[Fn 2] Um nicht falsch verstanden zu werden: auch außerhalb von Städten finden sich Subkulturen, zudem schaffen sich gerade Jugendliche aus Dörfern und kleineren Städten sehr schnell Möglichkeiten, Angebote außerhalb ihrer Wohnorte, insbesondere in den nächsten größeren Städten, zu erschließen. Allgemein scheint die Mobilität der ländlichen Jugend weit größer zu sein und einen größeren Raum zu umfassen, als die Mobilität der städtischen Jugend. Gleichwohl ist der ländliche Raum zumeist kulturell einheitlicher und der Druck, einer spezifischen Lebensvorstellung zu folgen, allgemein stärker als in Großstädten. Vgl. zum subkulturellen Leben im ländlichen Raum Binder (2001). (zurück)

[Fn 3] Diese Subkulturen sind nach einer Formulierung von Hitzler / Bucher / Niederbacher (2005) thematisch auf eine Musikrichtung fokussiert. Dies muss nicht unbedingt so sein: Sportarten, politisches Engagement, Interesse für Science Fiction oder andere Freizeitbeschäftigungen können ebenso im Fokus von Subkulturen stehen. Das Interessante ist gegenwärtig, dass es einerseits mehr Subkulturen zu geben scheint, die nebeneinander existieren und dass andererseits diese Subkulturen nicht mehr mit einem unbedingten Absolutheitsanspruch verbunden sind. Heute ist es, weit mehr als früher, einfacher an mehreren Subkulturen zu partizipieren. Parallel dazu lösen sich Verbindungen von Subkulturen, die lange als selbstverständlich angesehen wurden – beispielsweise zwischen antifaschistischer Jugendkultur und Punk oder zwischen HipHop, Graffiti und Breakdance – auf. Vgl. zur Bedeutung von Musik für die Identitätskonstruktionen Jugendlicher und die Tendenz zu patchworkartigen Rezeptionen subkultureller Angebote Claus-Bachmann (2005). (zurück)

[Fn 4] Zur Geschichte des HipHop sind zahllose Werke entstanden. Stilbildend ist dabei David Toop mit seinem beständig aktualisiertem Werk „Rap Attack“. Vgl. Toop (2000). Einen gewissen Gegenentwurf, welcher HipHop als Ergebnis der us-amerikanischen Einwanderungsgesellschaft beschreibt und nicht, wie sonst, als vorrangig „schwarze Musik“ bieten Jeff Chang und Kool DJ Herc (2006), welche den hispanischen und karibischen Einfluss hervorheben. (zurück)

[Fn 5] Dies passierte zeitgleich auch in Detroit, wo in dieser Zeit die Grundlage für elektronische Clubmusik gelegt wurde. (zurück)

[Fn 6] Der Film Block Party (2005) von Dave Chappel versucht eine solche Party zu reinszenieren. Das Ergebnis kann einen Eindruck von der Stimmung solcher Partys vermitteln, obwohl selbstverständlich das Gefühl, einer jungen und modernen Subkultur anzugehören, mit einer Reinszenierung nicht überliefert werden kann, zumal HipHop eine der einflussreichsten Richtungen der populären Musik geworden ist. (zurück)

[Fn 7] Zu Grime siehe umfassender De:bug (2006), das Wiki http://www.grimepedia.co.uk/ und für die Berliner Szene das Weblog http://www.grimetime.de (zurück)

[Fn 8] Vgl. http://www.bbc.co.uk/1xtra/. Hinzu kam relativ schnell eine negative Berichterstattung der britischen Yellow-Press, die in Deutschland und anderen Staaten überhaupt keinen Gegenpart hatte. (zurück)

[Fn 9] Ein Effekt dieser Internetfixierung ist, dass heute Teile der Musik von Menschen, die nur eine Zeit lang selber aktiv waren, nicht mehr erreichbar sind, ohne dass diese irgendwo dokumentiert wurde. Diese Daten, also vor allem die Musik und die Debatten aus der Entstehungszeit des Grime, sind höchstwahrscheinlich nicht mehr zu rekonstruieren. (zurück)

[Fn 10] Das heißt nicht, dass es nicht auch heute Teile der Öffentlichkeit gibt, die Subkulturen vor allem als Bedrohung wahrnehmen. Binder (2001) zitiert in ihrer ethnographischen Studie zur Jugend auf dem Land Vertreter einer Dorfgemeinschaft, die solche Haltungen sehr radikal und gegen alle empirischen Fakten, die ein anderes Bild zeichnen, vertreten. (zurück)

[Fn 11] Bedeutsam sind zu diesem Themengebiet die aktuelleren Ausgaben der Shell Jugendstudien: Hurrelmann / Albert / TNS infratest (2006), Hurrelmann / Albert / Infratest (2002), Fischer et al. (2000). (zurück)

[Fn12] Hitzler / Bucher / Niederbacher (2005), S. 20. (zurück)

[Fn 13] Hitzler / Bucher / Niederbacher (2005), S. 19-30. (zurück)

[Fn 14] Ältere politische Bewegungen heißt hier die politischen Bewegungen bis mindestens in die früheren 1930er Jahre, die neben der jeweiligen Partei oder – im Anarchismus und Anarchosyndikalismus – Hauptorganisation eine jeweils eigene Vereins- und Versorgungskultur etablierten, in deren Rahmen die Angehörigen der Bewegungen ihr Leben organisieren konnten. Dies ist heute – obwohl es immer wieder Neugründungsversuche und überbliebene Traditionsbestände gibt – bei politischen Parteien in liberalen Demokratien nicht mehr üblich. (zurück)

[Fn 15] Hitzler / Bucher / Niederbacher (2005), S. 22 (zurück)

[Fn 16] Vgl. auch Yamazaki Masakazu (2002), der im Vorwort zur deutschen Auflage seiner Studie zur Entstehung moderner Individualität im modernen Japan ein ähnliches Phänomens des Entstehens gesellschaftlich relevanter virtueller Räume anhand der Handynutzung der japanischen Jugend – die der deutschen einige Jahre voraus ist – beschreibt. (zurück)

[Fn 17] Dies ist der Fall bei der von Binder (2001) beschriebenen Dorfgemeinschaft. (zurück)

[Fn 18] Hitzler / Bucher / Niederbacher (2005), S. 27(zurück)

[Fn 19] Die Geschichte von Subkulturen lässt sich selbstverständlich weiter zurückverfolgen. Vgl. Gelder (2007), der Subkulturen Mitte des 16. Jahrhunderts in London das erste Mal auftreten lässt und eine kurze Geschichte von Subkulturen skizziert. Das neue an den modernen Subkulturen ist, dass sie etwa seit Mitte des 20. Jahrhunderts nicht mehr ausschließlich als abgeschlossene und deviante gesellschaftliche Gruppen gelten, sondern zunehmend akzeptiert wurden. (zurück)

[Fn 20] Ein aktuelles Beispiel eines solchen unerwarteten Hits ist 3 Tage wach von Lützenkirchen. Lützenkirchen hat Jahre lang Trance und Elektro produziert, ohne über diese beiden Szenen hinaus zu wirken. 3 Tage wach ist nur im Kontext dieser Szenen zu verstehen. Der Track ist eine zustimmende, aber auch ironische Schilderung des Fetischs der Selbstverausgabung, der Infantilisierung und des Konsums von Amphetaminen und Alkohol in diesen Subkulturen. Trotzdem hat das Stück Charterfolg, weite Presseresonanz und – schaut man sich beispielsweise die Remixe und Videos dazu auf Youtube an – eine Wirkung, die weit über die großstädtischen Szenen, für die er zutreffend ist, hinausgeht. Vgl. Kösch (2008) und http://www.drei-tage-wach.de/. (zurück)

[Fn 21] Nicht zu Unrecht wird argumentiert, dass eine ähnliche Situation vor der massenhaften Verbreitung von Tonträgern die Musikindustrie gekennzeichnet hätte und somit nicht wirklich neu sei. Allerdings lebt heute in der sogenannten ersten Welt kaum noch ein Künstler oder eine Künstlerin, welche in dieser Zeit schon Musik gemacht haben. In anderen Teilen der Welt hat sich eine Musikindustrie, die auf dem Verkauf von Tonträgern basierte, nicht überall herausgebildet. (zurück)

[Fn 22] Den Anspruch, Jugendliche oder – als Ersatz für diese – zumindest Auszubildende der Bibliothek als Expertinnen und Experten für den Bestandsaufbau heranzuziehen, vertreten in Deutschland mehrere Bibliotheken explizit. Bekannt sind die medien@age (Städtische Bibliotheken Dresden, http://www.medienetage-dresden.de), freestyle (Stadtbücherei Düsseldorf, http://www.duesseldorf.de/stadtbuechereien/standpunkte/freestyle.shtml) und HOEB4U (Bücherhallen Hamburg, http://www.hoeb4u.de). Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass dieses Vorgehen weiter verbreitet ist. (zurück)

[Fn 23] Dass andere Menschen Seattle als Geburtsort von Jimi Hendrix besuchen, zeigt wie wenig ein Ort heute auf eine eindeutige subkulturelle Identität festgeschrieben werden kann. Dies ist bei New York noch schwieriger. (zurück)

[Fn 24] Eine Sinnhaftigkeit dieses Wissens ist außerhalb der jeweiligen Szene oft nicht gegeben. Der Großteil der Gesellschaft interessiert sich für subkulturell-spezifisches Wissen oft gar nicht, deshalb ist das Szenewissen zumeist nicht wirklich geheim, sondern teilweise nur gesellschaftlich irrelevant. Beispielsweise ist das Wissen darüber, wie die einzelnen Spieler einer Fußballmannschaft heißen, welche Stärken und Schwächen sie haben und wie die aktuelle Mannschaft trainiert im Alltag bedeutungslos. Für die Teilhabe an der Fangemeinschaft der jeweiligen Mannschaft ist ein solches Wissen allerdings essentiell. Die Auseinandersetzung mit solchen Informationen produziert erst einen gemeinschaftsbildenen Diskurs einer Szene. Vgl. zu Verwendung von szenespezifischen Informationen auch die Studie von Bettina Fritzsche (2003) über weibliche Fans von Boygroups. (zurück)

[Fn 25] Claus-Bachmann (2005), S. 10.(zurück)

[Fn 26] Claus-Bachmann (2005), S. 218-226. (zurück)

[Fn 27] Diese Problem wird in jeder ethnographischen Feldstudie über Jugendkulturen gesondert als Problem thematisiert und ist auch in dieser Disziplin nicht gelöst. Zumeist forschen Angehörige oder ehemalige Angehörige einer Szene auch über diese und publizieren deshalb zumeist Ergebnisse, welche unter anderem Erfahrungen ihrer eigenen Jugend reflektieren. (zurück)

[Fn 28] Dabei leben wir paradoxerweise in einer Welt, die vom Drogengebrauch gezeichnet ist. Vgl. dazu aktuell Dany (2008). Gleichzeitig scheint nicht nur in Bibliotheken oft die Haltung vorzuherrschen, dass Drogen per se gefährliche Substanzen seien, die nur zur Realitätsflucht eingesetzt und deshalb einzig – solange es sich nicht um legalisierte Drogen wie Alkohol, Tabak oder Koffein handelt – die Abstinenz und die Förderung dieser Abstinenz richtig wäre. Laut der – allerdings immer umstrittenen – Gesetzgebung mag diese Haltung richtig sein. Ein Blick in Subkulturen verrät allerdings, dass diese Haltung stark verkürzt ist. Drogen wären nicht so populär, wie sie es sind, wären sie nur gefährlich oder ein Fluchtmittel aus der Realität. (zurück)

[Fn 29] Wobei hier einmal daran erinnert werden soll, dass Bibliotheken einst den Grundsatz entwickelten, dass Medienformen, die in einen Bestand aufgenommen werden, auch in der Bibliothek genutzt werden können müssen. Das bedeutet oft, die Abspielgeräte zur Verfügung zu stellen. Gerade bei DVDs scheinen Bibliotheken von dieser Vorstellung allerdings abgewichen zu sein. (zurück)

[Fn 30] Die bekannteste Fan-Art sind höchstwahrscheinlich die von Fans des Star Trek Universum. Vgl. Kinder / Kretschmer / Pallmer (2004).
Ein zeitgenössisches Beispiel ist der Angry Video Game Nerd, eine von James Rolfe dargestellte und hauptsächlich in den USA populäre Figur einer Online-Serie von Rezensionen bzw. Verrissen alter Konsolenspiele, die selber als Fan-Art für diese Spiele gelten kann. Der Nerd hat „seiner“ Fan-Art sogar eine eigene Rubrik gewidmet und sie somit offiziell anerkannt. (
http://screwattack.com/AVGN/Fan) In einer der Folgen seiner Serie (The Wizard and Super Mario Bros. 3, April 2008, http://www.gametrailers.com/player/33161.html) wurde überdies der Titeltrack aus Covern dieses Tracks zusammengesetzt und mit dem Text „Thanks to the fans!“ beendet. Der gleiche James Rolfe drehte zudem als Fan-Art für Rocky die Dokumentation „Rocky Jumped a Park Bench“ (http://www.youtube.com/watch?v=ZVwu-UbpPUw, http://www.youtube.com/watch?v=nBgN3EdYFP4).(zurück)

[Fn 31] Insbesondere, da bei Weitem nicht alle Musik, die anderswo veröffentlicht wird, jemals in Deutschland erscheint und dann der Zugang zu dieser Musik anders nicht wirklich möglich ist.. (zurück)

[Fn 32] Führend ist hier Jamaika, dass als Bezugspunkt für die gesamte Reggae- und Dancehallszene gilt, die in Deutschland extrem groß ist und beständig weiter wächst. Hinzu kommt eine wachsende Szene für Soca, welches sich auf Trinidad und Tobago bezieht. Die Szene für Reggeaton, die sich auf Puerto Rico und Dominikanische Republik bezieht, ist bisher vergleichsweise klein, dafür allerdings relativ stabil. (zurück)